Die Anweisung von US-Präsident Donald Trump an die oberste Führung des Pentagon, für Ende des Jahres eine Militärparade auf der Pennsylvania Avenue in Washington zu planen, ist eine politische Entwicklung, die todernst genommen werden sollte.
Die Washington Post berichtete, Trump sei am 18. Januar während eines Treffens im geheimen Besprechungsraum des Generalstabs im Pentagon mit dieser Aufforderung an hohe Militärs herangetreten, u.a. seinen Verteidigungsminister James „Mad Dog“ Mattis, der bis vor kurzem General der US Marines war, und Generalstabschef Joseph Dunford.
Unter der Bedingung, dass sein Name nicht genannt werde, erklärte ein Vertreter des Militärs gegenüber der Zeitung, entsprechende Pläne würden „auf den höchsten Ebenen des Militärs ausgearbeitet“. Mögliche Termine für die Parade sind u.a. der Memorial Day (28. Mai), der Unabhängigkeitstag (4. Juli) oder der Veteranentag (11. November).
Einige Medienberichte erklären Trumps Forderung nach einer Militärparade mit seinem Neid auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Letzten Juli hatte er am französischen Nationalfeiertag an dessen Seite zugesehen, wie französische Soldaten, Panzer und andere Militärfahrzeuge über die Champs Élysées zogen.
Noch berichten die Mainstreammedien teils kritisch, teils ironisch über die geplante Parade. Doch man kann fest davon ausgehen, dass sich alle großen Zeitungen und Sender in willige Cheerleader verwandeln, sobald sich Soldaten und Panzer auf der Pennsylvania Avenue in Bewegung gesetzt haben.
Es ist hier viel mehr am Werk als das bloße Imponiergehabe des US-Präsidenten. Die französische Parade diente Trump lediglich als Vorwand, um seine militaristischen Motive, die er bereits lange vor seiner Amtsübernahme verfolgte, zum Ausdruck zu bringen. Schon als Kind wurden ihm von seinem Vater, einem ehemaligen Mitglied des Ku-Klux-Klan, faschistoide Ansichten eingebläut, die beim Besuch einer privaten Militärschule noch weiter gefördert wurden.
Vor seiner Amtseinführung im Januar 2017 erklärte Trump gegenüber der Washington Post:
„Wir werden den Leuten zeigen, dass wir unser Militär aufrüsten... Dass Militär die Pennsylvania Avenue herunter marschieren könnte. Dass Militär zu Paraden über New York City und Washington DC fliegen könnte. Ich meine, wir werden unser Militär zeigen.“
Monate nach Trumps Amtseinführung tauchten Dokumente auf, laut denen die höchsten Mitglieder von Trumps Amtseinführungskomitee vom Pentagon eine Liste und Fotos von Panzern, mobilen Raketenstartrampen und anderen Militärfahrzeugen angefordert hatten, die bei der Parade zur Amtseinführung eingesetzt werden könnten. Das Pentagon reagierte damals äußerst zurückhaltend auf den Vorschlag, einen solchen Einsatz zu organisieren, sodass Trumps Berater ihn fallenließen.
Stattdessen ereignete sich bei der Amtseinführung eine sonderbare und beängstigende Episode: zehn Offiziere, die die Teilstreitkräfte des US-Militärs repräsentierten, marschierten hinter dem künftigen Präsidenten auf und standen während seiner Rede kurz in Formation hinter ihm. Nach wenigen Augenblicken kam ein anderer Offizier hinzu und flüsterte ein Kommando, woraufhin sie verschwanden. Weder das Pentagon noch die Trump-Regierung haben den Vorfall je erklärt. Anscheinend handelte es sich dabei um den gescheiterten Versuch, eine militaristische Kulisse für Trumps faschistoide Hetzrede zu schaffen.
Wenn Trumps lange gehegtes Verlangen, Panzer über die Hauptstraße zwischen Capitol Hill und dem Weißen Haus rollen zu sehen und als Oberbefehlshaber die Ehrenbezeugung der uniformierten Legionen Amerikas abzunehmen, nun in Erfüllung geht, ist dies auf tiefgreifende Veränderungen der amerikanischen Gesellschaft und des kapitalistischen Staatsapparats zurückzuführen.
