Auf jedem Treffen der internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen wie dem Internationalen Währungsfonds wird davor gewarnt, dass Zölle und andere protektionistische Maßnahmen die Weltwirtschaft spalten und das Wirtschaftswachstum verlangsamen oder – noch schlimmer – zur Bildung von verfeindeten Handelsblöcken wie in den 1930er Jahren führen.
Doch trotz dieser Warnungen, die auch Finanz- und Wirtschaftsanalysten in ihren Kommentaren wiederholen, werden weiterhin Zollbarrieren errichtet. Führend dabei sind die USA mit höheren Zollschranken und Kontrollen für Hightech-Exporte, die unter Präsident Trump eingeführt und von Biden deutlich verschärft wurden.
Nun schließt sich die Europäische Union dieser Entwicklung an. Diese Woche hat sie einen weiteren Zoll von 35 Prozent auf chinesische Elektrofahrzeuge beschlossen – zusätzlich zu dem zehnprozentigen Zoll, der bereits in Kraft ist.
Die neuen Maßnahmen, die nächste Woche in Kraft treten, sollen für fünf Jahre gelten. Sie wurden mit der Begründung eingeführt, chinesische Elektrofahrzeugbauer würden in unfairer Weise von staatlichen Subventionen profitieren.
Die chinesische Regierung wies die Behauptung über unzulässige staatliche Unterstützung zurück und erklärte, sie werde „weiterhin alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte und Interessen aller chinesischen Unternehmen entschlossen zu schützen.“
Die chinesischen Autobauer erhalten zwar Subventionen und Hilfen, wie auch in anderen Ländern üblich, doch der eigentliche Grund für ihr zunehmendes Vordringen in die EU-Märkte ist die weiter fortgeschrittene Technologie und die deutlich niedrigere Kostenstruktur.
Das ist einer der Gründe, warum die Verhängung von Zöllen auf großen Widerstand der deutschen Regierung und der deutschen Autokonzerne stieß, die in einer Zusammenarbeit mit chinesischen Herstellern ihren Weg sehen, im immer schärferen globalen Kampf in der Branche zu überleben. Sie befürchten außerdem, dass die Zölle Vergeltungsmaßnahmen nach sich ziehen, die ihre Märkte in China treffen würden.
Die Entscheidung zur Einführung der Zölle erfolgte nach acht Verhandlungsrunden, bei denen versucht wurde, einen Mechanismus zu entwickeln, mit dem ein Mindestpreis in Abhängigkeit von der Menge der chinesischen Exporte festgelegt werden sollte. Doch die Verhandlungen scheiterten, da beide Seiten erklärten, die Differenzen seien noch immer beträchtlich.
Weitere Gespräche sind geplant. Die EU hat eine Einladung Chinas angenommen, Abgesandte nach Peking zu schicken, um zu sehen, ob eine Einigung über diese Mechanismen erzielt werden kann.
Die Zölle sind das Ergebnis einer Untersuchung, die letztes Jahr von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, angeordnet wurde. Ihre Einführung stieß innerhalb der EU auf beträchtlichen Widerstand. Von den 27 Mitgliedsstaaten stimmten fünf dagegen, allen voran Deutschland und Ungarn, und weitere zwölf enthielten sich. Die spanische Regierung forderte im Vorfeld der Entscheidung eine „erneute Prüfung“ des Plans.
Dass die Kommission daran festhielt, deutet darauf hin, dass geopolitische Erwägungen, nicht zuletzt die Ausrichtung auf den Wirtschaftskrieg der USA gegen China, eine erhebliche Rolle spielten und nicht so sehr das Thema Subventionen.
Der EU-Handelsbeauftragte Valdis Dombrovskis blieb bei der Bekanntgabe der Entscheidung bei der Behauptung, es gehe nur um Subventionen und unfaire Handelspraktiken Chinas.
Er erklärte, durch „die Einführung dieser angemessenen und gezielten Maßnahmen nach einer strengen Prüfung treten wir für faire Handelspraktiken und die europäische industrielle Basis ein.
Wir begrüßen den Wettbewerb, auch im Bereich Elektrofahrzeuge, aber er muss auf Fairness und gleichen Wettbewerbsbedingungen basieren.“
Die Behauptung, man müsse die „europäische industrielle Basis“ schützen, deutet jedoch zumindest auf einen der tieferen Gründe für die Entscheidung hin: Alle Großmächte wollen ihre Kapazitäten ausbauen, um zur Kriegswirtschaft überzugehen.
