Feministische Außenpolitik in Aktion: Baerbock trifft al-Qaida Terroristen in Syrien

Als die grüne Außenministerin Annalena Baerbock im März 2023 ihre „Leitlinien für eine feministische Außenpolitik“ vorstellte, schrieben wir, bei diesem so absurden wie reaktionären Projekt gehe es „letztlich um die Durchsetzung geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen“. Notfalls auch in „enger Zusammenarbeit mit den reaktionärsten Regimen der Welt“.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot (rechts) treffen den HTS-Führer Abu Mohammad al-Dscholani (Mitte) am 3. Januar in Damaskus [AP Photo/SANA]

Baerbocks jüngste Auslandsreise nach Syrien war in dieser Hinsicht ein neuer Höhepunkt. In Damaskus traf sie am Freitag auf Vertreter des neuen islamistischen HTS-Regimes und dessen Führer Abu Mohammad al-Dscholani (bürgerlicher Name Ahmed al-Scharaa). Al-Dscholani als reaktionär zu bezeichnen, wäre eine Beschönigung. Dscholani ist der frühere Emir der al-Nusra-Front, die zunächst mit dem Islamischen Staat und anschließend mit al-Qaida verbunden war. Von den UN wurde sie 2013 als terroristische Organisation eingestuft.

Im gleichen Jahr verkündete al-Dschulani in einer Videobotschaft: „Die Söhne der al-Nusra-Front schwören Scheich Ayman al-Zawahiri die Treue.“ Al-Zawahiri war seit der Ermordung Osama bin Ladens durch US-Spezialkräfte 2011 der Führer von al-Qaida. Er unterstützte al-Dscholani in der Folge mit Kämpfern und Waffen, die al-Nusra für mörderische Terroranschläge nutzte.

Im Oktober 2013 beschrieb Human Rights Watch in einem Bericht, wie die al-Nusra-Front zusammen mit anderen bewaffneten Oppositionsgruppen vom 4. bis 18. August 2013 in ländlichen Gegenden des syrischen Gouvernements Latakia Massaker organisierte, bei denen mindestens 190 Zivilisten getötet und über 200 als Geiseln genommen wurden. Mindestens 67 seien in der Operation in der Nähe von Alawiten-Dörfern hingerichtet worden.

2015 veröffentlichte al-Nusra ein Video mit dem Titel „The Heirs of Glory“ (Die Erben des Ruhmes), das alte Tonaufnahmen von Osama bin Laden enthielt, darunter seine Ankündigung aus dem Jahr 1998: „So wollen wir die islamische Nation anstacheln, damit sie sich erhebt, um ihre Länder zu befreien und den Dschihad auf dem Weg Allahs zu führen und das Gesetz Allahs zu etablieren, damit das Wort Allahs die Oberhand gewinnt.“ Das Video verherrlichte auch die Anschläge vom 11. September.

In einem Bericht von Amnesty International vom Juli 2016 wurde al-Nusra der Folter, Kindesentführung und standrechtlichen Hinrichtung beschuldigt. So hätten al-Nusra-Kämpfer im Dezember 2014 eine Frau wegen des Vorwurfs des Ehebruchs hingerichtet und Frauen, denen außereheliche Beziehungen vorgeworfen wurden, zu Tode gesteinigt. Insgesamt haben sie „die Scharia streng ausgelegt und bei vermeintlichen Verstößen Strafen verhängt, die Folter oder andere Misshandlungen gleichkommen“, so der Bericht.

Hinzu kommen zahlreiche Terroranschläge, die al-Nusra in syrischen Großstädten, darunter Damaskus, Aleppo und Homs verübte und die jeweils mehrere Dutzend Tote forderten. Der Terror von al-Dscholanis Kämpfern war so massiv, dass die US-Regierung auch die aus der al-Nusra-Front hervorgegangene HTS (Haiat Tahrir al-Scham – Organisation zur Befreiung der Levante) als ausländische Terrororganisation einstufte und auf al-Dscholani selbst ein Kopfgeld von 10 Millionen US-Dollar aussetzte.

Mittlerweile haben die USA das Kopfgeld zurückgezogen und westliche Offizielle wie Baerbock und ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot pilgern im Auftrag der EU nach Damaskus, um den Dschihadisten ihre Aufwartung zu machen. Die Gründe dafür sind offensichtlich. „Sie alle glauben, sie könnten HTS als eine Art Subunternehmer nutzen, um ihre geostrategischen Ziele in dem vom Krieg verwüsteten Land durchzusetzen“, schrieben wir in einer Analyse.

Berlin tut sich bei der Verharmlosung der Islamisten besonders hervor, um den deutschen Einfluss bei der imperialistischen Unterjochung Syriens und des gesamten Nahen Ostens nach dem Fall des Assad-Regimes zu sichern. „Wir wissen, wo die HTS ideologisch herkommt, was sie in der Vergangenheit getan hat. Wir hören und sehen aber auch den Wunsch nach Mäßigung und nach Verständigung mit anderen wichtigen Akteuren“, erklärte Baerbock in einem Statement. Man werde „die HTS weiter an ihren Taten messen“, dürfe aber „jetzt nicht die Chance verstreichen lassen, die Menschen in Syrien an diesem wichtigen Scheideweg zu unterstützen“.

Tatsächlich entwickeln sich in Syrien bereits kurz nach der Machtübernahme der Islamisten Massenproteste gegen die HTS. Vor allem die religiösen und konfessionellen Minderheiten sehen die Dschihadisten als Bedrohung. Medienberichten zufolge haben seit der Machtübernahme der HTS die Anzahl von Hausdurchsuchungen, Plünderungen, Belästigungen von Frauen und Hinrichtungen zugenommen, besonders in mehrheitlich von Alawiten bewohnten Gebieten.

All dies hielt Baerbock nicht davon ab, al-Dscholani auf das freundlichste zu begrüßen – auch wenn dieser ihr als Frau den blutigen Handschlag demonstrativ verweigerte. In einem Interview auf ihrer Rückreise stellte Baerbock jedoch zufrieden fest, dass sie mit dem Islamisten in ihrem „langen und intensiven Gespräch“ auch über „Frauenrechte“ gesprochen habe. Zudem sei die neue syrische Zentralbankchefin eine Frau.

Baerbocks Schulterschluss mit den vermeintlich geläuterten HTS-Terroristen geht einher mit ihrer Unterstützung des israelischen Netanjahu-Regimes, das einen Genozid an den Palästinensern verübt und nun auch Teile Syriens bombardiert, und der Nato-Kriegseskalation gegen Russland. Fast zwei Jahre nach der Veröffentlichung der Leitlinien ist klar, was feministische Außenpolitik im Kern bedeutet: imperialistischer Terror, Massenmord und Krieg.

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