Die radikale Linke in Frankreich

Einleitung - Trotzkismus und Zentrismus

Mit dem folgenden Text leiten wir die siebenteilige Serie "Die radikale Linke in Frankreich" ein, die im Mai 2004 auf der WSWS veröffentlicht wurde.

Der Aufbau der Vierten Internationale stellt sich heute in ganz Europa und weltweit mit höchster Dringlichkeit. Die sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien und Gewerkschaften haben keine Antwort auf die Gefahren und Probleme, auf sozialen Niedergang und Kriegsgefahr, denen die Bevölkerung gegenübersteht. Sie sind selbst Teil des Problems geworden und treiben den Abbau sozialer und demokratischer Errungenschaften tatkräftig voran. Millionen von Wählern und Mitgliedern haben ihnen den Rücken gekehrt und suchen nach einem Ausweg. Die Massendemonstrationen gegen den Irakkrieg und die anhaltenden Proteste gegen Sozialabbau in fast allen europäischen Ländern zeigen das.

Doch der spontane Widerstand gegen Sozialabbau und Krieg kann aus sich heraus keine tragfähige neue Perspektive hervorbringen. Das kann nur eine Partei, die die Lehren aus den Siegen und Niederlagen der Arbeiterklasse im zwanzigsten Jahrhundert gezogen und verstanden hat. Eben darin besteht die Bedeutung der Vierten Internationale. Hervorgegangen aus der von Trotzki geführten linken Opposition gegen den Stalinismus, hat sie das marxistische Programm des internationalen Sozialismus gegen Reformismus, Stalinismus und Zentrismus verteidigt.

In diesem Zusammenhang erfordert das Geschehen in Frankreich höchste Aufmerksamkeit. Im ersten Wahlgang der Präsidentenwahl vom 21. April 2002 votierten dort rund drei Millionen Wähler für Kandidaten, die sich selbst als Trotzkisten bezeichnen - Arlette Laguiller von Lutte Ouvrière (LO), Olivier Besancenot von der Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) und Daniel Gluckstein von der Parti des Travailleurs (PT). In einem Land, in dem der Stalinismus lange Zeit die Arbeiterbewegung dominierte, erhielten die trotzkistischen Kandidaten drei Mal so viele Stimmen wie der Kandidat der Kommunistischen Partei (PCF), Robert Hue. Dieses Ergebnis zeigt, dass beachtliche Teile der Arbeiterklasse und der Jugend nach einer revolutionären Antwort auf die sozialen und politischen Probleme suchen, nachdem sie durch jahrzehntelange bittere Erfahrungen mit Stalinisten und Sozialisten gegangen sind.

Doch die Organisationen der radikalen Linken - LO, LCR und PT - lassen nicht die Spur einer solchen Antwort erkennen. Ihre Politik hat nichts mit der revolutionären Tradition der Vierten Internationale gemein. Sie haben, wie wir in dieser Serie zeigen werden, alle drei bereits vor Jahrzehnten an entscheidenden historischen Wendepunkten mit dem Programm der Vierten Internationale gebrochen. Ihre heutige Politik erinnert fatal an den Zentrismus, den Trotzki in seinen letzten Lebensjahren energisch bekämpft hatte.

Der Zentrismus entwickelte sich in den 1930er Jahren zum entscheidenden Hindernis, das einem Bruch mit Reformismus und Stalinismus im Weg stand. Nach der vom Stalinismus verantworteten Niederlage der deutschen Arbeiterklasse im Jahr 1933 und der anschließenden Rechtsentwicklung der Kommunistischen Internationale suchten viele fortschrittliche Arbeiter nach einer neuen revolutionären Orientierung. Der Zentrismus passte sich an dieses Bedürfnis an und neigte in Worten zur Revolution, lehnte es aber gleichzeitig ab, einen konsequenten Bruch mit den reformistischen und stalinistischen Apparaten zu vollziehen.

Der klassische Fall einer zentristischen Organisation war die spanische POUM, die Arbeiterpartei für Marxistische Einheit unter Führung von Andrés Nin. Trotzki charakterisierte die POUM mit den Worten: "Die Führer der POUM beanspruchten nicht einen Augenblick, eine unabhängige Rolle zu spielen; sie unternahmen alles, um in der Rolle guter ‚linker' Freunde und Ratgeber der Führer der Massenorganisationen zu verbleiben." (1) Nin hatte oft seine allgemeine Übereinstimmung mit Trotzki betont, doch an den entscheidenden Wendepunkten der spanischen Revolution passte er sich an den Stalinismus an und trug so maßgeblich zu deren Niederlage bei. 1936, auf dem Höhepunkt der revolutionären Welle, trat Nin sogar in die katalonische Volksfrontregierung ein, die die Revolution abwürgte.

In Frankreich fand die POUM ihre Entsprechung in der PSOP, der Parti Socialiste Ouvrier et Paysan. Diese Partei, die 1938 von Marceau Pivert gegründet wurde und den Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht überlebte, prägte maßgeblich die politischen Methoden, Sichtweisen und Gewohnheiten, die man bis heute in der französischen radikalen Linken findet. In einem Brief an Daniel Guérin schrieb Trotzki über die PSOP: "Der Linkszentrismus ist immer bereit, besonders unter revolutionären Bedingungen, in Worten das Programm der sozialistischen Revolution zu übernehmen und geizt nicht mit klangvollen Phrasen. Aber die verhängnisvolle Krankheit des Zentrismus besteht darin, aus seinen allgemeinen Konzeptionen keine mutigen taktischen und organisatorischen Schlussfolgerungen ziehen zu können. Sie erscheinen ihm immer ‚verfrüht'..." (2)

Wie die POUM unterstützte die PSOP die Revolution in Worten, während sie gleichzeitig politisch, gesellschaftlich und moralisch an das korrupte Milieu der Sozialdemokratie und des Stalinismus gebunden blieb. In einem Brief an Alfred Rosmer betonte Trotzki 1939: "Das Schwierigste und Wichtigste in der Zeit, die Frankreich durchlebt, ist die Befreiung vom Einfluss der öffentlichen bürgerlichen Meinung, der innere Bruch mit ihr, die Überwindung der Angst vor ihrem Gift, ihren Lügen, ihren Verleumdungen, wie die Verachtung gegenüber ihren Lobhudeleien und ihrer Kriecherei. Nur so kann man sich die notwendige Bewegungsfreiheit bewahren, die revolutionäre Stimme der Massen hören und sich zum entscheidenden Angriff an ihre Spitze stellen." (3) Dazu war die PSOP organisch unfähig.

Ihr Gründer, Marceau Pivert, hatte bis Mitte der dreißiger Jahre an der Spitze der Tendenz Gauche Révolutionnaire innerhalb der Sozialistischen Partei (SFIO) gestanden. Er näherte sich 1934, nach der Niederlage der deutschen Arbeiterklasse, den Trotzkisten an und unterstützte deren Forderung nach einer Arbeitereinheitsfront. Als die französischen Trotzkisten vom Sommer 1934 bis zum Sommer 1935 innerhalb der SFIO arbeiteten, um links orientierte Mitglieder für ihr Programm zu gewinnen, unterhielt Pivert enge Beziehungen zu ihnen. Wiederholt äußerte er in Worten seine Übereinstimmung mit Trotzki.

1936, auf dem Höhepunkt des Generalstreiks unter der Volksfrontregierung, kündigte Pivert in einem Artikel "Jetzt ist alles möglich" sogar begeistert den Beginn der Revolution an. Er schrieb: " Die Massen sind viel weiter fortgeschritten, als man sich das vorstellt. Sie befassen sich nicht mit komplizierten doktrinären Überlegungen, aber mit sicherem Instinkt verlangen sie grundlegende Lösungen, sie erwarten viel. [...] Die riskantesten chirurgischen Operationen werden ihr Einverständnis finden, denn sie wissen, dass sich die kapitalistische Welt im Todeskampf befindet und dass man eine neue Welt aufbauen muss, wenn man der Krise, dem Faschismus und dem Krieg ein Ende setzen will." (4)

Doch während Pivert diese Zeilen verfasste, war und blieb er hochrangiges Mitglied der Volksfrontregierung Léon Blums, die die revolutionäre Welle erstickte. Er war im Büro des Regierungschefs für die politische Kontrolle von Radio, Presse und Kino zuständig. Er löste sich politisch und organisatorisch nie von der Sozialdemokratie und stellte sich schließlich offen gegen die Vierte Internationale.

Bezeichnend für die Weigerung Piverts, mit dem Milieu der offiziellen Arbeiterführer zu brechen, war auch seine Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge. Trotzki maß diesem Umstand symptomatische Bedeutung bei und kommentierte ihn mit den Worten: "In der Freimaurerei schließen sich Leute aus verschiedenen Parteien zusammen, mit unterschiedlichen Interessen und unterschiedlichen persönlichen Zielen. Die ganze Kunst der Führung der Freimaurer besteht darin, die auseinanderstrebenden Tendenzen zu neutralisieren und die Widersprüche zwischen den Gruppen und Cliquen einzuebnen (im Namen der ‚Demokratie' und der ‚Menschlichkeit', d.h. der herrschenden Klasse). So gewöhnt man sich daran, in hochtrabenden Worten über alles zu sprechen, außer über das Wesentliche. Diese falsche, heuchlerische, entstellte Moral prägt in Frankreich, direkt oder indirekt, die Mehrheit der offiziellen Arbeiterführer." (5)

Die zentristischen Traditionen der PSOP lebten nach deren Ende fort. Es gibt in Frankreich Tausende, für die diese Art von Zentrismus nur eine Etappe auf dem Weg ins bürgerliche Lager darstellte und die heute führende Funktionen in der Politik und im Wirtschaftsleben ausüben. Viele von ihnen bezeichneten sich zeitweilig sogar als "Trotzkisten" - so der frühere sozialistische Premier Lionel Jospin, der zwanzig Jahre lang in Pierre Lamberts OCI (heute Teil der PT) tätig war, der Chef-Redakteur von Le Monde, Edwy Plenel (zehn Jahre LCR), und die Gründer der Buchkette FNAC, André Essel und Max Théret.

In sämtlichen Organisationen der radikalen Linken findet man die typischen Kennzeichen des Zentrismus Pivertscher Prägung: die Gewohnheit, "in hochtrabenden Worten über alles zu sprechen, außer über das Wesentliche", die Anpassung an die öffentliche bürgerliche Meinung, die engen Beziehungen zum Milieu der offiziellen Arbeiterführer und - im Falle der PT, die enge Beziehungen zur Loge Grand Orient unterhält - sogar die Verbindung zur Freimaurerei. Wie bei der PSOP geht die revolutionäre, sozialistische Rhetorik dieser Organisationen mit einer völlig opportunistischen Praxis einher.

Alle historischen Erfahrungen zeigen, dass der Kampf gegen den Zentrismus eine unabdingbare Voraussetzung für den Aufbau einer revolutionären Partei in Frankreich ist - und nicht nur in Frankreich. Nur auf dieser Grundlage kann eine Partei aufgebaut werden, die für die bevorstehenden Klassenkämpfe politisch gewappnet und vorbereitet ist. "Um die Partei auf eine solche Probe vorzubereiten", schrieb Trotzki im Brief an Daniel Guérin, "muss man ihr Bewusstsein immer und immer wieder schärfen, ihre Unversöhnlichkeit stählen, alle Ideen zu Ende denken und die falschen Freunde nicht schonen". (6)

Die vorliegende Serie dient diesem Ziel. Sie unterzieht politische Konzeptionen, Programm und Geschichte von LO und LCR einer sorgfältigen Kritik. (7) Trotz ihrer Behauptung, eine revolutionär sozialistische Perspektive zu vertreten, lassen diese Organisationen jede tatkräftige Initiative in dieser Richtung vermissen. Zwischen ihrem Anspruch und ihrer politischen Praxis liegt eine tiefe Kluft.

In der Geschichte der französischen Arbeiterbewegung gab es zahlreiche enttäuschte Hoffnungen. Immer wieder endeten vielversprechende Massenbewegungen in einer Sackgasse, weil die politischen Führer ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren oder die Bewegung bewusst verrieten. Die Volksfront der 1930er Jahre und der Generalstreik von 1968 sind die bekanntesten Beispiele dafür. Diese Artikelserie will dazu beitragen, eine Wiederholung derartiger Niederlagen zu vermeiden. Sie bemüht sich, in einer kritischen Auseinandersetzung die Grundlagen zu klären, auf denen eine wirkliche sozialistische Massenbewegung entwickelt und zum Erfolg geführt werden kann.

Teil 1 - Das Wahlbündnis von LO und LCR

Ende vergangenen Jahres beschlossen Lutte Ouvrière (LO) und Ligue Communiste Révolutionnaire(LCR), zu den diesjährigen Wahlen - den Regionalwahlen im März und den Europawahlen im Juni - mit gemeinsamen Listen anzutreten.

Es ist nicht das erste Mal, dass die beiden Organisationen gemeinsam auftreten. Ihre sporadische Zusammenarbeit geht bis in die siebziger Jahre zurück. 1999 traten sie gemeinsam zur Europawahl an, überwanden erstmals die Fünf-Prozent-Hürde und stellen seither fünf Abgeordnete im Europäischen Parlament. Zur Präsidentenwahl 2002 kandidierten Arlette Laguiller für LO und Olivier Besancenot für die LCR dann wieder getrennt und erhielten jeweils rund fünf Prozent der Stimmen, weit mehr als der Kandidat der Kommunistischen Partei (PCF), Robert Hue.

Man hätte erwarten können, dass dem neuen Wahlbündnis eine sorgfältige Diskussion über die Erfahrungen der vergangenen Jahre, über die veränderte politische Lage sowie über die Ziele der gemeinsamen Kampagne vorausgeht. Dem war aber nicht so. Der Briefwechsel, der sich zwischen den Führungsgremien der beiden Organisationen entspann, erinnert eher an das Geschacher auf einem Basar. (2) Man kennt sich, man misstraut sich, man versucht sich gegenseitig zu übervorteilen - aber man gibt sich keine Mühe, inhaltliche Fragen zu klären, den anderen zu überzeugen oder gar weiterführende politische Konzepte zu entwickeln.

Über lange Passagen liest sich der Briefwechsel wie das Gezänk eines alternden Ehepaares, das von morgens bis abends streitet und keift - um schließlich doch zusammen zu bleiben. So wirft LO der LCR vor, sie habe in der zweiten Runde der Präsidentenwahl zur Unterstützung Chiracs aufgerufen. Die LCR schreibt empört zurück: "Ihr bezeichnet uns als ‚Chiracverräter' und legt dabei eine völlige Inkonsequenz an den Tag, denn wie kann eine kommunistische proletarische Tendenz mit ‚Chiracanhängern' mögliche gemeinsame Aktionen diskutieren!" Das war natürlich rhetorisch gemeint, traf aber den Nagel auf den Kopf. LO hat die Frage nie beantwortet. An einer anderen Stelle beschwert sich LO: "Wir möchten doch anmerken, dass wir während der Präsidentschaftskampagne niemals auch nur die geringste Kritik an der LCR oder ihrem Kandidaten geäußert haben. Das ist bei Euch nicht der Fall."

Schon dieser Ton, der sich durch den gesamten Briefwechsel hindurch fortsetzt, wirft ein bezeichnendes Licht auf den morbiden Charakter des ganzen Unternehmens. Es gibt keinen ernsthaften Versuch, grundlegende Fragen der politischen Orientierung zu klären. LO reibt der LCR unter die Nase, dass sie sich 2002 in die "republikanische Front" eingereiht und zur Wahl Chiracs aufgerufen hat, und brüstet sich gleichzeitig damit, dass sie "niemals auch nur die geringste Kritik" an der LCR geäußert habe. Sie zieht keinerlei Konsequenzen aus dem Verhalten der LCR und lässt die Angelegenheit sofort wieder unter den Tisch fallen - als wäre die Unterstützung eines rechten bürgerlichen Politikers durch eine vorgeblich revolutionäre Organisation eine Bagatelle. Wer jemals Trotzkis Schriften gelesen hat - die Sorgfalt, mit der er politische Grundsatzfragen diskutierte; seinen unermüdlichen Kampf gegen die Volkfront in Frankreich und Spanien - sieht auf den ersten Blick, wie wenig das alles mit der Tradition der trotzkistischen Bewegung zu tun hat.

Die Präsidentenwahl 2002

Das Verhalten der LCR während der Präsidentenwahl 2002 war alles andere als eine Bagatelle. Der wahre Charakter einer politischen Tendenz tritt in Krisensituationen stets am deutlichsten zutage. Die damalige Reaktion der LCR ließ keinen Zweifel an der wirklichen Orientierung dieser Organisation.

Das Ergebnis des ersten Wahlgangs vom 21. April 2002 hatte schlagartig die Krise der bürgerlichen Herrschaft aufgedeckt. Die beiden Parteien, die seit 1981 die meiste Zeit die Regierung gebildet und den Präsidenten gestellt hatten, Sozialisten und Kommunisten, erwiesen sich als weitgehend diskreditiert. Lionel Jospin, der ein Jahr nach der gewaltigen Streikbewegung vom Herbst 1996 als angeblicher Linker die Regierung übernommen und sich dann als verlässlicher Sachwalter bürgerlicher Interessen erwiesen hatte, erhielt nur noch 16 Prozent der Stimmen, weniger als der rechtsextreme Kandidat Jean-Marie Le Pen. Robert Hue erzielte mit 3 Prozent das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der PCF. Aber auch der Kandidat des rechten bürgerlichen Lagers, Jacques Chirac, schnitt miserabel ab. Mit 19 Prozent bekam er das bis dahin schlechteste Ergebnis eines amtierenden Präsidenten.

Mit der Kandidatur Le Pens, der als Herausforderer des gaullistischen Amtsinhabers in den zweiten Wahlgang einzog, hätte sich die französische Elite leicht abfinden können. Der rechte Demagoge ist seit Jahrzehnten fester Bestandteil des politischen Establishments und unterhält trotz seines rabaukenhaften Auftretens enge Beziehungen zum rechten bürgerlichen Lager. In mehreren Regionen unterstützt die FN seit 1999 offiziell rechtsbürgerliche Regierungen. Es war zudem offensichtlich, dass Le Pen Chirac nicht ernsthaft bedrohen konnte, solange er keine maßgebliche Unterstützung aus Kreisen der Wirtschaft, der Medien und aus dem Lager der etablierten Rechten erhielt.

Was die französische Elite viel mehr beunruhigte, als der 17-prozentige Stimmenanteil Le Pens, waren die Reaktionen auf das Wahlergebnis. Kaum wurden die ersten Hochrechnungen bekannt, begannen auch schon die ersten Demonstrationen. In den folgenden Tagen gingen im ganzen Land Millionen auf die Straße - in Großstädten und kleinen Provinzstädten, Angehörige aller Gesellschaftsschichten. Unzählige Schüler, die noch gar kein Stimmrecht hatten, zogen stundenlang durch die Hauptstadt und taten ihre Empörung über den Rassismus der FN kund. Es wurde schnell deutlich, dass jedes weitere Entgegenkommen gegenüber Le Pen bürgerkriegsähnliche Zustände auslösen und die Grundfesten der Fünften Republik erschüttern würde.

Unter diesen Umständen war das politische Establishment auf die Unterstützung der radikalen Linken angewiesen, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. LCR und LO, die mit zehn Prozent der Stimmen ein beachtliches Ergebnis erzielt hatten, gerieten unter ungeheuren Druck. Während die offizielle Linke zur Wahl Chiracs aufrief und den amtierenden, bis über den Hals in Korruptionsskandale verstrickten Präsidenten als Garant "republikanischer Werte" pries, denunzierte die Presse, allen voran Le Monde und Libération, jedes Abweichen von dieser Linie als Sektierertum und Unterstützung für Le Pen.

Es bedurfte nicht viel, um die LCR ins bürgerliche Lager zu ziehen. Sie versuchte ihre Kapitulation vor Chirac zwar leicht zu bemänteln, indem sie die Parole ausgab: "Verhindert Le Pen auf den Straßen und an den Urnen". Aber unter den gegebenen Verhältnissen konnte man Le Pen "an den Urnen" nur verhindern, indem man Chirac wählte - was führende Vertreter der Organisation auch offen eingestanden.

Zum Zeitpunkt einer tiefen Krise der bürgerlichen Institutionen und Parteien, als eine unabhängige Bewegung breiter Bevölkerungsschichten mit Händen greifbar war, schlug sich die LCR also auf die Seite der Fünften Republik und trug damit wesentlich zu deren Konsolidierung bei. Drei Wochen später gewann Chirac den zweiten, entscheidenden Wahlgang weitgehend unangefochten mit einem Rekordergebnis von 82 Prozent. Der rechte Politiker, an dessen Zukunft noch wenige Wochen zuvor das ganze offizielle Frankreich gezweifelt hatte, saß wieder fest im Sattel, die Mechanismen der bürgerlichen Herrschaft waren vorerst wieder intakt.

Die Möglichkeit, für eine unabhängige Orientierung der Massenbewegung einzutreten, die sich als Reaktion auf den ersten Wahlgang entwickelt hatte, zog die LCR niemals in Betracht. Die Redaktion der World Socialist Web Site schlug den drei Parteien der radikalen Linken damals in einem Offenen Brief vor, für einen Wahlboykott einzutreten. (3) Ein organisierter Wahlboykott hätte der Scheinwahl, die nur die Alternative zwischen zwei rechten Kandidaten zuließ, die Legitimität abgesprochen, der Arbeiterklasse eine unabhängige politische Linie gegeben und sie auf zukünftige Auseinandersetzungen vorbereitet. Die LCR hielt dies nicht einmal einer Überlegung Wert. Stattdessen betätigte sie sich als linker Flügel des bürgerlichen Regimes. Wie wir sehen werden, war dies weder ein Zufall noch ein Einzelfall.

LO verhielt sich nicht viel besser. Sie blieb völlig passiv. Obwohl 1,6 Millionen Wähler Arlette Laguiller ihr Vertrauen geschenkt hatten, ergriff auch LO keine Initiative, die es der Arbeiterklasse erlaubt hätte, aktiv und unabhängig in das Geschehen einzugreifen. Sie drückte sich tagelang vor einer klaren Aussage, um schließlich zur Abgabe leerer Stimmzettel aufzurufen. Das war nichts weiter als eine "politische Geste", wie sie damals selbst zugab. Den Positionen beider Organisationen war gemeinsam, dass sie den vorgegebenen bürgerlichen Verfassungsrahmen vorbehaltlos akzeptierten. Die von De Gaulle erlassene, autoritäre Verfassung galt ihnen als sakrosankt.

Die gemeinsame Wahlplattform

Angesichts des Verhaltens von LCR und LO während der Präsidentenwahl ist es nicht verwunderlich, dass es über das gemeinsame Wahlbündnis - abgesehen von einem oberflächlichem Schlagabtausch - keine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung gab. Weder die LCR noch LO kann es sich leisten, eine ehrliche Bilanz der vergangenen Jahre zu ziehen. Nach dreimonatigem Gezänk einigte man sich schließlich auf eine gemeinsame Wahlplattform, die alle wichtigen politischen Fragen ausklammerte. Die Übereinkunft wurde in einem Protokoll und einer Wahlerklärung festgehalten. (4)

Beide Dokumente zeichnen sich durch ihre Oberflächlichkeit und ihre inhaltliche Armut aus. Jeweils kaum länger als zwei Seiten, enthalten sie weder eine Einschätzung der aktuellen Lage noch der wichtigsten politischen Erfahrungen der vergangenen Jahre. Der Irakkrieg, die bedeutendste internationale Zäsur des neuen Jahrhunderts, wird mit keiner Silbe erwähnt. Aus der Präsidentenwahl und dem Niedergang der offiziellen Linken werden noch nicht einmal ansatzweise politische Lehren gezogen, geschweige denn verallgemeinert. Nach einer ernsthaften Begründung und Zielsetzung für das gemeinsame Eingreifen im Wahlkampf sucht man vergeblich.

Die gemeinsame Wahlerklärung zählt eingangs eine Reihe sozialer und politischer Missstände auf - Entlassungen, Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne, Sozialabbau und Kürzungen. Es folgen Anklagen gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung: "Die Verantwortlichen in Staat und Wirtschaft plündern und ruinieren die Gesellschaft zugunsten der Profite der Großunternehmer. Die kapitalistische Organisation der Weltwirtschaft verurteilt Millionen Menschen zu Elend, damit eine Minderheit fantastische Reichtümer in ihren Händen ansammeln kann". Schließlich wird ein Bündel von "Dringlichkeitsmaßnahmen" gefordert - Verbot von Entlassungen in profitablen Großunternehmen, höhere Sozialabgaben für die Reichen zur Schaffung öffentlicher Arbeitsplätze, Stop der Privatisierungen und Ausdehnung des öffentlichen Sektors, Bau von Sozialwohnungen, Kindergärten und sozialen Einrichtungen, höhere Steuern auf Spekulationsgewinne und Senkung der indirekten Steuern, die vor allem die Armen treffen, Öffnung der Bücher der großen Unternehmen und der Banken.

Es ist offensichtlich, dass die Verwirklichung dieser oder ähnlicher Maßnahmen eine revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft erfordert. Keine bürgerliche Regierung - ob links oder rechts - würde sich auf derartige Maßnahmen einlassen. Das haben die Erfahrungen der vergangenen Jahre überall auf der Welt in aller Deutlichkeit gezeigt.

In Frankreich hatte es die letzten nennenswerten Sozialreformen 1981 gegeben, nachdem die Sozialistische Partei erstmals in der Fünften Republik das Präsidentenamt erobert hatte. Die damaligen Reformen stellten den Rahmen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung in keiner Weise in Frage. Dennoch vollzog Präsident Mitterrand bereits ein Jahr später unter dem Druck internationaler Finanzinstitutionen eine abrupte Kehrtwende. Seither hat Frankreich - wie alle anderen westlichen Industrieländer auch - einen anhaltenden Niedergang des Lebensstandards der breiten Masse der Bevölkerung erlebt. Hoffnungen auf eine Wiederbelebung sozialer Reformen, die der Wahlerfolg der Mehrheitslinken 1998 weckte, zerschlugen sich schnell. Trotz ihrem Bemühen, sich ein linkes Image zu geben, setzte auch die Regierung Jospin die Politik des Sozialabbaus fort.

