Der Opel-Konzern und die Konzernmutter PSA wollen die Opel-Betriebsrenten empfindlich kürzen. Eine „grundlegende Modernisierung“ sei notwendig, teilte Opel-Personalchef Ralph Wangemann am 5. Juni den Beschäftigten mit. Diese Kürzungen sind Teil einer jahrelangen Salamitaktik, mit der das Management mit Hilfe der IG Metall die Kosten für Corona-Pandemie, E-Mobilität und Digitalisierung auf die Arbeiter abwälzt.
In den letzten drei Jahren, seitdem der französische PSA-Konzern Opel und Vauxhall von General Motors gekauft hat, sind durch diese Salamitaktik allein bei den deutschen Opel-Werken schon 4000 Arbeitsplätze vernichtet worden: Von über 19.000 sind nur noch 15.000 Stellen übrig.
Die Kürzung der Betriebsrenten droht schon seit der Übernahme durch PSA. Damals willigte GM ein, den größten Teil der laufenden betrieblichen Altersrenten zu finanzieren, während der Opel-Vorstand versprach, die Rentenhöhe auch künftig zu garantieren.
Wie es heißt, werden diese Betriebsrenten schon seit 16 Jahren auf der Höhe eines fünf-prozentigen jährlichen Zuwachses gehalten, obwohl die Zinsen heute allgemein viel niedriger liegen. Ein solcher Zinssatz liege „deutlich über dem Marktstandard“, heißt es im Schreiben des Personalchefs. Wie andere Unternehmen (zum Beispiel der Druckmaschinenhersteller Heidelberg oder die Lufthansa) ist Opel nicht mehr bereit, diese Beiträge für künftige Opel-Veteranen weiter bereitzustellen. Während die Aktionäre sich an den boomenden Börsen erfreuen können, sollen die Arbeiter mit Niedrigrenten und Altersarmut zurechtkommen.
Auf die Ankündigung des Opel-Vorstands haben die IG Metall und der Gesamtbetriebsrat auf ihre übliche Weise reagiert. Am 9. Juni ließen sie an den Standorten einen Flyer mit der Überschrift „Hände weg von der Opel-Altersversorgung“ verteilen. Mehrere Medien behaupteten, der neue Betriebsratschef Uwe Baum „tobe“ gegen die Kürzungen, die angeblich so nicht vereinbart worden seien.
In Wirklichkeit ist diese Reaktion Teil eines wohlbekannten Spiels mit verteilten Rollen. Es soll verhindern, dass die Wut der Arbeiter die Form eines wirklichen Arbeitskampfs annimmt. Bezeichnenderweise heißt es schon im Flyer des Betriebsrats, dass „die Kosten für die Altersversorgung durch den Abbau von Tausenden Stellen in den vergangenen Jahren bereits erheblich gesunken“ seien. Diesen Abbau haben IG Metall und Betriebsrat systematisch mitorganisiert.
Zunächst wurden Leiharbeiter, befristete Arbeiter und Werksvertrags-Beschäftigte entlassen. Im Januar vereinbarten der Vorstand und die gewerkschaftlichen Vertreter einen weiteren, massiven Kahlschlag im Konzern. Seither sind auch die Lehrwerkstätten, das Getriebewerk in Rüsselsheim mit über 200 Beschäftigten und andere Betriebsteile zur Schließung vorgesehen. Das Forschungs- und Entwicklungszentrum, das teilweise an den Entwickler Segula ging, wird systematisch reduziert. Tausende weitere Stellen sind bedroht.
Der Kahlschlag ist Teil eines gewaltigen Umbruchs in der gesamten Autoindustrie. BMW ist dabei, 16.000 Arbeitsplätze abzubauen. Bei Daimler hat der Betriebsrat selbst den Abbau von mehreren zehntausend Jobs bekannt gegeben. In Frankreich hat Renault angekündigt, weltweit 15.000 Stellen abzubauen. Und dies sind nur einige Beispiele von vielen.
Im Jahr 2004, als die Betriebsrenten in der heutigen Form eingeführt wurden, gab es europaweit bei Opel noch 63.000 Arbeitsplätze. Über die Hälfte davon wurde seither zerstört. Mehrere Werke, darunter Antwerpen und Bochum, sind längst geschlossen. Und alles ging mit dem Segen der IG Metall und der Betriebsräte vonstatten.
Die World Socialist Web Site hat aufgezeigt, wie eng die Gewerkschaften mit den Konzernen zusammenarbeiten, und wie üppig sie in Deutschland über die Aufsichtsräte und die gewerkschaftseigene Hans-Böckler-Stiftung von den großen Unternehmen und vom Staat finanziert werden. Die WSWS schlägt den Arbeitern vor, sich unabhängig von der IG Metall in Aktionskomitees zusammenzuschließen und international gemeinsam zu kämpfen. In amerikanischen Fiat-Chrysler-Werken haben Autoarbeiter bereits solche Komitees aufgebaut, unter anderem um sich vor Covid-19 zu schützen.
Die IG Metall reagiert auf die Corona-Pandemie jedoch völlig anders: Sie hat selbst die Sicherheitskonzepte ausgearbeitet, unter denen die Opel-Arbeiter schon seit drei Wochen wieder arbeiten müssen. Schon vor der Pandemie hat sie aus Rücksicht auf die nationalen Wirtschaftsinteressen für dieses Jahr offiziell auf Lohnforderungen verzichtet. Die IG Metall akzeptiert sogar, dass der Unternehmerverband Gesamtmetall die Gewerkschaft in einem üblen Tischtennis-Video symbolisch an der Seite der Unternehmer zeigt, wie sie als Teil eines nationalen Teams Deutschland zum Sieg über die ausländische Konkurrenz verhilft.
Tatsächlich zeigt gerade der Opel-Konzern am besten, dass die Arbeiter nur in einem gemeinsamen internationalen Kampf Erfolg haben können. Die Konzernmutter PSA hat den Aktionären am 25. Juni ihre neue Fusion mit Fiat-Chrysler (FCA) vorgestellt. PSA-Chef Carlos Tavares stellt diese Fusion, über welche die EU-Wettbewerbskommission bis zum 22. Oktober entscheiden will, als Allheilmittel für alle Schäden der Corona-Pandemie dar.
Mit der Fusion wollen PSA und FCA den viertgrößten Autokonzern der Welt schaffen. Dazu werden die Unternehmen Opel, Vauxhall, Peugeot, Citroën, DS, Fiat, Chrysler, Jeep, Dodge und Maserati gehören. Zusammen haben diese Unternehmen weit über 400.000 Beschäftigte. Einen größeren Absatz haben dann nur noch VW (mit 670.000 Beschäftigten), Renault-Nissan (450.000) und Toyota (370.000).
Allein bei diesen vier größten Autokonzernen der Welt arbeiten zusammen fast zwei Millionen Menschen. Dies zeigt, dass die Autoarbeiter eine gewaltige Stärke zur Verteidigung von Gesundheit und Leben entfalten könnten, wenn sie nicht durch die nationalistischen und unternehmerfreundlichen Gewerkschaften daran gehindert würden.
Durch die Fusion mit FCA kommen neue Angriffe auf die Opel-Arbeiter zu. Wie es in der Ankündigung der Fusion heißt, wollen die beiden Konzerne jährliche „Synergieeffekte“ über 3,7 Milliarden Euro erzielen, was zwangsläufig wieder auf Kosten von Arbeitsplätzen und sozialen Errungenschaften gehen wird.