Im Bundestagswahlkampf positioniert sich der amtierende Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, als aggressivster Kriegstreiber. Nachdem er bereits Anfang Dezember erklärt hatte, Kiew als Kanzler auch Taurus-Marschflugkörper zu liefern, um Ziele tief im Inneren Russlands anzugreifen, fordert er im aktuellen Titel-Interview des Spiegel eine massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben, um deutsche „Machtpolitik“ zu betreiben.
„Nach Berechnungen von Experten sind in den nächsten Jahren etwa dreieinhalb Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung nötig,“ erklärt Habeck und fügt bekräftigend hinzu: „Das teile ich. Wir müssen fast doppelt so viel für unsere Verteidigung ausgeben.“ Und auf die Frage des Nachrichtenmagazins, ob dies „bezahlbar“ sei, erwidert er: „Ja, und es muss ja.“ Eine so „hohe Summe“ lasse sich am Ende „nur über Kredite vorfinanzieren“, aber natürlich müssten „die Kredite irgendwann getilgt werden“.
Das ist eine Kriegserklärung an die Bevölkerung. Die von Habeck ins Spiel gebrachte Zahl unterstreicht, dass die herrschende Klasse an der umfassendsten Aufrüstung seit Hitler arbeitet. Das Bundesfinanzministerium prognostiziert für dieses Jahr ein nominales Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 4.210 Milliarden Euro. 3,5 Prozent davon entsprächen einem Militärhaushalt von nahezu 150 Milliarden. Das käme keiner Verdopplung, sondern fast einer Verdreifachung des regulären jährlichen Militärhaushalts gleich. Ohne das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen Bundeswehr liegt dieser aktuell bei knapp 52 Milliarden.
Die Summe ist gigantisch. Sie entspricht fast dem gesamten Sozialhaushalt (175,67 Milliarden Euro im Jahr 2024), dem Siebenfachen des Bildungshaushalts (21,49 Milliarden Euro) oder dem Neunfachen des in den vergangenen Jahren bereits massiv zusammengestrichenen Gesundheitshaushalts (16,71 Milliarden Euro) für das Jahr 2024. Wenn Habeck betont, dass die Kredite „natürlich getilgt“ werden müssen, sagt er nichts anderes, als dass von den Resten des Sozialstaats am Ende nichts mehr übrigbleiben wird.
Wenn der grüne Kanzlerkandidat die massive Aufrüstung mit dem „Schutz des Friedens“ und der „Sicherheit dieses Landes“ begründet, ist das die übliche Propaganda. Er lässt nämlich im Interview keinen Zweifel daran, dass es in Wirklichkeit um die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Großmachtpolitik geht, um die Durchsetzung der Interessen des deutschen Imperialismus auch mit militärischer Gewalt.
Es gebe „massive geopolitische Machtverschiebungen“, erklärt Habeck und fügt drohend hinzu: „Nur wenn wir diese Dimension voll annehmen, können wir die Antworten geben, die nötig sind. Schluss mit Kindergarten.“ Deutschland müsse „sich noch mal neu erfinden, oder es wird keine Option mehr haben, sich neu erfinden zu können. Wenn wir uns nicht grundlegend ändern, werden wir in einer umkämpften Welt nicht mehr die Rolle spielen, die wir bislang gespielt haben.“ Man sei „jetzt schon zu sehr zurückgefallen“.
Als Gegner identifiziert Habeck vor allem Moskau und Peking. „Wir müssen die Sicherheitsfrage, vor allem das Verhältnis zu Russland und China, ganz anders ernst nehmen als in der Vergangenheit,“ mahnt er. Manche wünschten „sich noch immer, sie müssten nur mit den Fingern schnipsen, und alles wäre wieder so normal, wie es das schon unter Angela Merkel nicht mehr war. Aber die Politik der drei Affen – nichts hören, nichts sehen, nichts sagen – muss vorbei sein.“
Die SPD und die Unionsparteien, die sich mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) ebenfalls für mehr Aufrüstung und Sozialangriffe stark machen und dies mit einer aggressiven Hetze gegen Flüchtlinge verbinden, greift Habeck von rechts an. Als ein chinesisches Unternehmen einen Teil des Hamburger Hafens habe kaufen wollen, sei deutlich geworden, „dass wir bei der Einschätzung der Interessen Chinas auseinanderliegen“. Bundeskanzler Scholz hatte 2023 gegen Habecks Wirtschafsministerium durchgesetzt, dass der chinesische Staatskonzern Cosco 24,9 Prozent an einem Hamburger Containerterminal übernehmen durfte.
