Zehntausende von Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen, Sozialarbeitern und Schulangestellten in allen Verwaltungsbezirken der Vereinigten Staaten sind bereit, den Kampf gegen die Angriffe auf die öffentliche Bildung aufzunehmen.
Um die Kriegsvorbereitungen und Waffenlieferungen zu finanzieren werden in den USA - wie auf der ganzen Welt - die Sozialprogramme zunehmend finanziell ausgetrocknet. Allein schon die Einstellung der Bundesmittel für die Corona-Pandemie entzieht den Bezirken im nächsten Jahr 190 Milliarden Dollar, was viele in eine finanzielle Schieflage bringen wird. In Verbindung mit den sinkenden Schülerzahlen führt dies in einigen Verwaltungsbezirken zu abrupt sinkenden Kultusbudgets, da die staatliche Unterstützung an die Schülerzahlen gekoppelt ist.
Die wachsende soziale Ungleichheit hat auf die Einschulung in den Grund- und weiterführenden Schulen dramatische Auswirkungen. Einerseits bedeuten mehr Obdachlosigkeit, Ernährungsunsicherheit und Armut mehr Schulabwesenheit und das Phänomen, dass Schüler einfach „untertauchen“. Und weil die herrschenden Eliten sich geweigert haben, die notwendigen Maßnahmen gegen die Pandemie zu ergreifen, haben Charter- und Privatschulen andererseits diese Krise der öffentlichen Schulen ausnutzen und ihren Anteil an der oberen Mittelschicht weiter ausdehnen können.
Die Angriffe auf das staatliche Bildungswesen werden sich noch verschärfen, da die USA derzeit ungezählte Milliarden für den Nato-Krieg in der Ukraine bereitstellen. In der aktuellen Haushaltskrise auf Bundesebene fordern die Republikaner die faktische Einstellung aller Mittel für ein Programm namens „Title I“, das 1965 im Rahmen des „Kriegs gegen die Armut“ eingeführt wurde, und von dem mehr als die Hälfte aller Schulkinder in den USA profitieren. Geht es nach den Republikanern, so sollen bis zu 80 Prozent des Programms gestrichen werden. Das würde sich auf 25 Millionen Schüler in 70 Prozent aller US-amerikanischen Schulbezirke auswirken. Das ist nebenbei auch ein deutlicher Hinweis auf die weit verbreitete Armut in den USA.
Die Demokraten haben bereits ihren eigenen Plan zur Kürzung der Bundesmittel für die Bildung vorgelegt und werden zweifellos noch weiteren Kürzungen zustimmen, um im Gegenzug mehr Geld für den Krieg bewilligt zu bekommen.
In denjenigen Bezirken, die sowohl von den Demokraten als auch von den Republikanern kontrolliert werden, stehen Lehrer und Schulangestellte bereits unter einem enormen Druck. Die Gründe sind: Viel zu geringe Löhne, die immer weiter hinter der Inflation zurückbleiben; Personalmangel, der Doppelarbeit aller Art erfordert; schlecht belüftete Gebäude, die die Ausbreitung von Corona, RSV und anderen Krankheiten begünstigen, sowie alle Auswirkungen der wachsenden Armut.
Durch die massenhafte Streichung von Medicaid-Empfängern nach Bidens Beendigung des Covid-Notstands könnten bis zu 7,3 Millionen Kinder ihre Krankenversicherung verlieren. Das bedeutet sowohl für ihr Wohlergehen als auch für die schulischen Gesundheitsprogramme eine große Gefahr.
Diese Angriffe führen zwangsläufig zur Explosion neuer Kämpfe unter den Pädagogen.
In ganz Kalifornien befinden sich 10.000 akademische Beschäftigte des kalifornischen Hochschulsystems, darunter Lehrassistenten, studentische Hilfskräfte und Assistenten mit Hochschulabschluss, im tariflosen Zustand, nachdem am 30. September ihre Verträge ausgelaufen sind. Die studentischen Beschäftigten, von denen viele nur den Mindestlohn erhalten und auf örtliche Essensausgaben angewiesen sind, fordern ein Ende der Armutslöhne, bezahlten Krankenurlaub und bessere Arbeitsbedingungen. Im Vorfeld des Stichtags hielten die Studierenden an mehreren Universitäten Kundgebungen ab. Allerdings halten die Gewerkschaftsvertreter der zuständigen United Auto Workers (UAW) sie über die Verhandlungen im Unklaren und weigern sich, einen gemeinsamen Kampf der akademischen Beschäftigten mit den Autoarbeitern zu mobilisieren, die sich aktuell im Arbeitskampf befinden.
