Die kriminelle Entscheidung der spanischen Regierung, trotz einer massiven Welle von Covid-19-Infektionen die Schulen wieder zu öffnen, wird zu unzähligen, vermeidbaren Todesfällen führen. Beide Regierungsparteien – die „linkspopulistische“ Podemos und die sozialdemokratische Partido Socialista Obrero Español (PSOE) – verhalten sich völlig gleichgültig gegenüber der Gesundheit und dem Leben von Millionen von Lehrern, Kindern und ihren Familien.
Spanien ist und bleibt das Epizentrum der sich erneut stark ausbreitenden Pandemie in Westeuropa. Am Wochenende erreichte das Land die Marke von über einer halben Million Infizierten, nachdem von Freitag bis Sonntag 26.560 neue Fälle gemeldet worden waren. Mittlerweile liegt die Zahl der offiziell gemeldeten Infizierten bei über 572.000; am Freitag erreichte die Zahl der täglichen Todesfälle mit 184 den höchsten Stand seit Ende Mai. Offiziell gibt es in Spanien fast 30.000 Tote durch Covid-19, doch laut der großen Zeitungen, sind in Wirklichkeit mindestens 45.000 Menschen an dem Virus gestorben.
Die herrschende Klasse brüstet sich allerdings damit, dass sie durch die Wiederöffnung der Schulen ihre faschistische Politik der „Herdenimmunität“ umsetzen kann. Diese läuft darauf hinaus, das Virus ohne Rücksicht auf seine tödlichen und zerstörerischen Folgen in der Bevölkerung wüten zu lassen.
Am Mittwoch erklärte die rechte Ministerpräsidentin der Region Madrid, Isabel Ayuso, gegenüber Es Radio: „Wahrscheinlich werden sich praktisch alle Kinder in irgendeiner Form mit dem Coronavirus infizieren.“
Ayuso machte deutlich, wie gleichgültig ihr das Schicksal der Schüler und ihrer Familien ist: „Vielleicht infizieren sie sich am Wochenende bei einer Familienfeier oder nachmittags im Park, oder sie holen es sich von einem Mitschüler. Wir wissen es einfach nicht, weil das Virus überall sein kann.“ Dennoch betonte sie, die Kinder müssten „zurück in die Schule“, mit Altersgenossen zusammen sein“, ihre „Routine zurückbekommen“ und „sich sozialisieren“.
Obwohl sie sich des massiven Widerstands unter Lehrern und Eltern bewusst ist, forderte Ayuso arrogant den Verzicht auf „Streiks oder Drohungen“ und erklärte: „Jetzt ist nicht die Zeit [für die Arbeiter], Ich, ich, ich‘ zu schreien.“
Ayusos ultrarechte Hetzrede ist der Schlüssel zum Verständnis der Politik der Regierung von PSOE und Podemos. Bildungsministerin Isabel Celaá von der PSOE wiederholte in einem Interview mit der Tageszeitung El País die Behauptungen, die Öffnung der Schulen werde nicht zu einem Anstieg der Infektionen führen: „Heute hat sich in der Wissenschaft die Ansicht etabliert, dass die Schließung der Schulen keine Vorteile bei der Entwicklung der Pandemie und der Verringerung der Fallzahlen bringt... Und die Vorteile von Schulen sind viel größer als die Risiken...“
In einem weiteren Interview mit Radio Nacional de España (RNE) erklärte Celaá, für Kinder sei „die Schule der sicherste Ort“. Sie betonte, die Schulöffnung werde trotz aller wissenschaftlichen Einwände und gegen den Widerstand der Bevölkerung wie geplant fortgeführt.
Sie erklärte: „Solange es keine unkontrollierten Übertragungen gibt, was vom Gesundheitsministerium festgestellt wird, müssen die Schulen offenbleiben, weil wir alle mit der Pandemie leben.“
Auf dieser Grundlage droht die PSOE/Podemos-Regierung allen Eltern mit Klagen, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken und sie dem Risiko einer Infektion mit Covid-19 aussetzen. Die Generalstaatsanwaltschaft kündigte am Donnerstag an, sie werde „Strafverfahren“ gegen alle Eltern von Kindern zwischen sechs und 16 Jahren einleiten, die nicht in die Schule kommen. Sie bezeichnete Präsenzunterricht als „unumgängliche Pflicht“ und beschuldigte Eltern, die ihre Kinder zu Hause lassen wollen, der Vernachlässigung.
Die Generalstaatsanwaltschaft drohte Eltern: „Vorsätzliche, ungerechtfertigte und dauerhafte Vernachlässigung wird zu juristischen Folgen aufgrund der Unfähigkeit führen, die inhärenten Pflichten der elterlichen Autorität zu erfüllen.“
Die PSOE/Podemos-Regierung legt eine unverhüllte Verachtung gegenüber dem Leben und der Gesundheit von Lehrern, Schülern und ihren Familien an den Tag.
