StuPa der HU verabschiedet IYSSE-Antrag gegen staatliche Angriffe auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit

Am Montagabend vor zwei Wochen verabschiedete das Studierendenparlament (StuPa) der Humboldt Universität Berlin eine von den International Youth and Social Equality (IYSSE) eingebrachte Resolution mit dem Titel „Verurteilung des Angriffs auf die Wissenschaftsfreiheit durch das Bundesbildungsministerium“.

Die Resolution „verurteilt die Einschüchterungsversuche des Bundesbildungsministeriums gegen die Unterzeichnenden des offenen Briefs ‚Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten‘ [...]. Der Brief verurteilt die Polizeigewalt gegen Studierende an der FU Berlin, die friedlich gegen das Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza protestierten.“

Brutaler Polizeieinsatz an der FU [AP Photo/Markus Schreiber]

Die Resolution fordert „die sofortige Beendigung sämtlicher staatlicher Drohungen gegen Dozierende, ein Verbot von Polizeieinsätzen auf dem Campus und ein Ende jeglicher Repression gegen kritische Studierende“. Weiter heißt es darin:

Das Studierendenparlament begrüßt den Rücktritt der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung und fordert das BMBF in der kommenden Zusammensetzung auf, die Vorgänge der letzten Monate vollumfänglich aufzuklären. Hierfür ist auch eine Aufhebung des Äußerungsverbots für die ehemalige Staatsekretärin Sabine Döring unausweichlich.

Recherchen des öffentlich-rechtlichen NDR und des Magazins Der Spiegel hatten im Juni aufgedeckt, wie das FDP-geführte Bildungsministerium (BMBF) Schritte eingeleitet hatte, um kritischen Dozierenden Fördergelder für ihre Forschungsprojekte zu kürzen oder zu entziehen und sie strafrechtlich verfolgen zu lassen. Ihr Vergehen: Sie hatten das demokratische Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit von kritischen, pro-palästinensischen Studierenden verteidigt.

Das Protestcamp an der Freien Universität (FU) in Berlin wurde von Studierenden errichtet, die gegen Israels Genozid an der palästinensischen Bevölkerung protestierten und die deutschen Waffenlieferungen sowie die finanzielle und politische Unterstützung des deutschen Staats ablehnen. Ähnliche Proteste und Camps wurden auch in vielen weiteren Städten organisiert und immer wieder mit brutaler Polizeigewalt konfrontiert.

Als Reaktion auf die Zensur- und Repressionsmaßnahmen hatten mehrere tausend Dozierende einen bedeutsamen offenen Brief unterzeichnet, der die demokratischen Rechte der studentischen Protestierenden und die Besetzung an der FU verteidigt und die Universitätsleitung für ihren Abbruch von Gesprächsangeboten und die polizeiliche Räumung verurteilt.

Die Reaktion in Politik und Medien bestand darin, dass nun die Professorinnen und Professoren ins Visier genommen wurden. Die Repressionsmaßnahmen gegen die Dozierenden entfachten einen Eklat, dem das BMBF auch mit dem Rauswurf von Sabine Döring nicht Herr werden konnte. Konsequenterweise wurde Döring mit dem Scharfmacher Roland Philippi (FDP) ersetzt, der in einem internen Chat Medienberichten zufolge erklärte, dass er „nichts dagegen hätte, wenn politisch missliebige Wissenschaftler Sorge um ihre Förderung hätten“.

Auch nach dem Ausscheiden der FDP aus der Ampel-Koalition gehen die Repressionen weiter und die gesamte herrschende Klasse rückt weiter nach rechts. So verabschiedete der Bundestag eine sogenannte „Antisemitismus“-Resolution, die völlig auf Linie der rechtsextremen AfD liegt. Die Resolution bezeichnet den Völkermord in Gaza als „völkerrechtlich verbrieftes Recht“ zur Selbstverteidigung und greift die AfD-Losung vom „importierten Antisemitismus“ auf. Hochschulen seien „darin zu unterstützen, weiterhin von ihren rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen“. Darunter falle die „Anwendung des Hausrechts, der Ausschluss von Unterricht oder Studium bis hin zur Exmatrikulation in besonders schweren Fällen“.

Damit knüpft die herrschende Klasse an die Wiedereinführung des reaktionären Ordnungsrechts an, mit dem außergerichtliche politische Exmatrikulationen durch die Universitätsleitungen ermöglicht werden. So soll jede kritische Stimme an den Hochschulen gegen den Völkermord an den Palästinensern, die militärische Aufrüstung Deutschlands und seine aggressive Kriegspolitik mundtot gemacht werden.

Im StuPa erklärten die IYSSE-Sprecher die Bedeutung der Resolution und riefen zu ihrer Verabschiedung auf. StuPa-Abgeordneter Gregor Kahl sagte: „Wenn jetzt diejenigen Professorinnen und Professoren von der Regierung verfolgt werden, die diesen massiven und gewaltsamen Angriff auf die Meinungsfreiheit der Studierenden kritisiert haben, dann müssen wir als StuPa diese Einschüchterungsversuche vehement verurteilen.“

IYSSE-Abgeordneter Tamino Wilck fasste die Bedeutung dieser Unterdrückungsmaßnahmen mit den Worten zusammen: „Das ist ein enormer Angriff auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, den man sonst nur aus autoritären Regimen kennt.“

Die IYSSE kämpfen seit über zehn Jahren an der Berliner Humboldt Universität gegen die deutsche Kriegspolitik und die ideologische und militaristische Mobilmachung an den Hochschulen. Dabei verwiesen sie immer wieder auf die scharfe Rechtsentwicklung der etablierten Parteien und der herrschenden Klasse, die auf die enorme soziale Ungleichheit und die tiefe Krise des Kapitalismus reagieren, indem sie zu autoritären und diktatorischen Herrschaftsformen übergehen.

Die Resolution im StuPa der Humboldt Universität wurde nach einem wohlwollenden Änderungsantrag der Linken Liste (LiLi), der einige Punkte aktualisierte und dem sich die IYSSE-Fraktion anschloss, mit einer klaren Mehrheit verabschiedet.

Die IYSSE hatten den Antrag bereits im vergangenen Semester eingebracht, doch der RCDS, die rechte Studierendenorganisation der CDU/CSU, hatte die Abstimmung und Verabschiedung des Antrags durch eine Prüfung der Beschlussfähigkeit in der letzten StuPa-Sitzung vor der Semesterpause über den Sommer hinausgezögert.

Während der RCDS nun dagegen stimmte und sich die sozialdemokratischen Jusos enthielten, stimmten alle anderen Listen für die Resolution. Nach der wichtigen Verabschiedung und ihrem Wahlerfolg bei den diesjährigen StuPa-Wahlen werden die IYSSE ihre Aktivitäten ausweiten und Studierende und Jugendliche auf die Arbeiterklasse orientieren und mit der notwendigen sozialistischen Perspektive für den Kampf gegen Krieg und Diktatur bewaffnen.

Loading