In Las Vegas, Nevada, dem fünftgrößten Schulbezirk der USA, läuft der Vertrag für 18.000 Lehrerinnen und Lehrer des Clark County School District (CCSD) aus. Sie müssen unter Bedingungen eines erheblichen Personalmangels, fehlender Ressourcen und unzureichender Bezahlung arbeiten. Trotz der Tatsache, dass Lehrerstreiks in Nevada illegal sind, und trotz der Drohungen der Bezirkspolitiker haben sich diese Lehrkräfte bereits mutig an zahlreichen spontanen Arbeitsniederlegungen und Protesten beteiligt, um für bessere Bedingungen zu kämpfen. Anfang dieses Monats reichte der Bezirk eine gerichtlich bestätigte Strafverfügung gegen die Gewerkschaft ein, um diese spontanen Streiks zu beenden.
Schüler und Eltern in Las Vegas haben ihre Unterstützung für die Lehrer demonstriert, indem sie während der Schulzeit mehrfach die Schule verließen. Im Gespräch mit WSWS-Reportern sagte eine Schülerin: „Die Lehrer müssten viel mehr Geld bekommen. Meiner Meinung nach ist das Vorgehen des Schuldistrikts CCSD – wie so vieler anderer Distrikte – der Untergang unseres Bildungssystems.“ Sie fügte hinzu: „Ich hatte dieses Jahr bereits acht Vertretungslehrer. Meine Literaturlehrerin hat gerade gekündigt, und jetzt haben wir eine Vertretung. Und vermutlich ist diese Vertretung jetzt eine Erstjahreskraft.“
In New York City, dem größten Schulbezirk der USA mit über 1,1 Millionen Schülern, werden die Schulbusfahrer in den kommenden Wochen über einen Ausverkaufsvertrag abstimmen. Er ist von den Funktionären der Bezirksstelle Local 1181 der Amalgamated Transit Union (ATU), den Busbetreibern und dem Bürgermeister Eric Adams, einem Demokraten, ausgearbeitet worden. Der Bürgermeister hat bereits weitreichende Haushaltskürzungen in allen städtischen Behörden angekündigt, darunter 2,1 Milliarden Dollar im Bildungsministerium. Die Schulbus-Fahrer und –Fahrerinnen sind von der Gewerkschaft bereits im Juni trotz einer 97-prozentigen Streikabstimmung monatelang an der Arbeit gehalten worden.
Jetzt haben die Schulbusfahrer ein unabhängiges Aktionskomitee aus ihren Reihen ins Leben gerufen, um die Kontrolle zu übernehmen, einen Ausverkauf ihres Kampfs zu verhindern und ihre Kämpfe mit denen der Lehrkräfte, der Eltern und der breiteren Arbeiterklasse von New York City zu verbinden.
In Fresno, dem drittgrößten Bezirk Kaliforniens mit über 72.000 Schülern, steht am 18. Oktober eine Streikabstimmung für 4.000 Lehrer, Krankenschwestern, Sozialarbeiter und andere Fachkräfte bevor. Sie arbeiten schon seit Juni unter einem abgelaufenen Vertrag. Die Lehrer fordern deutliche Gehaltserhöhungen, eine Begrenzung der Klassengröße und die Wiedereinführung der lebenslangen Gesundheitsleistungen, die 2005 abgeschafft worden waren. Der Bezirk hat vorsorglich angekündigt, im Falle eines Streiks Aushilfskräfte für 500 Dollar pro Tag als Streikbrecher einzustellen.
