Die Lufthansa hat im ersten Quartal 2021 einen Verlust von einer Milliarde Euro bekanntgegeben und im gleichen Atemzug angekündigt, weitere 10.000 Arbeitsplätze abzubauen.
Schon im letzten Jahr hatte sich der angekündigte Personalabbau von zunächst 30.000 auf 50.000 Stellen erhöht. Mit den jetzt angedrohten Entlassungen würde die Zahl auf 60.000 steigen, das wären ausgehend von knapp 138.000 Beschäftigten im Jahr 2019 mehr als 43 Prozent. In den zurückliegenden zwölf Monaten hat der Konzern nach eigenen Angaben weltweit etwa 24.000 Vollzeitstellen abgebaut, was rund 25.700 Beschäftigten entspricht.
Lufthansa-Finanzvorstand Remco Steenbergen hatte gedroht, nun auch betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. „Wir bereiten uns auf Entlassungen vor“, drohte er bei der Vorlage der Quartalszahlen. Man wolle 10.000 Vollzeitstellen streichen „oder im vergleichbaren Maße Personalkosten einsparen“. Das wird den Gewerkschaften als Argument dienen, zusätzliche Gehaltskürzungen zu vereinbaren, um angeblich Arbeitsplätze zu retten.
Im letzten Jahr hatten die bei der Lufthansa vertretenen Gewerkschaften Verdi, VC (Vereinigung Cockpit) und UFO (Unabhängige Flugbegleiter Organisation) dem Lufthansa-Vorstand einen Einkommensverzicht von insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro angeboten. Cockpit hatte zugestimmt, die Pilotengehälter um bis zu 50 Prozent zu senken. Die Lufthansa spart dadurch rund 600 Millionen Euro. UFO hat Kürzungen vereinbart, die dem Konzern bis Ende 2023 Einsparungen von einer halben Milliarde Euro bringen.
Und zuletzt hatte Verdi im November 2020 dem Konzern das Urlaubs- und Weihnachtsgeld der Bodenbeschäftigten geschenkt sowie einen Lohnstopp und den Verzicht auf Zulagen bis Ende 2021 verhängt. Dadurch „leisten die Bodenbeschäftigten einen Sparbeitrag von mehr als 200 Millionen Euro zur Bewältigung der Krise“, hatte damals Verdi-Vizechefin Christine Behle erklärt, die auch stellvertretende Vorsitzende des Lufthansa-Aufsichtsrats ist. Durch die Einigung mit dem Bodenpersonal könnten im nächsten Jahr bis zu 50 Prozent Personalkosten dieser Beschäftigtengruppe eingespart werden, jubelte Personalchef Michael Niggemann.
Ein derartiger Einkommensverzicht bedeutete eine „neue Dimension des gewerkschaftlichen Ausverkaufs“, wie wir Anfang Dezember kommentierten.
Nun berichtet die Kranich-Airline, dass die operativen Aufwendungen um 51 Prozent auf vier Milliarden Euro gesenkt worden seien, nach 8,2 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Daher habe man trotz eines 60-prozentigen Umsatzeinbruchs im ersten Quartal (von 6,4 vor einem Jahr auf nun 2,6 Milliarden Euro) den Verlust entsprechend halbiert, von 2,1 auf eine Milliarde Euro.
Nun geht der Ausverkauf des letzten Jahres in die zweite Runde. Der aktuelle Verlust von einer Milliarde Euro soll aus der verbliebenen Belegschaft herausgepresst werden. Der Konzern verhandelt derzeit mit den Gewerkschaften für die Piloten (VC) und das Bodenpersonal (Verdi) über Kürzungen für das kommende Jahr 2022.
Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr bemängelt, Lufthansa und die Vereinigung Cockpit hätten sich bisher in der Krise von Zwischenlösung zu Zwischenlösung gehangelt. Bereits Ende März des kommenden Jahres laufe die aktuelle Krisenvereinbarung aus, mit der die Pilotengehälter empfindlich gekürzt wurden.
Nun hat er angedeutet, wie die Kürzungen dauerhaft verankert werden sollen. Im Dezember hatte die Lufthansa den „Personalüberhang“ auf 1000 Piloten und Co-Piloten oder 20 Prozent aller Cockpit-Beschäftigten beziffert. In den aktuell laufenden Verhandlungen zwischen Lufthansa und VC gehe es darum, die Kosten über verpflichtende Teilzeitmodelle einzusparen. „Letztendlich machen dann fünf Piloten den Job von vier – jeder fliegt 80 Prozent und dafür muss keiner gehen“, erklärte Spohr. Es versteht sich von selbst, dass auch die Gehälter um 20 Prozent gekürzt werden.
Die Vereinigung Cockpit hat bereits ihre Bereitschaft zu solchen Teilzeitmodellen für die rund 5000 Piloten bei Lufthansa, Lufthansa Cargo, Germanwings und LAT (Lufthansa Aviation Training) signalisiert.
Dass diese Angriffe auf Arbeitsplätze und Gehälter nicht einfach den Verlusten aufgrund der Corona-Pandemie geschuldet sind, zeigt die Situation bei der Lufthansa Cargo. Während im Passagiergeschäft alle Konzern-Airlines Verluste verzeichneten, erzielte der Konzern im Frachtgeschäft erneut einen Rekordgewinn. Nicht nur, dass auch Passagiermaschinen als Frachtflugzeuge dienen. Aufgrund des gestiegenen Frachtaufkommens bei knappem Angebot sind aktuell auch die Preise hoch. Die Lufthansa Cargo verdiente operativ 314 Millionen Euro.
