Die Enthüllungen darüber, wie Trump und andere hohe Vertreter der US-Regierung öffentlich über die Gefahren von Covid-19 gelogen haben, entlarvt auch das politisch kriminelle Vorgehen der Europäischen Union (EU). Obwohl sie zu offiziellen Informationen Zugang hatte, die denen der US-Regierung gleichkommen, hat sie die gleiche Litanei an Lügen und die gleiche offene Verachtung für das Leben ihrer Bürger an den Tag gelegt und eine Politik der „Herdenimmunität“ propagiert, d.h. einer kontrollierten Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung.
Diese Tatsache muss als Warnung vor den Vertretern der EU verstanden werden, die jetzt – trotz der zunehmenden Verbreitung des Virus – die Rückkehr von Arbeitern in die Betriebe und von Kindern in die Schulen fordern. Ihre Erklärungen zu Covid-19 sind wertlos. Genau wie Trump haben sie wiederholt falsche, die Pandemie verharmlosende Erklärungen verbreitet, um auf Kosten des Lebens der Arbeiter die Aktienkurse und das Vermögen der Superreichen zu steigern. Gleichzeitig erhielten sie privat medizinische Informationen, die im krassen Widerspruch zu ihren öffentlichen Äußerungen standen.
Im Mittelpunkt der Enthüllungen des bekannten Journalisten Bob Woodward über US-Präsident Donald Trump steht dessen privates Wissen über Covid-19, das er aus Geheimdienstinformationen und Diskussionen mit chinesischen Regierungsvertretern bezogen hat. Dass die Vertreter der EU-Regierungen keinen Zugang zu den gleichen Informationen hatten, ist schlicht unglaubwürdig.
Am 28. Januar erfuhr Trump von Geheimdienstlern, die Pandemie werde „die größte Bedrohung der nationalen Sicherheit sein, mit der Sie während Ihrer Präsidentschaft konfrontiert sein werden“. Weiter schrieb Woodward, Trump habe ihm am 7. Februar mitgeteilt, der chinesische Präsident Xi Jinping habe ihn vor der Krankheit gewarnt: „Das ist tödliches Zeug... Es ist tödlicher ... sogar als unsere heftigen Grippen ... das sind fünf Prozent [Todesrate] gegenüber einem Prozent und weniger als einem Prozent. ... Es geht durch die Luft, Bob. Das ist immer stärker als bei Berührung.“
Doch Trump, weitere Vertreter seiner Regierung und die Vertreter der EU-Regierungen verbreiteten monatelang Lügengeschichten. Sie verglichen Covid-19 mit der Grippe, betonten, die Angst vor dem Virus sei schlimmer als das eigentliche Virus, und vieles mehr. Über das Virus sagte Trump gegenüber Woodward, er „wollte es immer herunterspielen“, um eine „Panik“ zu verhindern. Mit „Panik“ meinte er den Zusammenbruch der Finanzmärkte.
Die erste Reaktion der wichtigsten europäischen Zeitungen auf die Enthüllung dieser Verschwörung an der Spitze des amerikanischen Staats war genauso außergewöhnlich wie der Bericht selbst. Nahezu alle oberflächlichen Artikel, die veröffentlicht wurden, konzentrierten sich fast ausschließlich auf die Frage, ob der Bericht Trump in der Präsidentschaftswahl im November schaden und den Demokraten nutzen wird.
In einem Artikel mit dem Titel „Woodwards Trump-Buch ist ein Geschenk für Biden“ schrieb die Süddeutsche Zeitung: „Trump hat die Amerikaner belogen. So sieht das zumindest der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden.“ Nach einer Schilderung von Woodwards Bericht widersprach die SZ jedoch ihrer eigenen Schlagzeile und erklärte, es sei unklar, ob Biden davon profitieren wird: „Was Woodwards Enthüllungen aber für Trumps Wiederwahl bedeuten, das wird man erst im November wissen.“
Die französischeLe Monde erklärte, die Welt sei „mittlerweile vertraut“ damit, dass sich Trump mit peinlichen Enthüllungen herumschlagen muss, und schrieb: „Diese Auszüge belegen, dass der Präsident seine Bürger über den Ernst der Bedrohung belogen hat. Ihm wird bereits jetzt oft vorgeworfen, die Einführung von Maßnahmen verzögert zu haben, von denen er wusste, dass sie schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft haben werden.“
In keinem dieser Artikel wird die offensichtliche Frage gestellt: Wenn diese Berichte Trump als Lügner entlarven, was sagt das dann über die EU-Vertreter aus? Sie haben die gleichen Dinge gewusst wie Trump und sich ähnlich geäußert wie er.
