Neonazi-Attentat in Köln

Der 44-jährige Neonazi Frank S. hat am Samstag in Köln versucht, die Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker während eines Wahlkampfauftritts zu ermorden. Er verletzte sie mit einem Bowie-Messer lebensgefährlich am Hals und an der Luftröhre. Anschließend griff der Täter vier weitere umstehende Personen an, von denen eine ebenfalls schwer verletzt wurde.

S. handelte aus fremdenfeindlichen Motiven. Nach Aussage der Bundesanwaltschaft, die die Ermittlungen an sich gezogen hat, wollte er „ein Zeichen setzen gegen die aus seiner Sicht immer höher werdende Anzahl der von der Bundesrepublik aufgenommenen Flüchtlinge“.

Die 58-jährige Henriette Reker war in der Stadt Köln als Sozialdezernentin für die Unterbringung von Flüchtlingen verantwortlich. Auf Vorschlage der Grünen kandidierte die parteilose Juristin für das Amt des Stadtoberhaupts und wurde dabei auch von der CDU und der FDP unterstützt. Damit sollte die Vorherrschaft der SPD gebrochen werden, die seit sechs Jahren den Kölner Oberbürgermeister stellt.

Am Sonntag wurde Reker, die auf der Intensivstation im künstlichen Koma lag, gegen sechs weitere Bewerber bereits im ersten Wahlgang mit 53 Prozent der Stimmen gewählt. Ihr SPD-Kontrahent Jochen Ott erhielt nur 32 Prozent der abgegebenen Stimmen. Reker hatte bereits vor dem Attentat als Favoritin gegolten. Mittlerweile ist sie außer Lebensgefahr. Enge Vertraute gehen davon aus, dass sie das Amt nach ihrer Genesung antreten wird.

Der Attentäter Frank S. soll in den 1990er Jahren Unterstützer oder Mitglied der Neo-Nazi-Organisation Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) gewesen sein, die später verboten wurde, und fiel in jüngerer Zeit mit ausländerfeindlichen Kommentaren im Internet auf. Vor der Messerattacke schrie er: „Ich tue es für eure Kinder.“ Den Polizisten, die ihn verhafteten, sagte er laut Spiegel Online, er fürchte, dass in Deutschland bald die Scharia gelte, und: „Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg.“

Den Anschlag hatte S. sorgfältig geplant. Darauf weisen Indizien hin. So stellte die Polizei bei der Untersuchung seiner Wohnung fest, dass er die Festplatten aus seinen Computern entfernt hatte. Sie konnte auch keine Notizen, Dokumente und Papiere in der Wohnung finden.

Frau Reker war vom Kölner Flüchtlingsrat wiederholt wegen „menschenunwürdigen“ Zuständen in Flüchtlingsunterkünften kritisiert worden. So hatte sie Flüchtlinge in Baumärkten, Turnhallen und Zelten untergebracht. Im Unterschied zu führenden Unionspolitikern wie Innenminister Thomas de Maizière und dem bayrischen Ministerpräsident Horst Seehofer, hatte sie aber nicht gegen Flüchtlinge gehetzt, sondern sich – ähnlich wie Bundeskanzlerin Angela Merkel – öffentlich für eine „Willkommenskultur“ ausgesprochen. Das machte sie offenbar zum Ziel des Attentats.

Nach dem Mordversuch schoben zahlreiche Politiker die Verantwortung Hassparolen im Internet und ausländerfeindlichen Organisationen zu. So erklärte Justizminister Heiko Maas (SPD): „Pegida senkt die Hemmschwellen dafür, dass aus Worten Taten werden.“ Innenminister de Maizière (CDU) sagte, die gesamte Gesellschaft sei gefordert, ein klares Zeichen gegen jede Form der Gewalt zu setzen. Vertreter aller Bundestagsparteien riefen zum gemeinsamen Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit auf.

Tatsächlich sind alle politischen Parteien für das Klima des Hasses verantwortlich, in dem der Anschlag stattfinden konnte.

