Journalisten der Süddeutschen Zeitung und des ARD-Magazins Panorama haben eines der berüchtigten geheimen Foltergefängnisse des US-Geheimdienstes CIA in Europa enttarnt. Es liegt mitten in einem Wohngebiet in der rumänischen Hauptstadt Bukarest.
Das enttarnte Gefängnis wurde nach der Schließung einer entsprechenden Einrichtung in Polen 2003 in Betrieb genommen. Es befand sich in einem Gebäude des rumänischen Sicherheitsdiensts ORNISS. Der Transport der Gefangenen vom Bukarester Flughafen fand unbemerkt von der benachbarten Bevölkerung in Kleinbussen statt.
Die Gefängniszellen befanden sich in den Kellerräumen eines Nebengebäudes. Sie waren auf Federn gelagert, was bei einigen Gefangenen zu Desorientierung führte. Dazu kamen Schlafentzug, Überschütten mit Wasser, Schläge oder der Zwang, in unerträglichen Stellungen auszuhalten. Nach den ersten „Befragungen“ wurden die Gefangenen fürsorglich medizinisch und zahnärztlich untersucht, wie frühere Mitarbeiter der CIA den Journalisten erklärten. Manche Gefangene wurden nur zeitweise in Bukarest festgehalten und dann an anderen Stellen gefoltert oder nach Guantanamo gebracht.
Der CIA-Codename für das Bukarester Geheimgefängnis war „bright light“ (helles Licht). Die Adresse ist Mures-Straße 4. Zu den Insassen soll auch Abd al-Rahim al-Nashiri gehört haben, dem der Anschlag auf das US-Kriegsschiff Cole im Jemen zur Last gelegt und jetzt in Guantanamo vor einer Militärkommission der Prozess gemacht wird.
Al Nashiri ist in den Jahren 2002 und 2003 schwer gefoltert worden. Nach Unterlagen der CIA soll ihm die Hinrichtung mit einer Schusswaffe und einer Bohrmaschine angedroht worden sein. Er wurde nackt und vermummt gedemütigt und simuliertem Ertränken ausgesetzt. Einige dieser Misshandlungen sollen in Polen stattgefunden haben. Möglicherweise wurde er von Polen aus zunächst nach Bukarest und anschließend nach Guantanamo verbracht. Seine offenbar unter Folter gemachten Geständnisse hat er inzwischen widerrufen. Sein Fall war in diesem Sommer von der parlamentarischen Kommission des Europarats behandelt worden, die an die USA appellierte, ihn nicht hinzurichten.
Auch der mutmaßliche Koordinator der Terroranschläge vom 11. September, Chalid Scheich Mohammed, der, wie aus den Foltermemos der Bush-Regierung hervorgeht, 183 Mal dem Waterboarding ausgesetzt wurde, soll sich in dem rumänischen Gefängnis befunden haben, bevor er nach Guantanamo gebracht wurde,
Die rumänische, 2002 durch eine Notverordnung geschaffene Behörde ORNISS (Oficiul Registrului National al Informatiilor Secrete de Stat) ist für geheime Angelegenheit des Staates – insbesondere für NATO-Angelegenheiten – zuständig. Ihr Leiter hat als Staatssekretär Kabinettsrang und seine Berichte gehen direkt an den Premierminister. Die Beamten müssen sicherstellen, dass vertrauliche Informationen nach NATO-Standard behandelt werden und nur die jeweils unmittelbar Zuständigen Zugriff darauf haben.
Die Behörde wurde 2002 eingerichtet, als Rumänien sich bemühte, in die NATO aufgenommen zu werden. Ein Amerikaner, der zu dieser Zeit an hoher Stelle in der NATO beschäftigt war, meinte: „Die Rumänen hätten damals alles für uns gemacht.“ Der damalige rumänische Präsident Ion Iliescu erklärte, sein Land verhalte sich de facto wie ein NATO-Mitglied, was es denn 2004 auch wurde. Bereits 2001 hatte Iliescu ein bilaterales Abkommen mit der US-Regierung unterzeichnet, das US-Militärs und -Zivilisten Operationen auf rumänischem Staatsgebiet erlaubte und erheblich erleichterte.
