Raoul Pecks „Der junge Karl Marx“

Es gibt Perioden, in denen die Erkenntnis von Natur und Gesellschaft in kurzer Zeit einen Quantensprung macht. In der Naturwissenschaft sind die Namen Galileo, Darwin oder Einstein mit solchen Umwälzungen verbunden, in der Gesellschaftswissenschaft die Namen Marx und Engels.

Innerhalb weniger Jahre vollzogen die beiden eine beispiellose Revolution des Denkens. Sie brachen mit dem deutschen Idealismus und stellten das Verständnis der Gesellschaft auf eine materialistische Grundlage. Sie entdeckten den Klassenkampf als Triebkraft der Geschichte und entwickelten den Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft.

Die volle Bedeutung dieser kolossalen Leistung wurde erst im Laufe der Zeit sichtbar. Der Marxismus legte die theoretische Grundlage für die erste Massenpartei der Arbeiterklasse, die deutsche Sozialdemokratie unter Bebel, und für die erste siegreiche proletarische Revolution, die russische Oktoberrevolution vor hundert Jahren.

Während es dem Stalinismus gelang, die Sowjetunion zu zerstören, ist der Marxismus heute lebendiger denn je zuvor. Globale Finanzkrise, empörende soziale Ungleichheit, wachsender Militarismus und der Aufstieg von Rechten, wie Trump in den USA, veranlassen viele, sich Marx zuzuwenden, um einen Ausweg aus der Sackgasse des Kapitalismus zu finden. Selbst seine Gegner sehen sich gezwungen, Marx‘ Einsichten wieder ernst zu nehmen.

Der in Haiti geborene Regisseur Raoul Peck hat sich die Aufgabe gestellt, die Entstehungsjahre des Marxismus in einen Film zu fassen. Die Aktualität des Themas bildet dabei seinen Ausgangspunkt. „Während die Welt sich im Ausnahmezustand der Finanzkrise befindet, erlebt Karl Marx ein unerwartetes Interesse“, schreibt er in einem Beitrag zum Film. Mehr als 25 Jahre nach dem Mauerfall, scheine es jetzt möglich, „zu dem zurückzukehren, was Karl Marx an wissenschaftlicher Arbeit geleistet hat, ohne Schuldgefühle haben zu müssen“. Aufgabe des Films sei es, „den tatsächlichen Beitrag dieses wissenschaftlichen und politischen Denkers zu entdecken“.

Die Zusammenarbeit von Marx und Engels

„Der junge Karl Marx“ konzentriert sich auf einen eng beschränkten Zeitraum. Er beginnt mit dem Verbot der Rheinischen Zeitung im März 1843, die Marx damals als Chefredakteur leitete, und endet mit dem Verfassen des „Kommunistischen Manifests“ Ende 1847. Es sind die Jahre, in denen Marx und Engels mit den kleinbürgerlichen Demokraten brachen und die theoretischen Grundlagen für die moderne, sozialistische Arbeiterbewegung legten.

Jenny Marx (Vicky Krieps), Karl Marx (August Diehl) und Friedrich Engels (Stefan Konarske). © Frédéric Batier, Neue Visionen Filmverleih [Photo: Kris Dewitte, Neue Visionen Filmverleih]

Der Film schildert die Ereignisse dieser Jahre in streng chronologischer Abfolge und legt dabei den Schwerpunkt auf die enge Zusammenarbeit von Marx und Engels, wobei er auch Marx‘ Frau Jenny von Westphalen und Engels‘ Frau Mary Burns, einer irischen Arbeiterin, erheblichen Platz einräumt. In dieser Fokussierung auf Marx und Engels liegt die Stärke des Films. Er stellt anschaulich dar, wie sich die beiden gegenseitig inspirieren und dabei eine enge persönliche Freundschaft entwickeln.

Peck, der den Marxismus als Student im Westberlin der 1970er Jahre kennen lernte, versucht nie, einen Gegensatz zwischen dem „Romantiker“ und „verkappten Idealisten“ Marx und dem Materialisten Engels zu konstruieren, wie dies damals in den Kreisen westlicher Marxisten üblich war. Der Film bezeichnet Marx wiederholt als „großen Materialisten“ und stellt die revolutionäre Grundlage der Freundschaft zwischen Marx und Engels heraus: Ihre Entschlossenheit, sich nicht mit den bestehenden Ausbeutungsverhältnissen und den Halbheiten der kleinbürgerlichen Demokraten abzufinden.

