Seit dem Staatsstreich vom 22. Februar in Kiew, den sie mithilfe von Oligarchen und Faschisten organisierten, haben die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten Maßnahmen gegen Russland ergriffen, die gleichbedeutend mit einer inoffiziellen Kriegserklärung sind. Innerhalb von sechs Wochen haben die Nato-Mächte Hilfestellung bei einem Putsch geleistet, sodann Sanktionen gegen Russland verhängt und schließlich den gewaltigsten Militäraufmarsch in Europa seit dem Kalten Krieg angeordnet.
Die Geschwindigkeit dieser Entwicklungen bekräftigt die Tatsache, dass der Putsch gegen das Janukowitsch-Regime nicht etwa das unvorhergesehene katalytische Ereignis war, als das er dargestellt wird, sondern eine Provokation, die bezweckte, seit langem vorbereitete Pläne umzusetzen.
Das jüngste Treffen der Nato-Außenminister aus der letzten Woche machte dies klar. Auf dem Gipfeltreffen wurden Pläne in die Wege geleitet, das Militärbündnis bis an Russlands Grenzen auszudehnen. Weiter gehören zu den umfangreichen Plänen Kriegsübungen sowie eventuelle Stationierungen von Truppen in benachbarten Staaten.
Washington forderte, dass nicht nur der Ukraine, sondern auch den ehemaligen jugoslawischen Republiken Bosnien, Montenegro und Makedonien sowie der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien ein Mitgliedschaftsaktionsplan (MAP) angeboten werde.
Während des fünftägigen Krieges zwischen Russland und Georgien Im Jahr 2008, sah sich US-Präsident George W. Bush gezwungen, Pläne fallen zu lassen, Georgien in die Nato einzugliedern. Der Widerstand Deutschlands und Frankreichs war dafür hauptsächlich verantwortlich. Die beiden europäischen Mächte fürchteten, dies würde den Konflikt zwischen Russland und Georgien in einen unmittelbaren Krieg mit Russland steigern.
Diesmal allerdings wird der Plan, Georgien und die Ukraine der Nato einzuverleiben, von der Europäischen Union unterstützt. Er ist Bestandteil der Dynamik, die Konfrontation mit Moskau zuzuspitzen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verwies wiederholt auf Artikel 5 des Bündnisvertrags, der alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, einander zu Hilfe zu eilen, wenn ein Mitgliedsstaat angegriffen werde. Angesichts des rechten und rabiat antirussischen Charakters der Regime in Georgien und der Ukraine ist davon auszugehen, dass sie nur allzu bereitwillig einen Vorwand liefern werden.
Der Mitgliedschaftsaktionsplan soll im Juli diskutiert und nach dem Willen der Vereinigten Staaten schon im September umgesetzt werden. Militärübungen unter Beteiligung von Lettland, Litauen, Bulgarien und Polen sind entweder geplant oder bereits im Gange, ebenso mit weiteren baltischen und kaukasischen Staaten. Die provokativsten darunter sind zwei Übungen, die unter den Namen „Schneller Dreizack“ und „Meeresbrise“ in der Ukraine stattfinden sollen.
Polen spielt eine Schlüsselrolle in den Plänen der Nato, indem es frühere Vorschläge wiederbelebt, ein amerikanisches Multimillionendollar-„Raketenabwehrsystem“ zu errichten. Die Regierung erbat jetzt die Stationierung eines 10.000 Mann starken US-Militärbataillons auf seinem Territorium.
In den herrschenden Kreisen Finnlands und Schwedens sind Debatten ausgebrochen, die offizielle Neutralität zu beenden und der Nato beizutreten. Stockholm bezeichnete dies als einen „Dogmenwandel“ seiner Verteidigungspolitik.
In Orwell’scher Diktion wird diese Kampagne der militärischen Umzingelung mit unbewiesenen und übertriebenen Behauptungen gerechtfertigt, laut denen russische Truppen an der ukrainischen Grenze zusammengezogen würden. Diese Propaganda bezweckt, Moskau als Aggressor darzustellen, obwohl Präsident Obama Russland zuvor als „schwache“, lediglich „regionale“ Macht bezeichnet hatte.
