Am Mittwoch haben israelische Kampfflugzeuge Ziele nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus angegriffen. Berichten zufolge galt der Angriff auch militärischen Stützpunkten, die von schiitischen Milizen und der iranischen Revolutionsgarde genutzt werden. Verschiedene Quellen sprechen von drei bis 15 Todesopfern sowie von einem großen Sachschaden.
Es ist der dritte solche Angriff Israels innerhalb von 10 Tagen auf Syrien. Die provokativen Angriffe sind Teil einer allgemeinen Eskalation der militärischen Spannungen mit dem Iran. Seit der wichtigste iranische Nuklearwissenschaftler, Mohsen Fachrisadeh, im November vom israelischen Geheimdienst Mossad ermordet wurde, schaukelt sich die Lage immer weiter hoch.
Die Gefahr war nie größer, dass die Spannungen einen katastrophalen neuen Krieg im Nahen Osten auslösen. In einen solchen Krieg würde nicht nur der Iran hineingezogen werden, sondern auch die Atommächte Russland und China, die beide geostrategische Interessen im Persischen Golf verfolgen.
Die Gefahr wird besonders durch die anhaltenden innenpolitischen Krisen verschärft: In den USA sind die letzten Tage der Amtszeit von Präsident Donald Trump angebrochen, und Benjamin Netanjahu, dem israelischen Ministerpräsidenten, steht bereits die vierte Parlamentswahl innerhalb von zwei Jahren bevor. Sowohl Trump als auch Netanjahu sehen einen Krieg als Möglichkeit, ihre Macht aufrechtzuerhalten.
Am 6. Januar hat Trump einen Putschversuch unternommen, bei dem ein faschistischer Mob in das Kapitol in Washington, D.C. eindrang. Es gibt demnach keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Trump seine letzten zwölf Tage im Amt nutzen wird, um einen katastrophalen neuen Konflikt im Nahen Osten auszulösen.
Nach der Wahl am 3. November traf sich Trump mit seinem Sicherheitskabinett, um über mögliche Luftangriffe auf die wichtigste iranische Atomanlage bei Natanz zu sprechen. Ein solcher Angriff könnte Tausende Todesopfer fordern und viele weitere der Gefahr einer Strahlenverseuchung aussetzen.
Obwohl Trumps wichtigste Berater ihn davon abbringen konnte, ein solches Kriegsverbrechen zu begehen, hat die US-Regierung die militärischen Drohungen gegen den Iran beständig weiter verschärft. Als Rechtfertigung wird in Washington behauptet, sie würde auf Drohungen aus Teheran reagieren, und die Gefahr bestehe, dass am ersten Jahrestag der Ermordung des hohen iranischen Offiziers Qassem Suleimani Vergeltungsschläge gegen US-Truppen und Einrichtungen im Irak drohten. Suleimani war am 3. Januar 2020 durch eine US-Drohne getötet worden.
Schwere US-Bomber vom Typ B-52 flogen innerhalb eines Monats dreimal über den Persischen Golf – eine Art Probelauf für Luftangriffe auf den Iran. Gleichzeitig wurde eine Armada der US-Navy aus der Flugzeugträger-Kampfgruppe USS Nimitz und dem Atom-U-Boot USS Georgia, das mit Marschflugkörpern bewehrt ist, zusammen mit Begleitschiffen in den Persischen Golf geschickt. Diese Armada ist bereit, massive Schläge gegen den Iran durchzuführen.
Trump hatte am vergangenen Sonntag den außergewöhnlichen Befehl erteilt, die Kampfgruppe USS Nimitz nicht – wie zunächst geplant in ihren Heimathafen zurückzuholen, sondern sie für unbefristete Zeit im Persischen Golf zu stationieren. Sowohl in der Regierung als auch in der Militärführung haben Trumps Versuche, um jeden Preis an der Macht zu bleiben und das Militär im Nahen Osten aufmarschieren zu lassen, zu extremen Spannungen geführt.