Schon die erste Szene zeigt ein brutales Massaker an Armen, die im Wald Fallholz sammeln, was nach damaligem Recht als Diebstahl galt. Dazu wird ein Artikel von Marx aus der Rheinischen Zeitung zitiert: „Das Volk spürt die Strafe, aber es sieht nicht das Verbrechen. Und wenn es kein Verbrechen sieht, wo es betraft wird, solltet Ihr es fürchten, denn es wird sich rächen.“

Das Verbot der Rheinischen Zeitung, die im Ringen mit der preußischen Zensur ständig Zugeständnisse machen musste, führt zu einem heftigen Streit zwischen Marx und den in der Redaktion vertretenen Junghegelianern, die Marx‘ scharfe Polemiken für das Verbot verantwortlich machen.

Marx entgegnet ihnen: „Ihr denkt immer nur darüber nach, was man alles durch die Blume sagen kann. Ihr schreibt vage Literaturkritiken und vage Resumées über vage politische Ideen. Ihr Junghegelianer und Freigeister, wie ihr euch Beifall heischend nennt, amüsiert euch nur weiter! Ich habe genug, mit Nadelstichen zu kämpfen. Ich habe genug von der Heuchelei. Wir sind verboten. Gut so.“

Marx selbst schrieb 16 Jahre später über seine damalige Entwicklung: „Im Jahr 1842-43, als Redakteur der ‚Rheinischen Zeitung‘, kam ich zuerst in die Verlegenheit, über sogenannte materielle Interessen mitsprechen zu müssen.“ Die Verhandlungen des Rheinischen Landtags über Holzdiebstahl und andere Fragen hätten „die ersten Anlässe zu meiner Beschäftigung mit ökonomischen Fragen“ gegeben. Ein „schwach philosophisch gefärbtes Echo des französischen Sozialismus und Kommunismus“, dass sich in der Rheinischen Zeitung hörbar machte, habe er als „Stümperei“ abgelehnt. Seine bisherigen Studien hätten es ihm aber nicht erlaubt, „irgendein Urteil über den Inhalt der französischen Richtungen selbst zu wagen“. Deshalb habe er „die Illusion der Geranten der ‚Rheinischen Zeitung‘, die durch schwächere Haltung des Blattes das über es gefällte Todesurteil rückgängig machen zu können glaubten“, begierig ergriffen, „um mich von der öffentlichen Bühne in die Studierstube zurückzuziehn“.

Einen Schwerpunkt des Films bilden Engels‘ Erfahrungen in England: im Textilbetrieb seines Vaters in Manchester, in dem er als Prokurist arbeitet, und in den entsetzlichen Wohnquartieren der Arbeiter, zu denen er – nicht, ohne sich eine blutige Nase zu holen – dank seiner Freundin Mary Burns Zugang findet. Hier sammelt er das Material zu seiner Schrift „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“, die 1845 erscheint.

Diese Schrift ist nicht nur eine „furchtbare Anklage gegen den Kapitalismus und die Bourgeoisie“, kommentierte sie Lenin später. Engels habe darin auch „als erster gesagt, dass das Proletariat nicht nur eine leidende Klasse ist“, sondern dass seine „schmachvolle wirtschaftliche Lage … es unwiderstehlich vorwärtstreibt und zwingt, für seine endgültige Befreiung zu kämpfen. Das kämpfende Proletariat wird sich selbst helfen.

Der Film zeigt völlig korrekt, dass es Engels war, der Marx auf die Bedeutung der Schriften der klassischen englischen Ökonomen hinwies. Der Artikel „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“, den Engels zu Beginn ihrer Zusammenarbeit in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ veröffentlichte, nahm viele Ideen vorweg, die Marx später im „Kapital“ gründlicher entwickelte.

In einer späteren Szene, die zu den amüsantesten im Film gehört, stellen Engels, Marx und Mary Burns in einem Londoner Club einen Unternehmerfreund von Engels‘ Vater zur Rede, der in seiner Fabrik Kinder beschäftigt und behauptet, dass Nachtarbeit sich nicht auf ihre Gesundheit auswirke. „Sie meinen, auf Ihre Gesundheit“, erwidert Mary dem verdutzten Unternehmer.

