Julian Assange nach Einigung mit den USA in Freiheit

Julian Assange wurde am Montag aus dem Belmarsh-Gefängnis entlassen, in dem er seit mehr als fünf Jahren einsitzt. Ein Video von WikiLeaks zeigt den Journalisten in Freiheit, wie er einen internationalen Flug besteigt, um Großbritannien zu verlassen.

Julian Assange geht in Stansted (London) an Bord einer Maschine, 24. Juni 2024 [Photo: @wikileaks]

Berichten zufolge hat Assange zugestimmt, sich in einem einzigen Anklagepunkt aufgrund des US-Spionagegesetzes schuldig zu bekennen. Am heutigen Dienstag soll er vor einem US-Gericht in Saipan auf den Marianen erscheinen, einer Inselgruppe nördlich von Australien, die unter US-amerikanischer Kontrolle steht. Dort soll Assange zu einer Haftstrafe verurteilt werden, die er jedoch schon vollständig verbüßt hat. Sobald ein Richter auf Saipan das Urteil unterzeichnet, wird Assange frei sein und kann in seine Heimat Australien zurückkehren.

Der Deal ist für Assange ein großer Sieg. Seine Befreiung wird auf der ganzen Welt von allen begrüßt, die demokratische Grundrechte verteidigen und imperialistische Kriege ablehnen. Es ist ein enormer Rückzieher der amerikanischen Regierung. Sie hat sich seit 2019 um Assanges Auslieferung bemüht, um ihn unter 17 Anklagepunkten nach dem Espionage Act zu verfolgen und zur Höchststrafe von 175 Jahren Haft, d.h. lebenslänglich, zu verurteilen.

Die Einigung auf einen Vergleich zeigt, dass es für diesen Versuch der Strafverfolgung nie eine rechtliche Grundlage gab, auch nicht im ausgehöhlten Rahmen des bürgerlichen Rechts und der drakonischen Gesetze zur nationalen Sicherheit. Es handelte sich die ganze Zeit um eine brutale und politisch motivierte Hexenjagd mit dem Ziel,  Assange zum Schweigen zu bringen. Er sollte vernichtet werden, weil er beispiellose Kriegsverbrechen der USA im Irak und in Afghanistan, kriminelle Verschwörungen Washingtons auf der ganzen Welt und schwere Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt hatte.

Assanges Freilassung ist das Ergebnis sowohl seines außergewöhnlichen und mutigen Durchhaltevermögens angesichts der massiven staatlichen Verfolgung, als auch der Hartnäckigkeit seiner Unterstützer, einschließlich seiner Familie, seines Anwaltsteams und seiner WikiLeaks-Kollegen. Eine unermüdliche weltweite Kampagne für Assanges Freilassung konnte die Sympathie und Unterstützung von Millionen gewinnen. Seit vielen Jahren betrachten unzählige Menschen Assange als einen Helden und seine Verfolgung als ungerecht und kriminell.

Julian Assange mit seinem Anwaltsteam [Photo: @wikileaks]

In einem WikiLeaks-Statement von Montagmorgen heißt es: „Julian Assange ist frei. Er verließ das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh am Morgen des 24. Juni, nachdem er 1901 Tage dort verbracht hatte. Er wurde vom High Court in London gegen Kaution freigelassen und kam im Laufe des Nachmittags am Flughafen Stansted an, wo er ein Flugzeug bestieg und das Vereinigte Königreich verließ.“

WikiLeaks erklärte, dies sei „das Ergebnis einer weltweiten Kampagne, die von Basisorganisatoren, Aktivisten für die Pressefreiheit, Abgeordneten und führenden Politikern getragen wurde“, was „den Raum für eine lange Zeit der Verhandlungen mit dem US-Justizministerium geschaffen“ habe. Weiter heißt es dort: „Nach mehr als fünf Jahren in einer 2 x 3 Meter großen Zelle, 23 Stunden am Tag isoliert, wird er bald wieder mit seiner Frau Stella Assange und ihren Kindern zusammenkommen, die ihren Vater bisher nur hinter Gittern kennen.“

In einem in der vergangenen Woche aufgezeichneten und gestern veröffentlichten Video weist Stella darauf hin, dass es genau zwölf Jahre her ist, seitdem Assange in der Londoner Botschaft Ecuadors Schutz vor dem Rachefeldzug der USA suchte. „Ich bin zuversichtlich, dass dieser Abschnitt unseres Lebens nun zu Ende ist“, sagte sie.

Stella wies auf die „unglaubliche Bewegung“ von Menschen aus der ganzen Welt hin, die sich für Assanges Freiheit, das Wohlergehen seiner Familie und „das, wofür Julian steht: Wahrheit und Gerechtigkeit“ engagieren. Sie rief zur fortgesetzten Unterstützung auf, auch für einen Notfallfonds, um Assange in seinem neuen Leben zu helfen, da er umfangreiche medizinische Behandlung benötigen wird.

Der amtierende WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hraffnson fügte hinzu: „Der Preis für Julian war natürlich, dass er all die Jahre im Kampf um die journalistische Freiheit, die Publikations-Freiheit, diese Grundlage der Demokratie, seiner eigenen Freiheit beraubt wurde.“ Er schloss: „Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ohne die Unterstützung von euch allen dieser Tag der Freude, dieser Tag von Julians Freiheit, niemals gekommen wäre.“

Assanges Verfolgung durch die USA wird als Meilenstein für den Abbau der Demokratie und die zunehmende Kriminalität der herrschenden Elite in die Geschichte eingehen.

