US-Präsident Donald Trump hat mit einer Reihe von Wahlkampfauftritten und Tweets seine Kampagne verstärkt, um seine Anhänger zu faschistischer Gewalt gegen seine politischen Gegner anzustiften. Trump unterstreicht den Zusammenhang zwischen seiner Unterstützung von gewaltbereiten rechtsextremen Milizen und seinen Plänen, unabhängig vom Wahlergebnis am 3. November im Amt zu bleiben, sowie seiner mörderischen Politik der „Herdenimmunität“ durch seine Angriffe auf den Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten, Dr. Anthony Fauci, während der letzten Tage.
Fauci ist allgemein als eine der führenden Autoritäten auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten anerkannt. Er hat Trump in letzter Zeit immer heftiger für dessen Widerstand gegen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus wie das Tragen von Masken sowie Tests und Kontaktverfolgung kritisiert. Zudem stellte sich Fauci gegen Trumps Unterstützung für die wissenschaftsfeindlichen und tödlichen Pläne, das Virus ungehindert in der Bevölkerung wüten zu lassen, die von Trumps Berater Dr. Scott Atlas propagiert werden.
Seit Trump nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt aufgrund seiner eigenen Corona-Infektion ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, hat er seine Kampagne gegen Maßnahmen zur sozialen Distanzierung massiv verschärft. Er hat Kundgebungen mit Tausenden von Anhängern veranstaltet, die eng zusammenstehen, keine Masken tragen und damit praktisch Superspreading-Events auslösen. Seine eigene Erholung und angebliche Immunität stellte er als Beweis dafür dar, dass die Gefahr durch die Pandemie maßlos übertrieben und dass die vollständige Wiedereröffnung von Schulen und Firmen ungefährlich sei.
Dies alles spielt sich vor dem Hintergrund eines explosionsartigen Anstiegs der Infektionen und Krankenhauseinweisungen in den USA und weltweit sowie einer stetig steigenden Zahl täglicher Todesfälle ab. Die Zahl der Infizierten in den USA steigt um mehr als 60.000 pro Tag und die Zahl der landesweiten Krankenhauseinweisungen liegt 30 Prozent höher als nur vier Wochen zuvor.
Am Montag erklärte Trump während einer Telefonkonferenz mit Mitgliedern seines Wahlkampfteams, zu der auch mehrere Reporter eingeladen waren: „Die Leute haben Covid satt. Ich veranstalte die größten Kundgebungen, die ich je hatte... Die Leute sagen: ,Was soll‘s? Lasst uns einfach in Ruhe.‘ Sie haben genug davon.“
Er fügte hinzu: „Die Leute haben Fauci und diese Idioten satt, die falsch lagen... Er ist schon seit 500 Jahren da. Jedes Mal wenn er im Fernsehen auftritt, gibt es immer eine Bombe, aber wenn man ihn feuert, gibt es eine noch größere Bombe. Dieser Kerl ist eine Katastrophe.“
Trump wiederholte zudem seinen Aufruf, Joe Biden einzusperren, und bezeichnete ihn als „Krimineller“. Darauf folgten weitere erfundene Behauptungen über massiven Wahlbetrug und darüber, dass er nur durch eine „manipulierte“ Wahl verlieren könne.
Später am Montag erklärte er in einem Gespräch mit Reportern auf der Landebahn eines Flugplatzes in Arizona über Fauci: „Ich will ihm nicht wehtun. Er ist seit 350 Jahren da. Ich will ihm nicht wehtun.“
Diese außergewöhnlichen Äußerungen über den Top-Experten der Regierung für Infektionskrankheiten erinnern an das berühmte Zitat des englischen Königs Heinrich II. vor der Ermordung des Erzbischofs von Canterbury, Thomas Becket: „Wird mich niemand von diesem aufrührerischen Priester befreien?“
Am Nachmittag stellte er bei einer Kundgebung in Prescott (Arizona) einen direkten Zusammenhang zwischen Biden und Fauci her: „Biden will den Lockdown. Er will auf Dr. Fauci hören.“
Diese Angriffe auf Fauci folgten auf einen Auftritt des Immunologen in der CBS-Sendung 60 Minutes am Sonntagabend, in der er Trump für dessen Reaktion auf die Pandemie kritisierte. Angesichts der fehlenden Sicherheitsmaßnahmen im Weißen Haus sei es nicht überraschend, so Fauci, dass sich Trump mit dem Virus angesteckt hat. Er bestätigte außerdem, dass das Weiße Haus versuche, ihn zum Schweigen zu bringen.