Und was die Union angeht, so hat sie aus Habecks Sicht „noch gar nicht realisiert, mit was für einer fundamentalen Machtverschiebung wir es gerade zu tun haben. Was daraus folgt: Wir müssen in dieser Welt Machtpolitik für die Demokratie machen.“
Dabei stellt Habeck im gleichen Atemzug klar, dass es ihm und den Grünen in Wirklichkeit nicht um „Demokratie“ oder andere hehre Werte geht, sondern um die Durchsetzung imperialistischer Interessen auch mit brutaler Gewalt. „Unser Handeln leitet sich natürlich aus unseren Werten ab. Aber die Welt ist keine, in der alle irgendwie das Gute wollen“, erklärt er zynisch. Und das wisse „niemand besser als Annalena Baerbock“.
In der Tat. Während Habeck mit dem Spiegel sprach, hofierte die amtierende grüne Außenministerin in Damaskus den neuen islamistischen Machthaber und al-Qaida-Terroristen Abu Mohammad al-Dschulani, um Deutschlands Interessen bei der Kontrolle und Aufteilung Syriens und des gesamten Nahen Ostens zu sichern.
Wenige Wochen zuvor hatte sie in einer Bundestagsrede offen die völkermörderischen Angriffe des israelischen Militärs auf Schulen und Krankenhäuser verteidigt und erklärt: „Selbstverteidigung bedeutet natürlich, dass man Terroristen nicht nur angreift, sondern zerstört… Wenn Hamas-Terroristen sich hinter Menschen, hinter Schulen verschanzen, dann kommen wir in ganz schwierige Bereiche. Aber wir ducken uns davor nicht weg. Deswegen habe ich vor den Vereinten Nationen deutlich gemacht: Dann können auch zivile Orte ihren Schutzstatus verlieren.“
Um Deutschlands neue imperialistische Machtpolitik auch im 21. Jahrhundert zu verfolgen, promoten die Grünen die gleichen Großmachtkonzeptionen, die bereits im 20. Jahrhundert in Weltkrieg und Barbarei führten.
Auf die Frage des Spiegel, ob Deutschland „militärische Führungsmacht in Europa werden“ müsse, reagiert Habeck mit Zustimmung und führt aus: „Insgesamt sollten die Nato-Staaten in der EU viel enger kooperieren und auch Großbritannien mit einschließen. Es wäre sinnvoll, wenn wir endlich eine gesamteuropäische Rüstungs- und Verteidigungspolitik organisieren würden.“ Auch Deutschland müsse sich dabei „in den Dienst einer europäischen Verteidigungspolitik stellen, um auch finanziell voranzugehen, inklusive einer gemeinsam finanzierten Beschaffung“. An anderer Stelle mahnt er, man müsse sich „bei der Verteidigung anders aufstellen“ und „unsere Armeen in einen verteidigungsfähigen Zustand versetzen“.
Es ist klar, dass die Errichtung einer bis an Zähne militarisierten und kriegstüchtigen EU unter dem Kommando Berlins auch darauf abzielt, die eigenen Interessen gegen die imperialistischen Verbündeten – allen voran die USA – durchzusetzen. Im Interview kritisiert Habeck den US-Oligarchen und Trump-Berater Elon Musk dafür, sich als „ausländischer Akteur“ in den deutschen Wahlkampf einzumischen, um mit der rechtsextremen AfD „die europafeindlichste Partei zu unterstützen“.