Jahrelang verfolgten die amerikanischen Regierungen und ihre Verbündeten in Großbritannien, Australien und anderswo einen Journalisten, obwohl namhafte Bürgerrechts- und Menschenrechtsgruppen auf der ganzen Welt dies als tödlichen Angriff auf die Pressefreiheit verurteilten.

Im Jahr 2019 publizierte der damalige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, Nils Melzer, seine Einschätzung, dass Assange das Opfer medizinisch nachweisbarer psychologischer Folter sei. Verantwortlich dafür seien die US-amerikanische und mehrere verbündete Regierungen sowie offizielle Institutionen und die Medien, die als Komplizen fungierten. Im selben Jahr wiesen erstmals Hunderte Ärzte warnend darauf hin, dass sich Assanges Gesundheitszustand im Belmarsh-Gefängnis dramatisch verschlechterte und er hinter Gittern sterben könnte.

Es folgten weitere Enthüllungen über den Charakter der Hexenjagd. Im Jahr 2021 gab Sigurdur „Siggi“ Thordarson, ein verurteilter isländischer Krimineller und Kronzeuge der US-Regierung, zu, dass seine Aussage gegen Assange aus Lügen bestand. Er hatte sie im Gegenzug für Immunität vor der amerikanischen Strafverfolgung vorgebracht.

Im September 2021 bestätigten dann ehemalige US-Beamte gegenüber Yahoo! News,  dass die Central Intelligence Agency (CIA) Assange ausspioniert hatte, während er als politischer Flüchtling unter dem Schutz der ecuadorianischen Botschaft stand. Sogar seine speziell geschützten Anwaltsgespräche wurden abgehört. Besonders brisant war ihre Aussage, dass führende CIA–Vertreter im Jahr 2017 mit dem damaligen Präsidenten Donald Trump darüber gesprochen hatten, Assange in die USA zu entführen oder ihn zu ermorden.

Die Tatsache, dass die USA nun einem Vergleich zugestimmt haben, ist zweifellos durch ihre Befürchtung motiviert, dass diese und andere kriminelle Aktivitäten aufgedeckt werden und vor Gericht gelangen könnten, wo sie nicht zu rechtfertigen wären, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der nationalen Sicherheit.

Der jetzige sogenannte Plea Deal ist unter den Bedingungen einer tiefen Krise in den USA im Zusammenhang mit den diesjährigen Präsidentschaftswahlen zustande gekommen. Innerhalb des herrschenden Establishments und des Staatsapparats gibt es wahrscheinlich Befürchtungen, dass eine Auslieferung von Assange an die USA diese Krise nur verschärfen würde. Es könnte den Widerstand gegen das überparteiliche Kriegsprogramm des US-Imperialismus und die Aufrüstung eines Polizeistaats im Innern weiter anheizen.

In einer Gerichtsakte des Justizministeriums steht der Grund, warum das Bundesbezirksgericht in Saipan für den Abschluss des Plea Deals ausgewählt wurde. Dies sei so beschlossen worden, „weil der Angeklagte sich weigert, auf das Festland der Vereinigten Staaten zu reisen“, und weil Saipan „in der Nähe des Landes liegt, dessen Staatsbürgerschaft der Angeklagte besitzt, nämlich Australien, wohin er nach Abschluss des Verfahrens voraussichtlich zurückkehren wird“.

Assange ist gezwungen worden, sich in einem einzigen Anklagepunkt auf der Grundlage des Espionage Act schuldig zu bekennen: „Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von Informationen über die nationale Verteidigung“. Dies ist ein letzter Akt kleinlicher Rachsucht von Seiten des US-Justizministeriums und der Biden-Administration. Durch ihre unrechtmäßige Verfolgung haben sie dem Journalisten Assange mehr als zehn Jahre seines Lebens geraubt. Es ist der Versuch der amerikanischen Regierung, trotz ihres Rückzugs das Gesicht zu wahren.

Assange Freilassung ist ein großer Sieg. Aber die Entscheidung der USA, den Deal auf der Grundlage des Espionage Act zu schließen, unterstreicht die Gefahr, die von Seiten der US–Regierung weiter für die Pressefreiheit und alle bürgerlichen Freiheiten besteht. Sie hat ihren Angriff auf die demokratischen Grundrechte nicht aufgegeben.

Wie die World Socialist Web Site und die Sozialistischen Gleichheitsparteien seit 2010 immer betont haben, ist der Fall Assange die Speerspitze eines harten Vorgehens gegen den Antikriegswiderstand inmitten eines Ausbruchs von Militarismus und imperialistischer Barbarei. Dies wird durch die aktuellen Ereignisse unterstrichen. Sowohl der israelische Völkermord an den Palästinensern in Gaza, als auch der Krieg der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine sind dabei, sich noch auszuweiten, während im Indopazifik ein katastrophalen Konflikt mit China vorbereitet wird.

Der Kampf gegen den Krieg und den damit einhergehenden Angriff auf die demokratischen Grundrechte erfordert den Aufbau einer politischen Bewegung der Arbeiterklasse gegen sämtliche Regierungen und gegen das kapitalistische System, das – wie der Fall Assange gezeigt hat – auf eine autoritäre Diktatur zusteuert.

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