Raoul Peck hat für die Besetzung der Hauptrollen des Films, einer französisch-deutsch- belgischen Koproduktion, deutsche Schauspieler ausgewählt. August Diehl gibt einen überzeugenden Marx, der Scharfsinn und Witz mit Souveränität vereint. Stefan Konarske spielt einen charmanten Engels, der vielleicht eine Spur zu schwärmerisch erscheint.

Vicky Krieps verkörpert glaubwürdig Jenny Marx, die das adelige Elternhaus mit dem Schicksal einer Emigrantin und Frau eines Revolutionärs vertauscht hat und dies keinen Augenblick bereut. Hannah Steele stellt Mary Burns als rebellische und unabhängige Irin dar; dass Engels sie als Rädelsführerin im väterlichen Betrieb kennenlernte, ist allerdings historisch nicht verbürgt.

Auch die Nebenrollen sind gut besetzt. Olivier Gourmet verkörpert einen leicht spießigen Proudhon und Alexander Scheer einen linkischen Weitling, der immer wieder in schwülstige Phrasen verfällt.

Politische Auseinandersetzungen

Marx und Engels entwickelten ihre historisch-materialistische Weltanschauung am Vorabend der bürgerlichen Revolution, die 1848 ganz Europa ergriff, in heftigen Kontroversen mit Vertretern von Strömungen, die die Interessen bürgerlicher und kleinbürgerlicher Schichten sowie konservativer Handwerker artikulierten.

Der Film räumt diesen Auseinandersetzungen viel Raum ein. Neben anderen treten die Junghegelianer Max Stirner und Bruno Bauer, der Herausgeber der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“ Arnold Ruge, der französische Sozialist Pierre Proudhon, die „wahren“ Sozialisten Moses Hess und Karl Grün und der schwärmerische Utopist Wilhelm Weitling im Film auf.

Obwohl die Dialoge größtenteils auf Originalquellen beruhen, ist es oft nicht leicht zu verstehen, worum es inhaltlich geht. Das liegt zum einen an der Dramatik des Geschehens. Der Film versucht, das Leben seiner Protagonisten – beide sind noch keine dreißig Jahre alt – in vielen Aspekten darzustellen: Liebe, Geburt, Ausschweifungen, materielle Not, Konflikte mit dem Elternhaus, usw. Er habe Marx, den „bärtigen Alten“, hinter sich lassen und „die Abenteuer dieses fulminanten Trios … in einem explosiven Europa unter der Fuchtel der Zensur am Vorabend der bürgerlich-demokratischen Revolution“ auferstehen lassen wollen, begründet dies Peck.

Der Inhalt der Auseinandersetzungen wird dadurch oft überdeckt. Bevor man das Thema erfasst hat, folgt bereits das nächste Ereignis. Hier wäre etwas weniger Hektik wünschenswert gewesen. Es lohnt sich, den Film zweimal anzusehen.

Auch die Konzentration von Geschehnissen, die sich über einen längeren Zeitraum entwickelt haben, auf ein einziges Ereignis, schafft Probleme. Dramaturgisch mag dies gerechtfertigt sein, es verflacht aber den Film.

So näherten sich Marx und Engels über eine längere Periode an. Engels hatte Marx bereits in Köln getroffen, als dieser noch die Rheinische Zeitung leitete, und selbst Artikel für diese Zeitung verfasst. Ihr erstes Zusammentreffen in Köln verlief kühl, weil Marx damals bereits mit den Junghegelianern gebrochen hatte, während Engels sie noch unterstützte. Bevor sie dann in Paris ihre lebenslange Freundschaft schlossen, hatten sie die Arbeit des anderen bereits kennen und schätzen gelernt.

Im Film dagegen lernen sich Marx und Engels, abgesehen von einem zufälligen Treffen in Berlin, an ein und demselben Tag in der Pariser Wohnung Arnold Ruges kennen, beschimpfen sich erst heftig, überhäufen sich dann gegenseitig mit Komplimenten und schließen schließlich bei einem Schachspiel und heftigem Alkoholgenuss Freundschaft. Das wirkt aufgesetzt und unglaubwürdig.