Die Spaltungen innerhalb der EU, die in Handelsfragen zu den wichtigsten in der Geschichte der Union gehören dürften, wurden verdeutlicht durch die Äußerungen von Hildegard Müller, der Chefin des deutschen Verbands der Automobilindustrie (VDA). Sie bezeichnete die Entscheidung als „Rückschritt für den freien globalen Handel und somit für den Wohlstand ... und das Wachstum Europas.“
In der Stellungnahme hieß es: „Die Industrie ist im Umgang mit China nicht naiv. Die Herausforderungen müssen aber im Dialog gelöst werden.“
Das Bundesfinanzministerium erklärte, Berlin stehe für offene Märkte. Denn gerade Deutschland sei als global vernetzte Wirtschaft darauf angewiesen.
BMW-Vorstandschef Oliver Zipse erklärte, Protektionismus würde die Autos nur teurer für die Verbraucher machen und die Schließung von Werken in Europa beschleunigen.
Der Automanager Roberto Vavassori ging in einem Interview mit der Financial Times (FT) auf die Verflechtung der globalen Autoindustrie ein: „Für viele Zulieferer in der Autoindustrie sind [die Chinesen] sowohl die größte Bedrohung als auch der größte Kunde.“
Die Haltung einiger der größten Autobauer scheint zu sein, dass angesichts der Tatsache, dass China technologisch fortschrittlichere Komponenten entwickelt, ihre aussichtsreichste Hoffnung auf Überleben im immer schärfer werdenden globalen Kampf um Märkte und Profite nicht in der Einführung von Zollmauern liegt – die die Kosten erhöhen und Vergeltungsmaßnahmen herausfordern –, sondern in der Entwicklung einer gewissen Form von Zusammenarbeit mit chinesischen Herstellern.
Die niedrigere Kostenstruktur ist bedeutsam. Laut der FT produzieren chinesische Hersteller Elektrofahrzeuge, die technisch fortschrittlicher sind als ihre europäischen Gegenparts und trotzdem 30 Prozent billiger.
Neben den Kosten ist die Geschwindigkeit von Innovationen ein weiterer Faktor. Laut einer von der FT zitierten Schätzung entwickeln chinesische Unternehmen innerhalb nur eines Jahres neue Autos mit besserer Technologie und Design, gegenüber vier Jahren in Europa.
Die Beweggründe für den Widerstand einiger großer europäischer Hersteller gegen die Zölle wurden aus Kommentaren von Andy Palmer, dem ehemaligen Leiter des britischen Unternehmens Aston Martin, gegenüber der FT deutlich.
Er fragte: „Was haben die Chinesen, die Japaner und die Koreaner getan, als sie technologisch im Rückstand waren? Sie haben zusammengearbeitet. Die europäische Industrie muss die Chinesen dazu bringen, nach Europa zu kommen, und sie muss mit ihnen zusammenarbeiten, vor allem bei der Batterietechnologie, um den Rückstand aufzuholen.“
Für die Arbeiter in der europäischen und internationalen Autoindustrie ist keiner dieser Wege der Ausweg aus einer Situation, in der sie mit einer Welle aus Arbeitsplatzvernichtung und Lohnsenkungen konfrontiert sind.
Zollerhöhungen werden keine Arbeitsplätze verteidigen, sondern mit einer Verschärfung der Ausbeutung der noch verbliebenen Arbeiter einhergehen, die von den Gewerkschaftsapparaten durchgesetzt werden wird. Genauso werden die Versuche der Unternehmen, Joint Ventures und andere Formen der Zusammenarbeit aufzubauen, zu einer enormen Reduzierung der Kostenstruktur führen, die durch Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen erreicht werden soll.
Die einzige tragfähige Perspektive basiert auf einem sozialistischen Programm, d.h. auf dem Kampf für die Übernahme der politischen Macht und die Umwandlung der riesigen globalen Autokonzerne in öffentliches Eigentum, damit die enormen technologischen Fortschritte zum Wohle aller genutzt und entwickelt werden können, statt nur die Gewinne zu steigern.