Zum Auftakt des jährlichen Treffens der globalen Eliten beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos veröffentlichte die internationale Hilfsorganisation Oxfam einen verheerenden Bericht über das Anwachsen der Ungleichheit.
Der Bericht demonstriert, wie das enorme Anwachsen von Macht und Reichtum der Konzerne die Welt verändert, Milliarden Menschen in das soziale Elend stürzt und einer Handvoll Oligarchen sagenhaften Reichtum beschert.
Zu Beginn des Berichts heißt es, dass die fünf reichsten Personen der Welt ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt haben: von 405 Milliarden auf 869 Milliarden Dollar. Das entspricht einer Zunahme von 14 Millionen pro Stunde. Gleichzeitig sind fast fünf Milliarden Menschen, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, ärmer geworden.
Der geschäftsführende Direktor von Oxfam, Amitabh Behar, erklärte zu dem Bericht: „Wir erleben den Beginn eines Jahrzehnts der Spaltung. Milliarden Menschen müssen die wirtschaftlichen Schockwellen von Pandemie, Inflation und Krieg bewältigen, während die Vermögen der Milliardäre boomen.“
Weiter erklärte er: „Diese Ungleichheit ist kein Zufall; die Milliardärsklasse sorgt dafür, dass die Konzerne ihnen auf Kosten aller anderen noch mehr Reichtum aushändigen.“
Bezeichnenderweise wies er auch auf einen Trend hin, den auch die World Socialist Web Site in ihrer Neujahrsperspektive betont hat: Sowohl das Wachstum des individuellen Reichtums als auch die Macht und Konzentration großer Konzerne spielen eine entscheidende Rolle für die Unterhöhlung der demokratischen Strukturen und das Aufkommen rechtsextremer und faschistischer Regimes.
Behar erklärte: „Die unkontrollierte Macht der Konzerne und Monopole ist eine Maschinerie, die Ungleichheit erzeugt: Indem sie Arbeiter auspressen, Steuern hinterziehen, den Staat privatisieren und den Zusammenbruch des Klimas beschleunigen, spülen die Konzerne ihren ultrareichen Besitzern endlosen Reichtum in die Taschen. Aber sie eignen sich auch Macht an und untergraben damit Demokratien und unsere Rechte.“
Im ersten Kapitel des Berichts, mit der Überschrift „Ein neues goldenes Zeitalter der Spaltung“, wird das enorme Wachstum der Unternehmenskonzentration und -profite hervorgehoben, das im Gegensatz zur „brutalen Welt“ steht, in der Milliarden Menschen mit der „zermürbenden Realität“ steigender Kosten für Nahrungsmittel und andere Grundgüter kämpfen müssen.
Es wird festgestellt, dass es 4,8 Milliarden Menschen auf der Welt schlechter geht als im Jahr 2019, da die Preise weltweit schneller steigen als die Löhne, und „Hunderte von Millionen Menschen erleben, dass sie sich von ihren Löhnen jeden Monat weniger kaufen können, und wie die Aussichten auf eine bessere Zukunft schwinden.“
Das bedeutet, dass in den letzten zwei Jahren etwa 800 Millionen Arbeiter 1,5 Billionen Dollar verloren haben, weil ihre Löhne langsamer gestiegen sind als die Inflation, was fast einem Verlust von einem Monat (25 Tagen) pro Arbeiter entspricht. Von den 1.600 größten Konzernen der Welt haben sich nur 0,4 Prozent dazu verpflichtet, Arbeitern einen Lohn zu zahlen, der die Lebenshaltung deckt, und einen solchen Lohn in ihren Wertschöpfungsketten zu unterstützen.
Für Milliarden Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen ist eine neue Ära des Kolonialismus angebrochen. Die Ausbeutung der Massen erfolgt nicht mehr wie früher durch direkte Kontrolle, sondern wurde ersetzt durch die nahtlosen und noch effizienteren Operationen des globalen Finanzsystems.
