Die Verabschiedung einer sogenannten „Antisemitismus“-Resolution durch den Bundestag am Donnerstag unterstreicht einmal mehr, dass die herrschende Klasse Deutschlands einen Völkermord unterstützt und nie wirklich mit dem Faschismus gebrochen hat. Die Resolution hat nichts mit dem Kampf gegen Antisemitismus oder dem Schutz jüdischen Lebens zu tun. Es handelt sich um ein rechtsextremes Dokument, das darauf abzielt, Israels Völkermord an den Palästinensern zu verteidigen und jede Kritik daran unter dem falschen Vorwurf des „Antisemitismus“ zu kriminalisieren und zu unterdrücken.
Unter Bedingungen, unter denen Israel die Auslöschung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen eskaliert und seinen völkermörderischen Krieg auf den Libanon und die gesamte Region ausweitet, solidarisiert sich die Resolution mit dieser Politik. „Wir fordern die Bundesregierung auf, weiterhin aktiv für die Existenz und die legitimen Sicherheitsinteressen des Staates Israel als ein zentrales Prinzip der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik einzutreten“, heißt es im verabschiedeten Text.
Und weiter: „Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen völkerrechtswidrige Angriffe zu verteidigen und damit die anerkannte Pflicht, seine Bürger unter Wahrung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen vor Terror zu schützen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich auch weiterhin in internationalen Gremien und gegenüber internationalen Partnern für dieses Recht einzusetzen.“
Deutlicher könnte der Bundestag seine Unterstützung für Israels Völkermord nicht machen, der Schätzungen zufolge bereits mehr als 200.000 Menschen – darunter mehrheitlich Frauen und Kinder – den Tod gebracht hat.
Und um es klar auszusprechen: Israel hat kein „völkerrechtlich verbrieftes Recht“, sich gegen die palästinensische Bevölkerung zu „verteidigen“, die es unrechtmäßig unterdrückt und deren Land es okkupiert. Wie die Richterin des Internationalen Gerichtshofs Navanethem Pillay jüngst erklärte, müsse „man unterscheiden“ zwischen Israel und Palästina, denn „das eine ist ein Besatzer und das andere besetzt.“
Tatsächlich führt die israelische Armee keinen Verteidigungskrieg, sondern einen imperialistischen Vernichtungskrieg. Die wirklichen Kriegsziele gehen dabei weit über die Zerstörung Gazas hinaus. Berlin und den anderen imperialistischen Mächten dient Israel als verlängerter Arm, um ihre wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen im Nahen Osten und weltweit militärisch durchzusetzen. Die Bewaffnung und Unterstützung der israelischen Mordmaschinerie ist Bestandteil des größeren Plans, den gesamten Nahen Osten unter imperialistische Kontrolle zu bringen und die Kriegsoffensive gegen Russland und China auszuweiten.
Das erfordert wie in der Vergangenheit die militaristische Gleichschaltung der ganzen Gesellschaft. Immer wieder appelliert die Resolution an die Bundesregierung, die enorme Opposition gegen den Völkermord noch schärfer zu unterdrücken. „Der Deutsche Bundestag bekräftigt seinen Beschluss, dass sicherzustellen ist, dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten, das Existenzrecht Israels in Frage stellen, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen“, heißt es im Text.
Vor allem der Kulturbereich und die Universitäten, die immer wieder der Ort von zahlreichen Protesten gegen den Genozid waren, sollen gesäubert werden. „Auch in den Reihen von Kunst und Kultur sowie der Medien darf es keinen Raum für Antisemitismus geben“, erklärt die Resolution.
Und an den Hochschulen müsse die „ordnungsgemäße Durchführung von Veranstaltungen gewährleistet“ sein. „Antisemitisches Verhalten“ müsse „Konsequenzen haben“. Deshalb seien „Schulen und Hochschulen darin zu unterstützen, weiterhin von ihren rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen oder entsprechende Möglichkeiten zu implementieren“. Dazu gehöre „die Anwendung des Hausrechts, der Ausschluss von Unterricht oder Studium bis hin zur Exmatrikulation in besonders schweren Fällen“.
Dass es dabei nicht um den Kampf gegen wirklichen Antisemitismus geht, sondern darum, Opposition gegen den Völkermord zu unterdrücken, unterstreicht die Forderung der Resolution, die bereits 2019 vom Bundestag angenommene Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Association (IHRA) „als maßgeblich“ heranzuziehen. Die Definition der IHRA ist ein ahistorisches und anti-demokratisches Konstrukt, das jede politische Opposition gegen den Zionismus und gegen die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel als „antisemitisch“ definiert.
