Gabriel Attal wird französischer Premierminister nach Sturz von Elisabeth Borne

Der neue französische Premierminister Gabriel Attal bei der Amtsübergabe am 9. Januar 2024 in Paris [AP Photo/Ludovic Marin]

Der französische Präsident Emmanuel Macron machte am Dienstag den ehemaligen Bildungsminister Gabriel Attal zum neuen Premierminister, nachdem Elisabeth Borne zurückgetreten war. Attal ist mit 34 Jahren der jüngste Premierminister seit der Gründung der Fünften Republik im Jahr 1958. Er wird jetzt versuchen, ein Kabinett aus Ministern zusammenzustellen, das von Macron bestätigt werden muss.

Borne machte bei ihrem Rücktritt am Montag deutlich, dass sie vom Präsidenten aus ihrem Amt gedrängt worden ist. In ihrem Rücktrittsschreiben steht, es sei Macrons „Wille... einen neuen Premierminister zu ernennen“. Sie verteidigte die „wesentlichen Reformen“, die sie in ihrer Amtszeit durchgesetzt hat. Die wichtigste war die Rentenkürzung, die im letzten Frühjahr gegen Massenstreiks und den überwältigenden Widerstand der Mehrheit der Bevölkerung beschlossen wurde. Die Streiks wurden von der Bereitschaftspolizei mit brutaler Gewalt unterdrückt und von der korrupten französischen Gewerkschaftsbürokratie verraten.

Borne schrieb: „Jetzt, da ich den Rücktritt meiner Regierung einreichen muss, wollte ich noch erklären, wie leidenschaftlich ich meine Mission erfüllt habe. Sie wurde geleitet von dem gemeinsamen Anliegen, schnell greifbare Ergebnisse für unsere Mitbürger zu erzielen.“

Macrons Ernennung von Attal zum Premierminister wurde erst am Dienstagnachmittag bekannt gegeben. Zuvor waren Berichte über erbitterte Konflikte innerhalb der Macron-Regierung aufgekommen. Finanzminister Bruno Le Maire, Innenminister Gérald Darmanin, der Stabschef des Elysée-Palastes Alexis Kohler und Macrons ehemaliger Premierminister Edouard Philippe sollen sich alle gegen Attal ausgesprochen haben. Ein nicht namentlich genannter Minister erklärte gegenüber BFM-TV: „Bruno und Gérald haben geschrien.“ Einer von Le Maires Beratern erklärte, er wolle „nicht für einen Jugendlichen von 34 Jahren arbeiten“.

So kam es, dass Attal am Dienstagmorgen, nachdem sein Name bereits als potenzieller künftiger Premierminister genannt worden war, ein zuvor abgesagtes Treffen mit Gewerkschaftsbürokraten aus dem Bildungswesen abhielt.

Nachdem Macron Attal schließlich ernannt hatte, argumentierten Vertreter des Elysée-Palastes zynisch, ein neuer Premierminister erlaube es Macron, seiner Politik einen nützlichen Image-Wechsel zu geben. Einer seiner Berater erklärte gegenüber Le Monde, Macron füge „ein Semikolon ein, das ihm in seinen zehn Jahren an der Macht, Zeit zum Durchatmen verschafft – um den Tonfall zu ändern, wie man es in einem Musikstück oder einem Gedicht tut“.

In Wirklichkeit will Macron durch die Ernennung Attals den faschistischen Kurswechsel, den er seit seiner Wiederwahl vor zwei Jahren vollzogen hat, vertiefen und beschleunigen.

Borne war verachtet, weil sie die extrem unpopuläre Rentenkürzung ohne Abstimmung im Parlament durchsetzte, indem sie den undemokratischen Artikel 49-3 der französischen Verfassung für Haushaltsfragen benutzte. Da Macrons Partei bei den Wahlen 2022 die Parlamentsmehrheit verloren hatte, griff Borne schließlich auf den Artikel 49-3 zurück, um nicht weniger als 23-mal Abstimmungen im Parlament zu blockieren. Kurz nach der Verabschiedung von Macrons Rentenkürzung im letzten Frühling wurde in den Mainstreammedien zunehmend darüber spekuliert, dass Macron sie als politische Belastung sieht und ersetzen will.

Doch Borne blieb Premierministerin bis zur Krise in Macrons Partei, die letzten Monat durch die Verabschiedung seines faschistischen Einwanderungsgesetzes ausgelöst wurde. Dieses Gesetz verhindert, dass Immigranten Sozialleistungen erhalten – ganz im Sinne der „nationalen Präferenzpolitik“ von Marine Le Pens neofaschistischem Rassemblement National (RN). Dieses Gesetz, das Macrons Behauptung, er sei ein Kämpfer für die Demokratie und gegen den Neofaschismus, endgültig als Scharlatanerie entlarvt hat, veranlasste mehrere Mitglieder seiner Partei zum Rücktritt, darunter Bornes ehemaliger Stabschef, Gesundheitsminister Aurélien Rousseau. 

