Französische Medien und Parteien vertuschen Putschplan der PS-Regierung

Auch am Freitag herrschte in den wichtigsten französischen Medien und Parteien Schweigen über den außergewöhnlichen Bericht in der Donnerstagsausgabe des Nachrichtenmagazins L’Obs. Laut diesem Bericht hatte die scheidende Regierung der Sozialistischen Partei (PS) einen Staatsstreich für den Fall geplant, dass statt Emmanuel Macron, der von der PS unterstützt wurde, Marine Le Pen vom Front National (FN) die zweite Runde der Präsidentschaftswahl am 7. Mai gewinnt.

Geplant war eine umfassende Mobilisierung der Polizei, um antifaschistische Proteste niederzuschlagen und einen Bruch mit den üblichen Wahlabläufen durchzusetzen, um Le Pen zu zwingen, mit einem Premierminister von der PS zu regieren. Ein Regierungsvertreter erklärte gegenüber dem L’Obs: „Das ganze Land wäre zum Stillstand gekommen. Die Regierung hätte nur eine Priorität gehabt: die Sicherheit des Staats zu garantieren.“ Das bedeutet, die PS hätte die üblichen parlamentarischen Herrschaftsformen in Frankreich ausgesetzt, um Le Pen an der Macht zu halten und den Widerstand von links zu unterdrücken.

Der Bericht des L’Obs basiert auf Informationen aus mehreren anonymen hochrangigen Quellen der PS. Das ohrenbetäubende Schweigen über den Artikel und das Ausbleiben eines offiziellen Dementis deutet ganz klar darauf hin, dass er im Wesentlichen korrekt ist.

Der Inhalt des Artikels zeigt, dass die Funktionäre der PS bereit waren, das Parlament durch einen Putsch zu entmachten und eine Diktatur der Geheimdienste und der Polizei an die Macht zu bringen, um Massenproteste zu unterdrücken. Es handelt sich hierbei nicht nur um Hypothesen für den Fall eines möglichen Wahlsiegs von Le Pen am 7. Mai. Macron plant, mithilfe des Arbeitsgesetzes der PS die Löhne einseitig drastisch zu kürzen und Tarifverträge ungültig zu machen sowie die Wehrpflicht wieder einzuführen. Man geht davon aus, dass es zu Protesten dagegen kommen wird. Die Frage ist, ob seine neue Regierung den Einsatz dieser Methoden gegen die Arbeiterklasse vorbereitet.

FN-Vizepräsident Louis Aliot erklärte gegenüber Le Figaro, der Plan sei „ein Akt der Feindseligkeit gegenüber der Souveränität des Volks… Es wäre ein einmaliges Vorkommnis und es hätte Marine Le Pen als Oberbefehlshaberin der Streitkräfte große Probleme bereitet.“ Dennoch versuchte er, den Plan zu verharmlosen, bezeichnete ihn als „unvorstellbar“ und wies die Behauptungen der PS zurück, nach einem Wahlsieg des FN wäre es zu massiver Gewalt von links gekommen: „Es hätte nicht mehr [Gewalt] gegeben als bei den Protesten gegen das Arbeitsgesetz.“

Weder die PS, noch deren Vertreter in Macrons neuer Regierung hielten es für angebracht, den Inhalt des Artikels zu kommentieren oder zu dementieren. Weder die Nachrichtensendungen noch wichtige PS-nahe Zeitungen wie Le Monde und Libération berichteten über den Artikel.

Das politische Establishment und die Medien tun so, als hätte der Inhalt des L’Obs-Artikels – die geplante Aussetzung der normalen parlamentarischen Verfahren und die Verhängung des Kriegsrechts – keine besondere Bedeutung. Reporter der World Socialist Web Site sprachen mit Pressevertretern der PS, der Neuen Antikapitalistische Partei (NPA) und Jean-Luc Mélenchons Bewegung Unbeugsames Frankreich (UF), doch alle lehnten es ab, sich zum Artikel zu äußern oder bezeichneten ihn als irrelevant.

Vertreter der PS erklärten den Reportern der WSWS, sie hätten den Artikel in L’Obs nicht gesehen, was sehr unwahrscheinlich ist. Sie gaben aber zu, in anderen Publikationen darüber gelesen zu haben: „Ich habe es in L’Express und Le Figaro gesehen, aber nicht in L’Obs.“ Sie weigerten sich dann, auf weitere Fragen zu antworten und erklärten, alle Fragen sollten an den ehemaligen PS-Premierminister Bernard Cazeneuve gerichtet werden.

