Bei General Electric (vormals Alstom) haben sich Geschäftsleitung und Betriebsrat am 15. Dezember über die Einrichtung einer Einigungsstelle verständigt. Damit rückt die Vernichtung von über tausend Arbeitsplätzen im Mannheimer Turbinen-Werk einen Schritt näher.
Im Werk produzieren hochqualifizierte Arbeiter Turbinen für den Kraftwerksbau. Der Konzern General Electric (GE), der Alstom im November 2015 übernommen hatte, will den gesamten Produktionsbereich in Mannheim schließen und plant auch in den Bereichen Service und Verwaltung Stellenstreichungen.
Aufgrund der Einigung, die jetzt vor dem Arbeitsgericht Mannheim zustande kam, wird ein Gremium geschaffen, in dem sich jeweils vier Vertreter der Geschäftsführung und der Gewerkschaften, bzw. des Betriebsrates, über die Modalitäten des Arbeitsplatzabbaus, das heißt über Abfindungen, Sozialplan usw. einigen sollen. Schiedsrichter ist der pensionierte Arbeitsrichter Lothar Jordan.
Ein GE-Sprecher äußerte sich am Donnerstag „zufrieden” über den Vergleich. Kein Wunder, bedeutet er doch praktisch, dass Betriebsrat und Mannheimer IG-Metall über diese Einigungsstelle die Entlassung der Beschäftigten mitorganisieren werden. Es geht von Seiten der Gewerkschaft und des Betriebsrats nicht mehr darum, ob, sondern wie die Arbeitsplätze abgebaut werden.
Seit fast einem Jahr versucht der GE-Vorstand in enger Absprache und Partnerschaft mit dem Betriebsrat und der IG-Metall nun schon, den Stellenabbau im Mannheimer Turbinen-Werk so zu organisieren, dass kein ernsthafter Widerstand von Seiten der Beschäftigten stattfindet.
Im Januar dieses Jahres wurde den 1800 Arbeitern des Werks mitgeteilt, dass der neue Eigentümer GE plane, in den kommenden beiden Jahren nahezu zwei Drittel der Stellen in Mannheim abzubauen. Deutschlandweit sollen 1700 und europaweit 6500 Stellen, d.h. rund 19 Prozent der bisherigen 35.000 Arbeitsplätze, den Plänen zum Opfer fallen.
Von Anfang an betrieben die IG-Metall-Funktionäre, Betriebsräte und die regionale SPD-Prominenz ihr bekanntes Doppelspiel. Auf Protestkundgebungen hielten sie radikale Reden, während sie hinter dem Rücken der Arbeiter eng mit der Unternehmensleitung zusammenarbeiteten.
Konzernbetriebsratschefin Elisabeth Möller und der Mannheimer IG-Metall-Chef Reinhold Götz kündigten an, Widerstand zu leisten, „wie ihn GE noch nie erlebt hat”. Auch Niels Schmidt, der damalige SPD-Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg, und der Mannheimer SPD-Oberbürgermeister Peter Kurz sparten nicht an wortradikalen, aber unverbindlichen Phrasen. Seither sind alle Protestaktionen, die angeblich dazu dienen sollten, die Arbeitsplätze zu erhalten, ins Leere gelaufen.
Betriebsrat, Gewerkschaft und politische Prominenz taten alles in ihrer Macht Stehende, um sich dem GE-Vorstand als verlässliche Partner anzudienen. Genau wie die Geschäftsleitung fürchten sie in erster Linie, dass eine Situation entstehen könnte, in der die Arbeiter selbst zu unabhängigen Aktionen greifen und sich womöglich über den Standort und die nationalen Grenzen hinweg mit den Belegschaften anderer GE-Standorte zusammenschließen.
Als deshalb im Juli 2016 ein Angebot unter dem Namen „Grantiro” („großer Wurf”) für die Turbinenproduktion in Mannheim und für GE Power im saarländischen Bexbach eintraf, gewann dieses Projekt sofort die Unterstützung der IG-Metall und der lokalen und regionalen SPD-Vertreter. Auch in Bexbach soll das GE-Werk mit über 160 Beschäftigten geschlossen werden.
Die Investorengruppe „Grantiro”, die aus mehreren Unternehmensberatern, so genannten „Industriesanierern” und Finanzexperten, sowie einem nicht genannten „global agierenden Unternehmen mit langjähriger Branchenerfahrung” besteht, interessierte sich für die Übernahme mehrerer Teilbereiche, die General Electric abstoßen will. Das Wirtschaftsministerium des Saarlands hatte den Kontakt zu der Gruppe geknüpft.
Das ominöse „global agierende Unternehmen”, das offenbar das Rückgrat der Interessengruppe darstellt, ist laut der Zeitung Mannheimer Morgen der chinesische Stahlkonzern Baosteel. Die Verhandlungen führte die Schweizer Unternehmensberatung Rasenberger Toschek (RT Swiss).
