Am Donnerstag erhob der Internationale Strafgerichtshof offiziell Anklage gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des israelischen Völkermords in Gaza.
Das Gericht beschuldigte Netanjahu und Gallant „des Kriegsverbrechens des Aushungerns als Methode der Kriegsführung und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Mord, Verfolgung und anderen unmenschliche Taten.“
Im Mai hatte der IStGH-Ankläger Karim Khan die israelische Führung beschuldigt, sie sei verantwortlich für die „Ermordung“ und „Ausrottung“ von Palästinensern als Teil eines „gemeinsamen Plans, Hunger als Methode der Kriegsführung und andere Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung des Gazastreifen zu benutzen, als Mittel ... zur kollektiven Bestrafung der Zivilbevölkerung von Gaza.“
In der Anklageschrift gegen Netanjahu und Gallant akzeptierte der IStGH Khans Anschuldigung, Israel nutze Hunger als Kriegswaffe, und erklärte, die „mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren Teil eines umfangreichen und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung von Gaza.“
Die Anklagen gegen Netanjahu und Gallant sind völlig gerechtfertigt. Doch Israel handelt in seinem völkermörderischen Krieg gegen die Bevölkerung von Gaza auf Geheiß des US-Imperialismus und der anderen imperialistischen Mächte. Der Krieg ist Teil ihrer Bestrebungen, den Nahen Osten unter ihrer eigenen Vorherrschaft neu zu organisieren. Die Reaktionen der Vertreter der US-Regierung sind Ausdruck des Eingeständnisses, dass sie sich der Beihilfe und Unterstützung sämtlicher Verbrechen mitschuldig gemacht haben, derer Netanjahu angeklagt wird.
Der republikanische Senator Tom Cotton reagierte auf das Urteil mit einer verhüllten Drohung, die Niederlande oder jedes andere Land anzugreifen, das bei den Haftbefehlen kooperiert. „Wehe demjenigen, der versucht, diese rechtswidrigen Haftbefehle umzusetzen. Ich möchte alle freundlich daran erinnern, dass das amerikanische Gesetz über den IStGH nicht ohne Grund als The Hague Invasion Act (Haager Invasionsgesetz) bekannt ist. Denken Sie darüber nach.“
Senator Lindsey Graham schrieb in einer Erklärung auf X:
Das Vorgehen des Gerichtshofs gegen Israel schafft die Grundlagen dafür, dass der IStGH eines Tages gegen die USA vorgehen wird. Wir müssen in unserem eigenen Interesse energisch auf den Gerichtshof reagieren.
In einem weiteren Tweet fügte er hinzu: „Wenn ihr dem IStGH nach seinem Vorgehen gegen den Staat Israel Beihilfe leistet, könnt ihr mit Konsequenzen seitens der USA rechnen.“
In einer gemeinsamen Erklärung von Senatoren beider Parteien, darunter Graham und der Demokrat John Fetterman, heißt es: „Wer die Zuständigkeit des Strafgerichtshofs für Israel anerkennt, stimmt theoretisch auch der Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Vereinigten Staaten zu.“
US-Präsident Joe Biden erklärte als Reaktion auf die Haftbefehle des IStGH: „Die Ausstellung von Haftbefehlen des IStGH gegen israelische Führer ist empörend. Ich möchte noch einmal klarstellen: Egal, was der IStGH andeuten mag, man kann Israel und die Hamas nicht miteinander gleichsetzen – nicht im Geringsten. Wir werden immer an der Seite Israels stehen, gegen die Bedrohung seiner Sicherheit.“
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, erklärte auf die Frage nach einem Kommentar zu Grahams Forderung nach Sanktionen gegen den IStGH, die USA seien dem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen: „Wir diskutieren... mit Partnern, darunter auch mit Israel“, über die Möglichkeit den IStGH zu sanktionieren.
Die USA, die weltweit die meisten Kriegsverbrechen verüben, haben das Römische Statut, mit dem der Internationale Strafgerichtshof ins Leben gerufen wurde, nicht unterzeichnet. Sie erkennen seine Befugnis nicht an, Kriegsverbrechen der USA und Israels, ihres Stellvertreters im Nahen Osten, zu verfolgen.
Am 2. September verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen die IStGH-Anklägerin Fatou Bensouda als Reaktion auf Ermittlungen des Gerichtshofs zu US-Kriegsverbrechen in Afghanistan. Dessen ungeachtet begrüßte die Biden-Regierung öffentlich die Ermittlungen des IStGH gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen des Kriegs in der Ukraine.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Anfang Oktober begann Israel im Norden des Gazastreifens, den so genannten „Plan der Generäle“ umzusetzen, und israelische Regierungsvertreter erklärten direkt ihre Absicht, alle Nahrungsmittel- und Wasserlieferungen in den Norden des Gazastreifens zu unterbinden, um die Bevölkerung durch Aushungern zu vertreiben. Im Rahmen dieses Plans würden alle, die dort bleiben, als feindliche Kämpfer eingestuft und könnten getötet werden.
Ende Oktober war US-Außenminister Antony Blinken zu einem Treffen mit Netanjahu nach Israel gereist. Dabei diskutierten beide Seiten ausdrücklich den so genannten „Plan der Generäle.“ Im Anschluss an die Diskussion stellte sich Blinken uneingeschränkt hinter Israels Kriegsziele und bewilligte damit faktisch den Plan.
Seither sind die Nahrungsmittellieferungen in den nördlichen Gazastreifen auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Invasion gesunken. Ein Gremium der Vereinten Nationen warnt, dass im Norden von Gaza eine Hungersnot unmittelbar bevorsteht. Anfang des Monats erklärte das US-Außenministerium ausdrücklich, dass Israel in Gaza keine Menschenrechtsverletzungen begeht, indem es Nahrungsmittel vorenthält, obwohl nur ein Zehntel der Menge, die laut dem Außenministerium als angemessen gilt, nach Gaza kommt.
Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs hat erneut den völlig verbrecherischen Charakter des US-Imperialismus gezeigt. Die US-Regierung hat einen Völkermord finanziert, mit Waffen versorgt und politisch unterstützt, und jetzt droht sie mit Sanktionen und sogar Angriffen auf die Institutionen des Völkerrechts.
Die Entscheidung bestätigt auch die weltweiten Massendemonstrationen gegen den Völkermord in Gaza, die von Regierungen überall auf der Welt als „antisemitisch“ gebrandmarkt wurden, um unter diesem Vorwand Verhaftungen durchzuführen und Demonstrationen zu verbieten.
Niemand sollte sich jedoch irgendwelchen Illusionen hingeben, durch dieses Urteil würde der Völkermord beendet oder Netanjahu und Gallant auch nur zur Verantwortung gezogen. Die imperialistischen Mächte, die den Völkermord unterstützen, werden keine juristische Kontrolle über ihre Massenmorde hinnehmen.
Um den Völkermord zu stoppen und den Ausbruch eines Weltkriegs zu verhindern, ist der Aufbau einer Massenbewegung der Arbeiterklasse bewaffnet mit einer sozialistischen Perspektive erforderlich.