Der Grund für diesen Bankrott des Sozialreformismus ist in fundamentalen Veränderungen der Weltwirtschaft zu suchen. Die Reformen der sechziger und siebziger Jahre waren möglich, weil der nationale Markt reguliert und bis zu einem gewissen Grad von den Turbulenzen der Weltwirtschaft abgeschirmt werden konnte. Die Globalisierung der Produktion und der Finanzmärkte hat dies verunmöglicht. Gegenüber transnationalen Konzernen, die Produktion und Investitionen in andere Länder verlagern, bleibt die Streikwaffe stumpf. Hohe Steuern zur Finanzierung umfassender Sozialreformen führen zum Abfluss der internationalen Finanzströme, ohne die keine nationale Wirtschaft überleben kann.

Die sozialdemokratischen Parteien haben auf diese Veränderungen reagiert, indem sie sich den Anforderungen des Finanzkapitals beugten und in einen endlosen Kreislauf des Sozialabbaus einschwenkten. Auch die Gewerkschaften haben sich dieser Entwicklung weitgehend angepasst. Der Möglichkeit zu sozialen Kompromissen beraubt, sind sie zu Bütteln des Kapitals geworden. Sie arbeiten eng mit den Regierenden zusammen und fallen jedem Arbeitskampf in den Rücken, wenn sie ihn nicht von vornherein unterbinden.

Ohne sich vom lähmenden Einfluss dieser bürokratischen Apparate zu befreien, kann die Arbeiterklasse keinen Schritt vorwärts machen. Diese Einsicht muss den Ausgangspunkt jeder revolutionären Orientierung bilden. Die französische Arbeiterklasse hat in den vergangenen Jahren immer wieder ihre Bereitschaft und Fähigkeit unter Beweis gestellt, für ihre demokratischen und sozialen Rechte zu kämpfen. Aber eine unabhängige politische Orientierung konnte sie nicht spontan aus diesen Kämpfen heraus entwickeln. Deshalb blieb das politische Geschehen im Wechselspiel zwischen dem rechten und dem linken bürgerlichen Lager gefangen. Das eine Mal gelangte die Rechte ans Ruder, weil sich die Linke durch ihre arbeiterfeindliche Politik diskreditiert hatte. Das andere Mal wurde die Rechte abgestraft und die Linke gelangte zurück an die Macht - ohne dass sich an der arbeiterfeindlichen Richtung der Politik etwas geändert hätte.

Es ist die Aufgabe von Marxisten, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Gerade die Teilnahme an Wahlen bietet einer marxistischen Organisation die Möglichkeit, ihr Programm einem breiten Publikum zu erläutern und das allgemeine Niveau der politischen Diskussion anzuheben. So werden die Voraussetzungen für den Aufbau einer breiten, unabhängigen und politisch bewussten Bewegung der Arbeiterklasse geschaffen, ohne die alles Gerede über Sozialismus und Revolution nur leeres Geschwätz bleibt.

Von einer derartigen Aufgabenstellung findet sich bei LO und LCR keine Spur. Sie behaupten allen Ernstes, die von ihnen geforderten Dringlichkeitsmaßnahmen könnten durch gewerkschaftliche Kämpfe erzwungen werden. Wörtlich heißt es in der Wahlerklärung: "Diese sozialen Dringlichkeitsmaßnahmen werden durch kollektive Kämpfe erzwungen werden. Jene, die im vergangenen Frühjahr gestreikt und demonstriert haben, haben den Weg gezeigt."

Leo Trotzki hat derartige Versuche, den Klassenkampf auf gewerkschaftliche Formen zu beschränken, schon vor siebzig Jahren in seiner Schrift "Wohin geht Frankreich?" sehr treffend kommentiert. Es heißt dort: "Indessen begreift jeder Arbeiter, dass bei zwei Millionen Vollerwerbslosen und Kurzarbeitern der gewöhnliche gewerkschaftliche Kampf für Kollektivverträge eine Utopie ist. Um unter den gegenwärtigen Bedingungen den Kapitalisten ernste Zugeständnisse abzutrotzen, heißt es ihren Willen brechen ; das ist nur durch revolutionäre Offensive zu erreichen. Eine revolutionäre Offensive aber, die Klasse gegen Klasse stellt, kann nicht einzig und allein unter ökonomischen Teillosungen entfaltet werden. Man gerät in eine Teufelsmühle.... Die Bedeutung des allgemeinen marxistischen Satzes: soziale Reformen sind weiter nichts als Nebenprodukte des revolutionären Kampfes, wird in der Epoche des kapitalistischen Niedergangs am unmittelbarsten und brennendsten. Die Kapitalisten können den Arbeitern in etwas nachgeben nur auf die Gefahr hin, alles zu verlieren." (5)

Dass LO und LCR auf die Streikbewegung vom Frühjahr 2003 verweisen, ist bezeichnend. Diese Bewegung endete mit einer Niederlage. Trotz wochenlanger Streiks und Demonstrationen gegen die Rentenpläne der Regierung ließ diese die entsprechenden Gesetze schließlich ohne Abstriche von der Nationalversammlung verabschieden. Sie konnte sich dabei auf die Gewerkschaften stützen, die die Bewegung im Zaum hielten und dafür sorgten, dass sie die Regierung nicht gefährdete. Der zuständige Minister François Fillon würdigte anlässlich der Verabschiedung der Gesetze vor der Nationalversammlung sogar ausdrücklich die "verantwortungsbewusste Haltung" der CGT, die bei den Protesten Regie führte. "Der Arbeitsminister schuldet der Gewerkschaft mit Sitz in Montreuil Dank dafür, dass sie sich bemüht hat, eine allgemeine Ausdehnung der Bewegung zu unterbinden, die Gefahr lief, außer Kontrolle zu geraten," kommentierte dies Le Monde. (6)

LCR und LO hatten damals die Aufgabe übernommen, die Blöße der CGT zu bedecken, indem sie die Niederlage in einen moralischen Sieg ummünzten. "Die Regierenden wissen, dass sie die Schlacht um das Bewusstsein verloren haben", verkündete die LCR. LO meinte, die gescheiterte Protestwelle stelle "eine fürchterliche Desavouierung der Regierung" dar. Auch die gemeinsame Wahlplattform enthält kein Wort der Kritik an den Gewerkschaften.

LO und LCR kommen zwar nicht darum herum, der unübersehbaren Rechtswendung der reformistischen Parteien Rechnung zu tragen. "Der Wille, der aktuellen Politik Einhalt zu gebieten, kann sich nicht in einer Stimmabgabe für die Parteien ausdrücken, die die Regierung Jospin unterstützt haben. Denn sie wollen dieselbe Politik fortführen, die sie an der Macht verwirklicht haben: Geschenke an die Unternehmer vervielfachen, Entlassungen zulassen, öffentliche Dienste privatisieren," heißt es in der Wahlerklärung. Aber sie entwickeln keine Initiative, die es der Arbeiterklasse ermöglichen würde, selbständig ins politische Geschehen einzugreifen. Ihre Wahlkandidatur stellen sie nicht als Schritt zum Aufbau einer neuen, unabhängigen Partei der Arbeiterklasse dar, sondern lediglich als "Geste" mit dem Zweck, gewerkschaftliche Kämpfe zu ermutigen. Wörtlich heißt es in der Wahlerklärung: "Ihr könnt, indem Ihr für unsere Liste stimmt, den Stimmzettel zu einer politischen Geste machen, zu einer Ermutigung für die Kämpfe und für all jene, die für Arbeiterrechte einstehen und der Tyrannei der Großaktionäre und der Börsen ein Ende bereiten wollen."

Die Glorifizierung gewerkschaftlicher Kämpfe bildet den kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den sich die beiden Organisationen einigen konnten. Ansonsten lehnen sie eine unabhängige politische Perspektive für die Arbeiterklasse aus ganz unterschiedlichen Gründen ab. LO erachtet jede Herausforderung der reformistischen Organisationen für aussichtslos, weil sie der Auffassung ist, die Arbeiterklasse sei vollkommen demoralisiert. Die LCR orientiert sich nicht an der Arbeiterklasse, sondern an den versprengten Gruppen der kleinbürgerlichen Protestbewegung - der Anti-Globalisierungsbewegung, der Umweltbewegung, der Frauenbewegung usw. - die sie mit Trümmern der alten reformistischen Organisationen zu einem neuen zentristischen Sammelbecken verschmelzen will.

Teil 2 - Die Sammlung der "antikapitalistischen Linken" durch die LCR

Die LCR ließ sich nur widerwillig auf das Wahlbündnis mit LO ein. Auf dem Parteikongress im November 2003 stimmten lediglich 70 Prozent der Delegierten für die entsprechende Resolution. Die restlichen waren der Ansicht, ein exklusives Bündnis mit LO sei zu "sektiererisch". LO hatte darauf bestanden, dass keine anderen politischen Organisationen oder Tendenzen an dem Bündnis beteiligt werden.

Wesentlich mehr Stimmen erhielt auf dem LCR-Kongress eine zweite Resolution mit dem Titel "Die antikapitalistische Linke sammeln". (1) Sie wurde von 82 Prozent der Delegierten unterstützt. Sie ruft zum Aufbau einer breiten Sammlungsbewegung auf, die auch Teile der offiziellen Linken sowie der Antikriegs- und Antiglobalisierungsbewegung umfasst. Daraus soll eine "neue politische Kraft" entstehen, die "breit und pluralistisch, radikal antikapitalistisch und resolut demokratisch" ist. An einer anderen Stelle ist von einer "neuen antikapitalistischen, feministischen und ökologischen politischen Kraft" die Rede, "die gegen jede Art von Unterdrückung kämpft".

Diese Resolution gibt die wirkliche Orientierung der LCR wieder. Das Wahlbündnis mit LO gilt ihr dagegen lediglich als zeitweiliger Schritt, zu dem sie sich aufgrund des raschen Niedergangs der offiziellen Linken und der relativ hohen Wahlergebnisse Arlette Laguillers gezwungen sah - nicht zuletzt mit dem Hintergedanken, auch die widerstrebende LO oder zumindest Bruchstücke davon in ihr "antikapitalistisches Bündnis" mit einzubeziehen.

Anders als im gemeinsamen Wahlprogramm ist in dieser Resolution auch von einer alternativen Regierung die Rede. Ein Absatz lautet: "Gemeinsam lehnen wir es ab, unsere Kämpfe und Hoffnungen für ein neues Regierungsbündnis mit der sozialliberalen Linken oder für eine Perspektive, die sich der Leitung der kapitalistischen Wirtschaft und Institutionen verschreibt, vergeuden zu lassen. Die Alternative gegen die Rechte, die Nationale Front und [den Unternehmerverband] Medef kann nur eine Regierung sein, die sich auf die Mobilisierung und demokratische Organisation der Bevölkerung stützt, eine Regierung, die ein soziales Dringlichkeitsprogramm verwirklicht." An anderer Stelle ist sogar vom "Ziel einer Regierung der Arbeiter und Arbeiterinnen" die Rede, "die sich auf die Mobilisierung der Bevölkerung stützt, um eine radikale soziale Umwandlung in Angriff zu nehmen, die es möglich macht, die sozialen Bedürfnisse zu befriedigen, und dafür sorgt, dass die Wirtschaft keine Privatangelegenheit mehr ist und zum Eigentum aller wird".

Aber dieser Aufruf zu einer "Regierung der Arbeiter und Arbeiterinnen" entbehrt jeder klaren programmatischen Grundlage. Die LCR hat es in jahrzehntelanger Übung zur Meisterschaft darin gebracht, ihr wirkliches Programm hinter einem Nebel radikaler und revolutionär klingender Phrasen zu verbergen - was in einem Land, in dem die revolutionären Traditionen des 18. und 19. Jahrhunderts fortleben, die stalinistische PCF einst stärkste Partei war und sich selbst die älteste Partei des Bürgertums als Radikale Partei bezeichnet, nicht allzu viel Mühe bereitet.

Ein Blick auf die unterschiedlichen politischen Tendenzen und gesellschaftlichen Gruppen, die die LCR in ihre "Umgruppierung zu einer einzigen Partei" einbeziehen will, macht deutlich, dass die von ihr angestrebte "Regierung der Arbeiter und Arbeiterinnen" nichts mit einer Arbeiterregierung gemein hat, wie sie Marxisten bisher gemeinhin verstanden haben. Es handelt sich nicht um eine Regierung, die unabhängig von der Bourgeoisie ist und sich auf die mobilisierte Arbeiterbevölkerung stützt. Vielmehr will die LCR eine bunt gemischte, sozial und politisch heterogene Sammelbewegung aufbauen, die im bürgerlichen Politikbetrieb den Platz einnimmt, der durch den Niedergang der offiziellen Linken frei geworden ist - und die notfalls bereit wäre, in eine bürgerliche Regierung einzutreten.

Die Tendenzen und Gruppen, an die sich der Aufruf der LCR richtet, vertreten mehrheitlich Auffassungen, die mit einer sozialistischen Perspektive nicht zu vereinbaren sind.

Da ist als erstes die Anti- oder Alterglobalisierungsbewegung, die in der Kongressresolution als wichtigster Bestandteil der "antikapitalistischen Linken" angeführt wird. Deren Wortführer wenden sich nicht gegen die kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse als solche, sondern nur gegen eine bestimmte Form kapitalistischer Wirtschaftspolitik, den sogenannten "neoliberalen Kapitalismus". Einige verlangen die Rückkehr zu einem national regulierten Kapitalismus im Stile der sechziger Jahre und treten für Handelsschranken und protektionistische Maßnahmen ein - reaktionäre Forderungen, die in ihrer Konsequenz zu Handelskrieg und Krieg führen. Andere glauben, sie könnten die Übel der modernen Gesellschaft mit Hilfe eines einzigen Wundermittels heilen, das das kapitalistische Eigentum intakt lässt - der Tobin-Steuer.

Als zweites wird die Antikriegsbewegung als wichtiger Pfeiler der "antikapitalistischen Linken" genannt. Auch hier finden sich die unterschiedlichsten politischen Tendenzen wieder. Ein Flügel unterstützt die Außenpolitik von Schröder und Chirac (über die sich die LCR bezeichnenderweise ausschweigt). Ein anderer vertritt rein pazifistische Positionen und setzt auf die Überzeugungskraft moralischer Appelle. Marxisten gründen ihre Opposition gegen den Krieg dagegen auf ein Verständnis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Kapitalismus, Imperialismus und Krieg. Für sie fällt der Kampf gegen den Krieg und gegen den Kapitalismus untrennbar zusammen.

Die ökologische und die feministische Bewegung schließlich, die die LCR ebenfalls in die "antikapitalistische Linke" einbeziehen will, haben für sich genommen überhaupt keine antikapitalistische Stoßrichtung - wie das Schicksal der deutschen Grünen anschaulich vor Augen geführt. Diese hatten, als sie vor 25 Jahren unter dem Beifall der deutschen Gesinnungsgenossen der LCR entstanden, die Ökologie und den Feminismus - neben Basisdemokratie und Pazifismus - groß auf ihre Fahne geschrieben und sind heute eine rechte bürgerliche Partei wie jede andere.

Die Resolution der LCR richtet sich auch ausdrücklich "an die kommunistischen, sozialistischen und grünen Wähler/Innen und Mitglieder" sowie "an Strömungen, die aus der traditionellen Linken hervorgegangen sind". Dabei bleibt völlig unklar, auf welcher Grundlage sich diese Mitglieder und Ex-Mitglieder reformistischer Parteien der neuen Sammlungsbewegung anschließen sollen. Dass sie von ihren alten Parteien enttäuscht sind, muss nicht heißen, dass sie auch mit deren reformistischen Konzeptionen gebrochen, die Ursache für ihren Niedergang verstanden und politische Lehren daraus gezogen haben.

Es ist aber erklärtermaßen nicht die Absicht der LCR, einen politischen Klärungsprozess herbeizuführen. Stattdessen will sie diese verschiedenartigen und gegensätzlichen politischen Tendenzen und gesellschaftlichen Strömungen unterschiedslos unter einem Dach vereinen. Dabei wendet sie sich nicht nur an die Mitglieder, sondern auch an die Spitzen dieser Organisationen. So trifft sie sich zu regelmäßigen Gesprächsrunden mit der Führung der Kommunistischen Partei. Sollte sich die PCF dazu entschließen, würde die LCR sie auch als ganze in ihrer "antikapitalistischen Linken" willkommen heißen.

Es ist offensichtlich, dass eine derart formlose und heterogene Organisation, wie sie der LCR vorschwebt, dem ideologischen und politischen Druck nicht gewachsen wäre, der in einer gesellschaftlichen Krise unweigerlich auf jeder politischen Organisation lastet. Wenn schon die LCR auf den Schock vom 21. April 2002 reagiert hat, indem sie mit fliegenden Fahnen ins "republikanische Lager" Chiracs überlief, wie würde sich dann erst eine bunt gemischte Truppe wie die angestrebte "antikapitalistische Linke" in einer ähnlichen oder tieferen Krise verhalten?

Derartige Krisen entwickeln sich gesetzmäßig aus den inneren Widersprüchen der kapitalistischen Gesellschaft. Aber ihr Verlauf und ihr Ergebnis ist nicht gesetzmäßig vorherbestimmt. Sämtliche Erfahrungen des 20. Jahrhunderts zeigen, dass Erfolg oder Misserfolg des Proletariats in einer derartigen Krise von der Vorbereitung, Reife und Standhaftigkeit seiner Führung abhängt. Das Gründungsprogramm der Vierten Internationale, als deren französische Sektion sich die LCR bezeichnet (mit welchem Recht, werden wir noch sehen), beginnt nicht zufällig mit den Worten: "Die politische Weltlage als Ganzes ist vor allem durch eine historische Krise der proletarischen Führung gekennzeichnet." (2)

Die LCR betrachtet es nicht als ihre Aufgabe, diese Krise zu lösen. Sonst müsste sie sich um die Klärung der politischen Perspektiven und deren Abgrenzung von reformistischen, zentristischen und kleinbürgerlich-radikalen Tendenzen bemühen. Das lehnt sie explizit als "Sektierertum" ab. Es würde sie zu viele Freundschaften in den Reihen der bürokratischen Apparate, der liberalen Intelligenz und der kleinbürgerlichen Protestbewegung kosten. Eine kühne, klare und kompromisslose Perspektive würde zwar frische und unverbrauchte Kräfte anziehen, die das linke Geschwätz ohne Folgen, die hohlen Proteste ohne Wirkung und die Streiks ohne Ergebnis satt haben und nach einer mutigen, zukunftsweisenden Orientierung suchen. Doch das ist nicht das Ziel der LCR.

Die linke Sammlungsbewegung, die sie anstrebt, wird ein zusätzliches Hindernis auf dem Weg zur sozialistischen Revolution bilden. Käme es zu einem französischen Oktober, würde sie Kerenski unterstützen und nicht Lenin und Trotzki. Die bürgerliche Herrschaft bedient sich in akuten Krisen oft derart diffuser, zentristischer Organisationen, um die Massen zu verwirren, zu lähmen und zu demoralisieren, bis die Reaktion ausreichend erstarkt ist, um zuzuschlagen. Im Frankreich und Spanien der dreißiger Jahre und im Chile Salvador Allendes spielte die Volksfront diese Rolle.

In Frankreich nutzt die herrschende Elite die pseudorevolutionäre Linke seit längerem als Rekrutierungsfeld für ihr politisches Personal. Am bekanntesten dürfte der Fall Lionel Jospins sein, der von 1997 bis 2002 der Regierung der Mehrheitslinken vorstand. Jospin war von Mitte der sechziger bis weit in die achtziger Jahre hinein geheimes Mitglied der Organisation Communiste Internationaliste, der Vorgängerorganisation der PT, und stieg als solches an die Spitze der Sozialistischen Partei auf. (3)

Jospin ist aber kein Einzelfall. Edwy Plenel, in den siebziger Jahren zehn Jahre Mitglied der LCR und heute Chefredakteur der renommierten Tageszeitung Le Monde, schreibt in seinem Buch "Geheimnisse der Jugend": "Ich war nicht der einzige: wir sind sicher einige Zehntausende, die, nachdem wir in den sechziger und siebziger Jahren mehr oder weniger auf der - trotzkistischen oder nicht trotzkistischen - extremen Linken engagiert waren, die kämpferischen Lehren zurückgewiesen haben und unsere damaligen Illusionen zum Teil kritisch betrachten, ohne jedoch eine Treue zu unserer ursprünglichen Wut aufzugeben und ohne unsere Schuld gegenüber dieser Ausbildung zu verschweigen." (4)

Jospin hatte die Regierung übernommen, nachdem die Aufstandsbewegung vom Winter 1995/96 die enorme Fragilität der bürgerlichen Herrschaft offenbart hatte. Fünf Jahre später war Jospins linker Nimbus verbraucht, das bewies seine Niederlage in der Präsidentenwahl. In künftigen Krisen wird die bürgerliche Herrschaft neue Stützen auf der Linken benötigen. Für diese Aufgabe bietet sich die "antikapitalistische Linke" der LCR an.

Abschied von der "Diktatur des Proletariats"

Nicht zufällig hat der Kongress vom letzten November beschlossen, den Begriff "Diktatur des Proletariats" aus den Statuten der LCR zu streichen. Natürlich ist keine marxistische Organisation verpflichtet, diese Formulierung, die wie viele andere marxistische Begriffe aufgrund des jahrzehntelangen Missbrauchs durch den Stalinismus zahlreichen Missverständnissen ausgesetzt ist, in ihren Statuten zu führen oder wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Er beinhaltet aber eine grundlegende politische Frage, an deren Klärung kein Weg vorbei führt - das Verhältnis gegenüber dem bürgerlichen Staat.

Lenin hatte am Vorabend der Oktoberrevolution das marxistische Verständnis des Staats einer gründlichen Überprüfung unterzogen und dabei die Bedeutung des marxistischen Begriffs "Diktatur des Proletariats" herausgearbeitet. (5)

Der Begriff "Diktatur" anerkennt zuerst einmal ganz einfach die Tatsache, dass jeder Staat - ob demokratisch oder autoritär - ein Instrument der Klassenherrschaft ist. "Nach Marx ist der Staat ein Organ der Klassen herrschaft, ein Organ zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere, ist die Errichtung derjenigen ‚Ordnung', die diese Unterdrückung sanktioniert und festigt, indem sie den Konflikt der Klassen dämpft", schreibt Lenin. Die Aufgabe der sozialistischen Revolution besteht demnach in der Ersetzung des bürgerlichen Staats ("Diktatur der Bourgeoisie") durch einen Arbeiterstaat ("Diktatur des Proletariats").

Lenin macht deutlich, dass die Arbeiterklasse den bürgerlichen Staat nicht von innen heraus erobern und ihren Apparat - Armee, Polizei und staatliche Bürokratie - übernehmen kann. Marx und Engels hatten bereits aus den Erfahrungen der Pariser Kommune von 1871 den Schluss gezogen, dass "die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen kann". Der alte Staatsapparat, der "durch tausend Fäden mit der Bourgeoisie verbunden und durch und durch von verknöcherten Gewohnheiten und Konservatismus durchsetzt ist" (Lenin), ändert seinen Klassencharakter nicht, wenn sozialistische Minister an seine Spitze treten. Er muss zerbrochen und durch einen neuen ersetzt werden. In dieser Frage besteht nach Lenins Auffassung der wichtigste Unterschied zwischen Marxismus und allen Spielarten des Opportunismus. Sie bildet den Kern der Anerkennung der "Diktatur des Proletariats".

Dabei lassen Lenins Schrift und die von ihm angeführten Aussagen von Marx und Engels keinen Zweifel aufkommen, dass jede Form der "Diktatur des Proletariats" ungleich demokratischer sein wird als irgend ein bürgerlicher Staat und mit dem Übergang zum Sozialismus ganz absterben wird. "Unter dem Kapitalismus ist die Demokratie durch die ganzen Verhältnisse der Lohnsklaverei, der Not und des Elends der Massen eingeengt, eingeschnürt, gestutzt, verstümmelt", schreibt er, und: "Im Sozialismus wird unvermeidlich vieles von der ‚primitiven' Demokratie wieder aufleben, denn zum erstenmal in der Geschichte der zivilisierten Gesellschaften wird sich die Masse der Bevölkerung zur selbständigen Teilnahme nicht nur an Abstimmungen an Wahlen, sondern auch an der laufenden Verwaltungsarbeit erheben. Im Sozialismus werden alle der Reihe nach regieren und sich schnell daran gewöhnen, dass keiner regiert." Lenins Auffassung der "Diktatur des Proletariats" lässt sich also nicht zur Rechtfertigung jenes despotischen, bürokratischen Molochs heranziehen, zu der sich der Sowjetstaat unter Stalins Herrschaft entwickeln sollte.

Die Kommunistische Partei Frankreichs führte den Begriff "Diktatur des Proletariats" bis 1976 in ihrem Programm, obwohl sie sich in der Praxis schon lange davon verabschiedet hatte und den bürgerlichen Staat loyal unterstützte. Als sie sich schließlich von dem Begriff trennte, erregte das beträchtliches Aufsehen. Es galt als politisches Signal für ihre Bereitschaft, in eine bürgerliche Linksregierung einzutreten - was sie fünf Jahre später dann auch tatsächlich tat.

Die LCR hat sich große Mühe gegeben, alle Parallelen zwischen ihrem heutigen Verhalten und dem damaligen Vorgehen der PCF zu bestreiten. Die Parteizeitung Rouge versicherte ihren Lesern in der Ausgabe vom 11. Dezember, bei der Streichung der "Diktatur des Proletariats" handle sich lediglich um die "Aufgabe einer Formel, während der Inhalt beibehalten wird.... Unsere Organisation setzt sich für die sozialistische Revolution ein, für die Macht der Arbeiter und Arbeiterinnen." Es wäre auch falsch, heißt es weiter, "diese Neuformulierung mit wirklichen oder angeblichen Fehlern Lenins und seiner Genossen zu begründen". (6)

Ungeachtet dieses Dementis findet innerhalb der LCR gegenwärtig eine intensive Diskussion über das Verhältnis zum bürgerlichen Staat statt. Dabei wird nicht nur gegen angebliche Fehler Lenins zu Felde gezogen, sondern auch eine offene Unterstützung für die französische Republik erwogen.

