Perspektive

Krieg, Ungleichheit und Diktatur: Die entscheidenden Fragen werden bei der US-Wahl 2024 herausgehalten

Die Präsidentschaftswahlen 2024 in den USA finden unter Bedingungen statt, die von einer noch nie dagewesenen Krise und von sozialem Zusammenbruch geprägt sind. Überall herrscht das Gefühl vor, dass das politische System nicht funktioniert, nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, und dass es auf einen gewaltsamen innenpolitischen Konflikt zusteuert.

Wähler vor dem Verwaltungsgebäude von Bucks County während der vorzeitigen Stimmabgabe am Freitag, 1. November 2024, in Doylestown, Pennsylvania. [AP Photo/Michael Rubinkam]

Es sind nur noch rund 48 Stunden bis zum Wahltag, und das politische Klima ist voll von Gerüchten über Verschwörungen. Allgemein wird angenommen, dass das Ergebnis der Wahl nicht eindeutig sein wird und dass Trump und seine faschistischen Mitverschwörer – wie auch immer die Wahl ausfallen wird – ein ungünstiges Ergebnis nicht akzeptieren werden. Das Ausmaß an Unsicherheit und Gefahr, das den Wahlprozess umgibt, spiegelt das Ausmaß des Zusammenbruchs der amerikanischen Demokratie wider.

Es ist offensichtlich, dass die politische Kultur der Vereinigten Staaten am Tiefpunkt aufgeschlagen ist. Trumps halb-kohärenter, chauvinistischer Bewusstseinsstrom findet seine Entsprechung in allem, was in der amerikanischen Gesellschaft rückständig und reaktionär ist. Kamala Harris ist die Verkörperung des Zynismus und der Heuchelei einer Partei, die auf die Plattitüden, Klischees und Narrative der Identitätspolitik zurückgreift, um die Interessen der Finanzelite und die Verschwörungen der Geheimdienste zu verdecken. Ihre Verteidigung des amerikanischen Imperialismus, vor allem die volle Unterstützung für den Völkermord in Gaza, entlarvt sie als Vertreterin einer kriminellen kapitalistischen Oligarchie.

Die Vorstellung, dass es hier ein „kleineres Übel“ gebe, ist absurd. Während der eine Kandidat den Faschismus propagiert, tritt die andere mit einem Programm an, das die Unterstützung von Krieg und Völkermord beinhaltet. Unter diesen Umständen besteht die Wahl nicht zwischen dem größeren und dem kleineren Übel, sondern zwischen zwei Wegen in die Katastrophe. Trotz aller Schlammschlachten sind die Unterschiede zwischen Trump und Harris unbedeutend im Vergleich zu dem Graben, der beide Parteien von der Arbeiterklasse trennt.

Die tiefgreifenden Probleme, die das Leben von Millionen von Menschen betreffen, werden in diesem Wahlkampf systematisch ignoriert. Der Grund dafür ist, dass sie alle einer grundlegenden Ursache entspringen, die vom gesamten politischen Establishment bedingungslos verteidigt wird: dem kapitalistischen Profitsystem. Darüber hinaus kann keine der zentralen Fragen, mit denen die Arbeiter in den Vereinigten Staaten konfrontiert sind, anders als durch eine globale Bewegung der Arbeiterklasse angegangen werden. Die Wahl von 2024 führt eindringlich vor Augen, worin die Alternativen bestehen: kapitalistische Barbarei oder der Wiederaufbau der Gesellschaft auf der Grundlage des Sozialismus.

1. Die Eskalation zum Atomkrieg

Die Wahl findet unter Bedingungen eines eskalierenden globalen Krieges statt. Hinter verschlossenen Türen wird über eine massive Ausweitung diskutiert – unabhängig davon, wer schließlich im Weißen Haus sitzt. Prominente Mitglieder der Oligarchie, wie der CEO von JP Morgan Chase, Jamie Dimon, erklären, dass „der Dritte Weltkrieg bereits begonnen“ hat. Die Vereinigten Staaten investieren eine noch nie dagewesene Summe von 1,7 Billionen Dollar in ein Upgrade ihres Atomwaffenarsenals – ein parteiübergreifendes Vorhaben, das unabhängig vom Wahlausgang fortgesetzt werden wird.

