Menschenunwürdige Zustände in der Abschiebehaftanstalt Büren

Die Große Koalition in Berlin will die Abschiebungen forcieren und die Abschiebehaft ausweiten. Auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat Anfang April beschlossen, die Regeln für die Abschiebehaft zu verschärfen. Ein Bericht im aktuellen Spiegel über die Haftanstalt Büren (NRW) macht deutlich, was dies für die Betroffenen konkret bedeutet.

Das Gefängnis in Büren in der Nähe von Paderborn ist derzeit das größte Abschiebegefängnis in Deutschland. Etwa 140 Menschen sind dort inhaftiert. Bisher gibt es in Deutschland acht reine Abschiebegefängnisse, in denen Platz für etwa 400 Menschen ist. Ihre Zahl soll stark ausgeweitet werden. In Dresden (Sachsen) und Darmstadt (Hessen) werden gerade neue Abschiebehaftanstalten gebaut, und in Glückstadt (Schleswig-Holstein) ist eine neue Einrichtung in Planung. In Büren soll die Zahl der Abschiebeplätze aktuell auf 175 erhöht werden.

„Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden“ – so lautet Artikel 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Zustände, die der Spiegel-Bericht nun beschreibt, widersprechen eindeutig diesem Grundsatz.

Der Bericht beginnt mit der Schilderung von besonders gesicherten Räumen, kurz bgR, die sich im Keller des Abschiebegefängnisses befinden. In diesen Zellen gibt es nur eine Matratze und eine in den Boden eingelassene Toilette. Die Wände sind mit Überwachungskameras bestückt. Die dorthin verbrachten Gefangenen tragen in der Regel nur eine Papierunterhose, damit sie sich mit ihrer Kleidung nicht etwa strangulieren können.

Das Wegschließen in diesen Räumen soll die Ausnahme und das letzte Mittel sein, um mit aufgebrachten Häftlingen fertig zu werden, doch in Büren komme es offenbar immer häufiger vor. Der Spiegel zitiert mehrere Passagen aus einem Bericht des Wachpersonals, der ihm vorliegt, und der offensichtlich die menschenverachtende Praxis rechtfertigen soll. Schon im Vorspann heißt es, angesichts von „Morddrohungen, Randale, Ausbrüchen“ sei die Lage in Büren eskaliert.

In einem Fall habe ein Gefangener, ein 28-jähriger Ägypter, einen Tee verlangt, diesen jedoch der Sicherheitskraft, die ihn brachte, sofort ins Gesicht geworfen. Weiter heißt es: „Im weiteren Verlauf zerstörte der Untergebrachte den Fernseher und bewaffnete sich mit den Scherben und drohte wiederholt damit, Kollegen umbringen zu wollen. Nachdem Verstärkung angefordert wurde, wurde der Untergebrachte mittels Schutzanzug und Schild im Haftraum zu Boden gebracht und anschließend in den bgR Haus 1 verbracht.“

Bei dieser Beschreibung kann man nur ahnen, welche panische Angst den jungen Mann getrieben hatte: Er befand sich kurz vor seiner Abschiebung nach Ägypten, in das Land, das von General Abdel Fattah Al-Sisi diktatorisch regiert wird, und in dem seit 2013 tausende Regimegegner ermordet worden sind. Zehntausende werden dort aus politischen Gründen inhaftiert und gefoltert.

Allen Menschen, die in Büren inhaftiert werden, droht die Abschiebung. Für die Haft reicht bereits ein „begründeter Verdacht“, dass sich jemand seiner Deportation entziehen könnte. Auch ein Polizist oder Beamter der Ausländerbehörde kann einen solchen Verdacht aussprechen. Er hat zur Folge, dass die Betreffenden das Grundrecht auf Freiheit verlieren und oft monatelang wegesperrt werden, damit man sie anschließend problemloser abschieben kann.