Bereits im November war in Rouge ein Artikel von François Ollivier, einem führenden internationalen Vertreter der LCR, erschienen, der den Begriff "Diktatur des Proletariats" heftig attackiert und mit einer ausdrücklichen Kritik an Lenin und Trotzki verbindet.

"Man muss auch auf die Irrtümer der russischen Revolutionäre zurückkommen", schreibt Ollivier. "Im Namen der revolutionären Diktatur des Proletariats, verstanden als Ausnahmeregime unter Ausnahmebedingungen, haben Lenin, Trotzki und viele andere bolschewistische Führer Maßnahmen ergriffen, die nach und nach die Demokratie im Rahmen der neuen revolutionären Institutionen erstickt haben. Man hat geholfen bei der Ablösung der Sowjetdemokratie durch die Macht der Partei auf Kosten der Substanz der Räte und Komitees, bei der Weigerung eine neue verfassungebende Versammlung einzuberufen, dann beim Verbot der Strömungen innerhalb der bolschewistischen Partei selbst. Die Ausübung der Diktatur des Proletariats in Russland, auch zwischen 1918 und 1924, hat zur Verschmelzung von Staat und Partei geführt und zur schrittweisen Unterdrückung aller demokratischen Freiheiten. Diese dramatische historische Erfahrung hat die Benutzung eines solchen Begriffs hinfällig gemacht." (7)

Olliviers Argumentation ist lediglich eine neue Variation des alten Themas, wonach die Degeneration der Sowjetunion die unausweichliche Folge der Machteroberung durch die Bolschewiki im Oktober 1917 war, die Verantwortung für die Entartung des Sowjetregimes also weniger bei Stalin, als bei Lenin und Trotzki zu suchen sei. Um das Gesicht zu wahren, datiert er die "Irrtümer der russischen Revolutionäre" zwar auf 1918 und die folgenden Jahre. Aber wenn sich diese "Irrtümer" aus der "Ausübung der Diktatur des Proletariats" ergaben, dann war der größte "Irrtum" die Errichtung dieser Diktatur im Oktober 1917. Olliviers Schlussfolgerungen laufen auf die Zurückweisung des gesamten marxistischen Erbes hinaus, einschließlich Trotzkis Theorie der permanenten Revolution. Dieser hatte seit 1906 darauf bestanden, dass die demokratischen Aufgaben der russischen Revolution nur mittels der Diktatur des Proletariats gelöst werden können.

Ein anderes Mitglied der LCR-Führung, Christian Picquet, tritt dafür ein, die Unterstützung für die französische Republik und ihre Werte zur zentralen strategischen Achse des Programms der LCR machen. Das ist die Kernaussage seines Buches "Republik im Sturm. Essai für eine Linke der Linken", das er im vergangenen Jahr veröffentlichte. (8) Picquet verallgemeinert damit das Verhalten der LCR während der Präsidentenwahl 2002, als sie sich der "republikanischen Front" Chiracs anschloss.

Picquet begründet seinen Vorstoß damit, dass links gesinnte Leute in Frankreich ein eigenartiges Verhältnis zur Republik hätten. Während man anderswo in Europa angesichts der drohenden rechtsextremen Gefahr gegen Hass und Rassismus sowie für Demokratie und Menschenrechte demonstriere, würden diese Werte in Frankreich aus historischen Gründen im Ideal der Republik zusammengefasst. In den unruhigen Tagen zwischen den beiden Wahlgängen der Präsidentenwahl sei man im Namen der Republik auf die Straße gegangen.

Es folgt ein völlig entstellter Abriss der französischen Geschichte: "Das Phantom [der Republik] hat die Züge des Gespensts angenommen, dass die besitzenden Klassen seit nunmehr zweihundert Jahren jagt. Jedes Mal wenn sie sich von der Konterrevolution bedroht sah, wenn die Reaktion oder der Obskurantismus sich anschickten, ihre ursprünglichen Errungenschaften zurückzunehmen, sah man, wie sich unzählbare Massen erhoben. Von 1789 bis 1796, von 1830 bis 1848, von der Kommune zur Dreyfus-Affäre, von der Volksfront zur Résistance, von der Befreiung zur Ablehnung des Staatsstreichs von Algier, von der Verteidigung der öffentlichen Schulen, die im Laufe der Fünften Republik mehrmals in Frage gestellt wurden, zum Kampf gegen die Nationale Front, von der unaufhörlichen Verbundenheit mit der ‚Sécu' [Sozialversicherung] zur Weigerung, den Öffentlichen Dienst zerschlagen zu lassen, war allen großen Volksbewegungen gemeinsam, dass sie verschiedene Varianten der ‚republikanischen Sammlung' darstellten."

In seinem republikanischen Begeisterungstaumel übersieht der Autor, dass die französische Republik, von der Ersten bis zur Fünften, stets ein Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie war und bleibt. Die Illusionen der Massen in die Republik, die er so enthusiastisch schildert, wurden von den Sozialdemokraten und den Stalinisten gezielt geschürt um zu verhindern, dass die revolutionären Erhebungen die bürgerliche Herrschaft bedrohten. Eben darin bestand die Bedeutung der Volksfront, die zur Ursache einer verheerenden Niederlage wurde.

Selbst Rouge sah sich bemüßigt, auf einige unbestreitbare historische Tatsachen hinzuweisen. Eine Kritik an Picquets Buch macht darauf aufmerksam, dass sich die Republik auch als "schreckliche Falle für die Arbeiterbewegung erweisen" könne. Sie sei der "Boden für alle Formen der heilige Allianz der herrschenden Klassen mit der reformistischen Arbeiterbewegung" gewesen. In ihrem Namen seien die Kolonialexpeditionen gegen die Völker Nordafrikas, Schwarzafrikas und Indonesiens geführt und eine Politik der Unterdrückung und Zwangsassimilation gerechtfertigt worden. "Von den ersten Erfahrungen mit dem ‚Ministerialismus' (dem Eintritt eines sozialistischen Ministers, Millerand, in eine bürgerliche Regierung) zu Beginn des 20. Jahrhunderts, über die Volksfront, die die vorwärtstreibende Kraft des Generalstreik ins Bündnis mit der radikalen Partei kanalisierte, bis zum Wiederaufbau des bürgerlichen Staats 1944-45 (unter dem Hirtenstab De Gaulles, mit der Entwaffnung der Résistance) hat der Bezug auf die Republik, identifiziert mit den Institutionen des demokratischen bürgerlichen Staats, die soziale Bewegung stets entwaffnet." (9)

Allein die Tatsache, dass in der LCR offen über eine Unterstützung des bürgerlichen Staats diskutiert wird, zeigt, dass sie in dieser Hinsicht keine Hemmschwellen mehr kennt. In diesem Zusammenhang betrachtet ist ihr Abschied von der "Diktatur des Proletariats", wie einst bei der PCF, ein eindeutiges Signal ihrer Bereitschaft, bürgerliche Regierungspartei zu werden.

Teil 3 - Der 15. Weltkongress der pablistischen Internationale

Die politischen Konzeptionen, welche die LCR in ihrem Aufruf für eine "antikapitalistische Linke" artikuliert, finden sich teilweise bis auf die einzelnen Formulierungen in den Beschlüssen und Resolutionen des 15. Weltkongresses der pablistischen "Vierten Internationale" wieder, deren offizielle französische Sektion die LCR ist. Der Kongress tagte im Februar 2003 in Brüssel. Der Ursprung der pablistischen Internationale, die über lange Zeit als Vereinigtes Sekretariat firmierte und deren bekanntester Vertreter bis zu seinem Tod im Jahr 1995 Ernest Mandel war, geht - wie wir noch sehen werden - auf das Jahr 1953 zurück. Damals brachen mehrere Sektionen mit den programmatischen Grundlagen der 1938 von Leo Trotzki gegründeten Vierten Internationale und näherten sich unter der Führung ihres damaligen Sekretärs, Michel Pablo, dem Stalinismus Moskauer Prägung an.

Der 15. Weltkongress der Pablisten, der erste seit acht Jahren, sprach sich für den Aufbau einer "neuen Masseninternationale" aus, die mit allem bricht, was auch nur im entferntesten an die marxistischen Traditionen erinnert, auf die sich frühere Internationalen bei ihrer Gründung basiert hatten. Ein offizieller Bericht über den Kongress, verfasst von François Vercammen, betont dies ausdrücklich.

Das Mitglied des pablistischen Exekutivbüros schreibt: "Diese neue Internationale, oder zumindest der erste Schritt auf dem Weg zu ihrem Aufbau, wird sich aus den gegenwärtigen Bewegungen und Mobilisierungen entwickeln. Sie wird keiner ihrer Vorgängerinnen gleichen, und bestimmt nicht den revolutionären, marxistischen, parteigebundenen Internationalen. Sie wird die massive, spontane Antwort auf die gegenwärtige, historisch beispiellose, globale despotische Herrschaft des Kapitalismus sein. Ihre Verankerung wird ihr Internationalismus und intuitiver Antikapitalismus sein; aber auch ihre von jedem Gesichtspunkt außerordentlich große Heterogenität. Sie wird sich mit Sicherheit von ihren fünf Vorgängerinnen unterscheiden: Dem internationalen Bund der Kommunisten von 1848, der Ersten Internationale (1864-1876), der Zweiten Internationale (1889-1914), der Kommunistischen Internationale (der Dritten, 1919-1943), der Vierten Internationale (gegründet 1938)." (1)

Mit den "Bewegungen und Mobilisierungen", die Vercammen als Grundlage der neuen "Masseninternationale" anführt, sind die Globalisierungskritiker und die Bewegung gegen den Irakkrieg gemeint - die großen Demonstrationen gegen internationale Gipfeltreffen, die 1999 in Seattle begannen, die Weltsozialforen von Porto Alegre und Florenz sowie die weltweiten Demonstrationen gegen den Irakkrieg vom Februar 2003.

Diese Bewegungen widerspiegelten die wachsende Opposition breiter Bevölkerungsschichten gegen Ausbeutung und Unterdrückung und gegen die Weltherrschaftspläne des amerikanischen Imperialismus. Neben Veteranen der Protestbewegung der sechziger und siebziger Jahre hatten sich auch Schichten aus der Arbeiterklasse und vor allem der Jugend daran beteiligt, die sich weitgehend unabhängig von den alten reformistischen Apparaten erstmals aktiv ins politische Geschehen einmischten. Politisch und organisatorisch gaben aber Organisationen den Ton an, die - wie Attac oder die brasilianische Arbeiterpartei (PT) - eine revolutionäre sozialistische Perspektive ablehnen und sich darum bemühen, die Bewegung in den Schoß der bestehenden bürgerlichen Institutionen zurückzuführen. Es ist bekannt, dass Attac enge Beziehungen zur früheren französischen Regierung unter Lionel Jospin unterhielt und bis heute zahlreiche Parlamentsabgeordnete der französischen Sozialistischen Partei zu ihren eingeschriebenen Mitgliedern zählt. Die brasilianische PT wiederum, die das Sozialforum von Porto Alegre sponserte, ist inzwischen selbst zur Regierungspartei und zum Musterschüler des Internationalen Währungsfonds geworden.

Es wäre falsch, diese Bewegungen wegen ihrer bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Führung einfach zu ignorieren oder abzuschreiben - wie dies beispielsweise Lutte Ouvrière tut. Genauso falsch ist es aber, sich unkritisch an die vorherrschenden politischen Tendenzen anzupassen und darauf zu hoffen, die spontane Entwicklung selbst werde zu einem politischen Klärungsprozess führen.

Die vorrangige Aufgabe von Marxisten besteht darin, in diesen Bewegungen einen politischen Differenzierungsprozess herbeizuführen. Ihr Ziel ist nicht die Vereinigung der "Linken" - ein Begriff, der alle möglichen opportunistischen und kleinbürgerliche Tendenzen umfasst -, sondern die Vereinigung und Mobilisierung der breiten Massen der arbeitenden Bevölkerung, deren Lebensbedingungen in unversöhnlichem Konflikt zu den bestehenden kapitalistischen Verhältnissen stehen.

Das erfordert einen unermüdlichen politischen Kampf gegen alle Tendenzen, die - wie Attac, die brasilianische PT und viele andere - mit einem oder beiden Füßen im bürgerlichen Lager stehen und die Bewegung ins Schlepptau linker oder liberaler bürgerlicher Politiker nehmen wollen. Die halbherzige Politik dieser Tendenzen - ihre Rücksichtsnahme auf die offizielle bürgerliche Meinung; ihr Bemühen, alle "extremen Forderungen" zu unterbinden, die ihre Verbündeten im bürgerlichen Lager abschrecken könnten - hat unweigerlich zur Folge, dass sie nicht in der Lage sind, die breite Masse der Unterdrückten zu erreichen, und diese sogar abstoßen. Eine wirkliche Einheit der breiten Masse der Ausgebeuteten und Unterdrückten kann nur im politischen Kampf gegen den lähmenden Einfluss dieser Tendenzen erreicht werden.

Die Vierte Internationale war 1938 nach einem fünfjährigen Kampf gegen verschiedene Spielarten des Zentrismus - die spanische POUM, die britische Independent Labour Party u.a. - sowie gegen die Volksfront gegründet worden, die die Interessen der Arbeiterklasse einem Bündnis mit dem linken Flügel der Bourgeoisie zum Opfer brachte. "Die Vierte Internationale kann und will keinen Platz in irgendeiner Volksfront finden. Sie sagt allen an den Rockschößen der Bourgeoisie hängenden politischen Gruppen den unversöhnlichen Kampf an", heißt es in ihrem Gründungsprogramm. (2) Der Sinn und Zweck der Vierten Internationale bestand und besteht weiterhin darin, die Arbeiterklasse in die Lage zu versetzen, als unabhängige politische Kraft ins politische Geschehen einzugreifen.

Die Pablisten lehnen eine derartige Zielsetzung ausdrücklich ab. Ihre Aufruf für eine neue "Masseninternationale" richtet sich an politische Gruppen, die - in Trotzkis Worten - "an den Rockschößen der Bourgeoisie hängen". Politisch richtet er sich an zentristische, opportunistische und offen reformistische Tendenzen, sozial an Teile der Mittelklassen und der Bürokratie der alten Arbeiterorganisationen.

Es ist bezeichnend, dass sie eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen der "Arbeiterklasse" und der "radikalen Linken" treffen. In der Kongressresolution über die "Rolle und Aufgaben der Vierten Internationale" heißt es: "Die Arbeiterklasse befindet sich immer noch in einer Position der Schwäche, in der Defensive, aber die radikale Linke erholt sich und gewinnt in großem Maßstab die politische Initiative zurück." (3) Eine andere Resolution vertritt sogar die Ansicht, die Masse der Bevölkerung bewege sich weltweit nach rechts. Die politische und militärische Offensive des US-Imperialismus und die Interventionen der repressiven Staatsapparate, heißt es dort, "ermutigen das Wachstum reaktionärer, chauvinistischer Strömungen in der Bevölkerung. Diese Entwicklung betrifft die ganze Welt, Land um Land." (4) Die Basis der neuen "Masseninternationale" soll dementsprechend nicht die Arbeiterklasse, sondern die "radikale Linke" sein.

Die neue Internationale, schreibt Vercammen, könne nur aus der "Sammlung aller oppositionellen Kräfte, aller radikalen politischen Strömungen in einer neuen politischen Formation (Partei, Bewegung, Koalition, Allianz)" hervorgehen. "In einer solchen Formation praktizieren revolutionäre Marxisten keinen ‚Entrismus' mit dem geheimen oder eingestandenen Ziel, so schnell wie möglich zu einer mit einem revolutionären Programm bewaffneten ‚revolutionären Vorhutpartei' überzugehen. Sie sind die Mit-Initiatoren, Mit-Organisatoren, Mit-Führer dieser breiten Partei. Sie wollen die Erfahrungen des gegenwärtigen Kampfs teilen und gemeinsam auf eine antikapitalistische Massenpartei zugehen, die fähig ist, für den Sozialismus zu kämpfen."

An anderer Stelle erklärt derselbe Autor: "Es ist nicht unser Ziel, eine kurzfristige, politisch-organisatorische Übernahme der globalen Gerechtigkeitsbewegung entlang der bereits wahrnehmbaren Bruchlinien durchzuführen, um ihr eine politische Organisation aufzudrängen. Im Gegenteil, wir müssen sie aufbauen, sie als Kampfbewegung sui generis stärken, und alle ihre Möglichkeiten auf verschiedenen Ebenen entwickeln: als sozio-politische Bewegung, als Raum der Diskussion und Ausarbeitung, als Trägerin mehrerer autonomer Kampagnen (Tobinsteuer, Streichung der Dritte-Welt-Schulden, Verteidigung öffentlicher Dienstleistungen, gegen moderne Sklaverei), als Sammlung der sozialen Bewegungen (Gewerkschaften, Arbeitslose, Ökologen), als Eine-Welt-Front (die Mobilisierung gegen Krieg)."

Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung

Zur "radikalen Linken", die die Basis der neuen "Masseninternationale" bilden soll, zählen die Pablisten neben einer Vielzahl radikaler Protestbewegungen - der "Frauen-, Jugend-, Antikriegs-, Ökologie-, antifaschistischen und antirassistischen Bewegung" - die Gewerkschaften sowie Teile der alten stalinistischen und reformistischen Apparate.

Sie kommen zwar nicht darum herum, die allgemeine Rechtswendung der Gewerkschaften sowie der sozialdemokratischen und stalinistischen Organisationen zu vermerken. Aber sie unternehmen keinen Versuch, die objektiven Ursachen für diesen Niedergang zu analysieren - den Bankrott ihrer sozialreformistischen Programme angesichts der Globalisierung. Stattdessen bestehen sie darauf, dass sich die Wiederbelebung der Arbeiterbewegung mittels dieser Organisationen vollziehen müsse.

"Der Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung ist eine entscheidende Aufgabe", heißt es in der Resolution über die "Aufgaben der Vierten Internationale". Und weiter unten: "In großen Verbänden mit einer langen Geschichte in Ländern mit hohem Organisationsgrad und einer langen Gewerkschaftstradition wird die erneute Mobilisierung mit Sicherheit mittels dieser Organisationen erfolgen. [...] In Ländern, in denen die Massengewerkschaften ein Jahrhundert später entstanden sind (COSATU in Südafrika, CUT in Brasilien), werden sie empfänglicher für die Stimmung der Basis bleiben."

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben das Gegenteil bewiesen. In "Ländern mit einer langen Gewerkschaftstradition" - gemeint sind hier offenbar England und Deutschland - bilden die großen Gewerkschaftsverbände heute die wichtigste Stütze für die rechte, arbeiterfeindliche Politik der sozialdemokratischen Regierungen. Gerade Gewerkschaften, die sich einen betont militanten Anstrich geben und teilweise sogar Proteste organisieren, spielen eine Schlüsselrolle dabei, die Opposition gegen die Regierung aufzufangen, deren Sturz sie unter allen Umständen verhindern wollen. So haben die IG Metall und Ver.di in Deutschland zahlreiche Verträge ausgehandelt und unterschrieben, die eine massive Verschlechterung der Löhne und Arbeitsbedingungen zur Folge haben.

Was COSATU und CUT betrifft, die beide in einer tiefen, potentiell revolutionären gesellschaftlichen Krise entstanden sind, so sind aus ihnen die wichtigsten Stützen der bürgerlichen Herrschaft in Südafrika und Brasilien hervorgegangen. Cyril Ramaphosa, Führer der südafrikanischen Bergarbeitergewerkschaft und Mitbegründer von COSATU, gehört heute zu den reichsten Unternehmern Südafrikas. Luis Ignácio "Lula" de Silva, prominentester Führer der CUT, ist Präsident Brasiliens.

Allein diese Erfahrungen beweisen, wie korrekt und weitsichtig die Einschätzung der Gewerkschaften war, die Leo Trotzki 1940 kurz vor seiner Ermordung zu Papier brachte: "Es gibt in der Entwicklung, oder besser, in der Degeneration der gegenwärtigen Gewerkschaftsorganisationen der ganzen Welt einen allen gemeinsamen Zug: die Annäherung an die Staatsgewalt und das Verschmelzen mit ihr. Dieser Prozess charakterisiert die unpolitischen Gewerkschaften in gleicher Weise wie die sozialdemokratischen, kommunistischen und ‚anarchistischen'. Allein diese Tatsache beweist schon, dass die Tendenz zum Verwachsen mit der Staatsgewalt nicht aus dieser oder jener Doktrin, sondern aus allgemein gesellschaftlichen Bedingungen entspringt, denen alle Gewerkschaften in gleicher Weise unterworfen sind." (5)

Trotzki charakterisierte die Haltung der Gewerkschaften folgendermaßen: "Die Gewerkschaftsbürokratie sieht ihre Hauptaufgabe darin, den Staat aus der Umklammerung des Kapitalismus zu ‚befreien', seine Abhängigkeit von den Trusts zu mildem und ihn auf ihre Seite zu ziehen. Diese Einstellung entspricht vollkommen der sozialen Lage der Arbeiteraristokratie und Arbeiterbürokratie, die beide um einen Abfallbrocken aus den Überprofiten des imperialistischen Kapitalismus kämpfen. Die Gewerkschaftsbürokraten leisten in Wort und Tat ihr Bestes, um dem ‚demokratischen' Staat zu beweisen, wie verlässlich und unentbehrlich sie im Frieden und besonders im Kriege sind. Indem der Faschismus die Gewerkschaften in Organe des Staates verwandelt, erfindet er nichts Neues; er entwickelt nur die dem Imperialismus innewohnenden Tendenzen zu ihrer letzten Schlussfolgerung."

Die Boomperiode nach dem Zweiten Weltkrieg hatte den Gewerkschaften einen gewissen Spielraum verschafft, um die Lebensverhältnisse ihrer Mitglieder zu verbessern. Doch das ist längst Vergangenheit. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich Trotzkis Einschätzung der Gewerkschaften in vollem Umfang bestätigt. Sie haben sich überall in Organe des Staates verwandelt. Eine Wiederbelebung der Arbeiterbewegung setzt eine Rebellion gegen diese konservativen, verknöcherten Apparate voraus. Das wollen die Pablisten unter allen Umständen zu verhindern, wenn sie darauf beharren, dass eine "erneute Mobilisierung" mittels dieser bankrotten Organisationen erfolgen müsse.

Auch an den sozialdemokratischen Parteien wollen die Pablisten - trotz der Erfahrungen mit Blair, Schröder und Jospin - weiterhin festhalten. "Obwohl wir uns bewusst sind, dass Organisationen unter sozialdemokratischer Führung die Verteidigung elementarer Forderungen vernachlässigen, geben wir die Möglichkeit noch immer nicht auf, sie in Massenaktionen mit einzubeziehen", heißt es in der Resolution über die "Aufgaben der Vierten Internationale".

Mit großem Bedauern stellt die Resolution den Niedergang der Stalinisten fest: "Die großen ‚überlebenden' Kommunistischen Parteien nähern sich ihrem Ende, ihre Stellungnahme gegen den Neo-Liberalismus hat zu keinem anti-kapitalistischen politischen Projekt und zu keiner demokratischen, pluralistischen Funktionsweise geführt, es ist keine linke, nicht-stalinistische, national strukturierte Tendenz entstanden." Aber auch hier haben die Pablisten die Hoffnung nicht völlig aufgegeben. Als lobenswerte Ausnahme führen sie Rifondazione Comunista an, ein Zerfallsprodukt der Kommunistischen Partei Italiens, dem ihre italienische Sektion seit Jahren angehört. Rifondazione hat in den neunziger Jahren im Parlament die Mitte-Links-Regierung unterstützt, die dem Rechtsbündnis Silvio Belusconis den Weg zurück an die Macht ebnete. Mittlerweile hat sie sich bereit erklärt, bei den nächsten Wahlen im Rahmen von Romano Prodis Olivenbaum-Bündnis zu kandidieren und in einer zukünftigen Mitte-Links-Regierung Ministerposten zu übernehmen.

Die Bauernbewegung

Als weiteren "wichtigen Akteur der anti-kapitalistischen Mobilisierung" führen die Resolutionen des pablistischen Weltkongresses die "Bauernbewegungen" an. Neben Bauernbewegungen in Indien, Brasilien und Bolivien werden auch die mexikanischen Zapatistas und die französische Confédération paysanne von José Bové als Bestandteil einer neuen Masseninternationale genannt.

Erneut werden hier mehr als hundert Jahre Erfahrungen der marxistischen Bewegung, hier mit der Bauernfrage, mit einem Federstrich beiseite gewischt. Die Bauern, insbesondere die ärmsten und unterdrücktesten Schichten auf dem Lande - Landarbeiter und landlose Bauern -, sind wichtige Verbündete der Arbeiterklasse im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft. Auf sich selbst gestellt sind sie jedoch unfähig, eine konsequente antikapitalistische Politik zu entwickeln. Das ergibt sich direkt aus ihrer gesellschaftlichen Stellung als Kleinproduzenten.

"Der Bauer geht entweder mit dem Arbeiter oder mit dem Bourgeois", schrieb Trotzki in seinem Buch "Die permanente Revolution". (6) Die "ökonomische und politische Unselbständigkeit der Kleinbourgeoisie und ihre tiefgehende innere Differenzierung" bilde "ein unüberwindliches Hindernis" für die Schaffung einer selbständigen revolutionären Bauernpartei. Daher sei ein revolutionäres Bündnis von Arbeitern und Bauern nur möglich, wenn das Proletariat die Bauernmassen führt. Die russische Revolution von 1917 hat diese Auffassung bestätigt. Auf dem Höhepunkt der Revolution stand die größte Bauernpartei, die Sozialrevolutionäre, fest im Lager der bürgerlichen Reaktion, während sich die Masse der armen Bauern hinter das Proletariat und die Bolschewiki stellte. Weitere Erfahrungen bestätigten Trotzkis Einschätzung immer wieder - in China, Indien, Lateinamerika und zahlreichen anderen Regionen der Welt. Nirgends war die Bauernschaft in der Lage, eine selbständige revolutionäre Politik zu verfolgen.

