Laut dem jährlichen Bericht zur sozialen Ungleichheit der Organisation Oxfam ist die Verteilung von Vermögen in kaum einem anderen EU-Land derart ungleich wie in Deutschland. Auch hierzulande profitieren Superreiche und Konzerne massiv von der Inflation, den imperialistischen Kriegen der Nato-Mächte sowie der Corona-Pandemie. Gleichzeitig werden Milliarden Arbeiter und ihre Familien ins soziale Elend gestürzt.
Der im Januar veröffentlichte Bericht stellt fest, dass das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen seit 2020 inflationsbereinigt um unfassbare drei Viertel (73,85 Prozent) angewachsen ist. Das entspricht einem Anstieg von 89 auf 155 Milliarden US-Dollar.
Die gewaltige Ungleichverteilung in Deutschland wird beim Blick auf die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung deutlich, die mit 67,3 Prozent mehr als zwei Drittel des Gesamtvermögens (Bargeld, Einlagen, Versicherungen, Aktien, Fonds, usw.) besitzen. Unglaubliche 20,4 Prozent davon befinden sich in den Händen der Top 0,1 Prozent, das oberste 0,1 bis 1 Prozent besitzt weitere 14,9 Prozent und das oberste 1 bis 10 Prozent teilt sich 32,0 Prozent des Gesamtvermögens. Auf die oberen 50 bis 90 Prozent entfallen 31,4 Prozent und auf die ärmere Hälfte der Bevölkerung gerade einmal jämmerliche 1,3 Prozent.
Auch insgesamt zeichnet sich ein immer dramatischeres Bild der sozialen Ungleichheit in Deutschland ab: die Alters- und Kinderarmut steigt beständig; 4,5 Millionen Menschen haben mindestens zwei Arbeitsplätze, um über die Runden zu kommen; mehr als 600.000 Menschen sind derzeit ohne Wohnung, Tendenz steigend; und rund 5,5 Millionen lebten 2023 in Wohnungen, die sie nach eigener Angabe aus finanziellen Gründen nicht angemessen heizen konnten.
Oxfam prangert an, dass hierzulande nur etwas mehr als drei Prozent aller Steuereinnahmen aus Abgaben auf Vermögen stammen, was die unterdurchschnittliche Besteuerung von Superreichen zusätzlich verdeutlicht.
Um die enorme Ungleichverteilung von Vermögen in Deutschland, aber auch in Europa und weltweit abzumildern, schlägt Oxfam – wie schon der Titel des Berichts „Hohe Vermögen in Europa gerecht versteuern“ suggeriert – höhere Steuern für Superreiche und Konzerne vor.
Im Rahmen des Kapitalismus ist das ein zum Scheitern verurteiltes Vorhaben. Ein Kommentar der WSWS zum Oxfam-Bericht erklärt, dass ein solcher Vorschlag „im Widerspruch zu den historischen Erfahrungen“ steht. Oxfam selbst zeigt auf, wie eng die Bereicherungsorgien der Superreichen mit den Steuervergünstigungen in den vergangenen Jahrzehnten verknüpft sind.
Auch in Deutschland wurde diese Entwicklung bewusst vorangetrieben, indem nur Grund und Boden sowie Erbschaften besteuert werden, nicht jedoch Vermögen. Bereits 1997 wurde die Vermögenssteuer unter dem damaligen Kanzler Helmut Kohl (CDU) abgeschafft. Auch der Spitzensteuersatz wurde seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kontinuierlich und ganz im Sinne der Finanzoligarchie gesenkt. Seit der Jahrtausendwende liegt er bei 42 Prozent, ein Entschluss des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder und dessen Finanzminister Hans Eichel (beide SPD).
Zynischerweise nutzen die nominell linken Parteien – allen voran die SPD und Die Linke – den Oxfam-Bericht, um Entrüstung über die enorme soziale Ungleichheit zu heucheln. Dabei haben sie diese selbst organisiert. Die Hartz-IV-Reformen unter der rot-grünen Schröder-Fischer-Regierung (1998-2005) waren dabei genauso ein Meilenstein wie die rot-rot-grünen Kürzungsorgien auf Landesebene.
So haben etwa in Berlin zunächst der rot-rote und dann der rot-rot-grüne Senat eine Hauptstadt der Armut, der unbezahlbaren Mieten, der maroden Schulen und zerfallenden Krankenhäuser, geschaffen.
Auch Thüringen – wo seit 2014 Die Linke mit Bodo Ramelow eine rot-rot-grüne Regierung führt – gehört zu den ärmsten Bundesländern. Laut einer Bertelsmann-Studie sind fast jedes vierte Kind und jeder dritte junge Erwachsene von Armut bedroht. 2021 waren das 76.770 Kinder (23,7 Prozent) und 42.853 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren (34,1 Prozent).
Wenn nun selbst Teile der SPD den Oxfam-Vorschlag aufgreifen, wieder eine Vermögenssteuer einzuführen, ist das der Gipfel des Zynismus. Entwicklungsministerin Svenja Schulze sprach lediglich von „sehr kleinen Steuersätzen auf sehr große Vermögen“, um nicht genauer umrissene „Probleme“ lösen zu können. Der Lübecker SPD-Abgeordnete im Bundestag, Tim Klüssendorf, schwebt ein „fairer Beitrag“ vor, den Superreiche leisten sollten.
Die tatsächliche Politik der SPD besteht in der Verschärfung des Klassenkriegs und der Umverteilung von unten nach oben. Im Bund intensiviert die SPD-geführte Ampel-Regierung ihre sozialen Angriffe. Zusätzlich zu massiven Einsparungen bei Gesundheit und Bildung soll auch Sozialhilfeempfängern bei Nicht-Kooperation das Bürgergeld entzogen werden.
Wenn die SPD über eine „Vermögensabgabe“ oder eine Lockerung der Schuldenbremse nachdenkt, dann lediglich mit dem Ziel, die Aufrüstung effektiver zu organisieren. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurde in Deutschland der sogenannte „Wehrbeitrag“ erhoben. Es handelte sich um eine einmalige Vermögensabgabe auf höhere Vermögen und Einkommen, um die massive Aufrüstung am Vorabend des Ersten Weltkriegs zu finanzieren.
Heute setzt die herrschende Klasse in Deutschland v.a. auf die Politik der sozialen Verwüstung, um den Kriegshaushalt in die Höhe zu schrauben. Am Freitag wird im Bundestag der höchste Militärhaushalt seit Bestehen der Bundesrepublik verabschiedet. Er beläuft sich 2024 – verteilt auf verschiedene Haushaltsposten und Sonderfonds – auf insgesamt 85,5 Milliarden Euro. Das sind 26 Prozent mehr als 2023.