Für viele Regierungen wird es zunehmend unmöglich, sich über Wasser zu halten. Im Bericht heißt es dazu: „Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen müssen zwischen heute und 2029 täglich fast eine halbe Milliarde Dollar an Zinsen und Schulden zahlen. Sie sind gezwungen, ihre Ausgaben stark zu kürzen, um ihre Gläubiger zu bezahlen.“
Der Bericht schildert detailliert den enormen Anstieg der Unternehmensgewinne am oberen Ende und kommt dabei zum Schluss, dass die größten Konzerne der Welt in den Jahren 2021 und 2022 im Vergleich zum Zeitraum 2017–2020 einen Gewinnsprung von 89 Prozent verzeichneten. Daten für die ersten sechs Monate des letzten Jahres deuten darauf hin, dass es „alle Rekorde als das bisher profitabelste Jahr für die Großkonzerne brechen wird“.
So sind u.a. die Gewinne von 14 Öl- und Gaskonzernen im Jahr 2023 um 278 Prozent gestiegen; Die Gewinne von zwei Luxusmarken stiegen um 120 Prozent gegenüber dem Durchschnitt von 2018–2021; für 22 Finanzunternehmen gab es 2023 einen Gewinnanstieg um 32 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt von 2018–2021; die Gewinne von elf Pharmakonzernen stiegen 2022 im Vergleich zu 2018–2021 um 32 Prozent.
Doch noch bedeutsamer als die Gewinnsteigerungen selbst ist die Konzentration der Macht der Konzerne in einem Ausmaß, das in der Geschichte ohne Beispiel ist.
Laut dem Bericht erzielen die größten 0,001 Prozent der Unternehmen etwa ein Drittel aller Unternehmensgewinne.
Das Kapitel über die Monopolmacht wird mit einem Bild der Hand eines Puppenspielers eingeleitet, der die Fäden zieht, um die Auswirkungen der Kontrolle der Konzerne über Regierungen und ihre Legislative zu illustrieren. Diese Kontrolle reicht von der Steuerpolitik über die Konzentration von Unternehmen bis hin Sozialausgaben und Klimawandel.
Im Bericht heißt es dazu: „Wir leben in einer neuen Ära der Monopolmacht. ... Eine kleine Anzahl von immer größeren Konzernen übt außergewöhnlichen Einfluss auf Wirtschaft und Regierung aus und mit ... einer nahezu unbeschränkten Macht, Verbraucher mit Preisen zu übervorteilen, Löhne zu drücken und Arbeiter zu misshandeln, den Zugang zu wichtigen Gütern und Dienstleistungen zu beschränken, Innovation und Unternehmertum zu behindern und öffentliche Dienste und Versorgungsunternehmen für privaten Profit zu privatisieren.“
Behar erklärte in seinen einleitenden Bemerkungen zu dem Bericht, die Welt habe nicht vergessen, „wie Pharma-Monopole Millionen Menschen die Corona-Impfstoffe vorenthielten, damit eine rassistische Impfstoff-Apartheid schufen und gleichzeitig einen neuen Club von Milliardären hervorbrachten“.
Monopolmacht gibt es in allen Bereichen. Möchtegern-Reformer des kapitalistischen Systems, darunter Oxfam selbst, verweisen oft auf höhere Steuern für Konzerne und Reiche, um die soziale Ungleichheit zumindest bis zu einem gewissen Grad abzumildern. Solche Vorschläge stehen jedoch im Widerspruch zu den historischen Erfahrungen, die in dem Bericht ausführlich dargestellt werden.
Dem Bericht zufolge haben die Konzerne seit 1980 einen „anhaltenden und hochgradig effektiven Krieg“ gegen die Besteuerung geführt, mit dem Ergebnis, dass sich der Regelsteuersatz mehr als halbiert hat und von 48 Prozent auf 23,1 Prozent gesunken ist. Doch dies ist nur ein Teil des Gesamtbilds, da die großen Konzerne mit ihren Anwälten und Steuerberatern die Schlupflöcher in Gesetzen, Abschreibungen und ähnliches ausnutzen können, was absichtlich geschaffen wurde, um Steuervermeidung zu begünstigen. Auf diese Weise zahlen sie deutlich weniger als die Regelsteuersätze und teilweise sogar gar keine Steuern.
