„Wellenstreiks“ im Nahverkehr

Wie Verdi einen unbefristeten Vollstreik verhindern will

Seit Anfang der Woche streiken erneut die Beschäftigten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in den verschiedenen Bundesländern für bessere Arbeitsbedingungen und teilweise auch für bessere Lohntarifabschlüsse. Es ist bereits der zweite Warnstreik im ÖPNV in diesem Monat. Am 2. Februar hatte schon einmal ein befristeter Streik in mehr als 80 Städten und rund 40 Landkreisen den öffentlichen Personennahverkehr vorübergehend lahmgelegt.

Aber wieder organisiert Verdi den Streikbruch gleich mit.

In Berlin werden U-Bahnen und Straßenbahnen am heutigem Donnerstag und am Freitag bis 14 Uhr bestreikt. Die Busse auf den von privaten Unternehmen im Auftrag der BVG betriebenen Linien streiken nicht, oder streiken an anderen Tagen usw. Die S-Bahn und der Regionalverkehr streiken ohnehin nicht und funktionieren normal.

Die von Verdi organisierten „konzertierten Streiks“ sind in Wirklichkeit eine Zersplitterung der Arbeitskämpfe! Schon Anfang Februar war Verdis Hauptsorge, dass die anstehenden Tarifkämpfe der Verkehrsarbeiter zeitlich mit dem Streik der 25.000 Flughafen-Beschäftigten, den Tarifkämpfen der Lokführern und mit den militanten Protesten der Bauern zusammenfallen könnten.

Die Wut und Kampfbereitschaft der Beschäftigten über die unerträglichen Arbeitsbedingungen bei den Verkehrsbetrieben und niedrigen Löhne ist groß. Viele fordern einen unbefristeten Vollstreik. Diese Kampfbereitschaft ist Teil einer anschwellenden Streik- und Protestwelle gegen die rasanten Preissteigregungen und den ständig zunehmenden Reallohnverlust. Dazu kommen die langen Arbeitszeiten, kurze Pausen und der enorme Arbeitsdruck, der dazu führt, dass viele Beschäftigte krank werden oder den Job aufgeben, was die Arbeitshetze zusätzlich verschärft.

Verdi-Versammlung am Betriebshof Cicerostraße, Berlin Wilmersdorf, 02.02.2024

Auf diese zunehmende soziale Katastrophe und wachsende Kampfbereitschaft reagieren die Verdi-Bürokraten, indem sie den ganzen Gewerkschaftsapparat einsetzen, um die Streiks zu beschränken und zerstückeln. So wollen sie den Widerstand unter Kontrolle halten und unterdrücken.

Obwohl jeder weiß, dass die Verkehrsarbeiter mit einem unbefristeten Vollstreik eine enorme Macht entfalten könnten und ihre Forderungen schnell voll durchgesetzt hätten, unternimmt Verdi alles, um einen solchen Kampf zu verhindern. Die On-and-off-Streiks dienen nicht dazu, die Stärke und Kampfkraft zu entwickeln und zu steigern, wie Verdi behauptet, sondern im Gegenteil sie zu sabotieren und Frustration zu verbreiten.

Die Weigerung von Verdi einen unbefristeten Vollstreik zu organisieren, stößt auf wachsenden Widerstand der Beschäftigten und vieler Mitglieder. Daher suchen Verdi-Funktionäre nach Verbündeten und haben eine Zusammenarbeit mit der Friday-for-Future-Bewegung (FFF) vereinbart.

Auf der Streikkundgebung am Freitag vor dem Bundesverkehrs- und Wirtschaftsministerium in Berlin soll die Galionsfigur der deutschen FFF-Bewegung Luise Neubauer sprechen. Sie ist Mitglied der Grünen und unterstützt deren rechte Regierungspolitik. Neubauer betont, sie stehe für „eine Allianz von Fridays for Future und Beschäftigten im Nahverkehr mit ihrer Gewerkschaft Verdi“ für „gute Arbeit und klimafreundliche Mobilität für alle“. Die Verdi-FFF-Kundgebung am Freitag steht unter dem Motto #WirFahrenZusammen, was man angesichts der systematischen Spaltung aller Arbeitskämpfe und der Unterdrückung eines unbefristeten Vollstreiks nur als zynisch bezeichnen kann.

Das Bündnis mit Neubauer und der deutschen FFF-Bewegung ist Teil einer rechten Offensive mit der sich die Verdi-Führung gegen den wachsenden Druck von unten und aus den Betrieben zur Wehr setzen will. Dabei geht es insbesondere darum, die Kriegspolitik der Regierung zu rechtfertigen, die ursächlich für die Lohnsenkungen und Sozialkürzungen ist.