Marx und Engels freunden sich beim Schachspiel an. © Kris Dewitte, Neue Visionen Filmverleih [Photo: Kris Dewitte, Neue Visionen Filmverleih]

Vollends flach und trivial wird die Darstellung, wenn die beiden nach dem Freundschaftsgelage völlig betrunken durch die Straßen von Paris torkeln, Marx sich im Rinnstein übergibt und anschließend lallend verkündet: „Weißt du, ich glaube, ich hab was verstanden: Alle Philosophen haben bis jetzt immer nur interpretiert, die ganze Welt interpretiert, aber man muss sie verändern.“ Dies ist die peinlichste Szene des ganzen Films.

Marx‘ Feuerbachthesen, deren elfte hier zitiert wird, bedeuteten einen gewaltigen Fortschritt bei der Ausarbeitung der historisch-materialistischen Weltanschauung. Marx und Engels hatten sich in der Auseinandersetzung mit dem Idealismus Hegels und der Junghegelianer dem Materialismus von Ludwig Feuerbach zugewandt. Dieser Materialismus war aber passiv und betrachtend, weil er, wie Marx es ausdrückte, „die Bedeutung der ‚revolutionären‘, der ‚praktisch-kritischen‘ Tätigkeit“ nicht verstand“.

Marx ging es nicht darum, die Veränderung der Welt in Gegensatz zu ihrer Interpretation zu stellen und einem blinden Aktivismus das Wort zu reden, wie es diese Szene nahelegt. Er betonte vielmehr, dass die Welt nur unter Einbeziehung der menschlichen Praxis richtig verstanden und auf dieser Grundlage bewusst verändert werden kann.

Der Bund der Gerechten

Das letzte Drittel des Films befasst sich mit Marx‘ und Engels‘ Arbeit im Bund der Gerechten. Es zeigt, wie sehr sich die beiden schon damals bemühten, eine internationale Partei der Arbeiterklasse aufzubauen. In Brüssel gründeten sie ein Kommunistisches Korrespondenz-Komitee, das Verbindungen in mehrere Länder aufbaute. Anfang 1847 traten sie dann dem Bund der Gerechten bei, der schon 1836 von deutschen Arbeitern und Schneidergesellen im Exil gegründet worden war, die politische und soziale Revolution propagierte und über Ableger in mehreren Ländern verfügte.

Marx auf dem Kongress des Bunds der Gerechten. © Frédéric Batier, Neue Visionen Filmverleih [Photo: Kris Dewitte, Neue Visionen Filmverleih]

Marx und Engels konzentrierten ihre Arbeit darauf, die Arbeit des Bunds auf ein durchdachtes, wissenschaftliches Programm zu stellen. Das erforderte eine intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen kleinbürgerlichen Tendenzen, die großen Einfluss auf den Bund ausübten. Der Film rekonstruiert die politischen Kämpfe, die im Bund tobten, mit großer Intensität. Auch hier lenkt die Hitze der Auseinandersetzung manchmal von den inhaltlichen Fragen ab, über die gestritten wird.

Die Auseinandersetzung mit Proudhon zieht sich durch mehrere Teile des Films. Schon in Paris besuchen Karl und Jenny Marx ein Bankett, auf dem der gefeierte kleinbürgerliche Sozialist und Vorläufer des Anarchismus spricht. Marx polemisiert gegen seinen berühmten Satz „Eigentum ist Diebstahl“, der sich, wie Jenny spöttisch bemerkt, „in den Schwanz beißt“. Denn wenn Eigentum Diebstahl ist, was ist dann Diebstahl, die Entwendung von Eigentum?

Die Beziehungen zu Proudhon bleiben aber freundschaftlich. Als Proudhon dann 1846 sein Werk „Philosophie des Elends“ veröffentlicht, antwortet ihm Marx mit dem „Elend der Philosophie“. Das Buch zerpflückt Proudhons Theorien und stellt ihnen die erste systematische Darstellung des historischen Materialismus entgegen.

Viel Platz räumt der Film auch der Auseinandersetzung mit Wilhelm Weitling ein, einem Schneidergesellen, der 1836 eine führende Rolle bei der Gründung des Bunds der Gerechten gespielt hatte. Weitling vertrat kommunistische Ideen, die er mit utopischen Methoden verwirklichen wollte. Marx und Engels versuchten ihn zu überzeugen, dass die Arbeiterklasse eine wissenschaftliche Theorie brauche und sich nicht mit einer Propaganda begnügen könne, die ausschließlich ans Gefühl appelliere.