Die zentrale Priorität der Biden-Regierung war in den letzten vier Jahren der Krieg – zuerst hat sie den Krieg gegen Russland in der Ukraine provoziert, dann den Völkermord im Gazastreifen vorangetrieben. In beiden Fällen stand Harris uneingeschränkt hinter dem Vorgehen. Durch die unbegrenzte Lieferung von Waffen an Israel, die von den Demokraten und den Republikanern gleichermaßen unterstützt wird, sind sie mitschuldig an dem Massaker an Zehntausenden in Gaza und im Westjordanland. Eine umfassende Eskalation des Kriegs gegen den Iran könnte sogar in den Wochen zwischen der Wahl und dem Tag der Amtseinführung im Januar stattfinden. Das Pentagon gab am Freitag bekannt, dass das Weiße Haus zusätzliche US-Militärkräfte in den Nahen Osten beordert hat, darunter B-52-Bomber, Kampfjets und Navy-Zerstörer.

Dass Trump dabei als Kriegsgegner auftritt, ist geradezu lachhaft. Er hat gefordert, den Iran zu „vernichten“ und dass Israel in Gaza „seinen Job zu Ende bringt“.

Ein Weltkrieg erfordert, dass alle Ressourcen der Gesellschaft der Kriegsführung untergeordnet werden. In der jüngsten Ausgabe von Foreign Affairs, einer führenden Publikation geopolitischer Debatten in den USA, trug der Leitartikel die Überschrift „The Return of Total War“ (Die Rückkehr des totalen Kriegs). Die Autorin, Mara Karlin von der Brookings Institution, schreibt darin:

Sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten ist deutlich geworden, dass sich der relativ enge Rahmen, der den Krieg in der Zeit nach dem 11. September ausmachte, dramatisch ausgeweitet hat. Eine Ära der begrenzten Kriege ist zu Ende gegangen; ein Zeitalter der umfassenden Konflikte hat begonnen. In der Tat ähnelt das, was die Welt heute erlebt, dem, was Theoretiker in der Vergangenheit als „totaler Krieg“ bezeichnet haben, bei dem die Kombattanten auf enorme Ressourcen zurückgreifen, ihre Gesellschaften mobilisieren, der Kriegsführung Vorrang vor allen anderen staatlichen Aktivitäten einräumen, eine breite Palette von Zielen angreifen und sowohl ihre eigene Wirtschaft als auch die anderer Länder umgestalten.

„Der Kriegsführung Vorrang vor allen anderen staatlichen Aktivitäten einräumen“, heißt, die Arbeiterklasse dem Krieg rücksichtslos unterzuordnen. Alles muss auf dem Altar des Krieges und der enormen Ressourcen, die benötigt werden, um ihn zu führen, geopfert werden.

2. Wirtschaftskrise, soziale Ungleichheit und Oligarchie

Ein wesentlicher Faktor für die immer rücksichtsloseren Operationen des Imperialismus ist die eskalierende Krise des amerikanischen Kapitalismus. Die Staatsschulden der USA sind explosionsartig auf fast 36 Billionen Dollar gestiegen. Der Goldpreis befindet sich auf Rekordniveau, was den starken Druck auf den Dollar widerspiegelt.

Die herrschende Klasse hat versucht, die Wirtschaftskrise durch eine Reihe von massiven Rettungsaktionen für die Banken abzumildern, unter anderem 2008 und 2020, dem ersten Jahr der Pandemie. Dies hat die Krise jedoch nur auf einem höheren Niveau neu hervorgebracht und gleichzeitig zu einem enormen Anwachsen der sozialen Ungleichheit beigetragen.

Die Vermögenskonzentration in den Vereinigten Staaten hat groteske Ausmaße angenommen, wobei eine winzige Elite mehr Vermögen kontrolliert als die untere Hälfte der Bevölkerung. Das Vermögen der US-Milliardäre beläuft sich inzwischen auf mehr als 5,5 Billionen Dollar, was einem Anstieg seit Beginn der Pandemie um fast 90 Prozent entspricht. Die extreme Vermögenskonzentration wird von beiden Parteien verteidigt, und die Wahlkampagnen von Harris und Trump werden durch Rekordsummen der Reichen finanziert.