Die von den Pablisten angeführten mexikanischen Zapatistas haben dies erneut bewiesen. Sie machten erstmals 1994 von sich reden, als sie sich im bettelarmen Bundesstaat Chiapas bewaffnete Auseinandersetzungen mit der mexikanischen Armee lieferten. Geführt vom ehemaligen Dozenten Sebastian Guillen, alias Subcomandante Marcos, war es den Zapatistas gelungen, Teile der verzweifelten indianischen Bauernbevölkerung für einen Guerillakrieg zu gewinnen. Sieben Jahre später marschierte Subcomandante Marcos in Mexiko City ein, wo er vom Präsidenten und ehemaligen Coca-Cola-Vorstand Vincente Fox willkommen geheißen und mit einer Autonomieregelung für die Ureinwohner abgespeist wurde. An den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen Mexikos, seiner Abhängigkeit vom US-Imperialismus und der bitteren Armut der mexikanischen Arbeiter und Bauern, einschließlich der indianischen Urbevölkerung, ändert dies nicht das geringste. Trotzdem wurde Subkommandante Marcos von der kleinbürgerlichen Linken in Europa und den USA begeistert als neuer Hoffnungsträger gefeiert.

Der französische Bauenführer José Bové gibt - politisch gesehen - eine noch erbärmlichere Figur ab, als Subcomandante Marcos. Der zum Bauern und Roquefort-Produzenten mutierte Student und Ex-Radikale erregte 1999 nationales Aufsehen, als er ein McDonald's-Restaurant demolierte, um gegen amerikanisches "junk food" zu protestieren. Seither gilt er als Berühmtheit und willkommener Gesprächspartner von Politikern - von Mitterrand über Jospin bis zu Chirac und dem rechten Gaullisten Charles Pasqua, mit dem er kurz nach der McDonald's-Affäre öffentlich debattierte. Bové greift die Sorgen französischer Bauern in einer Weise auf, die sich leicht mit der Verteidigung französischer Handelsinteressen, insbesondere gegen die USA verbinden lässt. Mit einer sozialistischen Perspektive hat das alles herzlich wenig zu tun.

Den "Neo-Liberalismus" besiegen

Auch programmatisch haben sich die Pablisten weitgehend den kleinbürgerlichen Tendenzen angepasst, die sie in einer neuen "Masseninternationale" versammeln wollen. In den Dokumenten des 15. Weltkongresses wird der Kampf gegen den "Neo-Liberalismus" durchgehend als zentrale strategische Aufgabe bezeichnet. So heißt es in der Resolution über die "Aufgaben der Vierten Internationale": "Der Kampf, den ‚Neo-Liberalismus' zu besiegen, bildet den Kern unseres politischen Bemühens." An anderer Stelle ist von der "strategischen Aufgabe den ‚sozialen Neo-Liberalismus' zu besiegen" die Rede.

Auf diese Weise wird der Kampf gegen eine bestimmte Form kapitalistischer Wirtschaftspolitik zur zentralen strategischen Achse erhoben und die Möglichkeit offen gelassen, andere Formen kapitalistischer Wirtschaftspolitik zu unterstützen - wie dies zahlreiche, von den Pablisten für ihre "Masseninternationale" ausersehene Kandidaten auch tatsächlich tun.

Die Pablisten untersuchen nicht, welche objektiven Ursachen dazu geführt haben, dass heute in jedem Winkel der Welt eine neo-liberale Wirtschaftspolitik vorherrscht. Der Übergang von der keynesianischen, auf sozialen Ausgleich bedachten Wirtschaftspolitik der Nachkriegszeit zu einem monetaristischen, neo-liberalen Kurs vollzog sich Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre. Er ist eng mit den Namen Paul Volckers, der 1979 von Jimmy Carter zum amerikanischen Notenbankpräsidenten ernannt wurde, Margaret Thatchers, die im selben Jahr in Großbritannien die Regierung übernahm, und Ronald Reagans verbunden, der 1981 amerikanischer Präsident wurde. Volcker, Thatcher und Reagan sowie die bürgerliche Elite, die sie auf ihren Schild hob und unterstützte, reagierten damit auf eine tiefe Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft.

Diese Krise hatte bereits Ende der sechziger Jahre eingesetzt. Sie äußerte sich in fallenden Profitraten, wachsender Staatsverschuldung und steigender Inflation. Sie löste militante Kämpfe der Arbeiterklasse aus, die sich mit den Protesten der Studenten und der Bewegung gegen den Vietnam-Krieg vermischten und in vielen Ländern rechte Regierungen zu Fall brachten. Die Bourgeoisie reagierte anfangs mit sozialen Zugeständnissen, die die ökonomische Krise weiter verschärften. Ende der siebziger Jahre ging sie zur Gegenoffensive über. Um die Ansprüche der Arbeiterklasse zu dämpfen, organisierte Volcker mittels einer massiven Anhebung der Zinssätze gezielt eine Rezession. Thatcher und Reagan deregulierten die internationalen Finanzmärkte, um dem Kapital Zugang zu billigen Arbeitskräften und neuen Märkten zu verschaffen und so die Profitarten wieder anzuheben.

Die reformistischen Organisationen hatten dem nichts entgegenzusetzen. Der Versuch François Mitterrands, nach seiner Wahl zum französischen Präsidenten 1981 eine Reihe von Sozialreformen zu verwirklichen, fand angesichts der Reaktion der internationalen Finanzmärkte ein rasches Ende. Die Gewerkschaften organisierten eine Niederlage nach der anderen, indem sie militante Streiks entweder offen verrieten oder isolierten. So gelang es Reagan 1981 die Fluglotsengewerkschaft PATCO zu zerschlagen, weil sie vom Gewerkschaftsdachverband AFL/CIO im Stich gelassen wurde. Der größte Streik in Europa, der einjährige britische Bergarbeiterstreik von 1984-85, endete ebenfalls mit einer Niederlage, weil die anderen Gewerkschaften und die Labour Party eine offene Konfrontation mit Thatcher ablehnten. Streikführer Arthur Scargill wiederum, ein ehemaliger Stalinist, vermied jede politische Herausforderung der Gewerkschafts- und Labour-Bürokratie.

Die Geschichte der letzten zwanzig Jahren ist mit den politischen Leichen von Organisationen und Politikern gepflastert, die der Arbeiterklasse versprachen, den Neo-Liberalismus durch einen humaneren Kapitalismus zu ersetzen, und dabei kläglich versagten. Lionel Jospin zählt ebenso dazu wie Oskar Lafontaine, der Architekt der rot-grünen Koalition in Deutschland, die italienischen Postkommunisten ebenso wie die deutsche PDS. Jüngstes Beispiel ist die Regierung der brasilianischen Arbeiterpartei (PT), in der die Pablisten selbst einen Minister stellen.

Immer wieder ist deutlich geworden, dass es unmöglich ist, der Offensive gegen die Arbeiterklasse Einhat zu gebieten, ohne die Grundlagen des kapitalistischen Systems selbst anzugreifen. Die Behauptung, es gebe auf den "Neo-Liberalismus" eine andere Antwort als eine sozialistische, dient dazu, Illusionen zu schüren, den Widerstand der Arbeiterklasse in eine Sackgasse zu lenken und sie mit den bürgerlichen Institutionen zu versöhnen. Die Enttäuschung, die unvermeidlich auf solche Versuche folgt, kann dann nicht selten von rechten Organisationen ausgenutzt werden.

Gegen Avantgardismus und Sektierertum

Während die Pablisten Opportunisten und kleinbürgerliche Scharlatane in ihrer "Masseninternationale" mit offenen Armen willkommen heißen, erklären sie dem "Avantgardismus" und "Sektierertum" den unversöhnlichen Kampf. Sie wettern hysterisch gegen "Dogmatismus", "unfehlbare Führer" und "revolutionäre Antworten", ohne jemals den Namen der Organisationen zu nennen, die sie damit meinen. Das Thema zieht sich wie in roter Faden durch die Dutzende Seiten Resolutionen und Beschlüsse, die der 15. Weltkongress produziert hat.

Die Resolution über die "Aufgaben der Vierten Internationale" wendet sich gegen "die Vorstellung einer aufgeklärten, arroganten Vorhut, die von der Bewegung schmarotzt oder sie knechtet". Sie warnt vor "sektiererischen, radikalen Strömungen, die sich junge Leute schnappen, die nach starken, revolutionären Antworten und militanter Beteiligung suchen". Ähnliche Formulierungen finden sich dutzendfach.

Marxisten verstehen unter Sektierertum passive Enthaltsamkeit, das Festhalten an abstrakten Formeln bei gleichzeitigem Unverständnis der tatsächlichen Entwicklung des Klassenkampfs. Letztlich ist das Sektierertum nur die Kehrseite des Opportunismus. Während der Opportunist auf theoretische Grundsätze und Prinzipien verzichtet und mit den gerade vorherrschenden politischen Strömungen schwimmt, verzichtet der Sektierer im Namen abstrakter Prinzipien darauf, sich in den politischen Kampf einzumischen. Deshalb kann es schon einmal vorkommen, dass der Sektierer, der seine Prinzipien nicht nass machen will, am trockenen Ufer sitzt und dem Fluss des Klassenkampfs moralische Vorträge hält, in einem Anflug von Verzweiflung in die Fluten springt und zusammen mit dem Opportunisten ertrinkt - wie Trotzki dies in einem Artikel über das Sektierertum plastisch beschrieben hat. (7)

Die Pablisten verstehen unter Sektierertum etwas anderes: Das Eintreten für Prinzipien und programmatische Klarheit, die Weigerung, sich der spontanen Bewegung unterzuordnen, Unversöhnlichkeit gegenüber dem Opportunismus - kurz alles, was eine revolutionäre Organisation ausmacht.

"Eine Organisation, die sich auf den revolutionären Marxismus beruft, steht jetzt vor einer sehr einfachen Wahl", schreibt Vercammen. "Sie kann sich nach außen öffnen und der inneren Dialektik (mit ihrem unvermeidlichen Anteil an Heterodoxie, Zweifel und Zersplitterung) freien Lauf lassen, oder sie kann die Debatte durch eine Dogmatisierung der Analysen und Theorie zermalmen, eine korrekte politische Linie aufzwingen, die aktivistische Disziplin verstärken und eine unfehlbare Führung herausbilden."

Das Mitglied des pablistischen Exekutivbüros wirft hier alles durcheinander. Es bleibt sein Geheimnis, wie das Eintreten für eine korrekte politische Linie eine Debatte zermalmen kann. Wer auch nur die geringste Erfahrung mit den bürokratischen Apparaten der Sozialdemokratie, des Stalinismus und der Gewerkschaften hat, weiß, dass dort die tiefe Abscheu gegen jede Art von Prinzipien mit der systematischen Unterdrückung jeder demokratischen Debatte einhergeht. Die Kongresse dieser Organisationen werden unvermeidlich von bürokratischen Manövern, Schachzügen hinter den Kulissen und Einschüchterungsversuchen geprägt, weil die Bürokratie weder über eine Analyse noch über eine Perspektive verfügt, der Wirklichkeit nicht ins Gesicht zu blicken wagt und ihre wahren politischen Ziele nicht beim Namen nennen kann.

Eine "unfehlbare Führung" wird eine marxistische Organisation sicher nie hervorbringen. Aber die politische Autorität ihrer Führung ist ihr wichtigstes Kapital. Diese wächst in dem Maße, wie sich die Führung als fähig erweist, politische Entwicklungen richtig einzuschätzen und ihre Folgen vorauszusehen; wie sie sich weigert - um noch einmal Trotzki zu zitieren - "‚leichte' und ‚angenehme' Entscheidungen zu treffen, die von den heutigen Sorgen befreien, aber für morgen eine Katastrophe vorbereiten". (8) Vercammens Spott über eine "unfehlbare Führung" ist ein zynischer Versuch, das Bemühen um politische Klarheit auf eine Stufe mit den Methoden des Stalinismus zu setzen, der seine "Unfehlbarkeit" nicht mit Argumenten, sondern mittels der Folterkammern des KGB bewies.

Eines geht aus den Resolutionen der pablistischen Internationale jedenfalls klar hervor: Während sie Offenheit und Toleranz gegenüber allen möglichen opportunistischen Strömungen predigt, kennt sie gegenüber marxistischen Revolutionären keine derartige Toleranz. Man sollte dies nicht nur als leere Drohung auffassen. Es ist eine historische Tatsache, dass die Volksfront der dreißiger Jahre mit den Moskauer Prozessen und der Verfolgung marxistischer Revolutionäre rund um den Globus einherging. Während die Stalinisten und schließlich auch die Anarchisten und die POUM in Spanien Verantwortung für den bürgerlichen Staat übernahmen, rechnete die stalinistische Geheimpolizei im Hintergrund mit allen ab, die durch übermäßige Forderungen oder kühne Taten das Einvernehmen mit der Bourgeoisie gefährdeten - einschließlich der Mitglieder der Anarchisten und der POUM.

Der 15. Weltkongress der Pablisten fand vor dem Hintergrund einer weit fortgeschrittenen Krise des Weltkapitalismus statt. Der Irakkrieg ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die tiefe Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft, auf die die herrschende Elite keine Antwort weiß. In Europa antwortet die Bourgeoisie auf das aggressive Vorgehen der Bush-Regierung, indem sie ihrerseits aufrüstet, die Angriffe auf die Arbeiterklasse verschärft und so die gesellschaftliche Krise vertieft. Früher hatte sie sich in solchen Krisen stets auf die reformistischen Arbeiterorganisationen verlassen können, doch diese sind mittlerweile selbst weitgehend diskreditiert. Unter diesen Umständen stellt die pablistische Initiative für den Aufbau einer zentristischen "Masseninternationale" den Versuch dar, ein neues Auffangbecken zu schaffen, das die wachsende Opposition der Arbeiterklasse und der Jugend politisch neutralisiert. Offen für jede Form von Opportunismus erklärt sie gleichzeitig dem "Sektierertum" - d.h. dem revolutionären Marxismus - den unversöhnlichen Krieg!

Die Pablisten sind bereit, bei der Verteidigung der bürgerlichen Herrschaft sehr weit zu gehen. Der 15. Weltkongress brachte auch in dieser Hinsicht eine Neuerung. Er wurde mit Glückwünschen an Miguel Rossetto eröffnet, ein Mitglied der offiziellen brasilianischen Sektion, das im Rang eines Ministers Verantwortung für die Politik der Regierung Lula trägt. Diese Regierung hat das Land - zur großen Erleichterung der einheimischen Bourgeoisie und des Internationalen Währungsfonds - vorerst vor der Gefahr revolutionärer Erschütterungen bewahrt. Wir werden darauf in einem späteren Teil dieser Serie eingehen.

Teil 4 - Die Wurzeln des Pablismus, ein historischer Rückblick

Vergleicht man die Resolutionen des 15. Weltkongresses der pablistischen Internationale mit den opportunistischen Revisionen, die Michel Pablo vor mehr als fünfzig Jahren ins Programm der Vierten Internationale einführte, fällt die Ähnlichkeit sofort ins Auge. Es ist verblüffend, wie wenig sich seither geändert hat.

Pablo, der damalige Sekretär der Vierten Internationale, und seine Anhänger passten sich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg an den politischen Druck an, den die Stabilisierung des Kapitalismus und die scheinbare Stärke des Stalinismus auf die trotzkistische Bewegung ausübten. Hatten nach dem Ersten Weltkrieg heftige Klassenkämpfe Europa viele Jahre lang erschüttert, so gelang es nach dem Zweiten in relativ kurzer Zeit, die Lage zu beruhigen und die bürgerliche Herrschaft wieder zu festigen.

Neben dem Eingreifen der USA war dafür vor allem das Verhalten der von Moskau abhängigen Kommunistischen Parteien verantwortlich, die ihre gesamte Autorität einsetzten, um jede revolutionäre Regung im Keim zu ersticken. In Italien und Frankreich, wo sie über Masseneinfluss verfügten, sorgten sie für die Entwaffnung des antifaschistischen Widerstands und traten vorübergehend in bürgerliche Regierungen ein. Sie erfüllten damit die in Jalta und Potsdam zwischen Stalin und seinen westlichen Alliierten getroffenen Vereinbarungen, wonach Westeuropa unter kapitalistischer Kontrolle bleiben sollte, während der Sowjetunion die Vorherrschaft über einen Gürtel von Pufferstaaten in Osteuropa zugestanden wurde.

Die Kreml-Bürokratie hatte kein Interesse an einer revolutionären Entwicklung im Westen oder in den Pufferstaaten. Eine solche hätte unweigerlich ihre eigene despotische Herrschaft in der Sowjetunion erschüttert. Deshalb sicherte sie sich in den Pufferstaaten zwar einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Regierungen, verzichtete aber auf einschneidende Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse und holte sogar diskreditierte bürgerliche Parteien und Politiker an die Macht zurück, um die Massen unter Kontrolle zu halten.

Das änderte sich mit dem Beginn des Kalten Krieges in den Jahren 1947 und 1948. Unter dem wachsenden Druck der Arbeiterklasse auf der einen und der zunehmend feindlichen Haltung des Westens auf der anderen Seite zog die stalinistische Bürokratie die Zügel straffer an. Sie entledigte sich ihrer bürgerlichen Partner und ging im Interesse des eigenen Selbsterhalts zu weitgehenden Verstaatlichungsmaßnahmen über. Gleichzeitig verschärfte sie die Unterdrückung der Arbeiterklasse - wie die blutige Niederschlagung der Arbeiteraufstände in der DDR, Ungarn und Polen im Laufe der fünfziger Jahre zeigen sollte.

Diese Ereignisse hinderten Pablo nicht daran, die Verstaatlichungsmaßnahmen in Osteuropa als Beweis dafür zu interpretieren, dass der Stalinismus unter dem Druck objektiver Ereignisse eine revolutionäre Rolle spielen werde. Er war überzeugt, dass ein Dritter Weltkrieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion unvermeidlich sei, und vertrat die Ansicht, dieser werde die Form eines weltweiten Bürgerkriegs annehmen, in dessen Verlauf die stalinistische Bürokratie gezwungen sein werde, die soziale Revolution herbeizuführen.

Am prägnantesten fasste Pablo seine Sicht der Weltlage 1951 in einem Dokument mit dem Titel "Wohin gehen wir" zusammen. "Die gesellschaftliche Wirklichkeit besteht für unsere Bewegung im wesentlichen aus der kapitalistischen Herrschaft und der stalinistischen Welt," schrieb er. "Ob es uns gefällt oder nicht, bilden diese beiden Elemente darüber hinaus im großen und ganzen die gesellschaftliche Realität, denn die überwältigende Mehrheit der antikapitalistischen Kräfte befindet sich zur Zeit unter der Führung oder dem Einfluss der sowjetischen Bürokratie." (1)

Wie ein führendes Mitglied der französischen Sektion damals zu Recht feststellte, ließ dieses Schema keinen Raum für eine unabhängige Rolle der Arbeiterklasse. "Wir dachten, die gesellschaftliche Wirklichkeit bestehe im grundlegenden Widerspruch zwischen den beiden Hauptklassen: dem Proletariat und der Bourgeoisie," kommentierte Marcel Bleibtreu. "Offenbar ein Fehler, denn von jetzt an wird die kapitalistische Herrschaft, die eben diese beiden Klassen umfasst, zu einer Gesamtheit, die der... stalinistischen Welt gegenübersteht." (2)

Pablo ignorierte einfach den Klassenkampf, der sowohl im kapitalistischen wie im stalinistischen Lager tobte. Sein Schema war ein Abklatsch der Block-Theorie, wie sie von den Stalinisten selbst vertreten wurde und die Grundlage der 1947 ins Leben gerufenen Kominform bildete. Danach war es die Pflicht eines jeden Sozialisten, sich im Kampf zwischen dem imperialistischen und dem antiimperialistischen Lager auf die Seite der Kreml-Bürokratie zu stellen. Jede Kritik am Stalinismus galt als gleichbedeutend mit Unterstützung für den Imperialismus.

Pablos neue Anschauungen beschränkten sich nicht auf eine Anpassung an den Stalinismus. Sie ließen für eine eigenständige politische Rolle der Vierten Internationale keinen Platz und liefen auf deren Liquidation hinaus. "Pablo hatte das Vertrauen verloren, dass die Arbeiterklasse über revolutionäre Kampfkraft verfügt und die Vierte Internationale fähig ist, die mächtigen sozialdemokratischen und stalinistischen Bürokratien in der internationalen Arbeiterbewegung zu zerstören oder in den zurückgebliebenen Ländern den Einfluss der bürgerlichen Nationalisten zu überwinden", heißt es in einer detaillierten Untersuchung über die Wurzeln des Pablismus von David North. (3) Als Folge ordnete Pablo "alle Fragen von Programm, Perspektive und Prinzipien einem ungezügelten taktischen Opportunismus unter. Die praktische Tätigkeit der trotzkistischen Bewegung sollte sich nicht länger auf die Erziehung des Proletariats konzentrieren, um ihm seine historischen Aufgaben bewusst zu machen und seine bedingungslose programmatische und organisatorische Unabhängigkeit von allen anderen Klassenkräften herzustellen. [...] Statt dessen sollte sie sich nach taktischen Zweckmäßigkeiten richten. Prinzipielle Positionen, das Ergebnis jahrzehntelanger Kämpfe, sollten dabei der vergeblichen Hoffnung geopfert werden, die Führer der stalinistischen, sozialdemokratischen und bürgerlich-nationalistischen Organisationen zu beeinflussen und nach links zu drücken."

Pablo bezeichnete dies als "Integration in die wirkliche Bewegung der Massen". In einer Rede vor dem Dritten Weltkongress der Vierten Internationale im Hebst 1951 rief er dazu auf, "alle organisatorischen Erwägungen betreffs der formalen Eigenständigkeit oder sonst etwas der wirklichen Integration in die Massenbewegung, wie sie sich in jedem Land ausdrückt, unterzuordnen". Er verlangte dabei ausdrücklich den Verzicht auf jedes eigenständige Programm: "Was uns noch mehr von der Vergangenheit unterscheidet und was die Qualität unserer Bewegung heute und die sicherste Grundlage für unsere zukünftigen Siege darstellt, ist unsere wachsende Fähigkeit, die Massenbewegung so zu verstehen, so zu nehmen, wie sie ist - häufig verwirrt, häufig unter verräterischer, opportunistischer, zentristischer, bürokratischer und sogar bürgerlicher und kleinbürgerlicher Führung - und unsere Bestrebungen, unseren Platz in dieser Bewegung einzunehmen, um sie von ihrer jetzigen auf höhere Ebenen zu heben." (4)

Es scheint, als hätte François Vercammen diese Passage vor Augen gehabt, als er mehr als fünfzig Jahre später schrieb: "In einer solchen Formation praktizieren revolutionäre Marxisten keinen ‚Entrismus' mit dem geheimen oder eingestandenen Ziel, so schnell wie möglich zu einer mit einem revolutionären Programm bewaffneten ‚revolutionären Vorhutpartei' überzugehen. Sie sind die Mit-Initiatoren, Mit-Organisatoren, Mit-Führer dieser breiten Partei. Sie wollen die Erfahrungen des gegenwärtigen Kampfs teilen und gemeinsam auf eine antikapitalistische Massenpartei zugehen, die fähig ist, für den Sozialismus zu kämpfen." (5)

Wie David North in seiner Abrechnung mit dem Pablismus zeigt, verwirft diese Herangehensweise eine zentrale Lehre aus dem Klassenkampf während eines ganzen Jahrhunderts: Sie leugnet die Bedeutung des bewussten Faktors im Kampf des Proletariats um die politische Macht.

Die pablistische Herangehensweise basiert auf einer theoretischen Methode, die der marxistischen diametral entgegengesetzt ist. North charakterisiert sie folgendermaßen: "Der Standpunkt des Objektivismus besteht darin, zu betrachten anstatt praktisch revolutionär zu handeln, zu beobachten anstatt zu kämpfen, zu rechtfertigen was geschieht, anstatt zu erklären, was getan werden muss. Diese Methode lieferte die theoretische Untermauerung für eine Perspektive, in der der Trotzkismus nicht mehr als die Lehre zur Anleitung der praktischen Tätigkeit der Partei gesehen wurde, die entschlossen ist, die Macht zu erobern und den Verlauf der Geschichte zu ändern, sondern als eine allgemeine Interpretation eines historischen Prozesses, in dessen Verlauf der Sozialismus letztlich unter der Führung nicht-proletarischer Kräfte errichtet wird, die der Vierten Internationale feindlich gegenüberstehen. Insofern dem Trotzkismus überhaupt eine direkte Rolle im Gang der Ereignisse zugeschrieben wurde, dann bestand sie lediglich in einer Art unterbewusstem geistigen Prozess, der unbewusst die Aktivitäten der Stalinisten, Neostalinisten, Halbstalinisten und natürlich der kleinbürgerlichen Nationalisten dieser oder jener Prägung anleitete." (6)

Die Gründung des Internationalen Komitees

Pablos theoretische Neuerungen blieben nicht unwidersprochen. Als erstes wandte sich die französische Sektion dagegen.

Die Parti Communiste Internationaliste verfügte nach dem Krieg über erheblichen Einfluss. 1946 zählte sie etwa 1000 Mitglieder und stellte bei den Parlamentswahlen elf Kandidaten auf, die jeweils zwischen zwei und fünf Prozent der Stimmen erhielten. Ihre Zeitung La Vérité wurde an den Kiosken verkauft und fand eine breite Leserschaft. Der Einfluss reichte auch in andere Organisationen hinein. So unterstützte die gesamte Führung der sozialistischen Jugendorganisation, die 20.000 Mitglieder zählte, die Trotzkisten.