In dem Spiegel-Bericht heißt es dazu: „Wer in Abschiebehaft lebt, soll nicht resozialisiert werden. Die Gefangenen haben keine Arbeit, sie haben nichts zu tun, außer zu warten, bis sie in ein Flugzeug steigen müssen, in das sie nicht wollen.“

In Büren befinden sich zurzeit ausschließlich Männer im Alter zwischen 18 und 40 Jahren in Haft. Sie kommen unter anderen aus Algerien, Marokko, Syrien, aus Indien, Bangladesch, Tadschikistan und der Mongolei. Sie sollen schnellstmöglich in die Länder abgeschoben werden, aus denen sie geflohen sind, weil sie Sicherheit vor politischer Verfolgung, Krieg oder extremer Not suchten. Neben Muslimen, die in den Augen der Behörden als „islamistische Gefährder“ gelten, sollen dort auch chinesische Arbeiter sitzen, die bei einer Razzia in einem Restaurant beim Gemüse-Schnippeln aufgegriffen worden sind.

Die „Unterbringungseinrichtungen für Ausreisepflichtige“, kurz UfA, wie die Abschiebegefängnisse im Amtsdeutsch heißen, sind Orte der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Das Abschiebegefängnis Büren befindet sich knapp zehn Kilometer außerhalb der Stadt mitten in einem Waldgebiet. Eine sechs Meter hohe Mauer, die das Gelände umschließt, erinnert an ein Hochsicherheitsgefängnis. Die Flüchtlinge leben in Einzelzellen, die mit einem Waschbecken, einem Schrank, einem Bett und einen Fernseher ausgestattet sind. Die Fenster sind vergittert und die Zellen werden nachts verschlossen. Den größeren Teil des Wachpersonals stellt ein privater Sicherheitsdienst.

Die Dauer des Aufenthalts in der Abschiebehaftanstalt kann von einem Monat bis zu einem halben Jahr und auch länger dauern, je nachdem, wie lange die Behörden brauchen, um die nötigen Formalitäten zu erledigen. In dieser Zeit müssen die Flüchtlinge unter Freiheitsentzug und weitgehender Isolation ausharren und auf ihre Abschiebung warten. Es ist nicht verwunderlich, dass es aufgrund dieser Situation zu Verzweiflungsakten kommt.

In einem der Berichte, die dem Spiegel vorliegen, heißt es über einen Häftling aus Guinea: „Es zeichnen sich deutliche depressive Verstimmungen ab, sodass eine Selbstverletzung nicht ausgeschlossen ist. ... Am 11.02.2018 wurde der Untergebrachte völlig apathisch und weinend auf dem Fußboden seines Zimmers vorgefunden. Zudem schlug er mit dem Kopf zweimal auf den Boden.“

Schon vor vier Jahren entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass sich Abschiebehaft von einem normalen Gefängnis deutlich unterscheiden müsse. Seit dieser Zeit wurde die Haftanstalt in Büren in ein reines Abschiebegefängnis umgewandelt, doch die Lage ist dadurch nicht etwa besser geworden.

Im Januar 2018 wurde die Öffentlichkeit auf Büren aufmerksam, als der Anwalt des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ Klage gegen die Vollzugsleiterin der Haftanstalt bei der Staatsanwaltschaft Paderborn einreichte. Gestützt auf Aussagen ehemaliger Wachleute wurde dieser Beamtin Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen. Insbesondere soll sie angeordnet haben, „verflüssigte“ Medizin in das Essen von Abschiebehäftlingen zu mischen, um diese ruhig zu stellen.

Wie der Verein außerdem kritisiert, sitzen immer wieder Menschen in Büren ein, die gar nicht in Haft sein dürften: „Wir haben als Verein seit 2015 insgesamt 237 Fälle begleitet, und Gerichte haben festgestellt, dass 60 Prozent dieser Menschen unrechtmäßig inhaftiert waren“, sagte der Sprecher der Initiative, Frank Gockel, der Presse.