Die letzte große Militärparade in den USA fand vor über einem Vierteljahrhundert unter Präsident George H.W. Bush statt, um den ersten verbrecherischen Krieg gegen den Irak zu feiern. Was von US-Regierungsvertretern als „Truthahnschießen“ bezeichnet wurde, war in Wirklichkeit ein Massaker an zehntausenden irakischen Truppen, die vor allem durch pausenlose Luftangriffe getötet wurden. Wie wehrlos die irakischen Soldaten dabei waren, zeigt allein die Tatsache, dass das US-Militär bei den Kämpfen selbst kaum mehr als 100 Soldaten verlor. Die Zerstörung eines Großteils der grundlegenden Infrastruktur des Landes durch Bomben und Raketen sowie die verheerenden Sanktionen forderten weitere hunderttausende irakische Todesopfer, die meisten davon Kinder.
Die damalige Parade diente der Feier von Washingtons sogenanntem „unipolaren Moment“. Bush prahlte damals, die USA hätten mit dem Blutbad im Irak endlich das „Vietnam-Syndrom“ überwunden. Die endlosen Kriege des darauf folgenden Vierteljahrhunderts haben indessen deutlich gemacht, dass der Golfkrieg nur ein Knotenpunkt in der zunehmenden Krise des amerikanischen und globalen Imperialismus' und des zunehmenden Zusammenbruchs der Nachkriegsordnung war.
Die Parade war eine schändliche Episode, die wenig Begeisterung auslöste. Sie ließ die verbreitete Ablehnung von Militarismus sowie die vorherrschende Antikriegsstimmung in der Bevölkerung unbeeindruckt.
Was gedenkt Trump mit seiner Parade zu feiern? US-Streitkräfte befinden sich in großen Teilen der Welt in Kampfeinsätzen, ihre Kampfflugzeuge bombardieren mindestens sieben verschiedene Länder gleichzeitig. In keinem dieser Länder ist auch nur im entferntesten ein „Sieg“ in Sicht.
Regierungsvertreter behaupteten, das Spektakel auf der Pennsylvania Avenue werde organisiert, um der Truppe „Liebe und Respekt“ zu zeigen. Diese abgedroschene Lüge benutzt jede herrschende Klasse im Kapitalismus, um ihre Gleichgültigkeit und ihre Verachtung vor den Menschen zu verbergen, die als Kanonenfutter für ihre imperialistischen Eroberungskriege und zur Befriedigung ihrer globalen Profitinteressen herhalten.
Wenn in dieser Parade etwas gefeiert wird, dann der Militarismus und die tiefgreifende Militarisierung der amtierenden US-Regierung, die von einer Kabale aus ehemaligen und aktiven Generälen wie Mattis, dem Stabschef des Weißen Hauses John Kelly und dem Nationalen Sicherheitsberater General H.R. McMaster dominiert wird.
Organisiert von einer Regierung, die praktisch zum Militärregime geworden ist, wird die Parade zur Machtdemonstration und zur Einschüchterung aller tatsächlichen und potenziellen Feinde im In- und Ausland inszeniert. Trump hatte zuvor all jene, die bei seiner Rede zur Lage der Nation nicht aufgestanden waren und applaudiert hatten, als „unamerikanisch“ und „verräterisch“ bezeichnet. Die Parade wird seinen bisher nur rhetorischen Drohungen Nachdruck verleihen.
Die Parade wird vor dem Hintergrund einer tiefgreifenden Veränderung der US-Militärstrategie stattfinden. Wie in den letzten Wochen aus einer Reihe von Dokumenten zur nationalen Verteidigungs- und Atomwaffen-Strategie hervorging, kehrt das Oberkommando der US-Streitkräfte dem zwei Jahrzehnte andauernden „Krieg gegen Terror“ den Rücken und wird sich zukünftig auf die Vorbereitung von Konflikten mit „Großmachten“, d.h. auf eine militärische Konfrontation mit den Atommächten Russland und China, konzentrieren.
Dieser strategische Kurswechsel geht mit einer massiven Aufrüstung des US-Militärs einher, das ohnehin schon mehr für Waffen ausgibt als die Streitkräfte der acht nächst größten Mächte zusammen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der ehemalige US-Präsident Dwight Eisenhower warnte vor mehr als einem halben Jahrhundert in seiner Abschiedsrede, dass der Aufstieg eines „militärisch-industriellen Komplexes“ eine außerordentlich schwere Bedrohung für die amerikanische Demokratie darstelle. Seither sind die Macht des Pentagon und der Wirtschafts- und Finanzoligarchie beständig angewachsen. Das Ausmaß dieser Macht geht inzwischen weit über das hinaus, was sich der längst verstorbene Eisenhower jemals vorzustellen gewagt hätte.