Politisch war die PCI jedoch wenig gefestigt. Als die sozialdemokratische SFIO 1947 scharf nach rechts rückte, die Jugendorganisation auflöste und ihre trotzkistischen Führer ausschloss, löste dies in der PCI eine heftige Krise aus. Der rechte Flügel reagierte, in dem er jede revolutionäre Perspektive abschrieb. Yvan Craipeau, der zu dieser Zeit an der Spitze der PCI stand, schrieb 1959 rückblickend: "Es stellte sich heraus, dass die revolutionären Perspektiven der PCI nicht der Wirklichkeit entsprachen... Frankreich ist nicht Russland 1917: Die Volksmassen gehen nicht zum Angriff auf das Regime über; sie betrachten den Streik nicht als Etappe auf dem Weg zur Macht, sondern als Mittel, ihre Forderungen durchzusetzen. Die Politik der kommunistischen und sozialistischen Organisationen wird ihnen nicht willkürlich aufgezwungen; sie wiederspiegelt teilweise auch ihren eigenen Geisteszustand. Einmal mehr scheint es nötig die politische Einschätzung und Orientierung ernsthaft zu revidieren." (7)

Indem er den "Geisteszustand" der Arbeiter für die Politik der Stalinisten und Sozialdemokraten verantwortlich machte, stellte Craipeau die Tatsachen auf den Kopf. In Wirklichkeit rebellierte die französische Arbeiterklasse 1947 gegen die Gängelung durch die Stalinisten, die mit den Sozialisten und den bürgerlichen Radikalen in der Regierung saßen und ihr im Namen der Nation hohe Opfer beim Wiederaufbau der Wirtschaft abverlangten. Eine Streikwelle, ausgehend von der Autoindustrie, entglitt der Kontrolle der stalinistisch dominierten Gewerkschaft CGT und wurde zeitweise von Trotzkisten geführt. Um die Empörung aufzufangen, sahen sich die Stalinisten schließlich gezwungen, ihre Minister aus der Regierung abzuziehen.

In der PCI verlor der rechte Flügel um Craipeau bald die Mehrheit. Er wurde 1948 ausgeschlossen, nachdem er sich für die Auflösung der Partei in einer linken Sammelbewegung, dem vom Philosophen Jean-Paul Sartre gegründeten Rassemblement Démocratique Révolutionnaire (RDR), eingesetzt hatte. Sartres RDR zerbrach nach wenigen Monaten. Viele Vertreter des rechten Flügels schlossen sich später der Parti Socialiste Unifié von Michel Rocard an, die sich in den siebziger Jahren in der Sozialistischen Partei François Mitterrands auflöste.

Der Konflikt mit Craipeau hatte die PCI auf die Auseinandersetzung mit Pablo vorbereitet. Dieser reagierte auf den Widerstand der PCI gegen seinen revisionistischen Kurs, indem er die Mehrheit der Sektion 1952 mit bürokratischen Mitteln ausschloss. Er konnte sich dabei auf eine Minderheit in der Organisation stützten, die von Pierre Frank und Ernest Mandel geleitet wurde. Beide sollten in den folgenden Jahrzehnten zu den wichtigsten Vertretern des französischen und des internationalen Pablismus zählen.

1953 stellten sich schließlich mehrere Sektionen der Vierten Internationale offen gegen Pablo. Die amerikanische Socialist Workers Party unter Führung von James P. Cannon veröffentlichte am 16. November einen Offenen Brief an alle Trotzkisten der Welt, in dem sie ausführlich und scharf gegen Pablo Stellung bezog. Die SWP hatte in Trotzkis letzten Lebensjahren eng mit diesem zusammengearbeitet und besaß in der Internationale große Autorität. Der Offene Brief warf der Fraktion um Pablo vor, sie schaffe "bewusst und zielgerecht darauf hin, die historisch geschaffenen Kader des Trotzkismus in den verschiedenen Ländern aufzulösen, zu spalten und auseinanderzubrechen, um die Vierte Internationale zu zerstören". Er gelangte zum Schluss: "Der Graben zwischen Pablos Revisionismus und dem orthodoxen Trotzkismus ist so tief, dass weder ein politischer noch ein organisatorischer Kompromiss möglich ist." (8)

Der Offene Brief führte zum Zusammenschluss der orthodoxen Trotzkisten im Internationalen Komitee der Vierten Internationale, dem sich neben der von Pablos ausgeschlossenen französischen Mehrheit auch die britische Sektion anschloss.

Die Bilanz des Pablismus

Es ist nicht die Aufgabe dieser Serie, eine Geschichte des Pablismus zu schreiben. Das würde mehrere Bände füllen. Selbst für die bloße Aufzählung aller politischen Katastrophen, die die pablistische Internationale zu verantworten hat oder für die sie zumindest teilweise Mitverantwortung trägt, reicht der vorhandene Platz nicht aus.

Die führenden Pablisten erwiesen sich als unerschöpflich, wenn es darum ging, politische Figuren und Organisationen ausfindig zu machen, die sie zur revolutionären Avantgarde erklären und politisch hofieren konnten. Vor allem Ernest Mandel entwickelte in dieser Hinsicht unübertroffene Fähigkeiten. Die Liste der von ihm zu unterschiedlichen Zeiten gepriesenen politischen Gestalten reicht von Tito über Mao, den polnischen Stalinisten Wladislaw Gomulka, Fidel Castro, die Sandinistas und Wirrköpfe wie den DDR-Dissidenten Rudolf Bahro bis hin zu Michail Gorbatschow, den er in einem seiner letzten Bücher verherrlichte. Gewidmet war dieses Buch Boris Jelzin!

Keine einzige dieser Organisationen und Personen erfüllte jemals die Hoffnungen, die die Pablisten in sie gesetzt hatten. Sie wandten sich unweigerlich nach rechts und hinterließen meist einen politischen Scherbenhaufen. Doch die Pablisten störte das wenig. Unbekümmert wie eine Ente, die aus einem Teich steigt und das Wasser von sich abschüttelt, gingen sie aus den selbstverschuldeten Desastern hervor, um in das nächste einzutauchen. Die Ablehnung jeder Verantwortung für die Folgen des eigenen politischen Handelns ist ein charakteristischer Bestandteil jener objektivistischen Weltsicht, die jedes politische Ereignis auf das Wirken anonymer historischer Kräfte zurückführt.

Für jene, die den politischen Ratschlägen der Pablisten folgten und die Folgen ihrer Politik zu tragen hatten, gestaltete sich die Sache allerdings nicht so einfach. Generationen von Arbeitern und Jugendlichen, die sich durch den Trotzkismus angezogen fühlten, wurden durch den Pablismus in die Irre geführt und demoralisiert. Einige verloren sogar ihr Leben, wie jene Jugendlichen in Lateinamerika, die auf Anraten Mandels die Städte verließen und zum Guerillakampf in den Dschungel zogen, wo sie, isoliert von der Arbeiterklasse, zu einer leichten Beute für die faschistischen Militärs wurden.

Pablo selbst und die führenden französischen Pablisten stellten sich nach der Spaltung von 1953 vorbehaltlos in den Dienst der algerischen Befreiungsfront FLN, für die sie vorwiegend organisatorische Aufgaben erledigten - den Druck illegaler Zeitungen, die Herstellung von Falschgeld und gefälschten Ausweisen und sogar den Aufbau einer Waffenfabrik in Marokko. Nach dem Sieg der FLN über die französische Kolonialmacht trat Pablo in den Dienst der algerischen Regierung. Als Sonderberater von Staatschef Ben Bella war er für die Einführung der Selbstverwaltung nach jugoslawischem Vorbild in den algerischen Betrieben zuständig.

Gleichzeitig koordinierte er im Auftrag der algerischen Regierungen die Beziehungen zu den nationalen Bewegungen auf der ganzen Welt. Er unterhielt enge Kontakte zur MPLA in Angola, zur Frelimo in Mozambique und zu Désiré Kabila im Kongo. Der Panafrikanismus, der mittlerweile seine völlige Unfähigkeit bewiesen hat, die Probleme der kolonialen Unterdrückung und wirtschaftlichen Rückständigkeit zu überwinden, hatte Pablo in seiner Entstehungsphase viel zu verdanken. Gemeinsam mit Che Guevara bemühte er sich um den Aufbau einer neuen, drei Kontinente umfassenden Organisation, die links von der Blockfreienbewegung Titos und Nehrus stehen sollte. Ho Chi Minh zeigte Interesse, ebenso Kim Il-Sung und Gamal Abdel-Nasser. Pablo führte im Namen Ben Bellas die Verhandlungen mit den Botschaftern der entsprechenden Länder. Auch zur sowjetischen Regierung stand er in engem Kontakt.

1965 fanden die pablistischen Aktivitäten in Algerien ein jähes Ende, als das Militär Ben Bella gewaltsam stürzte und Houari Boumedienne die Macht übernahm. Pablo gelang mit einem Pass, den ihm die MPLA besorgt hatte, die Flucht. Einige seiner Freunde wurden dagegen gefoltert. Weil sich die angeblichen Trotzkisten dem bürgerlichen Nationalismus der FLN vorbehaltlos unterworfen hatten, war die algerische Arbeiterklasse politisch völlig unvorbereitet auf deren absehbaren Rechtsruck.

Im selben Jahr kam es zum Bruch zwischen dem Vereinigten Sekretariat und Pablo. Es gab unter anderem Differenzen über den Konflikt zwischen Moskau und Peking, die sich mittlerweile entzweit hatten. Während Pablo seit seinen Tagen in der algerischen Regierung enge Beziehungen zum Kreml unterhielt, unterstützte das Vereinigte Sekretariat Mao Tse-tung. Eine Abrechnung mit den politischen Grundlagen des Pablismus fand aber nicht statt. Auch das Vereinigte Sekretariat glorifizierte weiterhin die bürgerlich-nationalen Bewegungen. Zu seinen neuen Helden gehörte mittlerweile Fidel Castro, den es als "natürlichen Marxisten" glorifizierte.

Bereits ein Jahr zuvor waren die reaktionären Konsequenzen des Pablismus in Sri Lanka, dem damaligen Ceylon, sichtbar geworden. Die dortige Sektion der pablistischen Internationale, die Lanka Sama Samaja Party, war 1964 in eine bürgerliche Koalitionsregierung unter Sirimavo Bandaranaike, der Mutter der heutigen Präsidentin, eingetreten. Sie gab damit den Anstoß für eine Entwicklung, die das Land in einen selbstzerstörerischen Bürgerkrieg stürzen sollte, der bis zum heutigen Tag andauert.

Die LSSP war die dominierende Partei in der srilankischen Arbeiterbewegung. Sie verfügte über Masseneinfluss unter singhalesischen und tamilischen Arbeitern. Sie hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg gegen die ceylonesische Verfassung gestellt, die mit der britischen Kolonialmacht ausgehandelt worden war und die Herrschaft der ceylonesischen Bourgeoisie sicherte, indem sie die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen der Insel gegeneinander ausspielte.

1953 hatte die LSSP den Offenen Brief der SWP nicht unterstützt, obwohl sie selbst Vorbehalte gegen Pablo hatte. Sie hielt ihre Verbindungen zur pablistischen Internationale aufrecht. In den folgenden Jahren machten sich, ermutigt von den Pablisten, in ihrer Führung opportunistische Tendenzen breit, die für direkte politische Bündnisse mit der nationalen Bourgeoisie eintraten. Das gipfelte in den Ereignissen von 1964. Erstmals in der Geschichte trat eine Partei, die sich trotzkistisch nannte, einer bürgerlichen Regierung bei. Das diskreditierte die Vierte Internationale nicht nur in Sri Lanka, sondern auf dem gesamten indischen Subkontinent und in allen Ländern der sogenannten Dritten Welt.

Der Preis, den die LSSP für den Eintritt in die Regierung Bandaranaike bezahlte, bestand in der Kapitulation vor dem singhalesischen Chauvinismus. Als Regierungspartei unterstützte sie Maßnahmen (wie die Bestimmung des Singhalesischen zur Staatssprache), welche die tamilische Minderheit diskreditierten. Das hatte zur Folge, dass die verarmte Bevölkerung und vor allem die Jugend ihr Schicksal nicht mehr mit dem der Arbeiterbewegung verbanden und nach einer neuen Orientierung suchten. Unter den Tamilen gewannen separatistische Gruppen wie die LTTE an Einfluss, die den bewaffneten Kampf für einen selbständigen Tamilenstaat propagierten. In der verarmten Landbevölkerung des Südens fasste die JVP Fuß, die sich anfänglich am Maoismus orientierte, aber sehr schnell extreme Formen des singhalesischen Chauvinismus entwickelte und zeitweilig offen faschistische Züge zeigte.

Der Verrat in Ceylon lieferte den unwiderlegbaren Beweis, dass der Pablismus ins Lager der bürgerlichen Konterrevolution übergegangen war. Er stellt in der Geschichte der pablistischen Internationale eine ähnlich einschneidende Zäsur dar, wie der 4. August 1914, die Zustimmung der deutschen Sozialdemokratie zu den Kriegskrediten, in der Geschichte der Zweiten.

Die Herkunft der LCR

Die französischen Pablisten hatten nach der Spaltung von 1953 ein äußerst kümmerliches Dasein geführt. Sie zählten nur wenige Dutzend Mitglieder, darunter kaum Arbeiter, und waren auch in den Gewerkschaften nicht mehr vertreten. In den sechziger Jahren gelang es ihnen, im Kommunistischen Studentenverband an der literarischen Fakultät der Pariser Sorbonne-Universität eine Gruppe von Unterstützern zu gewinnen. Angeführt wurde die Gruppe von Alain Krivine, der ursprünglich Stalinist gewesen war und 1956 sogar an den Jugendfestspielen in Moskau teilgenommen hatte. Krivine stand der Haltung der Kommunistischen Partei im Algerienkrieg kritisch gegenüber und hatte sich den Pablisten angenähert, denen zwei seiner vier Brüder seit längerem heimlich angehörten. 1965 wurden Krivine und der Kommunistische Studentenverband an der Sorbonne aus der PCF ausgeschlossen. Mehrere Hundert Mitglieder schlossen sich ihnen an und gründeten die LCR. Vielen war Krivines Zusammenarbeit mit den Pablisten allerdings nicht bekannt.

Die Studentenbewegung von 1968 hatte ein schnelles Wachstum der LCR zur Folge, die bald mehrere Tausend Mitglieder zählte. Politisch passte sie sich völlig an die Illusionen der Studenten an und war äußerst aktiv auf den Barrikaden. Die Pablisten verherrlichten den Aktivismus der Stundenten, die sie als neue Avantgarde der Revolution feierten. 1969 schlossen sich die PCI Pierre Franks und die LCR Krivines zur Ligue Communiste zusammen, die sich ab 1973 wieder LCR nennt.

Nachdem sich die LCR 1968 auf den Barrikaden im Quartier Latin mit revolutionären Phrasen überschlagen hatte, die mehr den emotionalen Zustand der damaligen Jugend zum Ausdruck brachten, als ein durchdachtes, politisches Programm, hängte sie sich nach dem Abflauen der Studentenrevolte wieder an die Rockschöße der Stalinisten. Jedes Mal, wenn sich in den Reihen der PCF eine Krise entwickelte, eilte die LCR einer der konkurrierenden Fraktion zu Hilfe, umarmte sie und erklärte sie zur Grundlage einer neuen, "linken" Organisation - nur um hinterher festzustellen, dass sie sich in großem Tempo nach rechts bewegte.

Typisch für diesen Kurs war ihre Unterstützung für den PCF-Dissidenten Pierre Juquin während der Präsidentschaftswahl 1988. Da diese Episode die Politik der LCR sehr gut kennzeichnet, soll sie hier kurz geschildert werden

Juquin griff die PCF im wesentlichen von rechts an. Er stand dem so genannten Eurokommunismus nahe, wie er von der italienischen und der spanischen Kommunistischen Partei propagiert wurden. Diese strebten mehr Unabhängigkeit von Moskau an, um enger mit der herrschenden Klasse im eigenen Land zusammenarbeiten zu können. Die PCF unter Georges Marchais hatte ein ambivalentes Verhältnis zum Eurokommunismus. Sie bekannte sich zwar seit 1976 zu einem "Sozialismus in den Farben Frankreichs" und vertrat ein gemeinsames Programm mit den Sozialisten und den Linksliberalen, fürchtete aber auch, durch die Umarmung der Sozialisten erdrückt zu werden. 1977 beendete Marchais das Bündnis mit den Sozialisten und orientierte sich wieder stärker an Moskau. Das hinderte die KPF allerdings nicht daran, in die neue Regierung einzutreten, als Mitterrand 1981 schließlich die Wahlen gewann.

Drei Jahre später zog sie sich angesichts eines deutlichen wirtschaftspolitischen Rechtsschwenks Mitterrands wieder aus der Regierung zurück. Das rief die sogenannten Rénovateurs (Erneuerer) unter dem einstigen Parteisprecher Pierre Juquin auf den Plan, die den "orthodoxen" Kurs Marchais' kritisierten und für eine weitere Zusammenarbeit mit den Sozialisten eintraten. Juquin wurde schließlich aus der PCF ausgeschlossen und trat 1988 gegen den offiziellen PCF-Kandidaten Lajoinie zur Präsidentenwahl an. Alain Krivine hatte schon den siebziger Jahren enge Beziehungen zum PCF-Historiker Jean Elleinstein aufgebaut, dem Wortführer der französischen Eurokommunisten und Vertrauten Juquins. Nach Juquins Ausschluss stellte die LCR diesem die Seiten ihrer Zeitung zur Verfügung und organisierte seine Wahlkampagne. Sie hoffte, so ein Sammelbecken für unzufrieden Stalinisten, Ex-Radikale und enttäuschte Sozialisten zu schaffen. Der Erfolg blieb aus. Juquin erreichte nur zwei Prozent der Stimmen und verschwand bald von der politischen Bildfläche.

Die Rechtsentwicklung der pablistischen Internationale

Obwohl die Politik der pablistischen Internationale regelmäßig in eine Sackgasse führte oder in einer politischen Katastrophe endete, führte dies nicht automatisch zum Verschwinden des Pablismus als politische Tendenz. Selbst im Internationalen Komitee entwickelten sich Tendenzen, die ähnliche Standpunkte wie die Pablisten vertraten, und die orthodoxen Trotzkisten befanden sich wiederholt in der Minderheit.

So vereinigte sich die amerikanische SWP 1963, zehn Jahre nachdem sie im Offenen Brief jeden politischen und organisatorischen Kompromiss ausgeschlossen hatte, mit den Pablisten zum Vereinigten Sekretariat. Eine Diskussion über die früheren Differenzen fand nicht statt. Als politische Grundlage für die Vereinigung diente die gemeinsame Unterstützung für Fidel Castro.

1971 trennte sich die französische Sektion, die Organisation Communiste Internationaliste, vom Internationalen Komitee. Sie hielt zwar weiterhin auf Distanz zum Vereinigten Sekretariat und seinem französischen Ableger, der LCR, passte sich aber völlig an die Sozialistische Partei und die rechte Gewerkschaft Force Ouvrière an. Gleichzeitig knüpfte sie ihre eigenen opportunistischen Beziehungen zur nationalen Bourgeoisie in den ehemaligen Kolonien.

Im Laufe der siebziger Jahre übernahm schließlich die britische Sektion des Internationalen Komitees, die Workers Revolutionary Party, immer offener pablistische Standpunkte - in ihrer Haltung gegenüber den nationalen Befreiungsbewegungen, der britischen Gewerkschafts- und Labourbürokratie und schließlich auch der stalinistischen Bürokratie in Moskau. Das führte zu einer tiefen inneren Krise, an der die Partei 1985 zerbrach.

Das Internationale Komitee setzt sich heute aus den Kräften zusammen, die in den USA, Sri Lanka und Großbritannien gegen die Kapitulation vor dem Pablismus gekämpft hatten, sowie aus neuen Sektionen, die sich diesem politischen Kampf anschlossen. Vor allem der Kampf gegen die Degeneration der britischen WRP und der Bruch mit ihr im Winter 1985-86 stellte einen Meilenstein in seiner Entwicklung dar. Die Auseinandersetzung mit allen Aspekten der Degeneration der WRP führte zu einer Renaissance des authentischen Marxismus, die sich heute in der hohen politischen Qualität der World Socialist Web Site wiederspiegelt. Sie hat die politische und theoretische Grundlage für eine Wiederbelebung der internationalen marxistischen Arbeiterbewegung gelegt.

Die Ursache für das lange Beharrungsvermögen des Pablismus und sein zeitweiliges Übergewicht über den orthodoxen Marxismus liegt in den politischen und sozialen Beziehungen der Nachkriegszeit. Der Pablismus lebte von der Vorherrschaft des Stalinismus und der Sozialdemokratie über die Arbeiterbewegung und von der Vorherrschaft des kleinbürgerlichen Nationalismus über die unterdrückten Massen in den ehemaligen Kolonien. Er entwickelte die politischen und theoretischen Formeln, die diese Vorherrschaft rechtfertigten und von links abdeckten, und fand gleichzeitig in dem sozialen Milieu, das vom Klassenkompromiss in besonderem Maße profitierte - der Gewerkschaftsbürokratie und teilen der kleinbürgerlichen Intelligenz - ein fruchtbares Rekrutierungsfeld.

Betrachtet man den Pablismus als objektives soziales und politisches Phänomen, so ist er untrennbar mit der Existenz der Sowjetunion unter der Herrschaft der stalinistischen Bürokratie verbunden. Das bloße Vorhandensein der Sowjetunion hatte die westliche Bourgeoisie gezwungen, den Klassenkampf mittels sozialer Zugeständnisse an die Arbeiterklasse zu dämpfen und damit ein breites Betätigungsfeld für die reformistischen Parteien und Gewerkschaften zu schaffen. Der Kalte Krieg hatte die nationalen Bewegungen in die Lage versetzt, die Konfrontation zwischen den Blöcken im eigenen Interesse ausnutzen und ein gewisses Maß an Unabhängigkeit an den Tag zu legen. Gleichzeitig blieb der Stalinismus im Weltmaßstab das wichtigste Werkzeug der Konterrevolution und erstickte jede unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 stürzte den Pablismus in eine schwere Krise. Er bestätigte den - von den Pablisten stets bestrittenen - konterrevolutionären Charakter der stalinistischen Bürokratie, die selbst die Initiative zur Auflösung der Sowjetunion ergriffen hatte. Und er entzog dem Sozialreformismus und dem kleinbürgerlichen Nationalismus den Boden, was einen allgemeinen Niedergang und eine Rechtswende dieser Organisationen auslöste.

Das Vereinigte Sekretariat zerfiel. Viele Sektionen brachen auseinander oder lösten sich in den Trümmern der stalinistischen Parteien auf. Andere gingen geschlossen in stalinistische Nachfolgeorganisation hinein und unterhielten nur noch lose Beziehungen zum Vereinigten Sekretariat. In dem bereits zitierten Bericht über den 15. Weltkongress wird diese Krise nachdrücklich beschrieben: "Keine revolutionäre Organisation ging unversehrt aus dieser neoliberalen, konterrevolutionären Periode hervor. Alle mussten sich mit Niederlagen auseinandersetzen. Alle mussten sich anpassen," heißt es darin. An einer anderen Stelle ist sogar vom "Abstieg in die Hölle" in der Zeit von 1985 bis 1995 die Rede.

Die pablistische Internationale ist aus diesem Fegefeuer als linker Flügel der bürgerlichen Politik wieder auferstanden, geläutert von jeglichem marxistischen Ballast. Sie hat einen deutlichen Ruck nach rechts vollzogen. Sie spielt nicht mehr die Rolle des linken Feigenblatts für die reformistischen Stützen der bürgerlichen Herrschaft, sondern ist selbst zu einer solchen Stütze geworden. Was 1964 in Sri Lanka den Gipfel des pablistischen Verrats darstellte und das Vereinigte Sekretariat schließlich zu einer halbherzigen Distanzierung zwang, ist zur Norm geworden - der Eintritt in bürgerliche Regierungen.

Livio Maitan - Veteran des Pablismus und langjähriges Führungsmitglied von Rifondazione Comunista in Italien - eröffnete den 15. Kongress mit Glückwünschen an einen bürgerlichen Minister aus den eigenen Reihen- ein Novum selbst für die Pablisten. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, auf die Ereignisse von 1964 hinzuweisen, die er zynisch als "Schwanken in Sri Lanka" bezeichnete.

"Im Prinzip haben wir nie am parlamentarischen Kretinismus, jener fatalen Krankheit der Arbeiterbewegung gelitten", sagte Maitan, "selbst wenn wir zu verschiedenen Zeiten etwas geschwankt haben, von Sri Lanka bis zu Ländern auf anderen Kontinenten. Daher scheuen wir uns nicht, die Tatsache zu betonen, dass wir im vergangenen Jahrzehnt gewählte parlamentarische Vertreter in einer Reihe von Ländern hatten, von Brasilien bis zu den Philippinen, von Dänemark bis Portugal und dem europäischen Parlament. In Brasilien ist ein Genosse wie Miguel Rossetto, dessen Qualitäten und militanter Geist bekannt sind, heute Mitglied der Regierung, die aus dem außergewöhnlichen Erfolg des Volkes hervorgegangen ist, den die Wahl Lulas darstellt. Miguel hat mit der Aufgabe der Verwirklichung einer radikalen Agrarreform, die in der Lage ist, eine allgemeinere Dynamik des Bruchs mit dem System herbeizuführen, eine entscheidende Verantwortung übernommen. Wir werden seinen Kampf unterstützen und verfolgen und wünschen ihm unsere wärmste Solidarität."

Wir werden im nächsten Teil sehen, wie diese "allgemeinere Dynamik des Bruchs mit dem System" in der brasilianischen Praxis aussieht.

Teil 5 - Die Pablisten und die Regierung Lula

Die Rolle, welche die brasilianische Schwesterorganisation der LCR beim Zustandekommen der Regierung von Luiz Inácio "Lula" da Silva gespielt hat und bei ihrer Verteidigung weiterhin spielt, ist ein Lehrstück über die Konsequenzen pablistischer Politik. Democracia Socialista, wie sich die brasilianische Sektion des Vereinigten Sekretariats nennt, arbeitet als Tendenz innerhalb der Arbeiterpartei (PT), die das 175-Millionen-Land in einer Koalition mit bürgerlichen Parteien regiert, seit Lula im Oktober 2002 die Präsidentenwahl gewann.