Er mache sich auch „Sorgen um die USA“ und wolle sich „nicht vorstellen, dass die älteste Demokratie der Neuzeit sich zu einem neofeudalen System entwickelt, einer Art Geldadel, in dem Milliardäre bald in der Regierung sind und ihren Einfluss nutzen, um Geschäftsinteressen zu verfolgen.“
Dazu sind zwei Dinge zu sagen. Habecks Ausführungen sind erstens nur eine schwache Beschreibung dessen, was in den USA tatsächlich stattfindet. Mit Trump errichtet die herrschende Klasse ein faschistisches Regime, das mit brutaler Gewalt die Interessen der kapitalistischen Oligarchie gegen die Bevölkerung durchsetzt. Und zweitens stellt der grüne Kanzlerkandidat selbst klar, dass er bereitsteht, mit diesem „neofeudalen Geldadel“ zu kollaborieren. Man müsse „nicht immer einer Meinung sein, um miteinander klarkommen zu können,“ beteuert er. „Ich werde alles dafür tun, dass wir eine gute Kooperation mit den USA haben, auch wenn es schwerer wird.“
Die WSWS hat in ihrer Neujahrsperspektive erklärt, der Charakter der neuen US-Regierung spiegele „eine brachiale Neuausrichtung des Staates wider, die dem Wesen der kapitalistischen Gesellschaft entspricht“. An der gleichen „Neuausrichtung“ arbeitet die herrschende Klasse hier. Sie plant über die vorgezogenen Bundestagswahlen eine extrem rechte Regierung an die Macht zu bringen, die die Interessen des deutschen „Geldadels“ brutal nach Außen und im Inneren durchsetzt. Habeck und die Grünen stehen bereit dafür und bringen damit einen langen, kontinuerlichen Prozess der Rechtsentwicklung zum Abschluss.
Auf die Frage, ob er heute nochmal den Wehrdienst verweigern würde, antwortet Habeck: „Nein. Heute würde ich zur Bundeswehr gehen… Ich hätte heute kein moralisches Argument mehr zu verweigern.“ Und auf die Bemerkung des Spiegel, dass er mit seiner Forderung nach 3,5 Prozent für Verteidigung, „Probleme mit [seiner] Partei bekommen“ dürfte, erwidert er: „Das glaube ich nicht, in der Partei ist das Konsens. Wir müssen viel mehr für unsere Verteidigung ausgeben.“
Habecks Interview und seine Einschätzung der eigenen Partei als monolithischer Block für Aufrüstung und Krieg werfen ein Schlaglicht auf den extrem rechten Charakter der Grünen, der in ihrer DNA bereits bei der Parteigründung im Jahr 1980 angelegt war, obwohl sie sich damals noch „links“ und „pazifistisch“ gaben.
Die Arbeiterklasse und eine sozialistische Perspektive lehnten die Grünen immer vehement ab. Stattdessen stützten sie sich auf die anti-marxistischen Konzeptionen der Frankfurter Schule und der Postmoderne sowie auf unterschiedliche Spielarten der Identitätspolitik. Bereits als sie als Teil der SPD-geführten Schröder-Regierung zwischen 1998 und 2005 das erste Mal Regierungsverantwortung auf Bundesebene übernahmen, brachten sie im Kosovo und in Afghanistan die ersten deutschen Kampfeinsätze seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf den Weg. Zwei Jahrzehnte später können sie ihre Lust an Aufrüstung und Krieg kaum mehr kontrollieren.
Hinter dieser Entwicklung stehen fundamentale gesellschaftliche und politische Prozesse. In seinem 2020 im Mehring Verlag erschienenen Buch „30 Jahre Krieg“ schreibt David North im Text „Nach dem Blutbad: Politische Lehren aus dem Balkankrieg“, der ursprünglich 1999 auf der World Socialist Web Site erschien:
Seit dem Börsenboom, der Anfang der 1980er Jahre einsetzte, haben sich die gesellschaftlichen Strukturen und Klassenbeziehungen in den kapitalistischen Ländern stark verändert. Ständig steigende Aktienkurse und insbesondere deren Explosion seit 1995 haben einem bedeutenden Teil der Mittelschicht, vor allem im akademischen Milieu, einen Reichtum beschert, den sie sich zu Beginn ihrer Karriere nie hätten träumen lassen.
Wenn sich Habeck nun als bester deutscher Kriegskanzler positioniert, geht es um die Verteidigung dieser Vermögen, die seitdem in astronomische Höhen geschnellt sind. Auf die extreme soziale Polarisierung reagieren die wohlhabenden Mittelschichten, die die Grünen wie keine andere Partei repräsentieren, mit ihrer vollständigen Verwandlung in skrupellose Militaristen und Kriegstreiber im Interesse der kapitalistischen Oligarchie.