Nach dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA rückt auch die Europäische Union weiter nach rechts. Am Mittwoch bestätigte das Europäische Parlament die neue EU-Kommission, ein Bündnis von Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten mit der rechtsextremen EKR-Fraktion, in der die Fratelli d’Italia der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni und die polnische PiS von Jarosław Kaczyński den Ton angeben.
Die immer wieder beschworene „Brandmauer“ gegen rechts hat sich damit endgültig als Schwindel entpuppt. Die Rechtsextremen werden gebraucht, um die Eskalation des Ukrainekriegs, die militärische Aufrüstung, die Reorganisation der Wirtschaft und die damit verbundenen Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse voranzutreiben, die das Programm der neuen Kommission ausmachen.
Der Abstimmung vom Mittwoch war ein monatelanges Tauziehen vorangegangen, bei dem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber, die führende Rolle spielten. Von der Leyen bestand darauf, dem Meloni-Vertrauten Raffaele Fitto eine herausragende Position in der neuen Kommission einzuräumen. Die hat er nun bekommen. Das Mitglied der faschistischen Fratelli d’Italia ist für den milliardenschweren Regionalfonds zuständig und einer von sechs Vizepräsidenten.
Vor allem die Sozialdemokraten und die Grünen fürchteten, die offene Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen werde sie weiter diskreditieren. Sie hatten von der Leyen im Juli mit ihren Stimmen zu einer zweiten Amtszeit verholfen und dies unter anderem damit begründet, die Rechtsextremen so von der Macht fernzuhalten. Die Abgeordneten der Fratelli d’Italia hatten von der Leyen damals nicht unterstützt.
Es bedurfte schließlich eines Machtworts des sozialdemokratischen spanischen Regierungschefs Pedro Sánchez, um Fitto zum Durchbruch zu verhelfen. Sánchez zwang die spanische Vorsitzende der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, Iratxe García Pérez, ihren Widerstand gegen Fitto aufzugeben. Als Gegenleistung gaben die Konservativen ihre Blockade der spanischen Kommissarin Teresa Ribera auf, die nun ebenfalls einen Vizepräsidentenposten bekommt und für Wettbewerb und grünen Wandel zuständig ist.
Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale unterzeichneten eine gemeinsame Vereinbarung, die drei Kriterien für die Zusammenarbeit mit anderen Parteien festlegt: Rechtstaatlichkeit, Befürwortung der EU und Unterstützung der Ukraine. Maßgeblich ist nur das letzte Kriterium. Da Meloni die Nato-Offensive gegen Russland unterstützt, erfüllt sie die Kriterien, auch wenn sie das politische und kulturelle Leben Italiens nach ihren faschistischen Vorstellungen umkrempelt.
Aufgrund der Vereinbarung passierten auch sechs weitere designierte Kommissare die Fachausschüsse des Parlaments, von denen sie bisher blockiert worden waren. Darunter auch der Ungar Olivér Várhelyi, ein enger Vertrauter von Regierungschef Viktor Orbán, der nun in der Kommission für Gesundheit und Tierschutz zuständig ist.
Orbáns Partei Fidesz ist Mitglied der drittgrößten Fraktion im Europaparlament, Patrioten für Europa (PfE), der auch das französische Rassemblement National, der belgische Vlaams Belang, die niederländische Partij voor de Vrijheid von Geert Wilders, die österreichische FPÖ, die italienische Lega, die spanische Vox und die portugiesische Chega angehören.
Von der Leyen und Weber arbeiten seit langem mit den italienischen Faschisten zusammen. Weber hatte Melonis Rechtsbündnis bereits im Wahlkampf 2022 unterstützt und trotz ihrer faschistischen Wurzeln für den Eintritt der Fratelli in die konservative EVP geworben.
Von der Leyen hat bei der Abschottung Europas gegen Flüchtlinge eng mit Meloni zusammengearbeitet und ein enges, freundschaftliches Verhältnis zu ihr entwickelt. Im Juli 2023 fuhren die beiden zusammen mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte nach Tunesien, um ein Migrationsabkommen mit dem autoritären Herrscher Kais Saied zu vereinbaren.
Wichtigste Ziele der neuen Kommission sind die Eskalation des Kriegs gegen Russland und die militärische Aufrüstung. Von der Leyen betonte dies am Mittwoch noch einmal, als sie im Parlament um Zustimmung warb.
