Lokführergewerkschaft GDL berät über Schlichtung

Nachdem die Beschäftigten von Bahn, öffentlichem Nahverkehr und Flughäfen zum wiederholten Mal ihre Bereitschaft bewiesen haben, für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne zu kämpfen, treten die Gewerkschaften den Rückzug an.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat bei der Lufthansa einem Schlichtungsverfahren zugestimmt, im Nahverkehr führt Verdi die Verhandlungen mit den Unternehmen fort.

Lokführer-Kundgebung in Stuttgart am Donnerstag, 25. Januar

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die in dieser Woche den sechsten befristeten Streik in diesem Tarifkampf durchführte, hatte sich am Dienstag im Laufe des Gerichtsverfahrens, das die Deutsche Bahn (DB) gegen den Streik angestrengt hatte, offen für eine weitere Schlichtung gezeigt. Zuvor hatte sie eine solche noch vehement abgelehnt.

Die „Wellenstreiks“ der GDL entpuppen sich so als Mittel, den von 97 Prozent der GDL-Mitglieder beschlossenen Vollstreik zu verhindern. Die GDL hat die ursprünglichen Forderungen bereits aufgegeben und fordert nur noch die Übernahme der Abschlüsse, die sie bei 28 anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen unterzeichnet hat: 420 Euro mehr Gehalt in zwei Stufen bei zweijähriger Laufzeit und 35-Stundenwoche ab 2028.

Der Vorstand der Deutschen Bahn lehnt auch diese niedrige Forderung ab. Hinter ihm steht die Bundesregierung, die in ihrem Kriegshaushalt 2024 Ausgaben für den Staatskonzern Bahn erheblich gekürzt hat und nun fordert, ein Exempel an den kampfbereiten und selbstbewussten Lokführerinnen und Lokführern zu statuieren. Ihnen und allen Beschäftigten soll klargemacht werden, dass sie für Aufrüstung und Kriegspolitik zahlen müssen.

Der DB-Vorstand weiß, dass die GDL und die EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) keine offene Konfrontation mit der Bundesregierung wollen. Das stärkt ihn in seiner kompromisslosen Haltung. Die Bahn-Manager bauen auf die bewährte Rolle der Gewerkschaften, um Reallöhne zu senken und langjährige Errungenschaften zu zerschlagen.

Die Beschäftigten sind hingegen kampfbereit. In Eisenbahner-Gruppen im Social Web lehnen GDL-Mitglieder die Angriffe der Bahn ab. Sven schreibt: „Die Bahn hat 36 h geboten mit einer Laufzeit von 30 Monaten, dafür Streichung von 12 Urlaubstagen, Eingriffe in die schon wenigen freien Wochenenden und deren Verkürzung, Abschaffung von Flexibilität in der Dienstplanung/Freizeitgestaltung, 331 Euro anstatt 420 Euro Erhöhung (EVG hat 420 bekommen) und noch vieles mehr, was viel schlechter wird! Den Kompromiss sollen wir eingehen? – Ne, ich glaube nicht!“

Und Christian ergänzt: „Die fetten Boni konnte die Bahn ihren Vorständen doch auch ohne mit der Wimper zu zucken zahlen, warum geht das jetzt plötzlich bei den Mitarbeitergehältern auf der Schiene nicht auch?“ Der DB-Vorstand hatte sich 2022 seine Bezüge verdoppelt und Boni in Millionenhöhe vom Aufsichtsrat genehmigen lassen. Auch der GDL-Vertreter Mario Reiß stimmte dafür.

Anders als die Kampagne der Medien behauptet, sind die Lokführerinnen und Lokführer nicht „privilegiert“. Ihr Gehalt rangiert im unteren Mittelfeld aller Einkommen. Die Abschlüsse der GDL in den letzten zehn Jahren liegen unter denen der Gesamtwirtschaft. Während letztere seit 2014 um 28,4 Prozent gestiegen sind, vereinbarte die GDL eine Senkung der Reallöhne. Ihre Tarife stiegen in diesen zehn Jahren um 21,4 Prozent, die Verbraucherpreise hingegen um 24,8 Prozent.

Zudem ist die Arbeitsbelastung der Lokführerinnen und Lokführer durch unregelmäßige und lange Schichten sowie wenig Freizeit extrem hoch. Viele der Beschäftigten, gerade die älteren Kolleginnen und Kollegen, haben sich deshalb entschieden, einen Teil ihres Lohns gegen mehr Urlaubstage einzutauschen.

Andreas fragt daher: „Wann beginnt der Sturm auf die DB-Führungsetage? Diese raffgierigen Basisfremden gehören davongejagt.“

Die Kampfbereitschaft der Eisenbahner muss gegen den DB-Vorstand und die Bundesregierung mobilisiert werden. Denn die aktuellen Reallohnsenkungen und die Verschärfung der Arbeitsbedingungen sind erst der Anfang. Die Herrschenden bereiten noch mehr und weitaus gewaltigere Angriffe vor. Kein Lohn, keine Errungenschaft, kein soziales Recht ist sicher.

