Perspektive

Mit US-Unterstützung dehnt Israel den Völkermord in Gaza auf das Westjordanland aus

Eine Planierraupe der israelischen Streitkräfte im Einsatz während einer Militäroperation im Flüchtlingslager von Al-Faraa im Westjordanland, 28. August 2024 [AP Photo/Nasser Nasser]

Israel hat eine neue Phase seiner ethnischen Säuberungspolitik in Palästina eingeleitet, die sich auf das Westjordanland konzentriert.

Am Dienstag und Mittwoch starteten Hunderte israelischer Soldaten mit Panzern und Bulldozern, unterstützt von Drohnen und Hubschraubern, den bisher größten Angriff auf das besetzte Westjordanland seit 20 Jahren. Dabei zielten sie auf die Städte und Lager Dschenin, Tubas und Tulkarem.

Die Stadt Dschenin mit ihren 39.000 Einwohnern wurde umzingelt und abgeriegelt. Israelische Streitkräfte blockierten den Zugang zu Krankenhäusern im gesamten Westjordanland. Laut israelischen Medien wird der Angriff auf das Westjordanland mehrere Tage andauern, die Zahl der Todesopfer dürfte weiter steigen.

Der israelische Außenminister Israel Katz machte deutlich, dass das Ziel die ethnische Säuberung des Westjordanlands ist: „Wir müssen uns mit dieser Bedrohung genauso auseinandersetzen wie mit der terroristischen Infrastruktur in Gaza, einschließlich der vorübergehenden Evakuierung der palästinensischen Bewohner.“

Ziel dieser Operation ist es, wie beim Völkermord im Gazastreifen, so viele Palästinenser wie möglich zu töten und sie aus ihren Häusern und Dörfern zu vertreiben, um das Land, das Israel seit 1967 unrechtmäßig besetzt hält, offiziell zu annektieren. Im Juli entschied der Internationale Gerichtshof, dass die israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete, einschließlich des Gazastreifens, des Westjordanlands und Ostjerusalems, illegal ist.

Der israelische Angriff auf den Gazastreifen, der nun seit 10 Monaten andauert, ist ein Alptraum für die Bevölkerung. Offiziellen Angaben zufolge sind mehr als 40.000 Menschen tot, weitere 10.000 werden unter den Trümmern vermutet. Die offizielle Zahl der Toten umfasst 17.000 Kinder.

Rechnet man die Opfer von Israels absichtlicher Hungersnot und der Verbreitung von Krankheiten hinzu, liegt die tatsächliche Zahl der Toten viel eher bei 186.000 oder mehr, so eine Schätzung, die letzten Monat in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde.

Die Menschen, die noch im Gazastreifen geblieben sind und von denen die meisten immer wieder zur Flucht gezwungen werden, sind nun mit israelischen Evakuierungsbefehlen konfrontiert, die 89 Prozent des Gebiets betreffen. Die Bevölkerung ist auf einer Fläche von nur 41 Quadratkilometern zusammengepfercht. Das Land verfügt über keine Infrastruktur zur Versorgung mit Lebensmitteln, fließendem Wasser oder sanitären Einrichtungen.

Israel hat eine konzertierte Kampagne gestartet, um internationale Hilfsorganisationen zu zwingen, ihre Arbeit einzustellen. Die Vereinten Nationen kündigten an, die Verteilung von Nahrungsmitteln in dieser Woche zu beenden, nachdem sie gezwungen waren, ihr Hauptquartier in Deir al-Balah zu räumen. Das Welternährungsprogramm teilte mit, dass es seine Tätigkeit einstellen musste, nachdem eines seiner deutlich gekennzeichneten Fahrzeuge am Mittwoch von israelischen Streitkräften beschossen worden war. Neun von zehn Menschen im Gazastreifen müssen nun 24 Stunden lang ohne Nahrung auskommen. Vermeidbare Krankheiten breiten sich immer weiter aus.

Jetzt wird dieser Albtraum auch auf das Westjordanland ausgedehnt. Die israelischen Angriffe auf das Westjordanland haben sich seit der Rückkehr des rechtsextremen Regimes von Benjamin Netanjahu an die Macht im Jahr 2022 dramatisch beschleunigt. Die Regierung Netanjahu hat die Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser ermöglicht und gefördert und den Bau illegaler Siedlungen vorangetrieben.

Heute leben 517.000 Siedler im Westjordanland, fast doppelt so viele wie vor 20 Jahren. Mehr als 200.000 leben in Ostjerusalem.

Netanjahu hat seinen Finanzminister Bezalel Smotrich mit der Kontrolle des Baus im Westjordanland beauftragt, während der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, für die Überwachung zuständig ist. Beide rechtsextremen Minister sind selbst Siedler im Westjordanland und haben wiederholt zur ethnischen Säuberung Palästinas aufgerufen.