Sie drängte auf höhere Verteidigungsausgaben. Russland gebe bis zu neun Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus, die EU hingegen nur 1,9 Prozent, behauptete sie. „An dieser Gleichung ist etwas falsch, unsere Verteidigungsausgaben müssen steigen.“ Die Rüstungsindustrie müsse gestärkt und gemeinsame europäische Verteidigungsprojekte müssten entwickelt werden. Im Gespräch sind zusätzliche Ausgaben von 500 Milliarden Euro verteilt über zehn Jahre.
Von der Leyen hat eigens den Posten eines neuen Kommissars für Verteidigung geschaffen, um die Aufrüstung voranzutreiben. Zuständig ist der frühere Regierungschef Litauens Andrius Kubilius, ein übler Kriegshetzer, der in Russland als Persona non grata gilt. Nach dem rechten Putsch in der Ukraine war Kubilius Berater des damaligen pro-westlichen Präsidenten Petro Poroschenko.
Auch das Amt der EU-Außenbeauftragten geht an eine kompromisslose Kriegsbefürworterin aus den baltischen Staaten. Die ehemalige estnische Regierungschefin Kaja Kallas übernimmt es vom Spanier Josep Borrell. Kallas und Kubilius sollen innerhalb von hundert Tagen ein Strategiepapier vorlegen.
Ein weiteres zentrales Projekt der neuen Kommission ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im eskalierenden globalen Handelskrieg, was in der Praxis eine schärfere Ausbeutung der Arbeiterklasse bedeutet. Hier soll der frühere französische Außenminister und Vertraute von Präsident Macron, Stéphane Séjourné, als Industriekommissar eine Schlüsselrolle spielen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der Green Deal, den von der Leyen zu Beginn ihrer ersten Amtszeit vollmundig verkündet hatte, wird zurückgefahren. Die Konservativen, die 15 der 26 Kommissare stellen – fünf gehen an die Liberalen, vier an die Sozialdemokraten und zwei an die Rechtsextremen – waren schon in ihrem Wahlprogramm für eine Abkehr vom Verbot des Verbrennermotors und von anderen Umweltschutzmaßnahmen eingetreten, die nicht im Profitinteresse der Wirtschaft sind.
Die EU-Kommission reagiert auf die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus und auf seine Drohungen mit Importzöllen, Handelskriegsmaßnahmen und militärischer Gewalt wie kapitalistische Regierungen auf der ganzen Welt: Sie biedert sich an, rüstetet auf und greift die Arbeiterklasse an. Deshalb werden Meloni und ihre Faschisten mit offenen Armen in der EU-Kommission aufgenommen.
Meloni steht nicht nur weit rechts, sie verfügt neben Viktor Orbán von allen europäischen Regierungschefs auch über die besten Verbindungen zu Trump und seiner faschistischen Entourage.
Multimilliardär Elon Musk war 2023 Stargast beim politischen Festival der Fratelli d’Italia und lobte Meloni überschwänglich für ihre brutale Migrationspolitik. Als sie 2024 den „Global Citizen Award“ des Atlantic Council erhielt, hielt Musk auf ihren Wunsch die Laudatio. Sie bezeichnete ihn als „unglaubliches Genie“. Trumps damaligen Chefideologen Steve Bannon hatte Meloni bereits 2018 auf dem jährlichen Politfest ihrer Partei begrüßt.
Es ist bezeichnend, dass alle sogenannten „Parteien der Mitte“ für die rechte Kommission gestimmt haben, auch wenn es, wie im Europaparlament üblich, Abweichungen vereinzelter Abgeordneter gab. Neben den Christdemokraten, Liberalen und Sozialdemokraten und der rechtsextremen EKR gilt das auch für die Grünen, die selbst keinen Kommissar stellen.
Die deutsche Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Terry Reintke, kritisierte zwar das Bündnis mit den Rechtsextremen sowie die Ernennung Fittos zum Vizepräsidenten, stimmte aber trotzdem für die Kommission. Leicht falle ihr das nicht, sagte sie der ARD, aber bei der Wahl gehe es auch darum, die Handlungsfähigkeit der EU zu sichern. Außerdem habe von der Leyen versprochen, ihre Mehrheiten in der Mitte des Parlaments zu suchen.
Deutlicher kann man den eigenen Opportunismus und politisch reaktionären Charakter der Grünen nicht demonstrieren. Angesichts wachsender internationaler Spannungen und Klassenkonflikte rücken alle kapitalistischen Parteien enger zusammen und gemeinsam nach rechts.