Mehreren Medienberichten zufolge haben hohe US-Militärkommandanten ihre Sorge geäußert, Trump könnte versuchen, das Militär in seine Putschpläne mit einzubeziehen. Er könnte einen Krieg im Persischen Golf riskieren und die hohe Zahl amerikanischer Todesopfer als Vorwand nutzen, um den Insurrection Act und das Kriegsrecht auszurufen.
Die Netanjahu-Regierung hat derweil nicht nur weitere Angriffe auf Syrien angeordnet, sondern auch ein U-Boot der Dolphin-Klasse mit Marschflugkörpern, die möglicherweise mit Atomsprengköpfen ausgerüstet sind, durch den Suezkanal in Richtung Persischer Golf geschickt.
Als der Iran bekanntgab, das Land habe in seiner unterirdischen Einrichtung Fordo die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent Reinheit wieder aufgenommen, nahm die israelische Regierung dies als Bestätigung dafür, dass Teheran den Bau von Atomwaffen anstrebe, und drohte mit einer militärischen Reaktion.
Teheran hat allerdings betont, es habe keine kriegerischen Absichten, und sein Atomprogramm sei rein ziviler Natur. Die verstärkte Anreicherung ist Teil einer Reihe von Maßnahmen, die Teheran eingeleitet hat, nachdem die Trump-Regierung einseitig von dem Atomabkommen von 2015 zwischen dem Iran und weiteren Großmächten zurückgetreten ist. Auch die europäischen Regierungen haben nichts gegen das US-Sanktionsregime des „maximalen Drucks“ unternommen. Die jüngste iranische Bekanntgabe wird eher als Versuch Teherans gesehen, seine Verhandlungsposition mit der designierten Biden-Regierung in den USA zu stärken.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz, einst ein politischer Verbündeter, heute ein Rivale Netanjahus, sprach sich derweil in einem Interview mit der Nachrichtenseite Walla gegen Netanjahus Versuche aus, die alleinige Kontrolle über Israels Politik gegenüber dem Iran zu erlangen.
Der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats, Meir Ben-Shabbat, hatte in einem Brief an Gantz den Monopolanspruch des Ministerpräsidenten auf die Iran-Politik Israels angekündigt. Kopien dieses Briefs wurden an die Oberbefehlshaber der israelischen Verteidigungskräfte und des Mossad sowie an die israelische Außenministerin, Gabi Ashkenazi, und den israelischen Botschafter in den USA, Ron Dermer, geschickt.
Laut Walla erklärte Gantz als Reaktion auf den Brief erbost: „Für das Thema Sicherheit und vor allem das Thema Iran ist nicht nur eine einzelne Person zuständig.“
Genau wie Trump hat Netanjahu ausreichend politische Motive, um einen Krieg mit dem Iran zu provozieren. Wenn er seines Amtes enthoben wird, wird er weitaus angreifbarer für eine Verfolgung wegen Korruptionsvorwürfen sein. Ein größerer militärischer Konflikt könnte ihm die Möglichkeit liefern, als Ministerpräsident „zu Kriegszeiten“ erneut zu kandidieren. Seine Regierung könnte den Krieg auch dazu nutzen, um „vollendete Tatsachen“ zu schaffen, die es Biden unmöglich machen, dem Atomabkommen mit dem Iran erneut beizutreten.
Die politischen Berechnungen von Trump und Netanjahu verschärfen zwar die Kriegsgefahr, doch ihre Ursache liegt in der unlösbaren Krise des US-Imperialismus und dessen Versuch, den Niedergang seiner globalen Hegemonie mit militärischen Mitteln auszugleichen. Die Herrschaft über den Persischen Golf ist von entscheidender geostrategischer Bedeutung in Washingtons Konflikt mit seinem bedeutendsten Rivalen China, der einen Großteil seiner Energieressourcen aus der Region bezieht.
Diese kriegerische Politik wird auch Joe Biden nach seiner Amtseinführung am 20. Januar fortsetzen und weiter verschärfen. In seiner künftigen Regierung sind alle Strippenzieher der US-Kriege gegen Libyen und Syrien sowie des Putschs in der Ukraine von 2014 vertreten. Die Biden-Regierung wird die US-Kriegsdrohungen im Ausland weiter eskalieren und im Innern weitere Angriffe auf Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse führen.