Schließlich kommt es zum offenen Bruch. Als Weitling auf einem Treffen verkündet, „hunderttausend bewaffnete Proletarier unter Beistand von vierzigtausend Kriminellen“ reichten aus, „um die Tyrannei der Bourgeoisie zu beenden“, herrscht Marx ihn an: „Die Arbeiter erheben zu wollen, ohne ihnen eine Doktrin anzubieten, die konstruktiv ist, ist ein unehrliches und anmaßendes Spiel mit einem inspirierten Propheten auf der einen Seite und Sprachlosen und Schwachsinnigen auf der anderen.“

Der tief beleidigte Weitling verweist auf Tausende Briefe, „die mir beweisen, dass meine bescheidene Arbeit ein größeres Gewicht für die Sache darstellt als Salondoktrin, die vom leidenden Volk weit entfernt ist“. Marx brüllt wütend zurück: „Ignoranz hat noch nie jemandem genützt, niemals.“

Am Schluss verlässt Weitling den Raum mit den Worten: „Ich werde das erste Opfer der Guillotine sein. Dann seid ihr an der Reihe. Dann deine Freunde. Und zum Schluss schneidest du dir selber den Hals ab. Die Kritik verschlingt alles, was existiert. Und wenn es dann nichts mehr gibt, verschlingt sie sich selbst.“

Diese Szene ist – wohl bewusst – zweideutig. Sie kann auch als Kritik an Marx‘ Kampf für programmatische und theoretische Klarheit interpretiert werden. Peck, das zeigt sein Film, hat nichts mit jenen gemein, die den Marxismus für die Verbrechen des Stalinismus verantwortlich machen. Allerdings äußerte er in einem Kommentar zum Film auch sein Misstrauen gegenüber „allen Dogmen, auch gegenüber dem ‚Marxismus‘“ – ohne genauer zu erläutern, was er mit „Marxismus“ in Anführungszeichen meint.

Auffallend ist auch, dass im Abspann zum Film, der zu einem Song Bob Dylans in rascher Abfolge Bilder von Katastrophen, Schlüsselereignissen und Protesten der vergangenen hundert Jahre zeigt, zwar Che Guevara, Patrice Lumumba und die Occupy-Bewegung erscheinen, nicht aber die Oktoberrevolution, Lenin und Trotzki. Er verherrlicht damit genau jene kleinbürgerliche Politik, die Marx, wie der Film anschaulich zeigt, zurückwies.

Raoul Peck, der in Haiti geboren wurde, in Zaire (Kongo), den USA und Frankreich aufwuchs und in Berlin studierte, stand politisch eher antiimperialistischen nationalen Bewegungen nahe, als dem revolutionären Marxismus. Zwei seiner bekanntesten Filme befassen sich mit Patrice Lumumba, dem ersten Premierminister des unabhängigen Kongo, dessen Ermordung durch die CIA Peck als Kind vor Ort miterlebte. Von 1996 bis 1997 amtierte er als Kulturminister Haitis.

Sein Koautor Pascal Bonitzer hat eine lange Geschichte in der französischen „Linken“. Er spielte eine prominente Rolle im Film-Journal Cahiers du Cinema, als dieses Anfang der 70er Jahre eine maoistische, post-strukturalistische Phase durchlief.

Einige Schwächen des Films dürften daher nicht nur eine Folge der Schwierigkeit sein, komplexe theoretische Auseinandersetzungen im Rahmen eines zweistündigen Films adäquat darzustellen, sondern auch von gewissen Vorbehalten gegenüber dem Marxismus.

Den Schluss des Films beeinträchtigt das allerdings nicht. Marx und Engels erleben einen großen Erfolg, als sich der Bund der Gerechten 1847 in Bund der Kommunisten umbenennt und sein Motto aus „Alle Menschen sind Brüder“ in „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ ändert. Der zweite Kongress des Bundes der Kommunisten, an dem Vertreter aus 30 Ortsgruppen aus sieben Ländern, einschließlich der USA, teilnehmen, beauftragt Marx und Engels dann mit der Abfassung seines Programms, des „Kommunistischen Manifests“.

Der Film endet damit, dass Marx, Engels und Jenny in einer intensiven Arbeitsatmosphäre am „Kommunistischen Manifest“ arbeiten und sich gegenseitig Absätze aus diesem großartigen Dokument vorlesen.

Wenn dieser Film, ungeachtet seiner Schwächen, junge Menschen zum Studium des Marxismus anregt, hat er eine wichtige Aufgabe erfüllt.

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