Mehr als 20.000 Tonnen Diesel in der Arktis in russischen Fluss ausgelaufen

Am 29. Mai führte ein Unfall in einem Kraftwerk in der Nähe der nordsibirischen Stadt Norilsk zu einer massiven Ölpest. Dabei wurden 23.000 Tonnen Diesel in die Umwelt freigesetzt, von denen der größte Teil in den Fluss Ambarnaja floss. Es handelt sich um eine der größten Umweltkatastrophen, die sich jemals in der Arktis ereignet haben, und wird mit der Exxon-Valdez-Katastrophe von 1989 verglichen. Damals sind etwa 39.000 Tonnen Treibstoff in die Gewässer vor der Küste Alaskas geflossen.

Laut Angaben des Unternehmens Nornickel, dem die Anlage gehört, ist der Unfall vermutlich deshalb passiert, weil aufgrund des tauenden Permafrosts ein Öltank einbrach. Nach Angaben des Unternehmens ruhte der Tank auf 30 Jahre alten Pfeilern. Ein Gebiet von 350 Quadratkilometern ist kontaminiert. Der Ambarnaja färbte sich purpurrot.

Spezielle Ölsperren könnten das Auslaufen eindämmen. Alexej Knischnikow vom World Wildlife Fund Russland warnte jedoch, dies bedeute „nicht, dass die Giftstoffe nicht in das Wasser des [Pjasino-]Sees gelangt sind. Leider sind die giftigsten Bestandteile des Dieselkraftstoffs aromatische Verbindungen wie Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylol, die sich stark mit Wasser vermischen. Es ist unmöglich, sie mit Ölsperren aufzufangen.“

Umweltgruppen haben erklärt, dass die Beseitigung des Ölteppichs wegen seines Umfangs und der geografischen Lage des Flusses in einem abgelegenen, sumpfigen Gebiet schwierig ist. Laut Oleg Mitwoi, dem ehemaligen stellvertretenden Leiter der russischen Umweltagentur Rosprirodnadsor, hat es „noch nie einen solchen Unfall in der Arktis gegeben“. Die Beseitigung könne zwischen fünf und zehn Jahren dauern und umgerechnet bis zu 1,3 Milliarden Euro kosten.

Die kriminell langsame Reaktion sowohl der Firma Nornickel als auch der regionalen Behörden hat das Ausmaß der Katastrophe dramatisch vergrößert.

Obwohl sich das Unglück bereits am 29. Mai ereignet hatte, griffen die regionalen Behörden erst zwei Tage später, am 31. Mai, ein, als sich die Bilder in den sozialen Medien verbreitet hatten. Die Behörden behaupteten, sie hätten von dem Vorfall erst erfahren, als Öl auf einer Autobahn durchsickerte und ein Auto in Brand geriet.

Sergej Werchowez von Greenpeace Russland sagte, bei einer solchen Katastrophe seien zwei Tage „eine sehr lange Zeit“. Er erklärte auch, das Unternehmen habe die natürlichen Ressourcen rücksichtslos ausgebeutet, unter Bedingungen, wo das Auftauen der Permafrostböden – eine Folge der globalen Erwärmung – die ökologische Landschaft dramatisch verändert habe.

Werchowez warnte, die Auswirkungen der Ölkatastrophe würden „noch viele Jahre“ zu spüren sein und die bereits geschädigten Wassersysteme in der Region weiter verschmutzen. Die indigene Bevölkerung, deren Lebensunterhalt von diesen Flüssen abhängt, wird besonders betroffen sein.

Er sagte: „Wir sprechen von toten Fischen, verschmutztem Gefieder der Vögel und vergifteten Tieren.“ Die Behörden haben der Bevölkerung versichert, das Öl habe das Grundwasser nicht verschmutzt. Ob das jedoch stimmt, ist alles andere als sicher. In der nahe gelegenen Stadt Norilsk leben etwa 175.000 Menschen.

Am 3. Juni kritisierte der russische Präsident Wladimir Putin in einer aufwendig inszenierten Fernsehansprache das Unternehmen und rief den Ausnahmezustand für den Bundesstaat aus. Es wurde eine Untersuchung auf Bundesebene eingeleitet, und das staatliche Fernsehen zeigte, wie der Betriebsleiter des Kraftwerks in Handschellen ins Gefängnis gebracht wurde. Er wird zum Hauptsündenbock für die Katastrophe gemacht und wegen der Verletzung von Umweltschutzbestimmungen angeklagt. Er muss mit bis zu fünf Jahren Gefängnis rechnen.

In Wirklichkeit tragen jedoch die Regierung und Nornickel die Hauptverantwortung.

Nornickel ist einer der größten Produzenten von Nickel, Platin und Kupfer weltweit und eines der einflussreichsten und wertvollsten Unternehmen in Russland. Das milliardenschwere Staatsunternehmen steht seit der Zerstörung der Sowjetunion und der Wiedereinführung des Kapitalismus im Zentrum erbitterter Kämpfe zwischen russischen Oligarchen. Es befindet sich zurzeit unter der Leitung von Wladimir Potanin, der über ein Vermögen von 25 Milliarden Dollar verfügt und Präsident Wladimir Putin nahesteht. In einer Erklärung von Freitag behauptete Potanin, das Unternehmen werde für die Sanierung des Katastrophengebiets aufkommen.

Die Umweltschutzbestimmungen in Russland sind bekanntermaßen schlecht, und systematische Verstöße von Unternehmen werden von den staatlichen Behörden routinemäßig übersehen. Im September 2016 führte ein Unfall in einem Metallwerk von Nornickel in der Region zu einer Katastrophe, die den Fluss Daldykan nahe Norilsk rot färbte und das gesamte umliegende Gebiet in eine „tote Zone“ verwandelte. Das Unternehmen wurde mit einer Geldstrafe von weniger als 1.000 Dollar belegt, was ein klares Signal aussandte, dass es bei künftigen Katastrophen nichts zu befürchten habe.

Die Katastrophe am Ambarnaja zeigt die Gefahren, die von dem neuen „Wettlauf um die Arktis“ durch die Großmächte und Konzerne ausgehen. Der rasche Anstieg der Temperaturen hat die Ausbeutung der Rohstoffressourcen in der Region aus ökologischer Sicht viel gefährlicher, aber auch verlockender für Großkonzerne gemacht.

Gleichzeitig wurde die Arktis, die für Russland von großer wirtschaftlicher und geostrategischer Bedeutung ist, zu einem zentralen Schauplatz der Bemühungen des US-Imperialismus, Russland einzukreisen. Das erhöht die Gefahr militärischer und ökologischer Katastrophen noch weiter.

Als Teil der Konfrontation mit den USA hat Russland im Spätsommer letzten Jahres ein schwimmendes Kernkraftwerk im Arktischen Meer gebaut. Das Schiff wurde von Umweltgruppen, die vor den potenziell katastrophalen Folgen eines Unfalls an Bord warnen, als „Atomtitanic“ und „schwimmendes Tschernobyl“ bezeichnet. Nur wenige Monate vor dem Start des schwimmenden Atomkraftwerks kamen bei einem Brand auf einem russischen Atom-U-Boot in der Barentssee 14 hochrangige russische Marineoffiziere ums Leben. Ein Adjutant des Kommandeurs der russischen Marine warnte später unheilverheißend: „Mit ihrem Leben retteten sie das Leben ihrer Kollegen und das Schiff und verhinderten eine planetare Katastrophe.“

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