In den vergangenen Wochen waren Neubauer und andere selbsternannten Sprecherinnen von FFF-Deutschland vor allem damit beschäftigt, gegen Greta Thunberg zu hetzen. Die schwedische Initiatorin der Klimabewegung verurteilte Ende letzten Jahres in zahlreichen Statements und Reden auf Massendemonstrationen die israelischen Verbrechen in Gaza.

„Heute streiken wir in Solidarität mit Palästina und Gaza. Die Welt muss ihre Stimme erheben und einen sofortigen Waffenstillstand, Gerechtigkeit und Freiheit für die Palästinenser und alle betroffenen Zivilisten fordern,“ erklärte Thunberg auf einer Großkundgebung im November.

Die deutsche FFF-Führung um Neubauer und ihre Cousine Carla Reemtsma – beide stammen aus der Millionärsfamilie Reemtsma – reagierten erbost und erklärten ihre Unterstützung der Regierungspolitik zur Verteidigung von Israels Genozid in Gaza. Neubauer stellte sich auf die Seite der Medienhetze gegen Thunberg, warf ihr Antisemitismus vor und setzte eine strikte Distanzierung vom internationalen FFF-Dachverband durch.

Neubauer unterstützt auch die militärische Aufrüstung und setzte sich für Waffenlieferungen an die Ukraine ein. Der TAZ sagte sie zu Beginn des Krieges, es sei „logisch, dass auch über Militärausgaben diskutiert“ werde. Klimaschutzmaßnahmen ergäben „auch aus der Kriegslogik Sinn“. Dem Sender ntv erklärte Neubauer, „der politische Wille zu sagen, wir stecken 100 Milliarden Euro ins Militär“, sei da. Ebenso notwendig sei jedoch „der politische Wille zu sagen, wir rüsten jetzt richtig unsere Energiesysteme auf“ – schließlich sei die „Abkehr von fossilen Energien“ ebenso wie die Aufrüstung „am Ende eine sicherheitspolitische Frage“.

Die Grünen, von denen viele auch in der FFF-Bewegung aktiv sind, sind schon jetzt bei einem Großteil der Beschäftigten der Verkehrsbetriebe sowie insgesamt in der Arbeiterklasse zutiefst diskreditiert und verhasst. Ihre arbeiterfeindliche Wirtschaftspolitik rüsten sie zusammen mit den übrigen Bundestagsparteien in eine offene Kriegswirtschaft um. Für die Arbeiterklasse bedeutet das ganz konkret: die Kosten von Aufrüstung der Bundeswehr bis hin zu Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und zukünftigen Militäreinsätzen sollen auf den Rücken der arbeitenden Bevölkerung abgewälzt werden. Die Reallohnkürzungen im öffentlichen Dienst dienen unmittelbar dem Zweck, die Aufrüstung zu finanzieren.

Es ist deshalb notwendig, den Tarifkampf für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne mit dem Kampf gegen Krieg und militärische Aufrüstung zu verbinden.

Deshalb muss der Warnstreik genutzt werden, um über eine grundlegende Neuorientierung und Neuorganisation der Arbeiterbewegung zu diskutieren. Es ist wichtig, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die demokratisch organisiert sind und in denen eine Perspektive diskutiert wird, die die prinzipielle Verteidigung der Interessen der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellt. Das heißt: Die Rechte und Bedürfnisse von Arbeiterinnen und Arbeitern samt ihren Familien müssen höher stehen als die Profitinteressen der Unternehmen, Aktionäre und Spekulanten und die Kriegspolitik der Bundesregierung.

Teil einer solchen Neuorientierung muss eine enge internationale Zusammenarbeit sein. Alle Probleme nehmen heutzutage internationale Form an. Arbeiter stehen überall auf der Welt vor denselben oder ähnlichen Problemen und können sie nur durch internationale Zusammenarbeit und die Koordinierung grenzüberschreitender Kämpfe lösen.

Auch bei den Verkehrsbeschäftigten im öffentlichen Nahverkehr gilt, was das Aktionskomitee Bahn in einer Resolution erklärte: „Unsere Verbündeten sind weder die Gewerkschaftsapparate noch die Bundestagsparteien. Unsere Verbündeten sind die Beschäftigten aller Branchen in allen Ländern.“

Wir rufen alle Beschäftigten im ÖPNV und darüber hinaus auf: Baut in euren Betrieben mit vertrauenswürdigen Kolleginnen und Kollegen unabhängige Aktionskomitees auf. Verbindet euch mit dem Aktionskomitee der Verkehrsarbeiter in Berlin. Schreibt dazu eine Whatsapp-Nachricht an +491633378340 oder füllt das Formular weiter unten aus.