Im Januar, Juni und Juli 2023 führte Israel schwere Angriffe auf das Flüchtlingslager Dschenin im Westjordanland durch. Die Vereinten Nationen haben den Angriff im Juli, bei dem 12 Palästinenser getötet wurden, scharf verurteilt. Sie erklärten, dass diese Operationen „ungeheuerliche Verstöße gegen das Völkerrecht und die Normen für die Anwendung von Gewalt darstellen und möglicherweise ein Kriegsverbrechen sind“.

Diese und andere Angriffe gingen den Anschlägen vom 7. Oktober 2023 voraus, von denen die Netanjahu-Regierung im Voraus Kenntnis hatte und die sie durch den Abzug der Sicherheitskräfte von der Grenze zum Gazastreifen begünstigte. Das Netanjahu-Regime ergriff die Gelegenheit, einen Völkermord und eine ethnische Säuberung des Gazastreifens einzuleiten.

Der Völkermord in Gaza ging mit einem Anstieg der Siedlerangriffe und Razzien des israelischen Militärs im Westjordanland und in Ostjerusalem einher. In den letzten 10 Monaten wurden 652 Palästinenser in diesen Gebieten getötet.

Dieses massive Verbrechen wird von den Vereinigten Staaten und ihren imperialistischen Verbündeten finanziert, ermöglicht und politisch verteidigt.

Der Angriff auf das Westjordanland erfolgt nur einen Monat nach der Rückkehr Netanjahus von einer Rede vor dem US-Kongress. In dieser Rede hatte er angekündigt, Israels Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung zu einem Konflikt im gesamten Nahen Osten auszuweiten, der sich vor allem gegen den Iran richtet.

Die demokratischen und republikanischen Mitglieder beider Häuser des Kongresses feierten Netanjahu mit stehenden Ovationen, und es folgten mehrere separate Treffen mit US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris. Nach ihrem Treffen mit Netanjahu erklärte Harris: „Ich werde immer dafür sorgen, dass Israel in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, auch gegen den Iran und gegen die vom Iran unterstützten Milizen wie Hamas und Hisbollah.“ Damit hat sie faktisch grünes Licht für eine Ausweitung des Kriegs über den Gazastreifen hinaus gegeben.

Anfang dieses Monats genehmigten die USA einen Waffenverkauf im Wert von 20 Milliarden Dollar an Israel. Er umfasst 50 F-15-Kampfflugzeuge, moderne Luft-Luft-Raketen (AMRAAMs), 120-mm-Panzermunition, hochexplosive Granatwerfer und taktische Fahrzeuge. Ziel ist es, Israel mit den nötigen Ressourcen auszustatten, um den Krieg über Gaza hinaus auszuweiten.

Die USA unterstützen den Völkermord im Rahmen ihres eskalierenden globalen Kriegs gegen Russland und China. Israel ist der Dreh- und Angelpunkt an der Nahostfront dieses globalen Kriegs und dient als Kampfhund der USA gegen den Iran und seine Verbündeten in der Region.

Die Ausweitung des Genozids auf das Westjordanland zeigt das völlige Scheitern der Perspektive jener Organisationen, die bisher die Massenproteste dominiert haben. In den Vereinigten Staaten haben sie versucht, Präsident Biden und seine designierte Nachfolgerin Kamala Harris „unter Druck zu setzen“, damit sie ihre Unterstützung für Israel einstellen.

Harris hat jedoch jegliche Einschränkung der US-Hilfe für das Netanjahu-Regime strikt abgelehnt und in ihrer Rede auf dem Parteitag der Demokraten erklärt: „Ich werde immer für das Recht Israels eintreten, sich selbst zu verteidigen, und ich werde immer dafür sorgen, dass Israel die Möglichkeit hat, sich selbst zu verteidigen.“

Alle Fraktionen des politischen Establishments in den USA unterstützen den israelischen Völkermord an den Palästinensern, weil der amerikanische Kapitalismus versucht, seine Weltmachtstellung mit militärischen Mitteln zu erhalten. Die neokoloniale Unterwerfung des Nahen Ostens ist dabei ein entscheidendes Element.

Bei einer Demonstration, die die Socialist Equality Party (SEP) am 24. Juli gegen Netanjahus Auftritt im US-Kapitol organisierte, erklärten die SEP–Mitglieder, dass alle Appelle und Forderungen an kapitalistische Politiker, den Völkermord zu stoppen, zum Scheitern verurteilt sind. Mit Israels massivem Angriff auf das Westjordanland haben sich diese Warnungen als richtig erwiesen.

Der wachsende weltweite Widerstand gegen den Völkermord und die ethnische Säuberung Palästinas braucht eine völlig andere Strategie. Er muss mit dem Kampf gegen alle imperialistischen Kriege, einschließlich des Kriegs des US-Imperialismus gegen Russland und China, sowie dem wachsenden Kampf der Arbeiterklasse zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze, Löhne und Lebensbedingungen verbunden werden. Die Grundlage muss eine sozialistische Perspektive sein, mit dem Ziel, das kapitalistische System zu stürzen – die Hauptursache für imperialistische Kriege und Barbarei.

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