Das macht die Reaktion von Wirtschaft und Politik auf die Streiks in dieser Woche deutlich. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, hat in einem Interview mit der Rheinischen Post vor negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Konjunktur gewarnt.

„Die Schäden allein durch den Streik der GDL in der vergangenen Woche werden auf 100 Millionen Euro pro Tag geschätzt“, sagte er. Die Streiks der GDL, Verdis und der Unabhängigen Flugbegleiter-Organisation (UFO) – und nicht die Verweigerungshaltung des DB-Vorstands – seien „unverhältnismäßig“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekräftigte dies. Derzeit würde „im Moment ein bisschen zu viel für immer weniger Arbeit gestreikt“. Das „können wir uns in der Tat im Moment nicht leisten“. Die Beschäftigten müssten sich vielmehr darauf einstellen, mehr und länger zu arbeiten.

Andere Wirtschafts- und Parteienvertreter fordern die Bundesregierung auf, Streiks gesetzlich einzudämmen. So fordert der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion Günter Krings ein Streikgesetz mit Pflicht-Vorlaufzeiten für Arbeitskämpfe bei der kritischen Infrastruktur. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm brachte ein zwingendes Schlichtungsverfahren bereits vor einem Streik in die Diskussion.

Der Vorsitzende Richter des Hessischen Landesarbeitsgerichts Michael Horcher regte am Dienstag an, eine solche Regelung gesetzlich festzuschreiben. Weil es diese bislang nicht gibt, lehnte er den Antrag der DB ab, den Streik der GDL per einstweiliger Verfügung zu stoppen.

Der Richter regte eine formale Schlichtung an, die die GDL bislang ablehnte. GDL-Vertreter Thomas Schelling bezeichnete vor Gericht eine Schlichtung als „durchaus diskutabel“, wie die Tagesschau berichtete. „Man werde ergebnisoffen darüber beraten.“

Dass zeigt einmal mehr, dass die GDL unter ihrem Vorsitzenden Claus Weselsky nicht gewillt ist, den Provokationen ernsthaft gegenüberzutreten. Vielmehr streben sie einen Deal an, mit dem die GDL-Spitze ihr Gesicht wahren kann.

Die GDL, insbesondere ihr Chef Weselsky, betonen bei jeder Gelegenheit, dass sie die Marktwirtschaft – sprich den Kapitalismus – verteidigen. Der Kapitalismus befindet sich aber in seiner tiefsten Krise seit den 30er Jahren. Die militärische Neuaufteilung der Welt unter den Großmächten hat bereits begonnen. Die Bundesregierung hat mit ihrer „Zeitenwende“ beschlossen, sich daran zu beteiligen. Sie finanziert mit vielen Milliarden den Krieg gegen Russland in der Ukraine und den Völkermord in Gaza. Wie schon zweimal im letzten Jahrhundert beginnt die herrschende Klasse Deutschlands wieder, ihre wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen.

Angesichts der drohenden Kriegsgefahr und der Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Lebensstandard muss sich die Arbeiterklasse unabhängig von den Gewerkschaften mobilisieren und international gegen den Kapitalismus vereinen. In ihrem Aufruf „Politische Fragen im Lokführerstreik“ schreibt die Sozialistische Gleichheitspartei:

Nach gigantischen Mengen Waffen und Munition will die Nato nun auch Bodentruppen in die Ukraine schicken, was eine direkte Konfrontation mit der Atommacht Russland bedeutet. Im Nahen Osten entwickelt sich der von Deutschland unterstützte Genozid an den Palästinensern zum regionalen Flächenbrand. Nie war die Gefahr eines Dritten Weltkriegs so groß wie jetzt. (…)

Die Lokführerinnen und Lokführer sind mit der gemeinsamen Front aus Regierung, Vorstand und Gewerkschaften konfrontiert. Diese wollen ihnen und den Kollegen in den Zügen, Betriebszentren und Rangierbahnhöfen Arbeitsplatzabbau, Reallohnsenkungen und noch schlechtere Arbeitsbedingungen aufzwingen. So sollen die explodierenden Kriegskosten auf die Beschäftigten abgewälzt werden. (…)

Eine grundlegende Neuorientierung und Neuorganisation sind notwendig. (…) Der nationalistischen Politik der Gewerkschaften, die eng mit der Regierung zusammenarbeiten und die Kriegspolitik unterstützen, muss die internationale Zusammenarbeit der Arbeiterklasse, unabhängig von Nationalität, Herkunft und Hautfarbe, entgegengesetzt werden. Deshalb ist der Aufbau unabhängiger Aktionskomitees so wichtig und dringend.

Meldet euch dazu per Whatsapp unter +49-163-337 8340 und registriert euch auch über das unten stehende Formular.

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