Fauci und seine Frau wurden bereits Opfer von Angriffen rechtsextremer Trump-Anhänger. Sie erhielten u. a. Morddrohungen per E-Mail, Telefon und Textnachricht. Während des Beitrags von 60 Minutes war ein Video zu sehen, auf dem Fauci und seine Frau in Begleitung von zwei staatlichen Personenschützern spazieren gehen, die ihn permanent begleiten.
Vor weniger als zwei Wochen haben das FBI und die Behörden von Michigan Anklage gegen 13 Angehörige einer Miliz erhoben, die an einem weit fortgeschrittenen Komplott beteiligt waren. Diese Verschwörung hatte zum Ziel, die demokratische Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, zu entführen, anschließend zu ermorden und danach die Kontrolle über die Regierung des Bundesstaates zu übernehmen. Mittlerweile wurde ein 14. Verdächtiger verhaftet und die Behörden haben zugegeben, dass die Verschwörer auch die Ermordung des demokratischen Gouverneurs von Virginia geplant hatten.
Zu den mutmaßlichen Verschwörern gehören Personen, die sich im Frühjahr an bewaffneten Demonstrationen gegen den Coronavirus-Lockdown vor dem Kapitol von Michigan beteiligt hatten. Ähnliche Kundgebungen fanden in Virginia, Minnesota, Ohio, Texas und anderen Bundesstaaten statt. Auf vielen dieser Rallys marschierten Teilnehmer mit Nazi-Symbolen und Konföderierten-Flaggen auf. Trump erklärte auf Twitter begeistert seine Unterstützung und rief seine Anhänger auf, Michigan, Minnesota und Virginia zu „befreien“. Die Polizei begrüßte die faschistischen Milizen derweil mit offener Sympathie.
Im Vorfeld der Enthüllungen über die „Spitze des Eisbergs“, wie es der Generalstaatsanwalt von Michigan formulierte, hatte Trump während der TV-Debatte mit Biden die faschistischen Proud Boys dazu aufgerufen, „einen Schritt zurückzutreten und sich bereitzuhalten“. Diese Aufforderung war eine kaum verhohlene Anordnung, sich auf gewaltsame Angriffe auf Demonstrationen vorzubereiten, falls Trump die Wahlniederlage nicht akzeptiert.
Ähnliche Drohungen werden im ganzen Land gegen weitere gewählte Regierungsvertreter ausgesprochen, die die Absicht haben, Einschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus durchzusetzen. In Kansas wurde am 16. Oktober ein Mann verhaftet, der mutmaßlich Textnachrichten an einen Beamten in Wichita geschickt haben soll, in denen er nach der Adresse des demokratischen Bürgermeisters Brandon Whipple fragte. Er habe ihn entführen und ermorden wollen.
Trump hat darauf reagiert, indem er Whitmer und ihre Regierung wiederholt angegriffen und ihr vorgeworfen hat, sie würde die vollständige Wiederöffnung des Bundesstaates verweigern. Auf diese Weise legitimierte und ermutigte er die faschistischen Kräfte hinter den Putschplänen. In Wirklichkeit hat Whitmer, genau wie die demokratischen Gouverneure im Rest des Landes, die Diktate des Großkapitals befolgt, die Wiederöffnung von Autowerken, Schulen und Universitäten angeordnet und die Einschränkungen für andere Unternehmen aufgehoben.