Die diversen pseudolinken Organisationen äußerten sich selbstgefällig und unaufrichtig gegenüber der WSWS. Die Pressestelle der UF ließ der WSWS ausrichten, sie hätte dazu nichts zu sagen. Sollte die UF glauben, die Angelegenheit würde einen Kommentar verdienen, würden ihre nationalen Sprecher sich dazu äußern. Diese wahren jedoch weiterhin vollständiges Schweigen über die Angelegenheit.

Ein Pressevertreter der NPA erklärte gegenüber der WSWS: „Ich habe [den Artikel] gesehen. Aber ich muss zugeben, dass ich ihn nicht gelesen habe, weil er wie eine typische sensationslüsterne Geschichte aussah.“ Er fügte hinzu, bei der NPA sei niemand erreichbar, der dazu einen Kommentar abgeben könne.

Die Reporter der WSWS wiesen darauf hin, dass Mitgliedern der NPA unter dem von der PS verhängten Ausnahmezustand mit Anklagen gedroht und sie von der Teilnahme an Demonstrationen ausgeschlossen wurden. Sie fragten, warum die NPA vor diesem Hintergrund nicht an Berichten interessiert sei, laut denen die PS einen Angriff auf demokratische Rechte plant. Daraufhin antwortete der Pressevertreter der NPA: „Es geht hier um Zeit, wir müssen uns um die Wahl zur Nationalversammlung kümmern. Ich habe den Artikel gesehen, aber ich habe ihn für eine Sensationsgeschichte gehalten.“

Er fügte hinzu: „Ich glaube nicht, dass die PS einen Putsch gegen den Front National organisieren könnte. Das wäre nicht zu erwarten. Und ich glaube, wenn der Front National an die Macht gekommen wäre, hätte er mächtige Waffen gegen uns eingesetzt.“

Er gab jedoch zu, dass sich Frankreich „durch den Ausnahmezustand geändert hat. Die zugrundeliegende Philosophie hat sich mehr in Richtung Polizei entwickelt, man könnte von einem sehr tiefen Staat sprechen.“ Auf die Frage, ob der „tiefe Staat“ in der Lage wäre, die demokratische Ordnung durch einen Putsch der Sicherheitskräfte außer Kraft zu setzen, erklärte er: „Heute nicht. Ob es später möglich wäre, weiß ich nicht.“

Das Schweigen der PS und ihr nahestehender Medien und die verantwortungslose Haltung der UF und der NPA müssen eine Warnung für die Arbeiterklasse sein. Die Kräfte, die sich jahrzehntelang als „links“ ausgegeben haben, sind selbstgefällig und stehen den bisherigen schweren Angriffen auf demokratische Rechte, die Macron noch verschärfen will, weitgehend gleichgültig gegenüber.

Im November 2015 hat die PS den Ausnahmezustand verhängt, unter dem demokratische Grundrechte ausgesetzt sind und die Polizei Menschen willkürlich verhaften, Demonstrationen verbieten und Personen unter Hausarrest stellen kann. Auf diese Weise wurden bereits soziale Proteste unterbunden und brutal unterdrückt sowie eine militaristische, muslimfeindliche Atmosphäre geschaffen. Die Folge war der politische Zusammenbruch der PS, die in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl nur sechs Prozent der Stimmen erhielt.

Jetzt übernimmt Macron die Macht auf der Grundlage einer brüchigen Koalition aus PS und rechten Politikern. Seine Agenda aus Austeritäts- und Kriegspolitik ist zutiefst unpopulär. Alles deutet darauf hin, dass seine Unterdrückungsmethoden noch brutaler sein werden als die der PS. Der Bericht im L’Obs und vor allem die Reaktion der restlichen Medien müssen eine Warnung sein: Macron wird bei seinen Angriffen auf demokratische Rechte und sogar bei dem Versuch, eine Diktatur in Frankreich zu errichten, kaum auf Widerstand der Medien und des politischen Establishments stoßen.

Dass pseudolinke Kräfte wie die UF und die NPA die Bedeutung des Artikels im L’Obs herunterspielen, zeigt den Bankrott ihrer kleinbürgerlichen Politik. Fast 50 Jahre lang, seit der Gründung der PS im Jahr 1971, haben sich diese Kräfte und ihre Vorgänger an der PS orientiert, weil sie den Marxismus und den Kampf für die Machtergreifung der Arbeiterklasse ablehnen. Angesichts des Zusammenbruchs und des Rechtsrucks der PS zeigen sie heute, dass sie der Arbeiterklasse in den bevorstehenden enormen Krisen und revolutionären Kämpfen nichts zu bieten haben.

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