Zum einen haben die EU-Staaten zweifellos den Tonfall der Geheimdienstinformationen gekannt, die Trump zu Covid-19 erhalten hat. Tatsächlich haben die EU-Staaten in den letzten Jahren angekündigt, hunderte Milliarden Euro für die Stärkung des Nato-Militärbündnisses auszugeben, und haben die bereits engmaschige Koordination ihrer Geheimdienst-Berichterstattung über gemeinsame Bedrohungen der Nato verstärkt.
Im letzten Dezember, zwei Monate vor dem Ausbruch von Covid-19, erschien auf der Website der Nato ein Artikel mit dem Titel „Eine neue Ära der Nato-Geheimdienste“. Darin wurden „umfangreiche Reformen zur Verbesserung der Qualität und Nutzbarkeit der Geheimdienstdaten“ angekündigt, „die den wichtigsten politischen und militärischen Führern der Nato zur Verfügung gestellt werden“. Weiter hieß es, die verbündeten Nato-Mächte hätten sich „darauf geeinigt, dass ein gemeinsames Vorgehen den Austausch zwischen den Geheimdiensten verbessern, die Produktion koordinieren, Hinweise und Warnungen optimieren und Management sowie Steuerung verbessern wird“.
Die chinesischen Regierungsvertreter standen mit der EU in enger Absprache über die Pandemie. Am 13. Februar, fast eine Woche nachdem Trump Woodward von seinen Diskussionen mit Xi über Covid-19 erzählt hatte, war der chinesische Außenminister Wang Yi nach Berlin gereist, um mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über das Virus zu sprechen. Laut dem chinesischen Außenministerium hatte Merkel China „in höchsten Tönen für seine entschiedene und starke Reaktion und die beträchtlichen Anstrengungen“ gelobt und China ihre „Unterstützung, Hilfe und Zusammenarbeit“ im Kampf gegen Covid-19 versprochen.
Unter diesen Bedingungen ist die Behauptung unglaubwürdig, hohe EU-Vertreter hätten nichts davon gewusst, dass die US-Geheimdienste im Januar die Pandemie als größte internationale Bedrohung angesehen haben und dass chinesische Regierungsvertreter Covid-19 zu einer tödlichen Bedrohung erklärt hatten.
Und doch haben die Regierungsvertreter in der EU nicht nur nichts unternommen, um Trumps Verschwörung – von der sie wussten – zu entlarven, sondern haben vielmehr selbst das Virus verharmlost und, genau wie Trump, tunlichst alles vermieden, was den Profitfluss an die Banken und die Finanzaristokratie unterbrochen hätte.
Sie setzten Covid-19 wiederholt mit weniger schweren Krankheiten gleich, die für gesunde Erwachsene oder Kinder nicht tödlich sind. Berüchtigt ist der Vergleich, den der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn am 23. Januar zwischen Covid-19 und der Grippe aufstellte: „Auch das ist eben ein Risiko, das wir jeden Tag haben.“ Am 24. Februar, elf Tage nach Merkels Treffen mit Wang, sprach sich Spahn erneut gegen Distanzierungsmaßnahmen aus und verglich Covid-19 mit den Masern. Die Tagesschau zitierte ihn wie folgt: „Obwohl beispielsweise die Masern deutlich ansteckender seien als Corona, würden auch bei Maserninfektionen keine Städte gesperrt, sagte Spahn.“
Die Sprecherin der französischen Regierung, Sibeth Ndiaye, erklärte am 5. März: „Wir dürfen nicht vergessen, dass 80 Prozent der [mit Covid-19] Infizierten nur eine schwere Erkältung oder schlimmstenfalls eine schwere Grippe bekommen. ... Wir werden das Land nicht lahmlegen.“
Am selben Tag, an dem der britische Premierminister Boris Johnson die Strategie der Herdenimmunität verkündete, erklärte er, Großbritannien könne „dem Virus die Stirn bieten, alles auf einmal durchmachen und es der Krankheit erlauben, sich ohne viele drakonische Maßnahmen in der Bevölkerung auszubreiten“.