So setzte der sozialdemokratische Gegenkandidat Rekers, Jochen Ott, auf unterschwellige ausländerfeindliche Ressentiments, als er in den Umfragen ins Hintertreffen geriet. Anfang Oktober veröffentlichte er einen Aufruf, keine weitere Turnhallen mit Flüchtlingen zu belegen. „Bis zum Jahresende“, forderte er, „müssen sie Sportvereinen und Schulen wieder zur Verfügung stehen.“ Die Schließung von Sporthallen habe gravierende Auswirkungen auf den Vereins- und Schulsport.

Ratsmitglied Jörg Frank (Grüne) warf ihm daraufhin vor, er schüre „diffuse Ängste“ und spiele „die Not der Flüchtlinge gegen die Bedürfnisse der ansässigen Bevölkerung aus“. Dieser Wahlkampf-Populismus erinnere an FPÖ-Kampagnen in Österreich.

Bundesweit fordern führende Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens die Abschottung der Grenzen. CDU und CSU haben sich darauf geeinigt, Transitzonen an den Grenzen einzurichten, in denen Flüchtlinge inhaftiert, aussortiert und wieder zurückgeschickt werden.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft verlangt öffentlich den Bau eines Grenzzauns, um Flüchtlinge aufzuhalten. Ihr Vorsitzende Rainer Wendt begründete die Forderung gegenüber der Welt am Sonntag damit, dass ein deutscher Zaun eine Kettenreaktion auslösen werde: „Wenn wir auf diese Weise unsere Grenzen schließen, wird auch Österreich die Grenze zu Slowenien schließen. Genau diesen Effekt brauchen wir.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel reiste am Wochenende nach Ankara, um mit dem autoritären Präsidenten Erdogan einen schmutzigen Deal über die Abschottung der türkisch-europäischen Grenze auszuhandeln.

Auch vor Ort werden Flüchtlinge, egal welche Partei die Verantwortung trägt, misshandelt und systematisch gedemütigt, um sie abzuschrecken. So sind die Zustände in Berlin und Hamburg völlig unhaltbar. Hilfsorganisationen und Ärzteverbände haben heftig dagegen protestiert.

Rechte Flüchtlingshetzer wie Pegida kommen im Fernsehen und anderen Medien ausführlich zu Wort, während Hunderttausende freiwillige Helfer ausgeblendet und von den Behörden schikaniert werden.

So durfte Björn Höcke, der thüringische Fraktionschef der rechten Alternative für Deutschland (AfD), am Sonntagabend in der Talkshow „Günther Jauch“ zur besten Sendezeit ungestört seine Ansichten zum Thema „Pöbeln, hetzen, drohen – wird der Hass gesellschaftsfähig?“ zum Besten geben. Höcke hatte im März dieses Jahres einen Aufruf unterzeichnet, der eine „Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands“ fordert.

Auch AfD-Gründungsmitglied Alexander Gauland, Ex-Pegida-Frontfrau Kathrin Oertel und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer durften bei Jauch schon ihre Hetzparolen gegen Flüchtlinge verbreiten.

Vertreter der herrschenden Eliten versuchen ganz gezielt, eine rechte Bewegung aufzubauen. Sie richtet sich nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern gegen jede soziale und politische Opposition in der Bevölkerung.

Mit den Flüchtlingen sind die Kriege, welche die USA in enger Zusammenarbeit mit ihren europäischen und deutschen Verbündeten seit Jahren im Vorderen Orient führen, in Europa angelangt. Hunderttausende von Menschen befinden sich in einer Lage, in der es für sie keine Verwendung, keinen Ort zum Wohnen und kein Recht auf Leben mehr gibt. Dasselbe Schicksal, das zeigen die drastischen Sparprogramm in Griechenland, bereiten die herrschenden Eliten mit dem Anwachsen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise für große Teile der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend in Europa und Deutschland vor.

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