Diese Gruppe hatte aber bei weitem kein „Interesse an allen 1700 Arbeitsplätzen in Deutschland”, wie die IG Metall behauptete, sondern wollte offenbar „die Gasturbinen- und die Turbinenschaufelproduktion und damit zusammenhängende Bereiche der deutschen General Electric” übernehmen, also maximal 1200 Arbeitsplätze, davon 450 in Mannheim.
Die Geschäftsleitung von General Electric stoppte am 8. Dezember alle Verhandlungen über das Angebot von Rasenberger Toschek. Offenbar will GE nicht an diese Gruppe und einen möglichen chinesischen Konkurrenten verkaufen. Vielleicht soll überhaupt an niemanden verkauft werden, der GE zum Rivalen werden könnte.
Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) zeigte sich am 5. Dezember auf einer Protestkundgebung in Mannheim entrüstet, dass GE an die Gruppe von Rasenberger Toschek unannehmbare Bedingungen gestellt habe. GE hatte gefordert, dass die Grantiro-Gruppe und ihr chinesischer Stahlinvestor für alle weiteren Verhandlungen ab sofort keine Gespräche mit der Arbeitnehmerseite mehr führen, sondern nur mit GE allein verhandeln.
Machnig klagte: „Die GE-Geschäftsführung hat dem Wirtschaftsministerium in einem persönlichen Gespräch zugesagt, das Angebot des Investors endlich ernsthaft und lösungsorientiert zu prüfen. Diese Verabredung hat GE gebrochen.” Das Unternehmen werde seiner Verantwortung gegenüber den Standorten und den Mitarbeitern nicht gerecht.
Die IG Metall hat die Arbeiter zu Kundgebungen, Menschenketten und Protesten für die Übernahme aufgerufen. Sie organisierte am 5. Dezember eine Menschenkette in der Mannheimer Innenstadt, am 12. Dezember eine Demonstration durch Bexbach und am 14. Dezember einen Gewerkschaftsprotest vor der GE Deutschlandzentrale in Frankfurt am Main. Doch das Ziel all dieser Proteste ist nicht die prinzipielle Verteidigung aller Arbeitsplätze, sondern der „sozialverträgliche“ Abbau der Arbeitsplätze und die Stärkung des Unternehmens im internationalen Wettbewerb.
Inzwischen sind die GE-Aktien gestiegen, gerade weil der Konzern seinen Aktionären auf Kosten der Arbeiter hohe Dividenden verheißt. Die Website „aktiencheck” zitiert einen Analysten namens Robert McCarthy vom Investmenthaus Stifel Nicolaus, der die GE-Aktie mit den Worten empfiehlt, dies sei zurzeit eine „Top-Empfehlung”. Wie es dort heißt, sehe „das Chance/Risiko-Profil positiv aus”, und das Unternehmen sei „vermutlich ein solider Nutznießer der Trump-Politik”.
Der Stellenabbau bei GE ist Teil eines größeren Plans, den Konzern auf dem Energiemarkt und besonders im Turbinenbau gegen seine Rivalen zu stärken. Schon vor der Alstom-Übernahme hatte GE in einem gnadenlosen Konkurrenzkampf als größten weiteren Bieter den Siemens-Konzern aus dem Feld geschlagen. Der Abbau von über eintausend Stellen in Mannheim, 160 Stellen in Bexbach und von europaweit 6500 Stellen ist für den Vorstand Teil einer „notwendigen Restrukturierung”, die den Konzern für die globale Führungsrolle fit machen soll.
Die IG Metall unterstützt diese Profitlogik. Das war schon die Linie des Zukunftskonzepts, eines von Mannheimer Gewerkschaftsführern und Betriebsräten ausgearbeiteten Leitfadens. Dazu sagteder Mannheimer IG Metall-Vorsitzende Goetz vor einem Jahr: „Wir zeigen mit unserem Zukunftskonzept, wie GE in Mannheim gewinnbringend, effizient und nachhaltig produzieren sowie auf dem schwierigen Energiemarkt bestehen kann.”
Als GE den Zuschlag für die Übernahme des Alstom-Konzerns erhielt, schrieb die World Socialist Web Site im Juli 2014: „Der Kampf um die Arbeitsplätze kann nur Erfolg haben, wenn er international und unabhängig von den Gewerkschaften geführt wird. Hinzu kommt, dass die Arbeiterklasse den Kampf gegen die Kriegsgefahr aufnehmen muss, die sich im Wettlauf der imperialistischen Mächte um die globalen Märkte immer akuter stellt.”
Diese Einschätzung und Perspektive hat sich vollkommen bestätigt. In Mannheim stellt sie sich nach der Zustimmung der IG Metall zur Einigungsstelle mit neuer Dringlichkeit: Nur unabhängig von der IG Metall und gegen sie können Arbeiter für ihre Arbeitsplätze kämpfen. Es ist notwendig, mit den GE-Arbeitern an allen anderen Standorten, in Frankreich, der Schweiz und den Vereinigten Staaten, Kontakt aufzunehmen und gemeinsam für eine internationale Strategie und ein sozialistisches Programm zu kämpfen.