Am Freitag, den 12. Januar, beteiligten sich tausende griechischer Arbeiter an Demonstrationen und Streiks gegen die Syriza-Regierung. Der Widerstand galt den neuen Sparmaßnahmen und einer umfassenden Einschränkung des Streikrechts.
Schon die ganze Woche über war es zu Streiks gekommen, und zum Abschluss beteiligten sich an der Demonstration in Athen fast zwanzigtausend Arbeiter. Die Beschäftigten der Athener U-Bahn, die Ärzte und die Seeleute legten die Arbeit für 24 Stunden nieder.
Die Streiks brachten das gesamte U-Bahnsystem zum Erliegen, sodass in der Innenstadt ein Verkehrschaos entstand. Schiffe konnten nicht ablegen, und die staatlichen Krankenhäuser mussten aufgrund des Ärztestreiks Reservepersonal aufbieten.
Zu dem Ausstand aufgerufen hatten die Gewerkschaften des Dachverbands GSEE, der die Privatwirtschaft abdeckt, und der Militanten Arbeiterfront (PAME), die der stalinistischen Kommunistischen Partei Griechenlands nahesteht. Die Arbeiter trugen Plakate und Transparente mit den Parolen: „Hände weg vom Streikrecht“, „Aufstand!“ und „Nein zu moderner Sklaverei!“
Der frühere Schiffsoffizier Georgios Papaspyropoulos erklärte im Interview mit Reuters: „Hier wird praktisch das Streikrecht abgeschafft … So etwas ist bisher nur unter der Militärjunta passiert. Diese Regierung ist nur auf dem Papier links. Sie verhält sich wie eine Militärjunta.“
Die Nachrichtenagentur zitiert auch einen 50-jährige Hotelangestellten, Nikos Papageorgiou, mit den Worten: „Die Generationen vor uns haben für das Streikrecht ihr Blut vergossen. Jetzt versucht eine angeblich linke Regierung, es abzuschaffen.“
Die Syriza-Regierung mobilisierte erneut Bereitschaftspolizei gegen die Arbeiter. Als die Demonstranten in Athen auf die Stufen des Parlamentsgebäudes auf dem Syntagma-Platz zumarschierten, wurden sie von schwer bewaffneten Beamten mit Tränengas angegriffen.
Letzte Woche besetzten Arbeiter bei Protestveranstaltungen u.a. das Arbeitsministerium und stellten Ministerin Efi Achtsioglou zur Rede. Auch vor dem schwer bewachten offiziellen Wohnsitz von Ministerpräsident Alexis Tsipras fanden Proteste statt.
Die demokratiefeindlichen Maßnahmen sind nur die letzten in einer ganzen Reihe, welche die Europäische Union und die Syriza-Regierung der griechischen Bevölkerung aufzwingen. Sie ist bereits durch fast zehn Jahre brutalen Austeritätskurs ausgeblutet. Jetzt soll sie noch größere „Opfer“ bringen, damit das Land seine Schulden bei den Banken bezahlen kann, die immer noch etwa 300 Mrd. Euro betragen.
Als Gegenleistung für den derzeitigen Kredit in Höhe von 86 Milliarden Euro, der im August ausläuft, hat Syriza versprochen, brutale Sparmaßnahmen durchzusetzen. Griechenland hat bisher nur 40,2 Mrd. Euro von diesem Geld erhalten. Eine weitere Tranche von 4,5 Mrd. Euro wird es nur erhalten, wenn die Regierung weitere Kürzungen und Privatisierungen durchsetzt.
Am heutigen Montagabend wollen Syriza und ihr Koalitionspartner, die rechtsextremen Unabhängigen Griechen, ein Mehrzweckgesetz verabschieden, das die Familienzulagen weiter kürzt, Zwangsversteigerungen wegen überfälligen Darlehen schneller ermöglicht und drakonische Maßnahmen zur Einschränkung von Streiks vorsieht.
Mit dem Anti-Streik-Gesetz wird ein Gesetz abgeschafft, das 1982 eingeführt wurde, nachdem die faschistische Junta bereits 1974 gestürzt worden war. Das frühere Gesetz wird dahingehend korrigiert, dass mehr Arbeiter an Streikabstimmungen teilnehmen müssen und Streiks auf Vollversammlungen beschlossen werden müssen. Nach dem neuen Gesetz ist ein Streik erst legal, wenn statt einem Drittel mindestens 50 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder dafür stimmen, und zwar 50 Prozent aller Mitglieder, und nicht nur von denjenigen, die an der Abstimmung teilnehmen.
Für heute hat der Gewerkschaftsbund für den öffentlichen Dienst ADEDY weitere Streiks geplant, die mit der Abstimmung im Parlament am Abend zusammenfallen sollen. Daran werden u.a. die Beschäftigten des öffentlichen Verkehrssystems und der staatlichen Krankenhäuser sowie Fluglotsen teilnehmen. Letztere werden von 12 bis 15 Uhr die Arbeit niederlegen, wovon 48 Inlands- und Auslandsrouten von Aegean Air und Olympic Air betroffen sein werden.
Als Reaktion auf die Proteste am Freitag versuchte Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos, das Ausmaß der jüngsten Maßnahmen herunterzuspielen, und er erklärte, sie hätten keine Auswirkungen auf die höchsten Ebenen der Gewerkschaftsbürokratien von GSEE und ADEDY: „Das betrifft nicht die Dachgewerkschaften und ändert nichts an dem Verfahren nach beschlossenen Streiks.“
In den letzten zehn Jahren haben sich die griechischen Regierungen jeder Couleur, von der sozialdemokratischen Pasok über die konservative Nea Dimokratia bis hin zur Syriza-Regierung, bei der Durchsetzung ihrer Spardiktate auf die Gewerkschaftsverbände verlassen. Sie haben in regelmäßigen Abständen über 50-mal zu Generalstreiks aufgerufen, meist nur für einen Tag, damit die Arbeiter „Dampf ablassen“ konnten. Gleichzeitig verhandelten sie mit der Regierung über die Umsetzung der Kürzungen.
Griechenland muss für jeden Cent, den es von der EU erhält, weitere Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse durchführen. Am Freitag berichtete die Zeitung Kathimerini: „Wie die Arbeitsgruppe der Finanzminister der Eurozone ihrem griechischen Vertreter Giorgios Houliarakis am Donnerstag mitteilte, hat die Regierung weniger als eine Woche Zeit, um die letzten Vorbereitungen vor dem Review-Meeting der Eurogruppe am 22. Januar abzuschließen.“
Die Mitglieder der Euro-Gruppe hätten „eine Übersetzung der 600 Seiten des Multi-Gesetzes erhalten, über das momentan im griechischen Parlament debattiert wird“, heißt es dort weiter. „Aber sie hatten noch keine Zeit, den Inhalt auszuwerten“, was bedeutet, dass die Euro-Gruppe erst noch entscheiden will, ob die griechischen Vorschläge auch weit genug gehen.