Viele Menschen sind entsetzt über das brutale und menschenverachtende Vorgehen der Europäischen Union und ihrer nationalen Regierungen gegen Flüchtlinge. Auf dem heute beginnenden EU-Gipfel werden Maßnahmen diskutiert und vorbereitet, die an die dunkelsten Zeiten der deutschen und europäischen Geschichte erinnern. Sie reichen von der Errichtung regelrechter Konzentrationslager in Nordafrika und innerhalb Europas, über die Zählung der Sinti und Roma in Italien bis hin zur Deportation Hunderttausender zurück in die Kriegsgebiete des Nahen und Mittleren Ostens.
Hierzulande übernimmt die Große Koalition die rechtsextreme Flüchtlingspolitik der AfD. Im gegenwärtigen Koalitionsstreit zwischen CDU und CSU geht es darum, wie die flüchtlingsfeindlichen Maßnahmen am besten organisiert und durchgesetzt werden. Sowohl die „nationale Lösung“ von Innenminister Horst Seehofer (CSU), der bereits registrierte Flüchtlinge direkt an der deutschen Grenze zurückweisen will, als auch die sogenannte „europäische Lösung“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sehen Massenabschiebungen und die brutale Abwehr von Flüchtlingen vor.
Dass diese Politik trotz der massenhaften Opposition gegen Rechtsradikalismus und Faschismus vorangetrieben werden kann, liegt vor allem an der Rechtswende des gesamten rot-rot-grünen Milieus. Während die SPD als Regierungspartei den flüchtlingsfeindlichen Kurs vorantreibt, die Grünen sich hinter Merkel und die EU stellen, bringt es die Linkspartei sogar fertig, die Große Koalition von rechts anzugreifen.
Bei der Auseinandersetzung innerhalb der Union gehe es um „reine Symbolpolitik“ und nicht um das Flüchtlingsproblem selbst, beklagte die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht in einem Interview mit dem Nachrichtensender Phoenix am Dienstag. „Jeder weiß doch, dass das, was Seehofer vorschlägt an dem Problem gar nichts ändern würde. Also wenn Deutschland im Alleingang sagt, wir weisen registrierte Flüchtlinge zurück, dann würden andere Länder genauso im Alleingang sagen, wir registrieren nicht mehr, wir winken durch. Und damit wären wir wieder bei genau dem gleichen Zustand, den wir heute haben.“ Beide Seiten seien „mit dem Kernproblem völlig überfordert“ und dies sei „kein guter Ausweis für die Zukunft Deutschlands“.
Wagenknechts nationalistische und flüchtlingsfeindliche Tiraden sind nicht neu. Bereits Anfang 2016 hatte sie erklärt „Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht verwirkt“ und dafür Applaus vom AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland erhalten. Mittlerweile ist die gesamte Partei auf diesen Kurs eingeschwenkt. Und das nicht nur rhetorisch. Überall wo die Partei auf Landesebene mit der SPD und den Grünen regiert, geht sie mindestens genauso brutal und rücksichtslos gegen Flüchtlinge vor, wie die Große Koalition im Bund oder Seehofers CSU in Bayern.
Das gibt die Partei ganz offen zu. In einem Artikel der gegenwärtig unter dem Titel „Bilanz linker Asylpolitik in Thüringen und Berlin“ auf der Website von Marx21 prangt, heißt es: „Mittlerweile ist Thüringen hinter dem Saarland das zweitfleißigste Bundesland in Sachen Abschiebungen. Der Anteil der Abgeschobenen an der Zahl der ausreisepflichtigen Personen lag im ersten Halbjahr 2017 mit 45,5 Prozent fast dreimal so hoch wie in Bayern“.
Marx21 ist eine pseudolinke Gruppe, die in der Partei und ihrer Bundestagsfraktion hohe Ämter bekleidet. Sie ist auf allen Ebenen direkt in die Politik eingebunden, die sie in dem Artikel beschreibt. Die Autorin, eine gewisse Irmgard Wurdack, zeichnet darin das Bild einer Partei, die offen rechten Gruppierungen in nichts nachsteht und Flüchtlinge brutal terrorisiert.