Dennoch hat Lufthansa bereits vor zwei Monaten angekündigt, fast die Hälfte ihrer Frachtpiloten zu entlassen. Die Branchenseite Aero.de berichtete Anfang Februar: „Ging Lufthansa Cargo mit 475 Piloten ins Krisenjahr 2020, will die Airline nach Informationen aus Unternehmenskreisen in Zukunft nur 250 Frachtpiloten beschäftigen.“
Ein Pilot berichtete der Website: „Wir fliegen seit Monaten für unsere Lufthansa am Limit. Jetzt werden uns ab August die Gehälter gekürzt und Frachtaufträge nach und nach an Aerologic ausgelagert. Die Stimmung kippt.“ Aerologic ist ein Joint Venture zwischen DHL und Lufthansa Cargo und tarifvertragslos. Die Gehälter sind in dieser konzerneigenen Billiglohntochter dementsprechend niedriger.
Den Lesern der World Socialist Website dürfte dieses Geschäftsgebaren bekannt vorkommen. Zahlreiche Flughafen- und Luftfahrtunternehmen agieren nach diesem Geschäftsmodell. Bei der WISAG Ground Service am Frankfurter Flughafen kämpfen seit nun fast einem halben Jahr 230 Arbeiter in der Verladung und Busfahrer um ihre Arbeitsplätze.
WISAG hatte im Dezember Beschäftigte entlassen, die seit Jahrzehnten am Frankfurter Flughafen gearbeitet hatten, weil sie sich weigerten, in ein anderes Tochterunternehmen zu wechseln und auf alle erworbenen Rechte zu verzichten. Inzwischen stellt die WISAG unter Leitung der Milliardärsfamilie Wisser günstigere Leiharbeiter für die erfahrenen, entlassenen Arbeiter ein.
Während die Beschäftigten unter dem Vorwand der Corona-Pandemie ausgepresst werden, nutzen der Vorstand und die Aktionäre die Pandemie, um sich Milliardengelder einzuverleiben.
Im Frühjahr letzten Jahres stellte die Bundesregierung der Lufthansa ein Rettungspaket von neun Milliarden Euro zur Verfügung. Das beflügelte die Aktie und steigerte die Vermögen der Kapitaleigner. Gleichzeitig diente es der Finanzierung des Kahlschlagprogramms.
Dass es staatlich unterstützten Konzernen untersagt ist, leistungsbezogene Boni für ihre Manager auszuzahlen, haben die Mitglieder des Lufthansa-Vorstands niemals wirklich akzeptiert. Laut einem Spiegel-Bericht ist ein Rechtsgutachten, dass der Juraprofessor Dirk Verse im Januar im Auftrag des Aufsichtsrats erstellte, zum Ergebnis gekommen, dass die Konzernführung ihren Anspruch auf bestimmte, vor dem Einstieg des Staates gewährte längerfristige Leistungsvergütungen geltend machen könne.
Auf der Sitzung des Lufthansa-Aufsichtsrats am 3. März sollte diese anteilige Boni-Auszahlung beschlossen werden. Die Bundesregierung intervenierte; nicht, weil sie den Vorständen die Boni nicht gönnt, sondern weil sie gegen EU-Wettbewerbsrichtlinien verstoßen und den innereuropäischen Konkurrenten zuspielen könnten.
Nun sind Vorstand und Aufsichtsrat der Lufthansa bestrebt, sich wieder von den Steuergeldern zu trennen. Das würde dann auch den Weg für Boni-Zahlungen frei machen – und womöglich sogar für Dividendenzahlungen an die Aktionäre.
Anfang April hatte Lufthansa angekündigt, bei der Hauptversammlung am kommenden Dienstag die Aktionäre über eine Kapitalerhöhung von 5,5 Milliarden Euro abstimmen zu lassen, um die Staatshilfen zurückzahlen zu können. Das Management der Fluglinie hat laut Spiegel Online von den staatlichen Hilfsgeldern erst rund drei Milliarden Euro in Anspruch genommen, bislang auf weitere Milliarden verzichtet und stattdessen in den vergangenen Monaten am privaten Kapitalmarkt Kredite aufgenommen. Dadurch konnte Lufthansa bereits einen staatlichen KfW-Kredit in Höhe von einer Milliarde Euro vorzeitig ablösen.
Wenn das Management eine Senkung der Personalkosten fordert, eilen die Gewerkschaften dienstbeflissen herbei. Und auch wenn es darum geht, die Millionen-Gehälter der Vorstandsmitglieder zu retten, zeigen sich die Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsräten hilfsbereit. Das macht sich für sie bezahlt. Im Jahr 2019 haben die zehn so genannten Arbeitnehmervertreter im Lufthansa-Aufsichtsrat für ihre enge Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung von Sparmaßnahmen und Entlassungen über eine Million Euro kassiert.
Es ist Zeit, mit diesen korrupten Organisationen zu brechen. Arbeitsplätze, Löhne und soziale Errungenschaften können nur unabhängig von diesen Gewerkschaften verteidigt werden. Um diesen Kampf weltweit zu koordinieren, ruft das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) am heutigen 1. Mai zur Gründung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees auf. Wer sich noch nicht zur diesjährigen Mai-Kundgebung des IKVI registriert hat, sollte das hier sofort tun.