Die Einrichtung des Geheimgefängnisses im Keller der ORNISS-Behörde erwies sich als besonders sinnvoll, denn ihre Mitarbeiter sind qua Amt zu höchster Verschwiegenheit verpflichtet. Dieselbe Behörde wurde mit der Untersuchung der Beteiligung Rumäniens am Folterprogramm der Amerikaner betraut, die rumänische Parlamentsabgeordnete verlangt hatten. Das Ergebnis war vorhersehbar: Rumänien hatte mit der Sache nichts zu tun.
Dementsprechend konnten die Journalisten von Panorama und Süddeutscher zwar in einem mit rumänischen, NATO- und Europafahnen geschmückten Raum mit dem stellvertretenden Leiter von ORNISS Adrian Camarasan sprechen, erhielten aber keinerlei erhellende Auskünfte. Auf die Frage der Reporter, ob er hier je Amerikaner gesehen habe, sagt Camarasan: „Nein, nein, ich kann mich nicht erinnern.“ Laut dem Panorama-Bericht sagte die Sprecherin von ORNISS zur Nachrichtenagentur dpa, die Berichte seinen „pure Spekulationen“.
Die Recherche der Journalisten wurde mit größter Sorgfalt durchgeführt. Wie die Reporter berichteten, hatte eine Quelle in US-Geheimdienstkreisen die Lage und das Aussehen der einstigen Bukarester Haftanstalt beschrieben. Die Reporter machten sich in Bukarest auf die Suche. Als sie einen dieser Beschreibung entsprechenden Komplex entdeckt hatten, fotografierten sie ihn und legten die Fotos zusammen mit denen anderer Objekte dreien ihrer Informanten in Washington vor. Alle drei erkannten unter den verschiedenen fotografierten Gebäuden den entsprechenden Komplex wieder, der in der Nähe einer Bahnstrecke liegt.
Die Gefangenen, die in die Folterkeller gebracht wurden, waren vollkommen orientierungslos. Ihnen waren Augen und Ohren verbunden, sie wussten nicht, wohin man sie brachte. In den Zellen, die zum Teil aus Fertigteilen zusammengesetzt waren, war auf dem Boden ein Pfeil gemalt, der in Richtung Mekka zeigte – ein zynisches Zugeständnis der Folterknechte an die religiöse Überzeugung ihrer Opfer.
Die Existenz derartiger Foltergefängnisse in Europa („black sites“) wurde von den USA und den betroffenen Ländern Litauen, Polen und Rumänien lange bestritten. In diese Gefängnisse wurden nach dem Angriff auf das World Trade Center vom 11. September 2001 im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror“ sogenannte „wertvolle Gefangene“ gebracht und mit „erweiterten Verhörmethoden“ , d. h. durch brutale Folter zu Geständnissen gezwungen.
In einem Bericht des US-Justizministeriums von 2004 wurden zehn derartige Foltertechniken als erlaubt aufgelistet, darunter simuliertes Ertränken und tagelanger Schlafentzug bei höllisch lauter Musik und grellem Neonlicht. Außerdem wurden Häftlinge stundenlang in kleine Boxen gesperrt, an den Armen aufgehängt oder mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen. Oft bekamen sie tagelang nichts zu essen oder ihre Zellen waren eiskalt.
Die New York Times hatte schon 2009 vermutet, dass sich eines der CIA-Gefängnisse in Bukarest, in der Nähe des Gebäudes des Innenministeriums befinde.
Die Schweizer Zeitung SonntagsBlick berichtete 2006, dass es auch im ehemaligen Militärstützpunkt Mihail Kogalniceanu im Südosten des Landes geheime Gefängnisse gebe. Der Schweizer Geheimdienst habe ein Fax abgefangen, das erstmals die Existenz amerikanischer Geheimgefängnisse in Europa beweise. Dem als geheim klassifizierten Dokument zufolge seien 23 irakische und afghanische Bürger auf dem Stützpunkt Mihail Kogalniceanu in Rumänien verhört worden. Ähnliche Verhörzentren des US-Geheimdienstes CIA habe es in der Ukraine, Mazedonien und Bulgarien sowie im Kosovo gegeben.