Dieser Prozess drückt sich in krankhafter Form nicht nur in der Person Donald Trumps aus, sondern auch in einer Veränderung der Herrschaftsformen. Die letzten Überbleibsel der Demokratie sind kaum noch mit einer Gesellschaftsordnung vereinbar, die von einer Handvoll von Plutokraten dominiert wird, die ihre unvorstellbaren Vermögen auf Kosten der Arbeiterklasse, der großen Mehrheit der Bevölkerung, angehäuft haben.
Neue Herrschaftsformen entstehen und die Umrisse eines Regimes, das praktisch einer Militärdiktatur gleichkommt, werden sichtbar. Diese Entwicklung trat im Verlauf der aktuellen Haushaltsdebatte offen zutage. Beide Parteien bereiten eine Erhöhung der Militärausgaben um 160 Milliarden Dollar über die nächsten zwei Jahre vor, während sie 700.000 jungen, nicht gemeldeten Migranten mit der Abschiebung drohen und massive Sozialkürzungen vorbereiten, um die Aufrüstung zu finanzieren.
Trumps Verteidigungsminister, General Mattis, gab die Einigung der Parteien am Mittwoch auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus feierlich bekannt. Er selbst hatte die wichtigste Rolle dabei gespielt, sie zu diktieren. Bei wiederholten Aussagen vor dem Kongress verhielt er sich nicht etwa wie ein Bittsteller, der um Gelder wirbt, sondern wie ein Militärführer, der den Zivilisten im Parlament Marschbefehle erteilt. Er deutete zudem an, der Kongress würde den Truppen der Nation in den Rücken fallen, wenn er dem Pentagon keinen grenzenlosen Haushalt zur Verfügung stellt.
Die sogenannte „Opposition“ der Demokraten gegen Trump ist Betrug und ein Ablenkungsmanöver. Wenn sie überhaupt Kritik an der Regierung geübt haben, dann von rechts, indem sie eine aggressivere Haltung gegenüber Russland forderten. Gleichzeitig stellten sie und die sogenannten liberalen Medien, allen voran die New York Times, die Gruppe von Generälen, die im Weißen Haus den Ton angeben, als „die Erwachsenen im Raum“ dar, die Trump angeblich Einhalt gebieten würden.
In der amerikanischen Militärführung gab es immer Fraktionsstreitigkeiten zwischen einer mehr oder weniger unpolitischen Schicht, die das verfassungsmäßige Prinzip der zivilen Kontrolle akzeptiert, und einer weiteren Gruppe, die unter den richtigen Umständen zu einem Militärputsch bereit wäre. Zu den bekanntesten Vertretern dieser zweiten Gruppe gehörten in den 1950er Jahren etwa die Generäle Douglas MacArthur und Curtis LeMay.
In den letzten Jahrzehnten hat das Militär ständig Kriege geführt. Es besteht ausschließlich aus Freiwilligen und hat sich immer mehr zu einer von der zivilen Bevölkerung losgelösten Kaste entwickelt. Unter diesen Bedingungen konnte an der Spitze der militärischen Hierarchie eine zunehmend politisierte, rechte Schicht entstehen. Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass Elemente wie Kelly, den ein erbitterter Hass gegen Migranten auszeichnet, sowie Mattis oder McMaster mindestens ebenso reaktionär sind wie Trump, wenn nicht noch reaktionärer.
Im Bündnis mit der Wall Street und der CIA bewegen sich diese Elemente auf eine faktische Militärherrschaft zu, in der die Rolle der zivilen Regierung in wachsendem Maße auf die einer politischen Fassade reduziert wird.
Es ist nicht so weit hergeholt, wenn man sich fragt: Wenn sie die Truppen auf den Straßen von Washington stationieren, woher wissen wir, dass sie auch wieder abgezogen werden? Oder wird diese Demonstration der erste Schritt einer dauerhaften militärischen Besetzung der amerikanischen Hauptstadt sein?