Die Inflation hat die Reallöhne ausgehöhlt, so dass lebenswichtige Güter – von Lebensmitteln bis hin zu Wohnraum – für Millionen unbezahlbar geworden sind. Fast ein Drittel aller Haushalte und die Hälfte der Mieterhaushalte geben mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für Wohnen aus. Die Gesamtverschuldung der Verbraucher beläuft sich auf ein Rekordhoch von fast 18 Billionen Dollar, einschließlich 1,75 Billionen Dollar an Schulden für Studienkredite.

Die Arbeiterklasse ist mit einer massiven sozialen Krise konfrontiert, die Entlassungen, Schulschließungen und ein am Rande des Zusammenbruchs stehendes Gesundheitssystem umfasst. Im Bildungswesen hat das kürzliche Auslaufen der Notfinanzierung zu Entlassungen von Lehrkräften und zur Schließung von Schulen geführt, wovon Millionen von Schülern betroffen sind.

3. Faschismus und die Gefahr einer Militär- und Polizeidiktatur

Durch den Trump-Wahlkampf entwickelt die Republikanische Partei eine politische Bewegung, die immer offener faschistische Züge annimmt. Neben der Normalisierung von Völkermord und Atomkrieg wird auch der Faschismus in der amerikanischen Politik normalisiert.

Tatsächlich wird der Wahltag am 5. November nur eine Momentaufnahme der eskalierenden Krise des gesamten politischen Systems sein. Trump propagiert bereits das Narrativ einer „gestohlenen Wahl“. Er stiftet zu Gewalt an und betreibt eine Verschwörung mit dem Ziel, jegliches Ergebnis, das nicht zu seinem Sieg führt, mit Hilfe von Gerichtsverfahren und Maßnahmen der Regierungen auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene zu verhindern. Für den Fall, dass er gewählt wird, hat Trump damit gedroht, das Militär gegen den „Feind im Inneren“ einzusetzen und die Abschiebung von mehreren Millionen Einwanderern zu organisieren.

In den letzten Wochen bezeichnete Harris Trump gelegentlich als „Faschist“, was aber rasch wieder fallen gelassen wurde. Harris' „Abschlussrede“ in der vergangenen Woche hat deutlich gemacht, dass das Hauptaugenmerk der Demokraten darauf liegt, die „Geschlossenheit“ mit den Republikanern aufrechtzuerhalten, um die Opposition im Inland zu unterdrücken und im Ausland Krieg zu führen. Ihre zentrale Sorge gilt nicht dem Wachstum der faschistischen Rechten, sondern dem Zusammenbruch des gesamten politischen Systems und der Gefahr einer Bewegung von unten.

Beide Parteien sind tief in die Angriffe auf demokratische Rechte und die Hinwendung zur Diktatur verwickelt. Die Biden-Harris-Regierung selbst ist dafür verantwortlich, dass Studierende, die gegen den israelischen Völkermord in Gaza protestierten, massenweise verhaftet und ihrer Hochschulen verwiesen wurden. Beide Parteien unterstützen die Militarisierung des Staatsapparats, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, sei es durch die Niederschlagung von Anti-Kriegs-Protesten oder die Mobilisierung der Polizei gegen streikende Arbeiter.

4. Die Corona-Pandemie und die Umweltkatastrophe

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie, der größten sozialen und medizinischen Krise der Neuzeit, sind nun fast fünf Jahre vergangen. Bei der letzten Wahl vor vier Jahren war die Pandemie das zentrale Thema. Auf sie konzentrierten sich die faschistische Hetze der Republikaner und die Versprechen der Demokraten, sie würden „der Wissenschaft folgen“. Im jetzigen Wahlkampf wurde die anhaltende Pandemie völlig ignoriert und nur in der Vergangenheitsform erwähnt, obwohl jeden Tag Hunderte von Menschen sterben.