Die brasilianischen Pablisten hatten sich der PT bereits 1980, zum Zeitpunkt ihrer Gründung angeschlossen. Das Vereinigte Sekretariat betonte damals ausdrücklich, dass es sich dabei nicht um eine Form des Entrismus handle. Es sei die Aufgabe seiner brasilianischen Mitglieder, "sich uneingeschränkt der PT anzuschließen, um sie aufzubauen und nicht um Entrismus zu betreiben, wie in einer reformistischen Partei, um im Feuer der Praxis an der Ausarbeitung ihres Programms mitzuarbeiten und nicht, um sie gewaltsam zu zwingen, ein vorfabriziertes Programm hinunterzuschlucken", schrieb das französischsprachige Organ des Vereinigten Sekretariats im Dezember 1980. (1)

Unter Entrismus verstehen Marxisten die Arbeit innerhalb einer anderen Organisation, ohne dass sie deshalb ihr eigenes Programm oder ihre Organisationsstruktur aufgeben. So hatte Trotzki 1934 seinen Gesinnungsgenossen in Frankreich vorgeschlagen, in die SFIO, die französische Sektion der Zweiten Internationale einzutreten, in der sich ein linker Flügel herausbildete. Er hegte keinerlei Illusionen über den politischen Charakter der Sozialdemokratie, sondern es ging ihm darum, den politischen Gärungsprozess innerhalb der Partei zu beeinflussen und zur Stärkung der eigenen Kräfte zu nutzen. Als sich die Führung der Partei ein Jahr später scharf nach rechts wandte und gegen den linken Flügel vorging, zögerte er nicht, der Sozialdemokratie wieder den Rücken zu kehren.

Die PT war in der Folge massiver Arbeitskämpfe entstanden, die Ende der siebziger Jahre Brasilien erschütterten, nachdem die Arbeiterklasse aufgrund ausländischer Investitionen unter der 1964 errichteten Militärdiktatur stark angewachsen war. Ihr charismatischer Führer Lula hatte an der Spitze des Gewerkschaftsbundes CUT gestanden. Die politische Orientierung der PT war eindeutig reformistisch. Ihr Ziel war nicht der Sturz des brasilianischen Kapitalismus, was angesichts seiner engen Verflechtung mit der Weltwirtschaft eine internationale sozialistische Perspektive erfordert hätte, sondern die Lockerung seiner Abhängigkeit vom US-Imperialismus, verbunden mit Reformmaßnahmen im nationalen Rahmen. Diese Perspektive musste zwangsläufig mit der zunehmenden Globalisierung der Weltwirtschaft in Konflikt geraten.

Angesichts der Entstehungsgeschichte der PT sprach vieles dafür, in ihren Reihen eine entristische Arbeit zu entwickeln. Die Aufgabe von Marxisten hätte darin bestanden, die revolutionären Elemente zu sammeln und all jenen den politischen Kampf anzusagen, die die PT benutzen wollten, um die Arbeiterklasse mit den bürgerlichen Institutionen zu versöhnen - was dann tatsächlich ihre Rolle sein sollte. Das Vereinigte Sekretariat dagegen erklärte in typisch pablistischer Manier, der Ursprung der PT selbst biete die Garantie dafür, dass sie sich in eine revolutionäre Richtung entwickeln werde. Die PT sei der "direkte Ausdruck der Mobilisierung für eine unabhängige Klassenorganisation", schrieb es, und behauptete: "Unabhängig davon, was die anfängliche Orientierung einer derartigen Arbeitermassenpartei ist, schafft schon ihre bloße Existenz eine Dynamik, die sich schwer auf eine Klassenkollaboration beschränken lässt." (2)

In den folgenden beiden Jahrzehnten arbeiteten die Pablisten als loyale Mitglieder der PT und stiegen nicht nur innerhalb der Partei, sondern auch im Staatsapparat in hohe Ämter auf. Raul Pont und João Verle wurden nacheinander Bürgermeister von Porto Alegre, Walter Pinheiro stellvertretender Vorsitzender der PT-Fraktion im Bundesparlament und Miguel Rossetto Minister für Agrarreform in der Regierung Lula. Das bekannteste DS-Mitglied, Heloísa Helena, war Sprecherin der PT-Fraktion im Senat und Mitglied des Parteirats und Parteivorstands der PT. 1992 war sie zur stellvertretenden Bürgermeisterin von Macéio und anschließend zur Landtagsabgeordneten in Alagoas gewählt worden. 1998 zog sie mit einem Ergebnis von 56 Prozent für das Bundesland Alagoas in den Senat ein. Sie wurde im Dezember 2003 aus der PT ausgeschlossen (wir werden darauf zurückkommen).

Die Regierungstätigkeit der PT auf kommunaler und regionaler Ebene bot der herrschenden Elite Brasiliens ausreichend Gelegenheit, sich zu vergewissern, dass von dieser Partei keine revolutionäre Gefahr drohte.

Die PT an der Regierung

Am 27. Oktober 2002 wurde Lula schließlich im dritten Anlauf mit 61 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Präsidenten gewählt. Er wurde dabei von Teilen der herrschenden Elite unterstützt, nachdem er mit der rechten Liberalen Partei und einem Flügel der Demokratischen Partei (PMBD) ein Wahlbündnis geschlossen hatte. Lulas Vizepräsidentschaftskandidat war José Alencar, ein Textilmagnat und Führer der Liberalen, was den Anspruch der PT, sie stehe für einen Bruch mit dem Neoliberalismus, ad absurdum führte.

Lula besetzte die wirtschaftspolitischen Schlüsselstellen umgehend mit Vertrauensleuten des Kapitals. Zum Chef der Zentralbank ernannte er Henrique Meirelles, einen Parteigänger seines verhassten Vorgängers Henrique Cardoso. Das Finanzressort übernahm Antonio Palocci, der sich als Bürgermeister von Riberao Prato durch die Privatisierung öffentlicher Dienste und als überzeugter Marktliberaler einen Namen gemacht hatte. Seine Koalitionsregierung verpflichtete sich, alle Vorgaben des Internationalen Währungsfonds zu erfüllen.

Die DS feierte den Wahlerfolg der PT dennoch als "Sieg des Volkes und schwere Niederlage für den Neoliberalismus", wobei sie einräumen musste, dass der Sieg "durch die Bündnisse mit Teilen der Rechten und die Verpflichtung zur Kontinuität in wesentlichen Fragen der Wirtschaftspolitik" eingeschränkt sei. Das hinderte sie aber nicht daran, volle Verantwortung für die Regierung zu übernehmen und sich selbst daran zu beteiligen. Sie verkündete: "Die demokratische Volksbewegung geht in eine von jedem Gesichtspunkt offene und entscheidende Erfahrung für unsere Zukunft. Die demokratisch sozialistische Tendenz der PT betrachtet sich als integraler Bestandteil dieses Prozesses und teilt alle Herausforderungen, die sich der PT und der brasilianischen Linken stellen". (3) Die DS willigte ein, dass ihr Mitglied Miguel Rossetto in der Koalitionsregierung das Ministerium für Landreform übernahm.

International Viewpoint, das englischsprachige Organ des Vereinigten Sekretariats, rechtfertigte dies damit, dass die DS eine bedeutsame Strömung innerhalb der Partei darstelle und beim letzten Kongress 17,5 Prozent der Stimmen für ihren Präsidentschaftskandidaten Raul Pont erhalten habe. "Angesichts dieser Umstände und der inklusiven Traditionen der PT sah sich Lula verpflichtet, ihre Regierungsbeteiligung vorzuschlagen. Hätte sie sich geweigert, wäre dies in der Partei und besonders unter den Millionen Wählern als Ausweichen vor der Verantwortung in der Hoffnung auf eine wirkliche Veränderung gesehen worden. Sie war daher der Ansicht - eine Entscheidung, die besonders unter der Linken außerhalb Brasiliens viel Diskussionen ausgelöst hat -, dass DS-Mitglied Miguel Rossetto als Minister für Agrarreform versuchen solle, eine Agrarreform durchzuführen - eine brennende Frage in einem Land mit besonders ungleichmäßiger Landverteilung - und dass dies zur Selbstorganisation der Landarbeiter beitragen könne." (4)

Mit anderen Worten, nachdem die Pablisten die PT zwanzig Jahre lang kritiklos unterstützt und unter den Wählern die illusionäre "Hoffnung auf eine wirkliche Veränderung" geschürt hatten, sahen sie sich jetzt verpflichtet, mit ihr die bürgerlichen Regierungsgeschäfte zu führen - obwohl an der tatsächlichen politischen Orientierung der Koalitionsregierung kaum mehr Zweifel bestehen konnten. Alles andere hätte die Millionen Wähler, die von der DS getäuscht worden waren, irritiert.

Die Zeit, in der die PT ihren bürgerlichen Charakter hinter linken Phrasen verstecken konnte, war mit der Übernahme der nationalen Regierungsverantwortung endgültig vorbei. Es dauerte nicht lange, und ihr rechter Kurs trat offen zutage. Ein Parteifreund von Miguel Rossetto hat dies anschaulich geschildert. Ernesto Herrera, ein Führungsmitglied der pablistischen Internationale aus Uruguay, zog acht Monate nach Lulas Regierungsübernahme folgende verheerende Bilanz:

"Am 1. Januar versprach Präsident Lula ‘die Einlösung der Jahrhunderte alten sozialen Schuld dieses Landes' und damit anzufangen das ‘verfluchte Erbe', das von Fernando Enrique Cardóso und seinen neoliberalen Nachfolgern in der Regierung hinterlassen worden war, zu überwinden. Davon ist kein Schimmer zu sehen. Im Gegenteil, der Wechsel machte der um so unverhohleneren Kontinuität Platz. Die Regierung Lula akzeptierte schließlich die Spielregeln des transnationalen Kapitals. Sie einigte sich mit den Gremien des IWF, der Bankiers und der Hauptaktionäre der privatisierten staatlichen Einrichtungen. Sie führte die ‘Reform' der Renten (Sozialversicherung) durch, zugunsten der privaten Pensionsversicherungen und sie bringt die andere ‘Reform' auf den Weg, die von Washington gefordert wird: die der Steuern.

Dem neoliberalen Fahrplan folgend, bereitet sie die Flexibilisierung der Arbeitsgesetzgebung vor (gefordert von den Arbeitgebern und vom IWF), vergrößert den öffentlichen Schuldenberg im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt und lässt die ‘Autonomie' einer Zentralbank zu, die in Wahrheit die Zweigstelle der Nordamerikanischen FED ist. Alles bleibt gleich... oder wird schlechter. Die Arbeitslosigkeit liegt in den Großstädten bei 20%. In den letzten 12 Monaten fiel das durchschnittliche Familieneinkommen um 16%, seit Januar verloren die Gehälter fast 10% an Kaufkraft und mehr als 50% der Beschäftigten haben keine soziale Absicherung. [...] Das Budget für 2004, das dem Parlament vorgelegt wurde, reduziert alle Haushaltsansätze für die Sozialpolitik - nur der für die Schuldenzahlung bleibt unberührt." (5)

Herrera gelangte zum Schluss: "Die herrschende Fraktion der PT verwandelte sich in eine Stütze der bürgerlichen Ordnung".

Die Rolle seiner Genossen von der DS unterschied sich allerdings kaum von derjenigen der "herrschenden Fraktion". Bereits im Juni hatte die DS bei den Funktionärswahlen im Gewerkschaftsverband CUT die offizielle Liste Lulas gegen eine oppositionelle linke Liste unterstützt. Als das Parlament dann am 5. August unter heftigen Demonstrationen und Protesten eine Rentenreform verabschiedete, stimmte die Mehrheit der DS-Abgeordneten dafür. Lediglich zwei, darunter Heloísa Helena, votierten mit Nein.

Die Arbeit des pablistischen Ministers für Agrarreform entsprach dem allgemeinen Kurs der Regierung. Bei seinem Amtsantritt hatte Miguel Rossetto noch erklärt, dass schätzungsweise vier Millionen Menschen Land bräuchten, und versprochen, im ersten Amtsjahr Land an 60.000 Bauern Land zu verteilen. Er konnte sich dabei auf eine Reglung stützen, die bereits 1988 in der Verfassung verankert worden war und die es ermöglichte, nicht genutztes Privatland (laut Schätzung der Kirche rund ein Viertel des kultivierbaren Landes) zu enteignen und an landlose Bauern zu verteilen. Nach einem Jahr hatten nur 10.000 Bauern Land erhalten; das waren weniger als im letzten Amtsjahr der konservativen Vorgängerregierung.

Während die Landvergabe unter Rossetto zurückging, verdoppelte sich die Zahl der "illegalen" Landbesetzungen und ebenso die Zahl der Landarbeiter, die im Auftrag der Großgrundbesitzer durch gedungene Mörder umgebracht wurden. Nach Angaben der Landkommission waren es 60 gegenüber 30 im Vorjahr. In diesem Klassenkrieg auf dem Lande nahm Rossetto die Pose des neutralen Schiedsrichters ein. In einem Interview mit der Zeitung O Estado erklärte er im vergangenen Sommer: "Wir dulden keine gewaltsame Demonstration oder Aktion, von welcher Seite auch immer - ob von den landlosen Bauern oder den bewaffneten Milizen der Großgrundbesitzer." Gleichzeitig willigte er unter dem Druck der Landbesitzer ein, den Chef der Regierungsagentur für Landreform Marcelo Resende abzusetzen, weil dieser den landlosen Bauern zu nahe gestanden hatte.

Auch in den Städten formierte sich der Widerstand gegen den rechten Kurs der Regierung, wie Ernesto Herrera in dem bereits zitierten Artikel darlegt: "Zehntausende der Kämpfer in den sozialen Auseinandersetzungen und von den oppositionellen Mitgliedern weigern sich, sich zum Komplizen machen zu lassen. Sie zeigen ihren Unwillen und sie rebellieren gegen das, was sie für die bedingungslose Kapitulation der Regierung Lula und der PT halten. Flugblätter und Plakate, Massenkundgebungen, Gewerkschaftsversammlungen, Studentenkongresse, Seminare und öffentliche Diskussionen in verschiedenen Städten werfen der Regierung bereits ‚Verrat' vor. [...] Der Honigmond der bewusstesten und politisiertesten Teile der Volksbewegung mit der Regierung neigt sich seinem Ende zu. Es beginnt eine Phase der Instabilität, der schnell zunehmenden Erfahrungen und der Konfrontation mit dem herrschenden politischen System."

All das beeinträchtigte die Nibelungentreue nicht, mit der die brasilianischen Pablisten der DS die PT unterstützten.

Der Ausschluss von Heloísa Helena

Schließlich ergriff die Führung der PT die Offensive und ging gegen den linken Flügel der Partei vor. Am 14. Dezember 2003 schloss der Parteirat vier führende Vertreter linker Strömungen wegen wiederholten "Disziplinbruchs" aus - den Abgeordneten João Batista Olivera de Araújo, genannt Babá, von der Sozialistische Arbeiterströmung (CST), den Abgeordneten Luciano Genro von der Linkssozialistischen Bewegung (MES), den Abgeordneten João Fontes, der keiner Tendenz angehört, aber zusammen mit Babá und Genro zum Widerstand gegen die Regierungspolitik aufgerufen hatte, und die Senatorin Heloísa Helena von der DS, der ihr Votum gegen das Rentengesetz zum Verhängnis wurde.

Die DS reagierte empört. In einer offiziellen Verlautbarung erklärte sie: "Diese Ausschlüsse sind ein harter Schlag gegen das, was die PT als sozialistische und demokratische Partei repräsentiert. Sie haben eine enorme Schwächung und Zerrüttung der Beziehungen der PT zu linken AktivistInnen in aller Welt zur Folge." Doch im folgenden Satz bestätigte sie ihre Loyalität gegenüber der PT: "Die DS bekräftigt gemäß den Beschlüssen ihrer letzten Konferenz die zentrale Wichtigkeit des Kampfes innerhalb der PT um die Rückgewinnung einer sozialistischen und demokratischen Orientierung." (6) Miguel Rossetto verharrte in seinem Ministeramt.

Das Verhalten der DS fand weltweit Zustimmung in der pablistischen Presse. In Deutschland kommentierte Hermann Dierkes, der für die offene Liste der PDS im Duisburger Rathaus sitzt: "Die Strömung DS und weitere Parteilinke halten es dagegen für verfrüht, die PT insgesamt aufzugeben. Sie orientieren statt dessen auf eine grundlegende Auseinandersetzung innerhalb der bisher weitgehend demokratischen und pluralistischen Linkspartei, in der immer noch Zehntausende engagierte Menschen aktiv sind und auf ein besseres, sozialistisches Brasilien hoffen." (7)

Im englischsprachigen Organ der Pablisten, International Viewpoint, hatte ein führender Vertreter der DS, der Universitätslehrer für Wirtschaft João Machado, bereits vor dem Ausschluss Helenas ausführlich begründet, weshalb die DS entschlossen sei, unter allen Umständen an der PT festzuhalten. Der Artikel ist ein klassisches Beispiel pablistischer Augenwischerei. Mit vielen "einerseits, andererseits" und Adjektiven wie "widersprüchlich" und "dialektisch" rechtfertigt er das Abgleiten in immer krassere Formen des Opportunismus. (8)

Nach neun Monaten im Amt habe die Regierung Lula "ihren widersprüchlichen und in vieler Hinsicht überraschenden Charakter bestätigt", schreibt der Autor und bezeichnet es als "größte Überraschung", dass die Wirtschaftspolitik "große Kontinuität zu derjenigen der Vorgängerregierung aufweist". "Andererseits", fährt er fort, "hat die Regierung Lula auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen, der Agrarreform und anderer Sektoren Übereinstimmung mit dem historischen Programm der PT gewahrt." "Die großen bestehenden Widersprüche", folgert er, "machen es schwer, eine endgültige Bilanz zu ziehen".

In diesem Stil geht es weiter. Machado bezeichnet den Wahlerfolg Lulas einerseits als "Wahlniederlage des Neoliberalismus" und als "Sieg für die Gewerkschafts- und Volksbewegung", deren "Möglichkeiten zur Organisation und Mobilisierung" der Wahlsieg erneuert habe. "Andererseits hat er zum Weiterbestehen und zur Vertiefung widriger sozialer und wirtschaftlicher Bedingungen für die Bewegung geführt, insbesondere der Arbeitslosigkeit."

"Eine Phase der Erwartungen in die Regierung", schreibt er dann, gehe nun in eine Phase der Kritik über. Sie habe "Vereinigungs- und Mobilisierungsprozesse zum Inhalt, die das Ziel verfolgen, die Regierung unter Druck zu setzen und ihren Entscheidungen entgegenzutreten". Es sei "eine wichtige Politisierung der sozialen Bewegungen im Gange, die die Neudefinierung ihrer Rolle in bezug auf die Regierung zur Achse hat". Die "wichtigste Aufgabe der brasilianischen Linken" bestehe darin, "diesen Prozess dahingehend zu entwickeln, dass die sozialen Bewegungen grundlegende Subjekte im Orientierungskonflikt von Gesellschaft und Regierung werden".

Doch wer nun gedacht hätte, Machdao trete für eine Offensive gegen die Regierung und eine unabhängige politische Orientierung ein, sieht sich getäuscht. Nach mehreren Seiten weiteren "einerseits - andererseits" wendet er sich vehement gegen einen Bruch mit der PT. Er begründet dies mit den "tiefen Wurzeln" der Partei.

"Die Regierung erschöpft die Möglichkeiten der Partei nicht", schreibt er. "Die Wurzeln der Bewegung, welche die PT über 23 Jahre hinweg aufgebaut hat, sind tief und sie liegen in der Arbeiterklasse und im Volk. Die Geschichte des Aufbaus der PT ist eine Geschichte des sozialen, politischen und kulturellen Kampfs in der brasilianischen Gesellschaft, und auch eine Geschichte interner Auseinandersetzungen. Es gibt starke Argumente dafür, sich für eine Fortsetzung dieses Prozesses zu entscheiden." Es sei falsch, "ausgehend von der Orientierung der Regierung während der ersten neun Monate zu folgern, das Spiel sei aus, als ob der eingeschlagene Weg auf homogene Weise die gesamte Bewegung zum Ausdruck brächte und ihre gesamte Zukunft erkennen ließe; als ob es keine Widersprüche und keine Kräfte gäbe, die sich ihnen entsprechend bewegen."

Schließlich verurteilt er ausdrücklich diejenigen, die die PT verlassen: "Der hastige Austritt kleiner Splitter der PT, die sich der PSTU [einer morenistschen Gruppe, die außerhalb der PT steht] anschließen, würde keine Alternative darstellen - diese Möglichkeit entspräche der historischen Bedeutung der PT seit ihrer Gründung nicht im geringsten. [...] Der Kampf für die PT als sozialistische und demokratische Partei ist nicht entschieden."

Marchados Verweis auf die Widersprüche und historischen Wurzeln der PT blendet die entscheidende Frage aus - die Frage nach ihrem Programm und ihrer gesellschaftlichen Funktion. Mit demselben Hinweis könnte man das Festklammern an jeder, noch so bankrotten reformistischen Organisation - zum Beispiel der deutschen SPD oder der französischen PCF - rechtfertigen, die auch über tiefe historische Wurzeln und innere Widersprüche verfügen. Maßgeblich für ihren Kurs sind aber nicht die historischen Wurzeln, sondern die politische und soziale Orientierung.

Machado ignoriert einfach, dass die PT an der Regierung ein Programm verwirklicht, das die volle Unterstützung des IWF und maßgeblicher Teile der brasilianischen Bourgeoisie besitzt. Gerade die "historischen Wurzeln" der PT - d.h. die Tatsache, dass sie das Vertrauen von Teilen der Arbeiterklasse genießt - macht sie für die Bourgeoisie so wertvoll. Die PT kann Maßnahmen durchführen, die die Bourgeoisie in einer offenen Konfrontation mit der Arbeiterklasse gegenwärtig nicht durchsetzen könnte. Die Auseinandersetzung um die Rentenreform vom vergangenen Sommer hat das exemplarisch gezeigt. Nahezu identische Reformvorschläge waren unter konservativen Regierungen immer wieder am Widerstand der Bevölkerung gescheitert.

Was die von Machado beschworenen inneren "Widersprüche" der PT betrifft, so hat die Parteiführung unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie unter keinen Umständen dem Druck der Basis nachgeben wird. Mit dem Ausschluss von Heloísa Helena und der anderen Linken hat sie ein Exempel statuiert. Sie trennt sich lieber von populären Mitgliedern, als auf den wachsenden Druck von unten zu reagieren. Die Logik ihres bürgerlichen Programms treibt sie immer tiefer in die Arme der Reaktion, ungeachtet der Unzufriedenheit in den eigenen Reihen. Wenige Monate Regierungstätigkeit haben genügt, um ihren wirklichen Charakter bloß zu stellen.

Während sich Wähler und Mitglieder enttäuscht abwenden, sind Machado und die DS entschlossen, mit der PT bis zum bitteren Ende gehen. Ihre Beschwörung der "tiefen Wurzeln" und inneren "Widersprüche" dient dazu, den Arbeitern Sand in die Augen zu streuen und sie vom notwendigen Bruch mit einer Partei abzuhalten, die sich als politische Falle entpuppt hat. Dabei handeln sie nicht frei von Eigeninteresse, schließlich wäre ein Bruch mit der PT mit dem Verlust einträglicher und prestigeträchtiger Posten im Partei- und Staatsapparat verbunden.

Das Beispiel Brasiliens zeigt anschaulich, wohin die pablistische Politik führt. In über zwanzig Jahren intensiver Arbeit haben sich die Pablisten in Brasilien am Aufbau eines Frankenstein-Monsters beteiligt, das der Arbeiterklasse nun in den Rücken fällt. Die "antikapitalistische Linke", welche die LCR aufbauen will, würde in Frankreich eine ähnliche Rolle spielen.

Teil 6 - Die Demoralisierung von Lutte Ouvrière

Die Resolution, mit welcher der 33. Kongress von Lutte Ouvrière im Dezember 2003 seine Entscheidung für gemeinsame Wahllisten mit der LCR begründete, (1) spricht Bände über die Grundstimmung dieser Organisation. Hinter der revolutionären Rhetorik verbergen sich Skepsis, Pessimismus und eine gehörige Portion Fatalismus. LO begründet ihr Zusammengehen mit der LCR damit, dass das Wahlvolk demoralisiert sei und eine getrennte Kandidatur der extremen Linken es noch mehr demoralisieren würde. Die Worte "demoralisiert" und "enttäuscht" kommen in dem kurzen Text von zehn Absätzen gleich mehrmals vor.

Die Resolution beginnt damit, dass sie die positiven Umfrageergebnisse vom vergangenen Herbst anzweifelt, die den Listen von LO und LCR ein ähnliches Ergebnis wie bei der Präsidentenwahl 2002 - also um die 10 Prozent - zugetraut hatten. Es sei zwar "unmöglich vorauszusehen, wie die Wählerschaft anlässlich der Wahlen 2004 auf die Entwicklung der Situation reagieren wird", heißt es eingangs, aber aufgrund "politischer Überlegungen" halte man ein Ergebnis in der Größenordnung von 3 Prozent für wahrscheinlicher.

"Es ist nur scheinbar paradox, aber diese Überlegungen haben uns dazu bewogen, der Ligue im vergangenen Juni ein Wahlbündnis vorzuschlagen," fährt die Resolution fort. "Man kann sich wirklich nichts darüber vormachen, dass das Wahlvolk demoralisiert ist. Das ist ein Ergebnis der sozialen und wirtschaftlichen Lage sowie der offenen Angriffe und dem zynischen Gerede der Regierung Chirac-Raffarin."

Unter diesen Umständen, heißt es weiter, könnten zwei Faktoren ins Spiel kommen: "Zuerst der Erhalt, wenn nicht ein Ansteigen des Stimmenanteils der Front National, die in den Regionalwahlen mit Sicherheit fast überall in die zweite Runde gelangen wird mit vielleicht 20 Prozent der abgegebenen Stimmen, wenn nicht vereinzelt noch mehr". Auch viele der ärmsten Arbeiter, erbittert über die Linke und die Rechte, würden für die FN stimmen.

Der zweite mögliche Faktor sei eine Stärkung der Sozialistischen Partei. Weil die gegenwärtige Regierung derart verhasst sei, schreibt LO, "könnten sich viele Wähler sagen, es sei falsch gewesen, in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl für die Listen der Kommunistischen Partei, der Grünen oder der extremen Linken zu votieren, die die Stimmen zersplittert und Jospins Sturz bewirkt hätten. Daher wird es vielleicht eine starke Strömung von Wählern geben, die lieber für die PS stimmen, um der Rechten eine Ohrfeige zu verpassen und die Sozialisten wieder dran zu bringen."