Die Militärbasis Mihail Kogalniceanu wurde von den USA seit dem Irakkrieg genutzt. Als die Zeitung den Kommandeur des Militärstützpunktes befragte, wies dieser die Existenz eines solchen Gefängnisses dort allerdings kategorisch zurück.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Während die CIA-Gefängnisorte in Litauen und Polen seit einigen Jahren bekannt sind, waren für Rumänien zwar einige Orte im Gespräch, aber eine Bestätigung dafür hatte es bisher nicht gegeben. Bekannt war lediglich, dass es sogenannte „Rendition“-Flüge der CIA zur Überstellung „wertvoller Gefangener“ nach Rumänien gab.
Was Europa angeht, soll das „Rendition“-Programm durch die Obama-Regierung kurz nach dessen Amtsübergabe 2009 beendet worden sein. Zumindest ist über neuere derartige Flüge nichts durchgesickert. Die Obama-Regierung setzt jetzt offenbar stärker auf die gezielte Tötung ihrer Feinde mittels Spezialkommandos oder Drohnen, bei denen sich die aufwendigen Verhöre erübrigen.
Für die Folterungen von überstellten Gefangenen fanden Menschrechtsorganisationen und Journalisten nach der Eroberung von Tripolis durch die von der NATO unterstützten Rebellentruppen zahlreiche Beweise. Die Komplizenschaft europäischer Regierungen, auch der rumänischen, bei diesen völker- und menschenrechtswidrigen Aktionen war bereits durch einen Sonderausschuss des Europaparlaments 2006 und den Sonderermittler des Europarats Dick Marty aufgedeckt worden. Marty ging davon aus, dass mindestens hundert Personen von der CIA an geheime Orte transportiert wurden und eines der Ziele für die Transporte Rumänien war, was Vertreter Rumänien energisch bestritten.
Der Bericht des Sonderausschusses kam damals zu dem Schluss, „dass die CIA in mehreren Fällen eindeutig für die rechtswidrige Entführung und Inhaftierung mutmaßlicher Terroristen im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten sowie außerordentliche Überstellungen verantwortlich war, und dass es sich dabei in einigen Fällen um europäische Staatsangehörige handelte“.
2006 hatte US-Präsident George Bush zugegeben, dass gefangene hochrangige Al-Qaida-Verdächtige in andere Länder gebracht wurden. Er vermied es allerdings, die Länder zu nennen, mit der Begründung, das könnte die Feinde Amerikas dazu bringen, gegen die Verbündeten vorzugehen.
Einer dieser „wertvollen Gefangenen“, Abu Subeida, hat jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Klage eingereicht. Subeida, ein angeblicher Vertrauter Osama bin Ladens, war in Litauen misshandelt worden.
In einem Artikel in der New York Review of Books, den Spiegel online auszugsweise wiedergab, schilderte Subeida die grausamen Folterungen, unter denen er gelitten hat: „Ich erwachte, nackt, an ein Bett gefesselt, in einem sehr weißen Raum. Der Raum maß ungefähr vier mal vier Meter. (...) Nach einiger Zeit, ich glaube, dass es mehrere Tage waren, wurde ich zu einem Stuhl gebracht, an den ich an Händen und Füßen gekettet wurde, für die nächsten zwei bis drei Wochen, glaube ich. In der Zeit bekam ich durch das dauerhafte Sitzen Blasen an der Unterseite meiner Beine… Die Zelle und der Raum waren klimatisiert und sehr kalt. Die ganze Zeit spielte sehr laute Brüllmusik. Sie wiederholte sich alle 15 Minuten, 24 Stunden am Tag.“
Subeida wurde in Holzkisten gesteckt, in denen er keine Luft mehr bekam oder gekrümmt stundenlang sitzen musst. Er wurde auf eine Pritsche geschnallt. Seine Nase wurde mit Zellophan zugeklebt und Wasser in seine Kehle gepresst – bis er kooperierte, wie ein Ex-CIA-Agent erklärte. In Wirklichkeit, so geht aus CIA-Memos hervor, wurde Subeida 83 Mal dem Waterboarding unterzogen.