Dazu kommt die Nutzung von Steueroasen. Im Jahr 2022 wurden Schätzungen zufolge Gewinne in Höhe von etwa einer Billion Dollar, d.h. 35 Prozent der Gewinne im Ausland, in Steueroasen verschoben.
Ein weiterer oft vorgebrachter Reformvorschlag ist die Zerschlagung der Monopolmacht durch staatliche Regulierung. Doch wie der Bericht selbst deutlich macht, geht der historische Trend in die entgegengesetzte Richtung: „Diese Macht ist keinesfalls durch Zufall entstanden, sondern den Monopolen vielmehr von unseren Regierungen gegeben worden.“
Einige signifikante Daten verdeutlichen den Grad der Konzentration. In den letzten zwei Jahrzehnten sind aus 60 Pharmakonzernen zehn riesige Pharmakonzerne hervorgegangen. Zwei globale Unternehmen kontrollieren mehr als 40 Prozent des globalen Saatgutmarkts, verglichen mit zehn vor 25 Jahren. Vier Firmen kontrollieren 62 Prozent des weltweiten Pestizidmarkts. Drei Viertel der globalen Onlinewerbung wird vom Facebook-Besitzer Meta und Google-Besitzer Alphabet betrieben. Vier Unternehmen kontrollieren 74 Prozent des globalen Buchhaltungsmarkts.
Über das wichtige Thema Erderwärmung heißt es in dem Bericht: „Die Macht der Konzerne treibt den Klimawandel voran, was wiederum großes Leid verursacht und die Ungleichheit verstärkt.“
Weiter heißt es in dem Bericht:
Viele der Milliardäre der Welt besitzen, kontrollieren und beeinflussen Prozesse, bei denen Treibhausgase ausgestoßen werden, und profitieren finanziell von ihnen. Sie profitieren zudem davon, wenn Konzerne versuchen, den Fortschritt bei einem schnellen und gerechten Übergang zu blockieren, die Wahrheit über den Klimawandel zu verdrehen und zu leugnen und diejenigen zu unterdrücken, die gegen die Förderung von fossilen Brennstoffen Widerstand leisten.
Genau wie bei allen früheren Oxfam-Berichten stehen die Schlussfolgerungen, die aus den Fakten und Zahlen sowie den detailliert dargelegten, seit Jahrzehnten andauernden Trends und Prozessen gezogen werden, in scharfem Gegensatz zu den völlig belanglosen „Lösungen“, die darin vorgeschlagen werden.
In diesem Fall, in dem der Fokus auf dem Anwachsen der Monopolmacht liegt, fordert der Bericht die „Wiederbelebung des Staats“.
Dies basiert auf einer fundamental falschen Konzeption: der Vorstellung, dass der Staat als neutrales Instrument irgendwie über den sozialen Klassen steht und durch Druck dazu gezwungen werden kann, im Interesse der Gesellschaft zu handeln.
Diese Vorstellung wurde durch die historische Analyse der marxistischen Bewegung vor langer Zeit widerlegt. Das geht zurück bis auf Marx und seine Feststellung, dass jede kapitalistische Regierung nur das Exekutivkomitee zur Verwaltung der Angelegenheiten der Bourgeoisie ist.
Diese Analyse wird durch den Oxfam-Bericht selbst unterstrichen. Die Arbeiterklasse muss daraus den Schluss ziehen, dass sie nicht versuchen darf, den kapitalistischen Staat zu reformieren oder unter Druck zu setzen – weil es unmöglich ist. Stattdessen muss sie selbst die politische Macht übernehmen und als ersten Schritt zum Wiederaufbau der Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage einen Arbeiterstaat errichten.