Obwohl nicht alle Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten es so offen zugaben wie Großbritannien und Schweden, wollte die gesamte EU die Politik der Herdenimmunität umsetzen. Merkel erklärte am 11. März auf einer Pressekonferenz offen: „Ein hoher Prozentsatz – Experten sagen, 60 bis 70 Prozent – der Bevölkerung [wird] infiziert werden.“ Da die EU mehr als 510 Millionen Einwohner hat, bedeutete dies, mehr als 300 Millionen Fälle von Covid-19 in Europa zu akzeptieren.
Die Enthüllung von Trumps Lügen über Covid-19 zeigt, dass auch die Vertreter der EU und europäischer Regierungen die Öffentlichkeit getäuscht haben. Gleichzeitig haben sie hinter verschlossenen Türen Infektionszahlen in einer Höhe akzeptiert, die zu Millionen Toten führen würden.
Sie bestätigen die Warnungen und die politische Arbeit des IKVI, das bereits am 28. Februar in einer Erklärung „global koordinierte Notfallmaßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie“ gefordert hat. Es warnte vor dem potenziell enormen Ausmaß der Pandemie und forderte die Bereitstellung von Hunderten Milliarden Dollar für den Kampf gegen die Pandemie und Hilfe für Arbeiter, Immigranten und andere Gruppen zum Schutz vor dem Virus.
Die WSWS schrieb als Antwort auf die Propagierung von Herdenimmunität durch Johnson, Merkel und Konsorten: „Solche Erklärungen zeigen nicht einfach Inkompetenz, sie sind politisch kriminell. 75 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reichs herrscht innerhalb der Finanzaristokratie eine faschistoide Haltung gegenüber der Arbeiterklasse, die an den Umgang mit den Galeerensklaven im antiken Rom erinnert: Arbeite bis du stirbst.“ In ihrer Reaktion auf Merkels Rede forderte die WSWS eine massive Erhöhung der öffentlichen Ausgaben, Quarantänen und die unabhängige Organisation der Arbeiterklasse in den Betrieben, um gegen das Virus zu kämpfen.
Nur die unabhängige Intervention der Arbeiterklasse in Form einer Welle von spontanen Streiks, die sich von ihrem Zentrum in Italien im März auf ganz Europa ausbreiteten, zwang die EU-Regierungen zur Einführung von Lockdowns. Die EU drängte jedoch unablässig auf die Rückkehr an die Arbeit und stellte den Banken und Konzernen Billionen von Euro der Europäischen Zentralbank zur Verfügung. Die großen deutschen und französischen Gewerkschaften unterstützten diese Rettungsaktionen ausdrücklich. Gleichzeitig wurden Kleinunternehmen und Arbeitern die angemessenen Mittel verweigert, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Lockdowns abzufedern.
Das Imperial College London veröffentlichte im Magazin Nature eine Studie, laut der die Lockdowns in Europa etwa drei Millionen Menschenleben gerettet haben. Dass es um mehrere Millionen Menschenleben geht, verdeutlicht eine 17-seitige interne Mitteilung des deutschen Innenministeriums vom 18. März, die später auf der Website veröffentlicht wurde. Unter dem Titel „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“ heißt es darin: „Die meisten Virologen, Epidemiologen, Mediziner, Wirtschafts- und Politikwissenschaftler beantworten die Frage, ,was passiert, wenn nichts getan wird‘, mit einem Worst-Case-Szenario von über einer Million Toten im Jahr 2020 – für Deutschland allein.“
Die derzeitigen Versuche der EU-Regierungen, die Kinder in die Schulen und ihre Eltern in die Betriebe zurück zu zwingen, sind eine erneute Verschwörung der herrschenden Klasse gegen die Bevölkerung. Überall in der EU haben die Regierungen erklärt, es werde keine weiteren Lockdowns geben. In Spanien hat die Regierung bereits offen ausgesprochen, dass die Wiederaufnahme des Unterrichts dazu führen wird, dass sich „praktisch alle Kinder“ infizieren werden.
Das bedeutet, die EU plant hinter dem Rücken der Bevölkerung, Millionen Menschenleben zu riskieren, um die Rettungsaktionen zu finanzieren und die Finanzaristokratie reicher zu machen. Die Arbeiter in ganz Europa müssen gewarnt werden: Die herrschende Klasse und ihr politisches Establishment bereiten erneut ein gigantisches Verbrechen gegen die Bevölkerung vor. Ein erfolgreicher Kampf gegen diese Verschwörung ist nur auf der Basis der unabhängigen internationalen Mobilisierung der Arbeiterklasse mit einer revolutionären und sozialistischen Perspektive möglich.
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