Wie im Falle Iraks, Libyens und Syriens dienen solche Lügen zur Legitimierung eines nachhaltigen Programms imperialistischer Wiederbewaffnung, insbesondere in Europa.
Der modus vivendi zwischen dem Imperialismus und den kapitalistischen Oligarchien, die vor einem Vierteljahrhundert in China und der UdSSR entstanden waren, löst sich rapide auf. Die von der Krise heimgesuchten imperialistischen Großmächte sind nicht mehr länger bereit, die Bourgeoisie in Moskau und Peking gewähren zu lassen und ihr sogar eine relative Eigenständigkeit zu gestatten. Sie verlangen offenen Zugang zu den umfangeichen Reichtümern und Märkten, die innerhalb der Grenzen Russlands und Chinas bestehen sowie die Herabsetzung beider auf den Status halbkolonialer Länder.
Die unaufhaltsame Logik dieser ruchlosen Politik verlangt nach Krieg.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Deshalb verlangt Washington von den europäischen Regierungen, vor allem von Deutschland, dass sie diese Rolle annehmen. Obama schüchterte in seiner jüngsten Rede in Brüssel die Nato-Mitglieder ein und erklärte: „Wir müssen bereit sein, für Kapital, Personal und erforderliche Ausbildung aufzukommen, um sicherzustellen, dass wir über eine glaubwürdige Nato-Armee und eine effektive Abschreckungstruppe verfügen. (…) Jeder muss etwas beisteuern.“
Von den europäischen Mächten tun gegenwärtig nur Großbritannien und Frankreich den Erfordernissen der Nato genüge und wenden mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das Militär auf. Seit 1998 sanken in jedem Land Europas die militärischen Ausgaben, in Deutschland fielen sie um 50 Prozent. Um derartige Kürzungen wieder umzukehren und Steigerungen zu erreichen, müssten die staatlichen Ausgaben, die in Europa bereits einem sechs Jahre währenden Austeritätskurs unterworfen sind, in großem Umfang gekürzt werden.
Die Wende zum Militarismus erzwingt eine dramatische Eskalation der Angriffe auf die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse. Es gibt eine überwältigende Opposition gegen die Kriegspläne von Washington, Berlin, London und Paris. Um neue „Opfer“ aufnötigen und eine neue Generation unter Waffen stellen zu können, wird der Staat seine ganze Zwangsgewalt aufbieten müssen.
Die offene Bejahung rechtsradikaler und faschistischer Kräfte in der Ukraine durch die USA und die europäischen Mächte gebietet, eine Warnung auszusprechen. Jahrzehnte nachdem Europas Regierungen verkündet hatten, dass der Kontinent „niemals wieder“ die Herrschaft des Hakenkreuzes erblicken werde, werden aufs Neue Kräfte gegen die Arbeiterklasse in Stellung gebracht, die Hitlers ukrainische Mordkomplizen glorifizieren.
Diese Entwicklungen unterstreichen die Aktualität des Eingreifens der Partei für Soziale Gleichheit in Deutschland und ihrer Schwesterpartei Socialist Equality Party in Großbritannien in die Europawahl im Mai.
In ihrem gemeinsamen Aufruf zur Europawahl warnen sie: “Einhundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs steht Europa erneut am Rande einer Katastrophe.“ Die rivalisierenden Ambitionen der imperialistischen Mächte, fährt die Erklärung fort, führten zu einer Situation, in der „ein kleiner Funken ausreichen würde – wie dies im Jahr 1914 die Ermordung des Erzherzogs Ferdinand in Sarajewo war –, um einen regionalen Konflikt in einen Weltenbrand zu verwandeln.“
Die Arbeiterklasse muss ihre vereinte, internationale Stärke mobilisieren, um die imperialistischen herrschenden Klassen daran zu hindern, die Menschheit in die Katastrophe eines nuklearen Dritten Weltkriegs zu stürzen. Dies erfordert den Aufbau einer auf sozialistischer Politik basierenden Massenbewegung gegen die Europäische Union und alle sie konstituierenden Regierungen. Dies heißt, dem kapitalistischen Profitsystem und seiner Aufteilung der Welt in antagonistische Nationalstaaten – die Ursache der Kriege – ein Ende zu bereiten und die Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas zu begründen.