Die Zahl der Todesopfer seit der letzten Wahl ist erschütternd: Mehr als 1,2 Millionen Amerikaner sind an Corona-bedingten Ursachen gestorben, davon über 400.000 unter Trump (bis Januar 2021) und mehr als 800.000 unter Biden. Diese Zahlen sind Teil einer globalen Übersterblichkeit von 24 Millionen zusätzlichen Todesfällen in den letzten vier Jahren. Laut offiziellen Angaben sind dutzende Millionen Menschen in den USA von Long Covid betroffen.

Dieses kolossale Ausmaß an Tod und Entkräftung ist die direkte Folge der Politik der herrschenden Klasse. Die Biden-Harris-Regierung hat Trumps kriminelle Politik der „Herdenimmunität“ vollständig umgesetzt und im Mai 2023 die Finanzierung der Corona-Nothilfe auslaufen lassen, wodurch Krankenhäuser und Kliniken einem Zustand überlassen wurden, in dem sie der Zahl der Patienten nicht mehr Herr werden und über zu wenig Personal und finanzielle Mittel verfügen.

Gleichzeitig führt der Klimawandel zu noch nie dagewesenen Umweltkatastrophen, darunter zwei schwere Wirbelstürme, die die Vereinigten Staaten in den letzten zwei Monaten heimgesucht und verheerende Überschwemmungen verursacht haben. Wissenschaftler warnen vor einer existenziellen und weiter eskalierenden Krise, doch keine der beiden Parteien wird das Thema ernsthaft angehen, da jede ernsthafte Reaktion auf den Klimawandel die Interessen der Unternehmen bedrohen würde, von denen beide Parteien finanziert werden. Die Demokraten haben selbst ihre symbolischen Gesten aufgegeben, während die Republikaner den Klimawandel ganz offen als Schwindel abtun.

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Das politische System in den Vereinigten Staaten ist zutiefst undemokratisch und verknöchert. Jeder Aspekt seiner Struktur – von Wahlrechtsgesetzen, die Teilnahme dritter Parteien behindern, über die Vorherrschaft des Geldes bis hin zur Rolle der großen Medienunternehmen – ist darauf ausgerichtet, systematisch jeden echten Ausdruck der Interessen der Arbeiterklasse auszuschließen.

Im vergangenen Jahr gab es mächtige Demonstrationen, in denen die soziale Wut und der Widerstand der Massen zum Ausdruck kam. Millionen Menschen haben gegen den von den USA unterstützten Völkermord Israels in Gaza protestiert. Arbeiter haben Streiks in Schlüsselindustrien begonnen, einschließlich des laufenden Streiks von 33.000 Arbeitern bei Boeing, einem der größten Rüstungspartner des US-Militärs. Dort ist der Gewerkschaftsapparat verzweifelt bemüht, den Streik vor dem Wahltag abzuwürgen.

Die zentrale Aufgabe besteht im Aufbau einer sozialistischen politischen Führung innerhalb der Arbeiterklasse. Die Krise muss an ihrer Wurzel angegangen werden und die Wurzel der Krise ist das kapitalistische Profitsystem. Und in einer Ära transnationaler Konzerne, globaler imperialistischer Kriege und einer globalen Pandemie gibt es keine nationalen Lösungen. Die internationale Arbeiterklasse ist die mächtigste Kraft auf dem Planeten, aber sie muss mit einem politischen Programm ausgestattet werden, das ihre wirklichen Interessen zum Ausdruck bringt.

Die Socialist Equality Party (SEP) steht als Teil des Internationalen Komitees der Vierten Internationale an der Spitze des Kampfes dafür, auf der Grundlage eines sozialistischen Programms und einer sozialistischen Politik die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse herzustellen.

Die SEP besteht darauf, dass der einzige Weg nach vorn für die Arbeiterklasse darin besteht, mit der Demokratischen und der Republikanischen Partei zu brechen und eine unabhängige politische Bewegung aufzubauen, die auf einem internationalen, antikapitalistischen und sozialistischen Programm beruht. Der Widerstand gegen Ungleichheit, Krieg und Diktatur erfordert die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten und in der ganzen Welt sowie die vollständige Umgestaltung der Gesellschaft.

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