Politik und Medien reagieren auf die Wahl Donald Trumps in den USA, indem sie auch hier in Deutschland immer aggressiver den Faschismus normalisieren. Zum Jahreswechsel veröffentlichte die einflussreiche Welt am Sonntag einen Gastbeitrag des hunderte Milliarden Euro schweren US-Oligarchen und Trump-Parteigängers Elon Musk mit der Überschrift „Warum Elon Musk auf die AfD setzt“.
In dem Artikel, der ganz offen Wahlpropaganda für die Faschisten betreibt, schreibt Musk: „Deutschland steht an einem kritischen Punkt – seine Zukunft taumelt am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs.“ Nur die AfD könnte Deutschland „davor bewahren, ein Schatten seines früheren Selbst zu werden. Sie kann das Land in eine Zukunft führen, in der wirtschaftlicher Wohlstand, kulturelle Integrität und technologische Innovation nicht nur Wunschvorstellungen, sondern Realität sind.“
Im Zentrum von Musks Kommentar steht die Forderung nach einer uneingeschränkten wirtschaftlichen Deregulierung, die er mit mit dem Programm der AfD assoziiert, tatsächlich aber von allen Regierungsparteien geteilt wird. Die AfD habe „verstanden, dass wirtschaftliche Freiheit nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist“, schreibt Musk. „Ihr Ansatz zum Abbau staatlicher Überregulierung, zur Steuersenkung und zur Deregulierung des Marktes“ spiegele „die Prinzipien wider“, die seine eigenen Unternehmen wie Tesla und SpaceX „erfolgreich gemacht“ hätten.
Während Musk in den letzten Jahren ein Vermögen von fast 500 Milliarden zusammengerafft hat, bedeutet dieser „Erfolg“ für die Tesla-Arbeiter, sich unter üblen Ausbeutungsbedingungen sprichwörtlich zu Tode zu schuften.
Die World Socialist Web Site hat Trumps Präsidentschaft als „eine gewaltsame Neuausrichtung des amerikanischen politischen Überbaus“ definiert, „die den wirklichen gesellschaftlichen Verhältnissen in den Vereinigten Staaten entspricht“. Die herrschende Klasse in den USA setzt auf den Faschisten Trump, um ihr Programm von sozialer Konterrevolution, Massenabschiebungen, Diktatur und Weltkrieg im Interesse der Oligarchie voranzutreiben.
Eine entsprechende Entwicklung findet auch hier statt. Die herrschende Klasse in Deutschland verfolgt mit der vorgezogenen Bundestagswahl das Ziel, eine extrem rechte Regierung vorzubereiten, die die Interessen des deutschen Kapitals brutal nach Außen und Innen durchsetzt. Die Veröffentlichung von Musks Wahlwerbung für die AfD durch eines der Flaggschiffe der Springerpresse und die Reaktionen in Politik und Medien darauf, machen das deutlich.
Zahlreiche Medienkommentare preisen ganz offen Musk und verteidigen die Entscheidung der Welt und damit auch die Wahlwerbung für die AfD. Ein Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bezeichnet die Kritik an der „‘Einmischung’ Elon Musks in die deutsche Politik“ als „Murks über Musk“. Abgesehen „von seinen X-Flegeleien“ habe dieser „ganz gut auf den Punkt gebracht“, was „im deutschen Wahlkampf zu sagen ist“.
In einem Begleitkommentar der Welt am Sonntag selbst preist der neue Chefredakteur der Welt, Jan Philipp Burgard, Musk als „das größte unternehmerische Genie unserer Zeit“. Musks „Diagnose“ sei zwar „korrekt, doch sein Therapieansatz, nur die AfD könne Deutschland retten“, „fatal falsch“. Als Grund nennt Burgard nicht etwa das faschistische Programm der AfD, mit dem er im Kern übereinstimmt, sondern ihre mangelnde Aggressivität gegenüber Russland und China.
„Forderungen wie Bürokratieabbau, Deregulierung und Steuersenkungen sind nicht falsch, nur weil sie von der AfD kommen“, schreibt Burgard. Doch Musk scheine „den geopolitischen Rahmen zu übersehen, in dem die AfD Deutschland positionieren will.“ Sie suche „die Annäherung an Russland“ und finde „auch für China… freundlichere Worte als für die USA“.
Wenn deutsche Politiker Musks Ausfälle auf X gegen Regierungsvertreter kritisieren – u.a. nannte er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) einen „antidemokratischen Tyrannen“ – tun sie das von einem ähnlichen Standpunkt. So forderte etwa der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich die Bundesregierung auf, nach Trumps Amtsantritt zu klären, „ob die wiederholten Respektlosigkeiten, Diffamierungen und Einmischungen in den Wahlkampf auch im Namen der neuen US-Regierung geäußert wurden“. Darüber brauche man „Klarheit“, da die „internationalen Herausforderungen nur in einem unbelasteten Verhältnis zwischen uns und den USA angegangen werden können“.