In Tucson (Arizona) hielt Trump am Montagabend eine weitere faschistische Hetzrede, in der er Biden – ein rechtes Sprachrohr der Konzerne – als Strohmann für „Sozialisten, Kommunisten und Marxisten“ darstellte. Er zog alle Register seiner rechtsextremen Hetze und attackierte Briefwähler, Immigranten und China. Er appellierte an Rassismus und behauptete, er würde die Vororte „retten“, indem er den Bau von Häusern für Geringverdiener verhindere. In einem Appell an Antisemiten brandmarkte er „linke Globalisten und Lobbyisten“ und „reiche Spender“. Derweil lobte er die Polizei, das Militär und die Einwanderer-Gestapo ICE über den grünen Klee.
Er griff Whitmer an und behauptete, ihre Politik habe Michigan in ein „Gefängnis“ verwandelt. Er rief erneut dazu auf, Biden einzusperren, und bezeichnete die „Biden-Familie“ als „kriminelles Unternehmen“.
Um rechtsextreme Milizen ganz direkt aufzuwiegeln, sprach Trump ganze acht Mal über den 2. Zusatzartikel zur Verfassung: das Recht auf Waffenbesitz. Seine Absicht, eine faschistische Bewegung um seine „Führer“-Persönlichkeit herum aufzubauen, unterstrich er damit, dass er seine Handlanger in der Menge „Superman, Superman, Superman“-Chöre anstimmen ließ.
Trump spricht für Teile der amerikanischen Wirtschaftsoligarchie, die als Reaktion auf die beispiellose wirtschaftliche, soziale und politische Krise des amerikanischen Kapitalismus versuchen, eine faschistische Bewegung aufzubauen und diktatorische Herrschaftsformen zu errichten, weil sie selbst eine massive Zunahme von Kämpfen der Arbeiterklasse erwarten. Die Verschwörung rund um die Wahl am 3. November ist in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Sie wird weiter fortgesetzt und stellt eine enorme Gefahr für demokratische Rechte dar.
Der größte Vorteil für Trump und die Kräfte, die er repräsentiert, ist ihr vermeintlicher „Gegner“, die Demokratische Partei. Die Demokraten sind weder willens noch fähig, dem Kurs auf Diktatur ernsthaften Widerstand zu leisten, weil sie die gleichen Klasseninteressen repräsentieren wie Trump und die Republikaner.
Sie tun alles in ihrer Macht Stehende, um die Gefahren zu verharmlosen, die mit dem Komplott in Michigan und Trumps Verweigerung einer friedlichen Machtübernahme ans Licht kamen. Biden und die Demokraten haben beschlossen, über die Verschwörung größtenteils zu schweigen, um die Bevölkerung zu betäuben. Ihre größte Befürchtung ist die, dass eine alarmierte und wache Arbeiterklasse auf die Bedrohung mit einer Massenbewegung von unten reagiert, die das kapitalistische System selbst bedrohen würde.
Am Montag veröffentlichte die demokratische Senatsfraktion eine offizielle Erklärung über die Pläne der Partei, mit denen sie Trumps Drohungen, sich über das Wahlergebnis hinwegzusetzen, begegnen will. Darin erwähnen die Demokraten die Verschwörung gegen die Gouverneure Whitmer und Ralph Northam (Virginia) nicht einmal und bezeichnen Trumps Versuche, jedes unvorteilhafte Ergebnis zu delegitimieren, schlicht als „Falschinformation“. Weiter heißt es, die amerikanische Bevölkerung solle „Geduld haben“ und nichts unternehmen, um den Putsch gegen die Verfassung und die Errichtung einer Diktatur zu verhindern.
Sollte Biden die Wahl gewinnen, werden die Kräfte, für die Trump spricht, weiterhin das Anwachsen faschistischer Kräfte fördern. Sie werden die Wahl als rechtswidrigen „Dolchstoß“ darstellen. Wenn die Demokraten gewinnen, wird ihre Regierung verzweifelt versuchen, mit diesen Kräften Frieden zu schließen und eine Politik des Militarismus, der Austerität und der Zensur verfolgen.
Diese Entwicklungen zeigen, dass es ohne eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse gegen das gesamte politische Establishment und das kapitalistische System keinen ernsthaften Kampf gegen die Pandemie, Armut und Arbeitslosigkeit wie zur Zeit der Großen Depression und das Anwachsen des Faschismus geben kann.