Nur eine Möglichkeit schloss LO definitiv aus - eine Stärkung ihrer eigenen Wahllisten. Die beiden oben genannten Erscheinungen, erklärt sie, "drohen die extreme Linke platt zu walzen".

Das Wahlbündnis mit der LCR begründete sie dann als Akt der Schadensbegrenzung. Getrennt von der LCR würde LO "zwar zweifellos keine geringerer Stimmenzahl bekommen", heißt es in der Resolution, "aber wenn diese Zahl klein wäre, könnten sich viele unserer Wähler, die noch für uns gestimmt haben, sagen, wir hätten wegen unserer Spaltung enttäuscht und einen großen Teil unserer Wählerschaft verloren.... Zusammen wäre unser schlechtes Ergebnis dagegen eine objektive Gegebenheit und nicht das Ergebnis unseres eigenen Verhaltens." Man dürfe nicht vergessen, warnt die Resolution, "dass ein schlechtes Ergebnis - besonders wenn es scheinbar unserer Spaltung geschuldet ist - weiter zur Demoralisierung unserer eigenen Wähler beitragen wird, weil es sie zur Schlussfolgerung verleitet, man könne weder von der Regierungslinken noch von der extremen Linken, für die sie trotz allem gestimmt haben, etwas erwarten."

Sollte sich trotz dieser düsteren Prognosen noch jemand für den Wahlkampf von LO begeistert haben, versetzte ihm die Resolution einen abschließenden Dämpfer: "Unsere Haltung ist nicht durch die Hoffnung inspiriert, Mandate zu bekommen, unsere Haltung besteht umgekehrt darin, ein sehr negatives Ergebnis besser abwenden zu können."

Die Kultur des Opportunismus

Zwei Dinge sind an dieser Resolution bemerkenswert. Zum einen zeichnet sie ein Zerrbild der wirklichen Stimmung der Abeiterklasse, zum andern lässt sie jede eigene politisch Initiative vermissen. LO zeigt sich überzeugt, dass ihr eigenes Tun belanglos ist, dass sie selbst nichts bewirken und eine weitere "Demoralisierung" nur vermeiden kann, indem sie mit der LCR zusammengeht - über deren opportunistischen Charakter sie sich ansonsten wenig Illusionen macht.

Die Behauptung, die Arbeiterklasse sei demoralisiert und tendiere mehrheitlich nach rechts, ist offensichtlich falsch. Die französischen Arbeiter haben in den vergangenen Jahren immer wieder beweisen, dass sie trotz der üblen Rolle der Gewerkschaften und der offiziellen Linksparteien bereit sind, den Angriffen rechter wie linker Regierungen zu trotzen - angefangen mit der Streikbewegung vom November/Dezember 1995 bis hin zur jüngsten im Frühjahr 2003. Auch die drei Millionen Stimmen für die Kandidaten der radikalen Linken bei der Präsidentenwahl 2002 können kaum als Zeichen der Demoralisierung gewertet werden. Selbst das Ergebnis der diesjährigen Regionalwahl fiel trotz der defätistischen Haltung von LO wesentlich günstiger aus, als sie es vorhergesagt hatte. Die gemeinsamen Wahllisten von LO und LCR erhielten mehr als eine Million Stimmen, was einem nationalen Durchschnitt von 4,6 Prozent entspricht. Und dies, obwohl sie aufgrund der neu eingeführten Zehn-Prozent-Hürde nur geringe Chancen hatten, in den zweiten Wahlgang zu gelangen und Mandate zu erringen.

Die Demoralisierung, die LO so wortreich beschwört, findet man weniger in der Arbeiterklasse, als im Milieu der Gewerkschaften, der Stalinisten und der Sozialdemokraten, denen angesichts des Aufbrechens offener Klassenkämpfe die Felle davon schwimmen. An diesem Milieu orientiert sich LO. In dieser Hinsicht unterscheidet sie sich nicht von der LCR, auch wenn ihr Opportunismus etwas andere Formen annimmt.

Nach außen stellt LO stets ihre Nähe zur Arbeiterklasse zur Schau. Sie treibt einen regelrechten Arbeiterkult. Die Anrede "Travailleuses et travailleurs" ("Arbeiterinnen und Arbeiter"), mit der Arlette Laguiller unweigerlich jede ihrer Reden eröffnet, ist zu einer Art Markenzeichen der Organisation geworden. Viele Mitglieder haben ihr Studium an den Nagel gehängt und jahrzehntelang im Betrieb gearbeitet, um den Arbeitern nahe zu sein.

Diese Orientierung auf die Betriebe ist von einer Anpassung an die primitivsten Formen gewerkschaftlichen Bewusstseins geprägt. Die Betriebszeitungen und -flugblätter, deren Verteilung an den Betriebstoren seit fünfzig Jahren den Kern der Arbeit der Organisation bildet, enthalten selten ein politisches Wort. Sie bestehen aus Informationen aus dem jeweiligen Betrieb und einem allen gemeinsamen Editorial von Arlette Laguiller. Dieses Editorial erklärt den Arbeitern in der Regel in entrüstetem Tonfall, dass sie von den Bossen ausgebeutet und von der Regierung betrogen werden, die - welch ein Skandal - auf der Seite der Bosse steht. Internationale Ereignisse oder politische Themen, die über den unmittelbaren Horizont der "Welt der Arbeit" hinausgehen, finden nur höchst selten Eingang.

Auch Lutte ouvrière, die Wochenzeitung, unter deren Namen die Organisation öffentlich auftritt, geht nicht viel weiter. Die meisten Artikel sind in einer banalen Sprache geschrieben und geben sich selten die Mühe, ein Thema gründlich zu durchleuchten. Arbeiter, die sich sorgfältig informieren und ein politisches Urteil bilden wollen, können sich nicht auf diese Zeitung stützen.

Nach Kritik an den Gewerkschaften sucht man in den Publikationen und Äußerungen von LO vergeblich. Während der Streikbewegung vom November/Dezember 1995 hatte David Walsh, Kulturredakteur der World Socialist Web Site, Gelegenheit, das Wirken der LO-Aktivisten auf mehreren Streikversammlungen aus nächster Nähe zu beobachten. Die Streikbewegung wurde schließlich von der Gewerkschaftsbürokratie abgewürgt, doch die LO-Anhänger betätigten sich stets als deren loyale Helfer. Einer erklärte Walsh: "Die Arbeiter gehen nicht über die unmittelbaren Fragen hinaus. Die Gewerkschaften sind den Arbeitern voraus, sie sind die Führung."

Walsh fasste seine Eindrücke über LO und die anderen Organisationen der radikalen Linken damals mit den Worten zusammen: "Ein wirklich auffallendes Merkmal dieser Kreise ist etwas, das man vielleicht Kultur des Opportunismus nennen könnte. Man traf kein einziges Mitglied der LO, der LCR oder jemanden aus deren Umfeld, der sich vorstellen konnte, ein Prinzip aufzustellen oder zu vertreten, das nicht bereits in der Luft lag oder von den meisten Arbeitern mehr oder weniger akzeptiert wurde." (2)

Mehrere Jahre später bestätigte Arlette Laguiller dies in einem Interview. Als wir sie währen der Präsidentenwahl 2002 fragten, weshalb LO nicht in die politische Offensive gegangen und sich der Forderung nach einem Boykott des zweiten Wahlgangs angeschlossen habe, antwortete sie: "Wir treten immer nur für Vorschläge ein, die unserem Eindruck nach dem Kräfteverhältnis entsprechen und denen die Arbeiterklasse in einem gegebenen Land auch bereit ist nachzukommen." (3)

Diese Formel läuft auf die Heiligsprechung der bestehenden Verhältnisse hinaus. Eine Organisation, die immer nur das fordert, was die Mehrheit der Arbeiter bereits akzeptiert hat, ist nicht revolutionär sondern - im wörtlichen Sinne des Wortes - konservativ. LO glaubt nicht, dass eine mutige, vorwärtsweisende Perspektive Widerhall in der Arbeiterklasse finden, ihr politisches Bewusstsein heben und so die objektive Lage verändern kann. Sie wird niemals müde, ihre eigene Untätigkeit und Passivität mit der angeblichen Unreife der Massen zu begründen. "Das Kräfteverhältnis ist nicht so", "es gibt keine Mobilisierung der Arbeiterklasse in Form von Kämpfen", "unsere Organisation ist zu schwach" - lautet ihre Antwort, wenn sie auf eigene Initiativen angesprochen wird.

Trotzki hatte für solche Erklärungen, die die eigene Tatenlosigkeit durch das "Kräfteverhältnis" rechtfertigen, nur Verachtung übrig. In einem Artikel, der sich mit entsprechenden Argumenten auseinander setzte, schrieb er: "Die Entwicklung der Revolution besteht gerade darin, dass sich das Kräfteverhältnis unaufhörlich und plötzlich verändert: unter dem Einfluss der Veränderungen im Bewusstsein des Proletariats, der Anziehung rückständiger Schichten durch die fortgeschrittenen, die wachsende Zuversicht der Klasse in ihre eigene Stärke. Das wichtigste, lebendige Element in diesem Prozess ist die Partei, genau wie im Mechanismus der Partei das wichtige und lebendige Element die Führung ist. Die Rolle und die Verantwortung der Führung in einer revolutionären Epoche ist enorm." (4)

Diese Rolle und Verantwortung der Führung weist LO weit von sich. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte dieser Tendenz und findet sich in vielen ihrer Dokumente wieder.

So wendet sich eine Resolution über die "Programmatischen Grundlagen unserer Politik", die der Parteikongress im vergangenen Dezember verabschiedet hat, entschieden gegen die Forderung nach dem Aufbau einer "Arbeitermassenpartei". Begründet wird das folgendermaßen: "Eine Partei, die für eine revolutionäre Umwandlung der Gesellschaft eintritt, könnte nur im Zusammenhang eines revolutionären Aufschwungs eine Massenpartei sein, wenn die Arbeiterklasse selbst von der Notwendigkeit überzeugt ist, die politische Macht zu ergreifen. [...] Die Gesamtheit der Arbeiter ist in normalen Zeiten nicht revolutionär. Die Massen sind im Gegenteil reformistisch und die Notwendigkeit eines radikalen Politikwechsels bemächtigt sich der Massen nur in kritischen Perioden. Außerhalb derartiger Perioden kann man nur eine Minderheit der Arbeitswelt für revolutionäre Ideen gewinnen." (5)

Erneut wird hier der Karren vor das Pferd gespannt und die eigene Verantwortung völlig ausgeklammert. Der lebendige Prozess der Revolution wird durch abstrakte Spekulationen darüber ersetzt, dass es keinen "revolutionären Aufschwung" gebe, die eigene Tatenlosigkeit damit gerechtfertigt, dass die Massen "reformistisch" seien. LO lehnt die Perspektive einer revolutionären Massenpartei mit der Begründung ab, die Arbeiterklasse sei noch nicht von der Notwendigkeit überzeugt, die politische Macht zu ergreifen. Aber wie soll sie sich jemals von dieser Notwendigkeit überzeugen, wenn LO nicht offen dafür eintritt?

Natürlich bekennt LO sich selbst zu "revolutionären Ideen". Sie tritt für eine sozialistische Gesellschaft ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg ein und hält im Gegensatz zur LCR auch an der "Diktatur des Proletariats" fest. Aber es besteht kein innerer Zusammenhang zwischen diesem Maximalprogramm und ihrer täglichen Arbeit. Der Sozialismus ist für sie eine ferne Zukunftsperspektive, während ihre Tagesarbeit auf der Voraussetzung beruht, dass "die Massen reformistisch" und nur Forderungen zulässig sind, "denen die Arbeiterklasse auch bereit ist nachzukommen" - also auf eine rein gewerkschaftliche, reformistische Perspektive beschränkt bleibt.

Diese Perspektive erweist sich zunehmend als Sackgasse. Der allgemeine Niedergang der Gewerkschaften und reformistischen Organisationen ist der lebendige Beweis dafür. Die Widersprüche des Weltkapitalismus, die in der Explosion des amerikanischen Imperialismus ihren schärfsten Ausdruck finden, haben den Spielraum für soziale Reformen so gut wie beseitigt. Arbeiter, vor allem im privaten Sektor, sind immer weniger bereit, für beschränkte ökonomische Forderungen zu kämpfen, weil die Erfolgschancen in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen Opfern und Risiken stehen und weil sie den Gewerkschaften nicht vertrauen. Dafür schließen sie sich umso bereitwilliger umfassenderen politischen Initiativen an - wie die hohe Beteiligung an den Demonstrationen gegen die Nationale Front und gegen den Irakkrieg gezeigt hat.

LO, deren Auffassung vom Klassenkampf sich auf die engsten ökonomischen Formen beschränkt, vermag darin nur Demoralisierung sehen. Sie schiebt die Verantwortung für das Scheitern der reformistischen Politik den Massen zu und nicht den Parteien und Gewerkschaften, die die Kämpfe der Massen lähmen und sabotieren. Daraus speist sich ihr Pessimismus. Sie spricht von der Demoralisierung der Wähler, meint aber ihre eigene Demoralisierung. Das Aufbrechen des Klassenkompromisses hat ihren eigenen opportunistischen Konzeptionen den Boden entzogen.

Annäherung an die Staatsmacht

Wie die LCR reagiert auch LO auf das Scheitern des Sozialreformismus und das Aufbrechen des Klassenkompromisses, indem sie sich der Staatsmacht annähert. Das zeigt sich am deutlichsten an ihrer Haltung zu einer Frage, die in den vergangenen Monaten im Zentrum der innenpolitischen Debatte in Frankreich stand - zu dem Gesetz, das muslimischen Mädchen in der Schule das Tragen eines Kopftuchs verbietet.

LO unterstützt dieses Gesetz ausdrücklich. Sie hat sich in mehreren Artikeln und Kommentaren für ein Verbot des Kopftuchs ausgesprochen und der Regierung sogar vorgeworfen, sie setze sich nicht konsequent genug dafür ein. Am 6. März, dem Frauentag, beteiligte sich Arlette Laguiller gemeinsam mit Nicole Guedj (UMP), Staatssekretärin in der Regierung Raffarin und Beraterin Chiracs für Jugendfragen in der Wahlkampagne 2002, an einer Demonstration gegen das Kopftuch.

Das Gesetz gegen das Tragen auffallender religiöser Symbole an Schulen, das im Februar von der Nationalversammlung mit großer Mehrheit verabschiedet wurde und im September in Kraft tritt, stärkt die Repressivgewalt des Staates, schränkt die Religionsfreiheit ein und begrenzt die pädagogischen Möglichkeiten der Lehrer im Umgang mit kulturellen Unterschieden.

Die Regierung versucht das Gesetz als Maßnahme zum Schutz des säkularen Prinzips, der Trennung von Kirche und Staat, darzustellen. Dieser Versuch ist schon deshalb lachhaft, weil sich die Regierung gleichzeitig darum bemüht, die religiösen Institutionen als Werkzeug der sozialen Kontrolle zu stärken. So hat Innenminister Nicolas Sarkozy, selbst praktizierender Katholik, im vergangenen Jahr einen nationalen Muslimrat, den Conseil Français du Culte Musulman, ins Leben gerufen, um den Islam stärker in den Staat zu integrieren. Auch die katholische Kirche, die im nicht-staatlichen Erziehungswesen eine beherrschende Rolle spielt, besitzt die volle Rückendeckung der Regierung.

Am deutlichsten wird der reaktionäre Charakter des Gesetzes jedoch, wenn man die sozialen Fragen untersucht, die sich hinter dem Kopftuchstreit verbergen. Aufgrund der desolaten Zustände in den Vorstädten, in denen viele Immigranten wohnen, und dem Umstand, dass diese von den offiziellen Arbeiterorganisationen völlig im Stich gelassen wurden, haben sich Jugendliche teilweise dem Islam zugewandt, den sie als scheinbar radikale Alternative zur bestehenden Gesellschaft betrachten. Gruppen dieser Jugendlichen haben versucht, junge Mädchen zur Einhaltung reaktionärer islamischer Verhaltens- und Kleidungsvorschriften zu zwingen. Weigerten sie sich, das Kopftuch zu tragen, mussten sie mit Einschüchterung und Gewalt rechnen - ein Umstand, der im Rahmen der Kopftuchdebatte große Publizität fand.

Derart rückständige, religiöse Vorurteile können nicht durch staatliche Zwangsmaßnahmen überwunden werden, schon gar nicht, wenn diese von einer Regierung kommen, die die Hauptverantwortung für die desolaten sozialen Zustände in den Vorstädten trägt. Unter Jugendlichen, die fast täglich mit Polizei und staatlicher Unterdrückung konfrontiert sind, erzielt ein diskriminierendes Gesetz eher die gegenteilige Wirkung. Letztlich ist die Überwindung religiöser Rückständigkeit und Vorurteile nur im Rahmen einer sozialistischen Offensive der Arbeiterklasse möglich.

Der Regierung geht es auch gar nicht darum, religiöse Vorurteile zu überwinden. Das Gesetz dient ihr als willkommenes Mittel, von ihrer reaktionären Sozialpolitik abzulenken und die Opposition dagegen in andere Kanäle zu leiten - gegen die muslimische Bevölkerung. Sie hat damit teilweise Erfolg. In der Nationalversammlung stimmten fast alle sozialistischen und viele kommunistischen Abgeordnete für das Gesetz; die "republikanische Front", die Chirac 2002 zu seinem überwältigenden Wahlsieg verholfen hatte, erlebte eine Wiedergeburt. Außerhalb des Parlaments unterstützten mehrere liberale und feministische Gruppen den Gesetzentwurf der Regierung mit der Begründung, er schütze die Rechte der Frauen. Eine prominente Stellung unter diesen Gruppen nahm LO ein.

Im September 2003 erklärte die Parteizeitung: "Zur Debatte steht nicht das ‚Recht’ einiger, das Kopftuch zu tragen, sondern das Recht Tausender junger Mädchen und junger Frauen, sich auf das Kopftuchverbot zu stützen, um auf die reaktionären Einschränkungen zu antworten, die ihnen ihr Milieu aufzwingen will." (6)

Im folgenden Monat äußerte LO die Sorge, ein Gesetz, das nur "auffallende Symbole" verbiete, gehe nicht weit genug: "Aber was ist ein ‚diskretes’ Kopftuch? Selbst ein ‚kleines Kopftuch’, das Haare und Ohren freilässt, ist ein Zeichen der Unterdrückung der Frau." Sie bestand darauf, dass ein Verbot notwendig sei: "Ja, man muss das Tragen des Kopftuchs an der Schule verbieten." Ein solches Verbot, forderte sie, müsse sicher stellen, dass "das Tragen von Kopftüchern, selbst ‚kleiner’, selbst ‚diskreter’, auf dem Gelände aller Schuleinrichtungen" verboten sei, und dass die Lehrer verpflichtet würden, die Einhaltung des Verbots durchzusetzen: "Alle Lehrer müssten dann für seine Respektierung sorgen und die Anordnung müsste diese obligatorische Durchsetzung ausdrücklich festschreiben." (7)

Deutlicher kann man sich nicht hinter die Regierung Chirac und ihr repressives Gesetz stellen!

In ähnlicher Weise wie auf die Kopftuchdebatte reagiert LO auch auf den Widerstand der irakischen Bevölkerung gegen die amerikanisch-britische Besatzung. Während der wachsende Widerstand die Regierungen in Washington und London in eine schwere Krise stürzte, denunzierte LO eine seiner Symbolfiguren, den schiitischen Geistlichen Moqtada al Sadr, als "schlimmsten Feind" der irakischen Massen. Die Politik des Imperialismus sei dabei, "die Massen in die Arme eines reaktionären Imams wie al Sadr zu stoßen, d.h. ihres schlimmsten Feindes", schrieb sie. (8)

All ihre Stellungsnahmen zu dem Thema sind auf diesen Ton gestimmt. Die Besatzung und der Widerstand dagegen werden gleichermaßen verurteilt. Der zentrale Vorwurf gegen die Besatzungsmächte lautet stets, sie stärkten und förderten den islamischen Fundamentalismus. In einem Artikel heißt es: "Egal, ob die westliche Besatzung fortgesetzt wird oder nicht, laufen die irakischen Massen Gefahr, zwischen zwei Fronten zu stehen - zwischen den bewaffneten Banden des Imperialismus und denen seiner fundamentalistischen Gegner." (9)

Diese Reaktion auf den irakischen Widerstand sagt mehr über die wirkliche politische Orientierung von LO aus, als all ihre Lippenbekenntnisse zum Sozialismus. Die irakische Bevölkerung hat auf den verbrecherischen, imperialistischen Krieg reagiert, indem sie den Besatzern heroischen Widerstand leistet. Sie bedient sich dabei der ideologischen und politischen Mittel, die ihr zur Verfügung stehen. Angesichts der jahrzehntelangen despotischen Herrschaft des nationalistischen Baath-Regimes und der verräterischen Rolle, die die irakische Kommunistische Partei bei dessen Unterstützung spielte, kann es nicht erstaunen, dass der radikalste Flügel der schiitischen Geistlichkeit eine dominierende Rolle spielt.

LO reagiert auf diese Entwicklung nicht wie Revolutionäre, sondern wie verschreckte Liberale. Revolutionäre unterstützen den irakischen Widerstand, sie fordern den sofortigen und bedingungslosen Abzug der imperialistischen Besatzer, sie mobilisieren die internationale, einschließlich der amerikanischen Abeiterklasse für dieses Ziel und untergraben auf diese Weise den Einfluss der Islamisten, deren Haltung zwangsläufig inkonsequent und halbherzig ist. LO dagegen reagiert auf das Anwachsen des gewaltsamen Widerstands, indem sie dessen Galionsfiguren denunziert und erklärt, dass es für die irakischen Massen egal sei, "ob die westliche Besatzung fortgesetzt wird oder nicht". Sie geht zwar nicht so weit, die Ablösung der Besatzungstruppen durch UN-Truppen zu fordern, aber viel fehlt dazu nicht mehr.

Die gleiche Haltung verschreckter Liberaler prägt ihr Auftreten im Kopftuchstreit. Auf das Aufbrechen der sozialen Gegensätze in den Vorstädten - das angesichts der üblen Rolle, welche die Sozialistische und insbesondere die Kommunistische Partei dort gespielt haben, widersprüchliche und teilweise reaktionäre Formen annimmt - reagiert sie mit dem Ruf nach dem starken Staat. Laguillers Einheitsfront mit der UMP-Politikerin Guedj hat in dieser Hinsicht Symbolcharakter. Auch hier würde eine mutige politische Offensive den Einfluss des Islamismus untergraben, der selbst keine Antwort auf die großen sozialen Probleme hat.

Die Rechtsentwicklung von LO ist kein Zufall. Wie bei der LCR hat sich auch ihre soziale und politische Physiognomie über Jahrzehnte hinweg herausgebildet. Darauf werden wir im letzten und abschließenden Teil dieser Serie eingehen.

Teil 7 - Lutte Ouvrière und die Vierte Internationale

Lutte Ouvrière beruft sich zwar auf den Trotzkismus, hat sich aber niemals der Vierten Internationale angeschlossen, der von Trotzki begründeten Weltpartei der sozialistischen Revolution.

In einer Broschüre, die sie 1988 zum 50. Jahrestag der Gründung der Vierten Internationale veröffentlichte, rechtfertigt sie dies folgendermaßen: "Um eine Politik, die jeden Kompromiss in der grundlegenden Frage der politischen und organisatorischen Unabhängigkeit des revolutionären Proletariats ablehnt, frei durchführen und verteidigen zu können, wurde Lutte Ouvrière unabhängig von den verschiedenen Organisationen aufgebaut, die sich auf die Vierte Internationale berufen." (1)

In einer Konferenzresolution vom vergangenen Jahr erklärt LO ihre Zurückweisung der Vierten Internationale mit den Worten: "Die verschiedenen trotzkistischen Strömungen, die einen auf Internationale machen, verschleiern damit, abgesehen vom lächerlichen Charakter derartiger Spielchen, dass sie keine Anstrengungen unternehmen, sich in der Arbeiterklasse ihres Landes zu verankern, d.h. dass sie sich nicht um den Aufbau revolutionärer kommunistischer Parteien bemühen." (2)

Diese Aussagen fassen in konzentrierter Form die ganze Weltanschauung von LO zusammen - ihren tief verwurzelten Nationalismus und Opportunismus.

Marxisten verstehen unter der " Unabhängigkeit des Proletariats" dessen Unabhängigkeit von der Ideologie, der Politik und den Parteien der Bourgeoisie und ihrer kleinbürgerlichen Ableger. Diese Unabhängigkeit ist das Ergebnis eines ständigen Kampfs gegen alle Formen von Opportunismus, wie sie im Milieu der nationalen Arbeiterbewegung vorherrschen. Ein solcher Kampf kann nur mit Hilfe eines internationalen Programms und einer internationalen Organisation geführt werden. Der Aufbau der Vierten Internationale ist die Grundlage und Voraussetzung für die politische und organisatorische Unabhängigkeit des Proletariats.

LO ersetzt das politische Kriterium durch ein soziologisches. Für sie bedeutet "politische Unabhängigkeit" die physische Verankerung im nationalen Arbeitermilieu. Der "Kampf gegen das Eindringen kleinbürgerlicher Ideologie" stellt sie als rein organisatorische, "physische" Aufgabe dar. So erklärte sie 1966 gegenüber dem Internationalen Komitee: "Unsere Organisation wurde gerade aus der Notwendigkeit geboren, uns physisch von der kleinbürgerlichen Umgebung mit ihren sozialdemokratischen Praktiken zu trennen, die die trotzkistischen Organisationen in Frankreich zu Beginn des Krieges ausmachten, um rekrutieren, erziehen und Kader bilden zu können, die leninistische und trotzkistische Organisationsprinzipien in der Praxis umsetzen können und sich nicht mit,bolschewistischen’ Phrasen zufrieden geben, die eine opportunistische Praxis abdecken." (3)

Die Internationale betrachtet LO dagegen als "lächerliches Spielchen", das politische Strömungen davon abhält, "sich in der Arbeiterklasse ihres Landes zu verankern", wobei sie unter "Arbeiterklasse" das Milieu der Gewerkschaften und der unteren Ränge der Kommunistischen Partei versteht. Im Namen der "politischen Unabhängigkeit des Proletariats" rechtfertigt sie so eine nationalistische Orientierung, die den politischen Auffassungen des Stalinismus wesentlich näher steht als denjenigen Trotzkis.