Aufgrund der Anklage und mehrerer weiterer Berichte besuchten am 24./25. Januar vier Mitarbeiter der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter die Haftanstalt Büren. Diese Organisation geht möglichen Misshandlungen in Gefängnissen oder psychiatrischen Kliniken nach. Ihr Bericht wurde bisher nicht veröffentlicht, doch vor Ort kritisierten die Kontrolleure, dass Gefangene in den bgR beim Toilettengang unverpixelt gefilmt worden seien. Diese Form der Überwachung werde nicht einmal in Justizvollzugsanstalten praktiziert. Ein Mitglied der Delegation monierte, dass einige Häftlinge gar nicht wüssten, warum sie in Büren säßen.

Die Bezirksregierung Detmold, die für das Abschiebegefängnis in Büren zuständig ist, reagierte abweisend auf den Bericht des Spiegel über Missstände und Gewalt in der Abschiebehaftanstalt. Die aufgeführten Fälle hätten sich zwar ereignet, aber über einen Zeitraum von 2016 bis heute. Nach ihrer Sicht gebe es keine „fast täglichen“ Vorfälle.

Auch die zuständige Landesregierung, die CDU/FDP-Koalition unter Ministerpräsident Armin Laschet, reagiert nicht auf die Kritik an den Zuständen in Büren. Im Gegenteil. Sie hat vor kurzem beschlossen, das Gesetz zur Abschiebehaft zu verschärfen. Dadurch soll es dem Gefängnispersonal künftig möglich sein, „gefährliche Häftlinge“ härter zu bestrafen. Wer Ärger macht, soll länger eingeschlossen werden. Er soll kein Handy, kein Internet mehr nutzen und auch keinen Besuch mehr empfangen dürfen.

Aus dem Ministerium von Joachim Stamp (FDP), das für Kinder, Familien, Flüchtlinge und Integration zuständig ist, hieß es, Abschiebehaft könne man nicht mit Sozialpädagogen betreiben. Stamp ist stellvertretender Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens.

Die brutale Flüchtlingspolitik wird von allen Parteien getragen. So geht der Ausbau Bürens zur reinen Abschiebehaftanstalt auf den früheren Innenminister Ralf Jäger (SPD) zurück. Von ihm stammt der Ausspruch: „Abschiebungshaft darf in Deutschland nicht wegen Platzmangel scheitern.“

Zwischen Bundesländern herrscht, unabhängig von der politischen Zusammensetzung der jeweiligen Landesregierung, ein regelrechter Abschiebe-Wettbewerb. Nordrhein-Westfalen, das bis zum Mai 2017 von einer Koalition aus SPD und Grünen regiert wurde, brüstete sich schon damals, dass es in absoluten Zahlen die meisten Menschen abschiebe. Im Jahr 2016 wurden 5121 Personen zwangsweise abgeschoben, und im letzten Jahr waren es 6308 Personen.

In der Politik der aktuellen Bundesregierung hat die systematische Verschärfung der Asyl- und Ausländerpolitik der letzten Jahre ihren bisherigen Höhepunkt gefunden. Die Berliner Große Koalition hat die Flüchtlingspolitik der AfD übernommen.

Schon im Koalitionsvertrag haben SPD und Union beschlossen, die Aufnahme von Geflüchteten strikt zu begrenzen, die Abschiebungen zu forcieren, den Familiennachzug drastisch einzuschränken und die Liste angeblich „sicherer Herkunftsländer“ deutlich auszuweiten. Auch will die Regierung die Geflüchteten in zentralen Lagern, den so genannten AnkER-Zentren, dauerhaft internieren. AnkER steht laut Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für „Ankunft, Entscheidung, Rückführung“ – wobei ein „Hier-Bleiben“ offenbar überhaupt nicht vorgesehen ist.

Mit diesen Angriffen auf Geflüchtete zielt die Regierung auf die verwundbarsten Mitglieder der Bevölkerung ab. Aus diesem Grund muss die gesamte Arbeiterklasse gemeinsam den Kampf dagegen aufnehmen. Die Grundlage muss ein internationales sozialistisches Programm sein, welches das Recht jedes Menschen beinhaltet, frei von allen Repressionen im Land seiner Wahl zu leben und zu arbeiten.

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