Sie ist seit längerem zentrales Element einer rechten Kampagne, die den Vorwurf des „linken Antisemitismus“ benutzt, um die wachsende Opposition vor allem unter Arbeitern und Jugendlichen gegen Imperialismus und Krieg zu kriminalisieren. In der Resolution des Bundestags heißt es provokativ, dass die Zunahme des Antisemitismus seit dem 7. Oktober 2023 „auch auf einen relativierenden Umgang und vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus zurückzuführen“ sei.
Wenn die Resolution den Titel „Nie wieder ist jetzt“ trägt und die Verbrechen der Shoah anführt, um den Völkermord an den Palästinensern und die Errichtung einer Diktatur im Inneren zu rechtfertigen, ist das der Höhepunkt der Kriminalität. Um es deutlich auszusprechen: Wenn sich die herrschende Klasse Deutschlands hinter Israels Genozid stellt, knüpft sie in Wirklichkeit an ihre eigenen völkermörderischen Traditionen an.
Und das Gleiche gilt für die Frage des Antisemitismus. Nicht die Gegner des Genozids, darunter viele Juden, sind Förderer des Antisemitismus, sondern die imperialistischen Regierungen. Allein der Versuch, jüdische Menschen kollektiv mit der mörderischen Politik des rechtsextremen Netanjahu-Regimes zu assoziieren, ist durch und durch antisemitisch.
Kaum etwas könnte den zutiefst reaktionären Charakter der Resolution deutlicher machen als die Tatsache, dass sie eins zu eins der Politik der AfD entspricht – einer Partei, deren Führer die Nazi-Wehrmacht verherrlichen, gegen das Holocaust-Mahnmal in Berlin agitieren und in direkter politischer und familiärer Kontinuität zu den Nazis stehen, die sechs Millionen Juden im Holocaust industriell vernichtet haben.
In ihrer Rede im Bundestag jubelte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, die Bundesregierung setze mit der Resolution das rassistische und autoritäre Programm der Rechtsextremen ins Werk. Bei „diesem gemeinsamen Antrag“ handele es sich um „das Eingeständnis der ehemaligen Ampelparteien und der Union“, dass „der explodierende Judenhass in Deutschland etwas mit Einwanderung und mit dem Islam zu tun“ habe.
Sie könne sich „noch gut an Ihrer aller Schnappatmung hier – vor allem bei den Grünen – erinnern, als die AfD vor importiertem muslimischem Antisemitismus gewarnt hat“. Aber jetzt lese man „in diesem Antrag – mit eingebracht von den Grünen – von Antisemitismus, der auf – Zitat – ‚Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert‘.“
Und auch der „Lösungsvorschlag“ des Antrags gehe „in unsere Richtung: repressive Möglichkeiten ausschöpfen, insbesondere im Straf- und Staatsbürgerschaftsrecht und im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Auf Deutsch: muslimische Antisemiten in den Flieger setzen und ab in die Heimat. ‚Tschüss!‘ und nicht ‚Auf Wiedersehen!‘“
Es gibt kaum etwas Abstoßenderes, als wenn eine Nazi-Politikerin wie Storch, die Enkelin von Hitlers Finanzminister Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk, im Namen des Antisemitismus gegen Muslime – und letztlich auch gegen Juden hetzt –, die gegen den Genozid sind, und ihnen mit Verfolgung und Abschiebung droht. Aber es handelt sich um die Politik der gesamten herrschenden Klasse.
Der Antrag auf der Linie der AfD wurde von den Parteien der mittlerweile gescheiterten Ampelkoalition und der CDU/CSU-Fraktion in den Bundestag eingebracht. Die Linke enthielt sich zwar, aber ihr Redner Gregor Gysi ließ keinen Zweifel daran, dass seine Partei die grundlegende Ausrichtung der Resolution und die deutsche Unterstützung für Israel und damit für den Genozid mitträgt. „Die Existenz und Sicherheit Israels ist Teil der Staatsräson Deutschlands“, versicherte er.
Einzig die Abgeordneten der Linkspartei-Abspaltung Bündnis Sahra Wagenknecht stimmten gegen die Resolution. Sie versuchten damit ihre eigenen Spuren zu verwischen. Gleich zu Beginn des Völkermords hatten die BSW-Vertreter im Bundestag, damals noch als Mitglieder der Fraktion Die Linke, einen pro-israelischen Entschließungsantrag der Ampel-Parteien und der Union geschlossen unterstützt und als „Beitrag Deutschlands im Kampf gegen den Terror“ gefeiert.
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