„Mittlerweile häufen sich die Berichte, dass Geflüchtete bei der Rückkehrberatung regelrecht eingeschüchtert werden, nur damit sie ‚freiwillig‘ ausreisen.“ Wiederholt habe der Flüchtlingsrat Thüringen „die Abschiebepraxis in Thüringen“ kritisiert. Man habe „es hier mit einer ganz neuen Dimension zu tun: In Thüringen wird massiv abgeschoben, auch in Fällen, die ganz klar rechtswidrig gehandhabt werden“, zitiert sie eine Sprecherin der Flüchtlingsrats.
Genauso zeige sich in Berlin, „dass eine Regierung mit Beteiligung der Linken keineswegs eine linke Asylpolitik bedeutet“, schreibt Wurdack weiter. Tatsächlich lasse „die Schuldenbremse, zu der sich Die Linke im rot-rot-grünen Senat mitverpflichtet hat, wenig Spielraum, zusätzliche Mittel für neu Ankommende und bereits hier lebende Menschen bereitzustellen“. Deshalb würden „Geflüchtete weiterhin zu Tausenden in Massenlagern ghettoisiert – sogar in Containern, zu Sub-Standards und das ausgerechnet auch noch auf dem Tempelhofer Feld.“
Zudem habe die zuständige Sozialsenatorin der Linkspartei, Elke Breitenbach, Flüchtlingen etwa „Leistungen zur Vollverpflegung in Form von Bargeld verweigert und stattdessen entmündigende Sachleistungen wiedereingeführt“. Im erneut etablierten „Ankunftszentrum“ müssten Flüchtlinge „die Nächte in der 20 Meter hohen Flugzeuggarage mit über 100 Menschen bei Dauerlärmpegel in nach oben offenen Schlafkabinen ohne Türen verbringen.“ Die „menschenunwürdige Unterkunft im Hangar“ sei dabei „allein von Sozialsenatorin Breitenbach zu verantworten“.
Am Ende ihrer Bilanz rechtfertigt sie die unsoziale und flüchtlingsfeindliche Politik ihrer Partei mit den Worten: „Gerade die Flüchtlingspolitik der Bundesländer mit linker Regierungsbeteiligung“ zeige „besonders schmerzhaft, wie sehr unsere Mitregierenden dort von den politischen Rahmenbedingungen getrieben sind.“
In Wirklichkeit sind Linksparteipolitiker keine „Getriebenen“. Sie setzen die reaktionäre Politik um, die sie tatsächlich vertreten und die den sozialen und politischen Interessen der wohlhabenden Mittelschichten entspricht, die sie repräsentieren. Das trifft vor allem für die pseudolinken Tendenzen innerhalb der Linkspartei zu. Marx21 trommelt seit langem für rot-rot-grüne Regierungsbündnisse und ist tief in die Strukturen des deutschen Militarismus integriert. Nun vertreten diese Tendenzen auch in der Flüchtlingspolitik ganz offen rechte Standpunkte.
Das gilt auch für die Sozialistische Alternative (SAV), einer weiteren pseudolinken Fraktion des Parteivorstands. In einem aktuellen Interview zum jüngsten Parteitag der Linken in Leipzig weißt ihr Bundessprecher Sascha Stanicic explizit die Forderung nach „offenen Grenzen“ zurück. Solche könne es „im Rahmen des Kapitalismus nicht geben“, sondern „nur in einer sozialistischen Welt“. Das bedeute, „dass die Formulierung im Sinne einer Forderung wenig hilfreich ist“. Hinzu komme, dass „es ein Reizbegriff ist, der Teilen der Arbeiterklasse schwer vermittelbar ist.“
Tatsächlich gibt es unter Arbeitern und Jugendlichen große Opposition gegen das brutale Vorgehen gegen Flüchtlinge und die Rechtswende des gesamten politischen Establishments. Es ist klar, dass sich der Terror gegen Flüchtlinge gegen die Arbeiterklasse insgesamt richtet und dazu dient, die gesamte deutsche und europäische Politik weiter nach rechts zu verschieben. Um die Politik des Militarismus, der inneren Aufrüstung, des Sozialabbaus und der Flüchtlingshetze zurückzuschlagen, müssen Arbeiter und Jugendliche allen Fraktionen der herrschenden Klasse – von der AfD bis zu den Pseudolinken innerhalb und im Umfeld der Linkspartei – den Kampf ansagen und bewusst für ein sozialistisches Programm eintreten.
Siehe auch:
[25. Juni 2018]