Ayusos Prognose, fast alle Kinder in Spanien würden sich mit Covid-19 anstecken, verdeutlicht die erschütternde Missachtung gegenüber der Gesundheit und dem Leben nicht nur der Eltern und älteren Angehörigen, bei denen die Krankheit öfter tödlich verläuft, sondern auch der Kinder selbst. Mittlerweile ist wissenschaftlich erwiesen, dass Covid-19 bei Kindern oft ernste und bleibende Herzschäden und Krankheiten wie das Kawasaki-Syndrom auslösen kann.
Zudem ist der Anteil von älteren Lehrern in Spanien einer der höchsten in ganz Westeuropa. 38,2 Prozent der Lehrer sind über 50 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt bei 46 Jahren, 22.127 (nahezu fünf Prozent aller Beschäftigten im Bildungswesen) sind über 60 und fast 2.000 davon über 65. Da Personen über 60 Jahren zu den am stärksten durch einen tödlichen Infektionsverlauf betroffenen Gruppen gehören, sind Tausende von Lehrkräften einem hohen Risiko ausgesetzt.
Das Virus breitet sich in ganz Spanien rapide aus. Wie weit verbreitet die Übertragung von Mensch zu Mensch in Spanien ist, zeigt die Tatsache, dass bei 2.000 bis 2.500 der bislang 67.000 getesteten Lehrkräfte (mehr als 3,5 Prozent) Antikörper gefunden wurden. Wer ein positives Testergebnis hatte, muss jetzt kontrollieren lassen, ob er weiterhin ansteckend ist.
In einigen der 17 Regionen Spaniens wurden begrenzte Maßnahmen getroffen, darunter die Verkleinerung der Klassen, Maskenpflicht für Kinder über sechs Jahren und soziale Distanzierungsmaßnahmen. Angesichts der Situation und der Tatsache, dass sie in vielen Fällen nicht umgesetzt wurden, ist dies lächerlich.
Vergangene Woche kündigte Ayuso in letzter Minute an, alle Lehrkräfte in der Region Madrid sollten sich vor Beginn des Schuljahres einem Antikörpertest unterziehen. Sie wurden per E-Mail angewiesen, sich innerhalb von 24 Stunden testen zu lassen, was zu chaotischen Szenen führte, weil Tausende auf den Straßen von Madrid Schlange standen. Soziale Distanzierung war nahezu unmöglich.
Am vergangenen Samstag, weniger als eine Woche vor der Wiedereröffnung der Schulen, wurde bekannt, dass in Katalonien 30 Prozent aller Grundschulen die Vorgaben zur Klassenverkleinerung nicht umgesetzt haben. Die Regierung von Katalonien hatte versprochen, dass in keinem Klassenzimmer mehr als 20 Schüler zugelassen werden. Doch auch diese Zahl ist zu groß, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Zudem wurde die Vorgabe in vielen öffentlichen Schulen nicht umgesetzt. Für Sekundarschulen gibt es keine Obergrenze bei der Schülerzahl.
„Familien für eine sichere Bildung“, eine katalanische Elterngruppe, verurteilte das Versäumnis der katalanischen Regierung, Sicherheitsmaßnahmen in Schulen umzusetzen und warf ihr vor, „Bildungszentren in Schlachthäuser zu verwandeln“. Die Gruppe erklärte weiter, Schulen seien „der ideale Ort für einen neuen allgemeinen Ausbruch“, und der „Einsatz von Masken ist in allen geschlossenen beschränkten Räumen ist wirkungslos ohne Belüftung oder Reinigungsmaterial“.
Um die Empfehlung des Bildungsministeriums umzusetzen, die Klassengrößen auf maximal 20 Schüler zu begrenzen, wären laut den Regionalregierungen im ganzen Land etwa 39.000 zusätzliche Lehrer notwendig. Die Gewerkschaft CCOO schätzt den Bedarf auf etwa 70.000. Viele Regionen sind weit von diesen Zielvorgaben entfernt.
Ein Vorgeschmack auf die Katastrophe, die die Schulöffnung in ganz Spanien auslösen wird, war die Schließung eines Kindergartens in Sevilla (Provinz Andalusien) kurz nach der Wiedereröffnung, nachdem ein Beschäftigter positiv auf das Virus getestet worden war. 60 Kleinkinder unter drei Jahren befinden sich jetzt in häuslicher Quarantäne.
Eltern, die nicht arbeiten können und kein Einkommen haben, solange ihre Kinder in Quarantäne sind, werden vom Staat keine Unterstützung erhalten. Ministerpräsident Pedro Sánchez von der PSOE, der zuvor versprochen hatte, Eltern mit infizierten Kindern in Quarantäne den Einkommensausfall zu ersetzen, erklärt nun, Eltern müssten sich ohne Lohnfortzahlung krankschreiben lassen.
Sánchez erklärte am Freitag, es gebe „kein Nullrisiko“ bei der Öffnung der Schulen, aber er wolle den Lehrkräften versichern, dass sie „angemessen sicher“ sei. Es sei den 17 autonomen Regionen Spaniens auch nicht gestattet, die Schulen „im Alleingang“ zu schließen.