Trotzki hatte gegenüber den Lutte Ouvrières seiner Zeit kategorisch auf der Notwendigkeit einer internationalen Orientierung und einer internationalen Partei bestanden. Das war eine der wichtigsten Lehren, die er aus der Auseinandersetzung mit dem Stalinismus und seinem national-sozialistischen Programm gezogen hatte. "Der Internationalismus ist kein abstraktes Prinzip, sondern ein theoretisches und politisches Abbild des Charakters der Weltwirtschaft, der Weltentwicklung der Produktivkräfte und des Weltmaßstabes des Klassenkampfs", betonte er in "Die permanente Revolution". (4) Dieser Internationalismus findet seine organisatorische Entsprechung in der Vierten Internationale. Keine nationale Organisation kann eine revolutionäre Perspektive entwickeln und aufrecht erhalten, wenn sie nicht im Rahmen und unter der Disziplin einer internationalen Organisation arbeitet, auch wenn sie noch so lautstark den Internationalismus beschwört, betonte Trotzki immer wieder.

In einem Artikel über die britische Independent Labour Party, eine zentristische Partei, die ähnlich wie LO internationale Prinzipienfragen den taktischen Erfordernissen der nationalen Arbeit unterordnete, schrieb er: "Die Internationale ist zuallererst ein Programm, und ein System von strategischen, taktischen und organisatorischen Methoden, die daraus folgen [...] Ohne eine marxistische Internationale sind selbst die fortgeschrittensten nationalen Organisationen zu Beschränktheit, Schwankungen und Hilflosigkeit verdammt." (5)

Dasselbe unterstrich er später in einer Stellungnahme zur sogenannten Lee-Gruppe, die sich aus fraktionellen Gründen weigerte, ihre unabhängige Existenz aufzugeben und gemeinsam mit den anderen trotzkistischen Tendenzen in England der Vierten Internationale beizutreten: "Eine revolutionäre politische Gruppierung von ernstzunehmender Bedeutung kann nur auf der Grundlage großer Prinzipien erhalten und entwickelt werden. Nur die Vierte Internationale verkörpert und repräsentiert diese Prinzipien. Eine nationale Gruppe kann nur dann einen beständigen revolutionären Kurs einhalten, wenn sie mit ihren Gesinnungsgenossen auf der ganzen Welt fest in einer Organisation verbunden ist und ständig politisch und theoretisch mit ihnen zusammenarbeitet. Nur die Vierte Internationale ist eine solche Organisation. Alle rein nationalen Gruppierungen, all diejenigen, die internationale Organisation, Kontrolle und Disziplin ablehnen, sind ihrem Wesen nach reaktionär." (6)

Der Ursprung von Lutte Ouvrière

Die Lee-Gruppe rechtfertigte ihr Fernbleiben von der Vierten Internationale und ihr Festhalten an der organisatorischen Selbständigkeit unter anderem mit ihrer proletarischen Zusammensetzung und der Effektivität ihrer organisatorische Arbeit - Begründungen, die an die heutigen Argumente von LO erinnern. Bei LO sind aber selbst diese Gründe nachgeschoben. Als ihre Vorgängerorganisation 1939 mit den französischen Trotzkisten brach, spielten sie noch keine Rolle. Sie spaltete aufgrund rein subjektiver, engstirniger Cliqueninteressen.

LO führt ihren Ursprung auf einen Rumänen namens David Korner (alias Barta) zurück, der sich 1933 in Frankreich der Linken Opposition angeschlossen hatte und in den folgenden Jahren sowohl in Rumänien als auch in Frankreich aktiv war. 1939 verbot die Daladier-Regierung alle trotzkistischen Organisationen und kurz danach trennte sich Barta zusammen mit drei engen Freunden von der Parti Ouvrier Internationaliste, einer der beiden trotzkistischen Parteien, die damals in Frankreich existierten. Er tat dies "aus vollkommen unpolitischen Gründen", wie der langjährige LO-Führer Robert Barcia (alias Hardy) in seiner kürzlich erschienen Autobiografie bestätigt. (7) Er war fälschlicherweise beschuldigt worden, die Herausgabe eines Flugblatts verhindert zu haben, verließ darauf wutentbrannt eine Parteiversammlung und brach mit der Partei.

Erst ein Jahr später begann Barta den französischen Trotzkisten nationalistische Standpunkte vorzuwerfen. Angesichts der enorm schwierigen Bedingungen, unter denen diese arbeiteten - sie wurden von den Nazi-Besatzern und den Stalinisten verfolgt und waren trotzdem in der Résistance und unter deutschen Soldaten aktiv - können diese Vorwürfe kaum ernstgenommen werden. Sie erinnern stark an die ultralinken Argumente, mit denen der spanische Trotzkist Grandizio Munis 1942 das Verhalten von James P. Cannon und anderen Führern der Socialist Workers Party angriff, die in den USA wegen ihrer Opposition gegen den imperialistischen Krieg vor Gericht standen. (8)

Bartas Gruppe selbst entfaltete während dem Krieg kaum politische Aktivitäten. Eine ihrer Haupttätigkeiten bestand in der Durchführung von Lesezirkeln, in denen die Werke von Marx und Lenin studiert wurden. Hardy, der gegen Kriegsende mit der Gruppe Kontakt aufnahm, merkte anfangs gar nicht, dass er es mit Trotzkisten zu tun hatte, und hielt sie für Mitglieder der Kommunistischen Partei. Das bewahrte die Gruppe allerdings nicht vor stalinistischer Verfolgung. Kurz nach der Befreiung wurde ein Mitglied, Mathieu Bucholz, von Stalinisten entführt und ermordet.

Als sich die französischen Trotzkisten 1944 auf dem ersten europäischen Kongress der Vierten Internationale, der noch in der Illegalität stattfand, zu einer einheitlichen Organisation zusammenschlossen, verweigerte Barta die Teilnahme mit der Begründung, dass erst die nationalistischen Fehler aus der Zeit des Kriegsbeginns analysiert werden müssten, und gründete seine eigene Partei, die Union Communiste.

LO und das Internationale Komitee

Der immer wiederkehrende Einwand von LO gegen die Vierte Internationale lautet, diese sei von ihrer sozialen Zusammensetzung her kleinbürgerlich und stehe ihrer eigenen Verankerung in der Arbeiterklasse im Wege.

So erklärt LO in ihrer Broschüre zum 50. Jahrestag der Vierten Internationale: "Aber nicht die geringe Zahl war die hauptsächliche Schwäche der neuen Internationale, sondern das politische Profil der Mitglieder, die sie anzog, d.h. ihr sozialer und politischer Ursprung, ihre vergangenen Aktivitäten, ihre Beziehungen zur Arbeiterklasse und zur Arbeiterbewegung. [...] Die überwiegende Mehrheit waren ehemalige Intellektuelle, die eine politische Vergangenheit in den Reihen der Sozialdemokratie hatten, nicht aber in den Kommunistischen Parteien der Dritten Internationale." (9)

Diese Behauptungen sind inhaltlich falsch und politisch zynisch. Ähnliche Argumente ließen sich auch gegen Marx, Engels, Rosa Luxemburg, Lenin, Trotzki und viele andere Marxisten anführen, die ebenfalls ehemalige Intellektuelle waren. Die Vierte Internationale bestand vor allem aus Kadern, die ihren Zielen treu ergeben waren. Unter ihnen befanden sich - gerade in Frankreich, aber auch in den USA, in Ceylon und in vielen andern Länder - auch zahlreiche herausragende Mitglieder der Arbeiterklasse. Sie verfügte über keine Massenmitgliedschaft - ein Ergebnis der verheerenden Niederlagen, die der Stalinismus der Arbeiterklasse beigebracht hatte, einschließlich der Ermordung einer ganzen Generation von Revolutionären in den Moskauer Prozessen.

In Wirklichkeit gilt die Feindschaft von LO nicht der sozialen Zusammensetzung der Vierten Internationale, sondern dem unversöhnlichen Kampf gegen den Revisionismus, den diese und ihre heutige Verkörperung, das Internationale Komitee, geführt hat und weiterhin führt. Im Namen der physischen Abgrenzung vom Kleinbürgertum weigert sie sich, den ideologischen und politischen Druck zu bekämpfen, den der Imperialismus mittels kleinbürgerlicher Tendenzen auf die revolutionäre Partei ausübte. Das trat klar zutage, als sie 1966 als Beobachterin an der dritten Weltkonferenz des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in London teilnahm.

Die Gruppe von Barta war 1949 auseinandergebrochen und 1956 als Voix Ouvrière neu entstanden. (Den Namen Lutte Ouvrière nahm sie 1968 an, nachdem Voix Ouvrière - wie auch alle anderen trotzkistischen Organisationen - von der Regierung verboten worden war.) Die Arbeit von VO konzentrierte sich auf das Verteilung von Betriebszeitungen im Raum Paris. 1959 begann sie eine Zusammenarbeit mit der Parti Communiste Internationaliste, der französischen Sektion des Internationalen Komitees, die sich vorwiegend auf praktische Fragen beschränkte. Man stellte gemeinsame Betriebszeitungen her und verbreitete sie zusammen. Hardy, der die Gruppe nach dem Ausscheiden Bartas führte, berichtet in seiner Autobiografie, wie er Pierre Lambert, den Führer der PCI, regelmäßig in seinem Auto zu politischen Aktivitäten mitnahm. Man lieferte sich auch gemeinsame Abwehrschlachten gegen die Stalinisten, die für ihre Gewalttätigkeit berüchtigt waren.

1966 reiste dann eine Delegation von Voix Ouvrière zur Konferenz des Internationalen Komitees in London. Sie hatte sich zur Teilnahme entschlossen, weil sie fälschlicherweise annahm, das Internationale Komitee habe seiner eigenen Geschichte abgeschworen. "Wir glauben," erklärte die Delegation auf dem Kongress, "dass das Wichtigste und Positivste an der IK-Erklärung die Anerkennung der Tatsache ist, dass die Vierte Internationale nicht mehr existiert und neu aufgebaut werden muss. In letzter Analyse hat uns diese Anerkennung dazu gebracht, uns am Kongress zu beteiligen." (10)

Lamberts PCI war an diesem Irrglauben nicht unschuldig. Sie neigte im Laufe der sechziger Jahre in wachsendem Maße dazu, die Bedeutung des Kampfs gegen den Pablismus in Frage zu stellen. In der Auseinandersetzung mit der amerikanischen SWP, die sich 1963 mit den Pablisten vereinigte, hatte sie nur eine passive Rolle gespielt, und auch der Kampf gegen den Verrat in Ceylon führte in erster Linie die britische Sektion, die Socialist Labour League unter der Führung von Gerry Healy.

Von der PCI stammte auch die Formulierung " Wieder aufbau der Vierten Internationale", die VO derart attraktiv fand. Die tiefere Bedeutung dieser Formulierung besteht darin, dass sie eine allgemeine politische Amnestie verkündet. Wenn die Vierte Internationale gescheitert ist, dann sind auch die politischen Auseinandersetzungen, die sie geführt hat, belanglos und der Kampf gegen den Pablismus hat keine wirkliche Bedeutung. Alle haben Fehler gemacht, vergessen wir die vergangenen Differenzen und beginnen wir wieder bei Null!

VO vertrat auf dem Kongress explizit einen derartigen Standpunkt. "Der Pablismus in Form des Liquidatorentums war lediglich der vollendete Ausdruck des kleinbürgerlichen Opportunismus aller Sektionen der Internationale", erklärte sie. "Der Pablismus war nicht die Ursache des Scheiterns und Verschwindens der Vierten Internationale, sondern ihr Ergebnis." (11) Nur drei Jahre, nachdem sich die amerikanische SWP auf der Grundlage einer unkritischen Unterstützung Fidel Castros mit den Pablisten vereinigt hatte und zwei Jahre nach dem historischen Verrat in Ceylon (12) behauptete VO: "Die Bedeutung, die dem Pablismus beigemessen wird, ist reiner Bluff und keine ernsthafte Analyse." (13)

Hätte das Internationale Komitee diese Auffassung akzeptiert, wäre die unausweichliche Folge seine politische Entwaffnung und Liquidation gewesen. Der Kongress trat ihr entschieden entgegen. Auf Antrag der britischen Delegation bekannte er sich ausdrücklich zur Kontinuität der Vierten Internationale. Die zu diesem Zweck einberufene Kommission erklärte: "Die Konferenz bestätigt, dass die Vierte Internationale nicht degeneriert ist. Die historische Kontinuität der Vierten Internationale, die 1938 von Leo Trotzki gegründet, in den Jahren 1943 bis 1946 neu gebildet und 1950 bis 1953 durch einen Zerstörungsversuch des Pablismus angegriffen wurde, ist seit 1953 durch den Kampf der trotzkistischen Organisationen im Internationalen Komitee aufrecht erhalten worden. Im Ergebnis erklärt die Internationale Konferenz, dass die Kontinuität der Vierten Internationale durch das Handeln des Internationalen Komitees verteidigt und erhalten worden ist." (14)

VO verließ darauf den Kongress. Dem Kampf gegen den pablistischen Revisionismus wollte sie sich unter keinen Umständen anschließen. Hardy, der wegen der Teilnahme am Kongress seinen Arbeitsplatz aufgeben musste, grollt noch 37 Jahre später in seinen Erinnerungen: "Einmal mehr machten die anwesenden Gruppen, die zum Kongress eingeladen hatten, zum zigsten Mal dem Internationalen Sekretariat (von Pierre Frank) den Prozess. Der ‚Pablismus’ wurde für das Scheitern des Beamtenstreiks in Frankreich 1953 verantwortlich gemacht, für das Scheitern der revolutionären Kämpfe in den Ländern des Ostens, ganz zu Schweigen von den Kämpfen in den Kolonialländern. Alles war der Fehler Pablos. Und das Ganze ausgestattet mit angeblich theoretischen Überlegungen. Aber kein Wort zu den wirklichen Ursachen des Scheiterns der Vierten Internationale und der Unfähigkeit all ihrer Sektionen, in die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen einzugreifen." (15)

Der dritte Weltkongress beendete jede Form der Zusammenarbeit zwischen LO und dem Internationalen Komitee. Der frustrierte Hardy warf sich den Pablisten in die Arme, mit denen ihn seither eine, wie er schreibt, "längere und an Mikroereignissen reichere Geschichte verbindet" als mit dem Internationalen Komitee. Diese Geschichte sei voller "Brüche und Versöhnungen", wobei "für alle Versöhnungen wir verantwortlich waren, sie dagegen für fast jeden Bruch". (16)

1968 schlug LO den Pablisten Pierre Frank und Alain Krivine von der LCR erfolglos die Gründung einer Einheitspartei der extremen Linken vor. 1969 nahm sie als Beobachterin an einem Weltkongress des Vereinigten Sekretariats teil, in dessen Mittelpunkt der Vorschlag stand, in Lateinamerika eine ländliche Guerillataktik zu verfolgen. Offenbar lehnte sie diesen Kurs ab, was sie aber nicht daran hinderte, an zwei weiteren Kongressen des Vereinigten Sekretariats teilzunehmen und der LCR weitere Vereinigungsangebote zu unterbreiten sowie gemeinsame Aktivitäten mit ihr durchzuführen. Auch zur argentinischen MAS von Nahuel Moreno, der eine eigene Variante des pablistischen Opportunismus entwickelte, unterhielt LO Beziehungen, die erst mit Morenos Tod im Jahr 1987 endeten.

Die Geschichte von LO hat Trotzkis Warnung bestätigt, dass "all diejenigen, die internationale Organisation, Kontrolle und Disziplin ablehnen, ihrem Wesen nach reaktionär" sind. Ihr Antiinternationalismus, den sie mit der physischen Verankerung im Milieu der nationalen Arbeiterbewegung rechtfertigt, ihre Gleichgültigkeit gegenüber politischen und theoretischen Fragen und ihre Verachtung für den Kampf gegen Revisionismus und Pablismus treiben sie angesichts des Aufbrechens des Klassenkompromisses der Nachkriegszeit unweigerlich nach rechts.

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Anmerkungen - Einleitung

1) Leo Trotzki, "Zentrismus und die Vierte Internationale", in "Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-39", Band 2, S. 328

2) ebd.

3) Léon Trotsky, « Où va le P.S.O.P. », Oeuvres 20, Janvier-Mars 1939, p125-126

4) Marceau Pivert, « Tout est possible », Le Populaire, 27 mai 1936 (http://ensemble.snuipp.free.fr/index.php?
mode=dossiers&dossier=bibliotheque&filetype=pdf&filename=pivert36
)

5) Léon Trotsky, « Centrisme et Quatrième Internationale », Oeuvres 20, Janvier-Mars 1939, p241

6) ebd. p240

7) Mit der PT können wir uns im Rahmen dieser Serie nicht befassen.

Anmerkungen Teil 1

8) Mit der PT werden wir uns im Rahmen dieser Serie nicht befassen. Sie tritt kaum öffentlich in Erscheinung und steckt bis zum Hals in den alten Apparaten, deren Führungspersonal teilweise durch ihre Schule gegangen ist. Lionel Jospin und andere führende Vertreter der Sozialistischen Partei wurden in ihren Reihen ausgebildet. Außerdem unterhält sie enge Beziehungen zur Bürokratie der Gewerkschaft Force Ouvrière.

9) Der Briefwechsel wird in der theoretischen Zeitschrift von Lutte Ouvrière, Lutte de Classe No 75, Octobre 2003, dokumentiert (http://www.union-communiste.org/?FR-archp-
show-2003-1-505-2626-x.html).

10) "Nein zu Chirac und Le Pen! Für einen Boykott der französischen Wahlen! Ein offener Brief an Lutte Ouvrière, Ligue Communiste Révolutionnaire und Parti des Travailleurs" (http://www.wsws.org/de/2002/apr2002/boyk-a30.shtml)

11) « Protocole d'accord Lutte Ouvrière-Ligue Communiste Révolutionnaire pour la présentation de listes communes aux élections régionales et européennes » (http://www.union-communiste.org/?FR-archd-
show-2003-1-515-2747-x.html); « Profession de foi commune Ligue Communiste Révolutionnaire - Lutte Ouvrière pour les élections régionales » (http://www.union-communiste.org/?FR-archd-
show-2003-1-515-2746-x.html)

12) Leo Trotzki, "Wohin geht Frankreich?", Antwerpen 1936, S. 38-39

13) Eine ausführliche Analyse der Streikbewegung findet sich in: "Wie weiter in Frankreich?" (http://www.wsws.org/de/2003/jul2003/fran-j05.shtml)

Anmerkungen Teil 2

14) "Rassembler la gauche anticapitaliste" (http://www.lcr-rouge.org/appelanticap.pdf)

15) Leo Trotzki, "Das Übergangsprogramm", Essen 1997, S. 83

16) Siehe dazu: Lionel Jospin und der Trotzkismus, 23. Juni 2001 (http://www.wsws.org/de/2001/jun2001/josp-j23.shtml); OCI-Führer Lambert bestätigt Beziehungen zu Lionel Jospin, 9. November 2001 (http://www.wsws.org/de/2001/nov2001/josp-n09.shtml)

17) Edwy Plenel, Secrets de jeunesse, Èditions Stock 2001, p. 21-22

18) W.I. Lenin, "Staat und Revolution", August 1917

19) "Le pouvoir des travailleuses et travailleurs", Rouge 2043 11/12/2003

20) "Et la dictature du prolétariat ? », Rouge 2040 20/11/2003

21) Christian Picquet, "La République dans la tourmente. Essai pour une gauche à gauche », Syllepse 2003

22) Pierre-François Grond und François Sabado, "Révolution et République », Rouge 2051 12/02/2004

Anmerkungen Teil 3

23) "15th World Congress of the Fourth International\'94 by François Vercammen, International Viewpoint 349, May 2003 (http://www.3bh.org.uk/IV/Issues/2003/IV349/IV349%2006.htm)

24) Leo Trotzki, "Das Übergangsprogramm", Essen 1997, S. 132

25) "Role and tasks of the Fourth International", International Viewpoint 351/2, Summer 2003 (http://www.3bh.org.uk/IV/Issues/2003/IV3512/IV3512%2006.htm)

26) "A new world situation", International Viewpoint 351/2, Summer 2003 (http://www.3bh.org.uk/IV/Issues/2003/IV3512/IV3512%2002.htm)

27) Leo Trotzki, "Marxismus und Gewerkschaften", Essen 1976, S. 9

28) Leo Trotzki, "Die permanente Revolution", Essen 1993, S. 184

29) "Sectarianism, Centrism and the Fourth International", Writings of Leon Trotsky (1935-36), New York 1977, p. 154

30) ebd., p. 152

Anmerkungen Teil 4

31) Zitiert aus David North, "Das Erbe, das wir verteidigen", Essen 1988, S. 187

32) "Where is Pablo going?" by Bleibtreu-Favre, June 1951, in "Trotskyism versus Revisionism" vol. 1, London 1974, p. 54

33) David North, "Das Erbe, das wir verteidigen. Ein Beitrag zur Geschichte der Vierten Internationale", Essen 1988, insbesondere die Kapitel 13-18. Hier S. 193

34) Zitiert in "Das Erbe, das wir verteidigen", S. 195-196

35) Siehe Teil 3 dieser Serie

36) "Das Erbe, das wir verteidigen", S. 190-191

37) la vérité 583, p. 213

38) Zitiert in "Das Erbe, das wir verteidigen", S. 231, 240

Anmerkungen Teil 5

39) Daniel Jebrac, « Les portes étroites de la ‘libéralisation' et la construction du PT », Inprecor, n° 91, 15 décembre 1980

40) « XIe Congrès mondial de la IVe Internationale - novembre 1979 », Inprecor, numéro spécial

41) "Brazil: A popular victory", Resolution of the National Coordination of the Socialist Democracy tendency of the PT, International Viewpoint 346, December 2002/January 2003 (http://www.3bh.org.uk/IV/Issues/2002/IV346/IV346%2006.htm)

42) "Brazil: another economic model is possible", International Viewpoint 349, May 2003 (http://www.3bh.org.uk/IV/Issues/2003/IV349/IV349%2005.htm)

43) Ernesto Herrera, "Dilemma in der PT-Linken...", Inprekorr Nr. 384/385 (http://www.inprekorr.de/384-bras.htm)

44) "Erklärung der Tendenz ‚Sozialistische Demokratie' in der PT", 15. Dezember 2003, (http://www.die-welt-ist-keine-ware.de/isl/ds_heloisa.htm)

45) Antonio Andrioli, Hermann Dierkes, "Nach den Ausschlüssen der ParlamentarierInnen. Regierung Lula und PT vor entscheidendem Jahr" (http://www.die-welt-ist-keine-ware.de/isl/brasiliennachrichten.htm)

46) João Machado, "Brazil: nine months of Lula's government", International Viewpoint November 2003 (http://www.3bh.org.uk/IV/Issues/2003/IV354/IV354%2008.htm)

Anmerkungen Teil 6

47) « Motion : Elections 2004, pour des listes communes LO-LCR », Lutte de Classe No77, Décembre 2003 - Janvier 2004 (http://www.union-communiste.org/?
FR-archp-show-2003-1-515-2740-x.html)

48) David Walsh, "Frankreich im Aufstand. Sie Streikbewegung vom November/Dezember 1995", Arbeiterpresse Verlag 1996, S. 54-55, 60

49) "Ein Interview mit Arlette Laguiller", World Socialist Web Site, 10. Mai 2002 (http://www.wsws.org/de/2002/mai2002/lagu-m10.shtml)

50) Leo Trotzki, "Klasse, Partei und Führung", in "Revolution und Bürgerkrieg in Spanien", Band 2, Frankfurt am Main 1976, S. 342

51) « Les fondements programmatiques de notre politique », Lutte de Classe No77, Décembre 2003 - Janvier 2004 (http://www.union-communiste.org/?
FR-archp-show-2003-1-515-2735-x.html)

52) « Port du voile : une pression réactionnaire », Lutte Ouvrière n°1833 du 19 septembre 2003 (http://www.lutte-ouvriere-journal.org/article.php?
LO=1833&ARTICLE=2)

53) « Une loi pour interdire le port du voile ? », Lutte Ouvrière n°1838 du 24 octobre 2003 (http://www.lutte-ouvriere-journal.org/article.php?
LO=1838&ARTICLE=6)

54) « Irak : l'occupation alimente l'escalade intégriste », Lutte Ouvrière n°1862 du 9 avril 2004 (http://www.lutte-ouvriere-journal.org/article.php?
LO=1862&ARTICLE=35)

55) « Irak - La montée de l'intégrisme, sous-produit d'une sale guerre », Lutte Ouvrière n°1861 du 2 avril 2004, (http://www.lutte-ouvriere-journal.org/article.php?
LO=1861&ARTICLE=40)

Anmerkungen Teil 7

56) Cercle Léon Trotsky, « 50 ans après la fondation de la IVe Internationale », 1988, S. 28

57) « Les fondements programmatiques de notre politique », Lutte de Classe No77, Décembre 2003 - Janvier 2004 (http://www.union-communiste.org/?
FR-archp-show-2003-1-515-2735-x.html)

58) « Trotskyism versus revisionism », vol. 5, p. 70, London 1975

59) Leo Trotzki, « Die permanente Revolution », Essen 1993, S. 59

60) « Trotsky’s writings on Britain », volume 3, p. 112-113

61) « Documents of the Fourth International », New York 1973, p. 270

62) Robert Barcia alias Hardy, "La véritable histoire de Lutte ouvrière », Paris 2003, p84

63) Siehe David North, « Das Erbe, das wir verteidigen », Kapitel 5

64) « 50 ans après la fondation de la IVe Internationale », 1988, S. 19-20

65) « Trotskyism versus revisionism », vol. 5, p. 75, London 1975

66) ebd. p. 71

67) Siehe Teil 4 dieser Serie

68) « Trotskyism versus revisionism », vol. 5, S. 73

69) ebd. S. 30

70) Robert Barcia, op.cit. p200

71) ebd. p280

Siehe auch:

Die politischen Lehren aus den Präsidentschaftswahlen in Frankreich
(22. Mai 2002)

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