Auch Borne äußerte leicht kritische Töne zum Einwanderungsgesetz. Sie bezeichnete sich selbst als „zutiefst humanistisch“ und verwies auf ihren Hintergrund als Tochter von Immigranten. Sie werde dafür sorgen, dass das Einwanderungsgesetz „unsere Werte respektiert“.

Bornes Bilanz ist zwar extrem reaktionär, doch Attals bisherige Politik und seine Unterstützung für das Einwanderungsgesetz scheinen besser mit dem offen faschistischen Kurswechsel vereinbar, den Macron vollzieht.  

Attal, ein Elitezögling der Ecole Alsacienne und der Universität für Politik Sciences Po, war erst 26 Jahre alt, als er mit Macron die wirtschaftsfreundliche Parti Socialiste (PS) verließ und sich 2016 seiner Partei En Marche (mittlerweile in Renaissance umbenannt) anschloss. Nachdem er erst Regierungssprecher war, arbeitete er dann an Macrons Plan, der französischen Jugend den allgemeinen Wehrdienst aufzuzwingen. Als Minister für einen ausgeglichenen Haushalt war er an der Sparagenda beteiligt, die zu der Rentenkürzung im letzten Jahr führte. Im Juli letzten Jahres wurde er schließlich zum Bildungsminister ernannt.

Als Bildungsminister war Attal verantwortlich für so undemokratische Maßnahmen wie das Verbot des muslimischen Kleids Abaya in Schulen, für Pläne zur Trennung der Klassen nach akademischer Leistung ab der Mittelstufe sowie zur Wiedereinführung von obligatorischen Schuluniformen.

In einer kurzen, oberflächlichen Rede zum Amtsantritt als Premierminister am Dienstagnachmittag skizzierte Attal den innenpolitischen Kurs, der die Angriffe auf die Arbeiterklasse fortsetzen wird. Er versprach die „Umgestaltung unserer Wirtschaft fortzusetzen“, „das Leben unserer Firmen und Unternehmer drastisch zu vereinfachen“ und „entschlossene Maßnahmen in Bezug auf die Jugend“ zu ergreifen.

Vertreter des rechtsextremen RN wiederum beschrieben Attal als jemanden, der einen rechtsextremen Kurs in Macrons Partei einführen würde. Jean-Philippe Tanguy, ein RN-Abgeordneter für die Region Somme, erklärte: „Er ist sehr gerissen. Er bleibt immer ruhig, mit einem Lächeln, spricht so wie wir, ohne uns jemals zu beleidigen, und benutzt unsere Themen in einer viel subtileren Weise als die anderen. Das macht es schwieriger, ihn zu bekämpfen. ... Wir werden ihn seine Karten zeigen lassen, und wir werden ihn schlagen, wenn es nötig ist.“

Tatsächlich ist Macrons Nominierung von Attal ein Ergebnis seiner Hinwendung zur extremen Rechten, vor allem seit dem Kampf um die Rentenkürzung im letzten Jahr. Breite Schichten der Arbeiter und der Jugend in Frankreich verstehen mittlerweile, dass Macron mittels Polizeigewalt gegen die Bevölkerung regiert und Arbeiter in die Armut treibt, damit sich die Elite bereichern kann. Diese Politik geht Hand in Hand mit einer massiven Steigerung der französischen Militärausgaben, da Macron den Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine und den Völkermord der israelischen Regierung in Gaza unterstützt.

Angesichts dieser eskalierenden und explosiven Klassenspannungen nutzt die Macron-Regierung faschistische Appelle und Hetze gegen Migranten, um die Wut in rassistische und nationalistische Kanäle zu lenken. Auch wenn sie bei der diesjährigen Europawahl gegen den RN antritt, wird sie dessen Agenda übernehmen. Attal wurde jetzt als Premier platziert, damit er diesen reaktionären Kurs von Macron – imperialistischer Krieg im Ausland und Krieg gegen die Arbeiterklasse im Inland – durchsetzt.

Macron verlässt sich auf polizeistaatliche Unterdrückung und die Unterstützung korrupter Gewerkschaftsbürokraten, um die Kämpfe der Arbeiter abzuwürgen, sowie auf die außerordentlichen Befugnisse der Exekutivpräsidentschaft in Frankreich, die von einem immer kleineren Zirkel von Spitzenfunktionären ausgeübt wird, die ihm persönlich loyal ergeben sind. Dies hat die Voraussetzungen für die rasche Beförderung junger, politisch gut vernetzter Reaktionäre wie Attal geschaffen.

Attals Nominierung bestätigt einmal mehr die Perspektive der Parti de l’égalité socialiste (PES) im Kampf gegen die Rentenkürzung. Für Arbeiter und Jugendliche gibt es mit Macron nichts zu verhandeln, da seine Regierung für soziale Proteste völlig unempfänglich ist und an ihrem Kurs des globalen imperialistischen Kriegs und des rechtextremen Polizeistaats eisern festhält. Der einzige Weg vorwärts führt über den Aufbau einer politischen Bewegung unter Arbeitern und Jugendlichen, die den Chauvinismus der französischen herrschenden Klasse ablehnt und den Sturz von Macron und die Machteroberung der Arbeiterklasse vorbereitet.

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