Das ist unmissverständlich: trotz wachsender transatlantischer Spannungen und Trumps Drohungen mit Handelskriegsmaßnahmen auch gegen Deutschland und Europa sucht die herrschende Klasse – zumindest momentan – das Bündnis mit dem US-Faschisten, um die Kriegspolitik gegen Russland und weltweit zu eskalieren und die Interessen des deutschen Imperialismus durchzusetzen. Es ist genau diese Politik, die letztlich die Errichtung eines autoritären Regimes und die Rehabilitierung des Faschismus in Deutschland selbst erfordert.
Im aktuellen Leitartikel des Spiegel beklagt der Chefredakteur des Magazins, Dirk Kurbjuweit, Deutschland sei im abgelaufenen Jahr „geschrumpft“. Es könne „sich kaum noch Mittelmacht nennen“ und befinde „sich auf dem Weg zum Zwerg der Weltpolitik“. In „diesem Befund“ liege „die wesentliche Aufgabe für die neue Bundesregierung, die im Frühjahr ihr Amt antreten wird. Eine Wende zum Wachstum muss her, wirtschaftlich wie politisch.“
Als einen „der wesentlichen Gründe“ für die „Verzwergung“ Deutschlands macht Kurbjuweit „eine krude Mischung aus Geschichtsversessenheit und Geschichtsvergessenheit“ aus. „Die Historie“ diktiere „hierzulande die Politik stärker als anderswo, was vielfach zu einer Selbstfesselung“ führe.
So werde etwa „die mangelhafte Versorgung der Ukraine mit weitreichenden Waffen… auch damit begründet, dass Nazideutschland die Sowjetunion überfallen und verheert hat. Deshalb dürften deutsche Raketen nicht in Moskau einschlagen.“
Analog zur von FDP-Chef Christian Lindner ausgegebenen und von den Medien begierig aufgegriffenen Parole, „mehr Musk wagen“, könnte man Kurbjuweits Kommentar mit „mehr Hitler wagen“ überschreiben. Was Deutschland fehle seien „kühle, durchdachte Strategien, grand strategies, für die wesentlichen Politikfelder“. Die kommende Bundesregierung „sollte sich, neben der inneren Sicherheit, auf das nachhaltige Wachstum und Deutschlands Stellung in der Welt konzentrieren.“
Dass der Ruf nach eine größeren Rolle Deutschlands in der Welt und der damit verbundenen Zeitenwende in der Innen- und Sozialpolitik ausgerechnet von Kurbjuweit kommt, unterstreicht, dass die Hinwendung der herrschenden Klasse zu Weltkrieg und Faschismus seit längerem bewusst vorbereitet wurde. Es war Kurbjuweit, der kurz nachdem Vertreter der damaligen Großen Koalition auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 das Ende der militärischen Zurückhaltung ausgerufen hatten, den berüchtigten Essay „Der Wandel der Vergangenheit“ im Spiegel publizierte.
Kurbjuweit griff darin den Historiker Fritz Fischer an, der in seinem Werk „Griff nach der Weltmacht“ akribisch aufgezeigt hatte, dass das Deutsche Reich einer der zentralen Verursacher des Ersten Weltkriegs war. Fischers Ausführungen seien „im Prinzip hanebüchen“, zitierte er den mittlerweile emeritierten Humboldt-Professor Herfried Münkler.
Mit Blick auf die deutschen Verbrechen im 2. Weltkrieg führte Kurbjuweit den 2016 verstorbenen Nazi-Apologeten Ernst Nolte in die Diskussion ein. Dieser hatte bereits im Historikerstreit in den 1980er Jahren erklärt, der Holocaust sei eine gerechtfertigte Reaktion auf die Sowjetunion gewesen. Den Berliner „Historiker“ und Nolte-Anhänger Jörg Baberowski zitierte Kurbjuweit wie folgt: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“
Etwas mehr als elf Jahre nach dieser abstoßenden Verharmlosung Hitlers und des Nationalsozialismus haben sich die damaligen Warnungen der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) und ihrer Jugendorganisation IYSSE voll bestätigt. Die Verharmlosung der historischen Verbrechen des deutschen Imperialismus diente der Rückkehr zu einer imperialistischen Weltkriegspolitik und der Errichtung eines faschistischen Regimes, um die Pfründe der kapitalistischen Oligarchie gegen die wachsende Opposition in der Arbeiterklasse zu verteidigen.
Es ist klar, dass diese Entwicklung enorme Klassenkämpfe auf die Tagesordnung setzt. Die kurz vor Weihnachten zwischen Politik, Management und Gewerkschaftsbürokratie vereinbarten Massenentlassungen von 35.000 Arbeitern und Lohnkürzungen von fast 20 Prozent bei Volkswagen sind nur der Auftakt von einem regelrechten Krieg gegen die Arbeiterklasse, der darauf abzielt alle noch verbliebenen sozialen Errungenschaften zu zerschlagen.
„Die entscheidende Frage besteht darin“, die massenhafte Opposition die sich dagegen entwickelt, „mit einer revolutionären Führung und einer sozialistischen Perspektive zu bewaffnen“, betont der Wahlaufruf der SGP. „Nur wenn die Massen unabhängig ins politische Geschehen eingreifen, die großen Banken und Konzerne enteignen und unter demokratische Kontrolle stellen, können Krieg und soziale Katastrophe gestoppt werden.“