In San Francisco, einem Bezirk mit mehr als 55.000 Schülern, stimmen am 11. Oktober 6.500 Lehrer, Beratungslehrer, Krankenschwestern und andere Schulangestellte über einen Streik ab. Hauptforderungen sind höhere Gehälter, kleinere Klassengrößen und mehr Unterstützung für die Sonderpädagogik. In dem Bezirk herrscht ein enormer Mangel an Lehrern und Personal vor, und schätzungsweise 25 Prozent der freien Stellen sind nicht besetzt. Schon am 3. Oktober haben Hausmeister, Kantinenpersonal und andere Schulangestellte, die während der gesamten Pandemie seit dem Jahr 2020 keine einzige Gehaltserhöhung erhalten haben, ebenfalls einem Streik zugestimmt.
Auch in den beiden größten Schulbezirken Oregons drohen Lehrerstreiks. In Portland, mit 49.000 Schülern, könnten 4.500 Lehrkräfte ab dem 23. Oktober, nach einer 30-tägigen „Bedenkzeit“, die Arbeit niederlegen. Die Lehrer fordern Gehaltserhöhungen, geringere Klassengrößen und mehr Zeit für die Unterrichtsplanung. Obwohl der Bezirk über einen Reservefonds in Höhe von 100 Millionen Dollar verfügt, beinhaltete sein „letztes und bestes“ Angebot an die Lehrerinnen und Lehrer lediglich eine Erhöhung von 4 Prozent pro Jahr und keine erhöhte Planungszeit. In den sozialen Medien empörten sich Eltern und Gemeindemitglieder über die Zustände in den Schulen, darunter große Klassengrößen, zu hohe Temperaturen und schimmelbefallene Decken. Ein Elternteil erklärte: „Ich unterstütze das Streikrecht der Lehrer voll und ganz. Alle an der Schule meines Kindes sind großartig, und sie haben etwas Besseres verdient.“
Südlich von Portland, im Bezirk Salem-Keizer, könnten in den kommenden Monaten 2.300 Lehrkräfte in den Streik treten. In den laufenden Vertragsverhandlungen zeigt sich die Verwaltung gegenüber den Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und mehr Personal unnachgiebig. Der Bezirk verlangt von Lehrern und Schülern Opfer, um ein Haushaltsdefizit von 50 Millionen Dollar zu stopfen. „Jeder Dollar, den wir unserem Haushalt hinzufügen, ist ein Dollar, den wir in den kommenden Monaten einsparen müssen“, erklärte Superintendent Andrea Castañeda.
In San Antonio, Texas, mit 47.000 Schülern, haben Eltern und Gemeindemitglieder vor kurzem eine Sitzung des Schulausschusses gestürmt, weil sie verhindern wollten, dass 19 Grundschulen, d. h. fast 20 Prozent der Schulen des Bezirks, geschlossen werden. Der massive Eingriff sollte mit rückläufigen Schülerzahlen und einem Haushaltsdefizit von 300 Millionen Dollar in naher Zukunft begründet werden.
In kleineren Bezirken überall in den USA kämpfen Lehrkräfte, Schulangestellte und Busfahrer gegen die gleichen Probleme. Allein im September gab es Streiks der Schulbusfahrer in Louisiana, Connecticut und Ohio. Die Lehrer in North Andover, Massachusetts, von denen viele zwei oder drei Jobs haben um zu überleben, begannen letzte Woche eine Art Bummelstreik: Sie setzten alle freiwilligen Aufgaben aus, die nicht in ihrem Vertrag enthalten sind. Zuvor hatte sich der Bezirk geweigert, den bescheidenen Vorschlag der Gewerkschaft für eine 13,5-prozentige Lohnerhöhung über drei Jahre zu erfüllen.
Die Kämpfe in den USA sind Teil einer internationalen Bewegung, in der Pädagogen auf der ganzen Welt mit den gleichen Problemen konfrontiert sind: steigende Lebenshaltungskosten, drakonische Kürzungen im Bildungsbereich, bröckelnde Schulinfrastruktur und die fortschreitende Verbreitung von Corona an den Schulen. Von Sri Lanka über Rumänien, Deutschland, Frankreich, Belgien und England bis hin zu den anhaltenden Lehrerkämpfen in Lateinamerika wird Pädagogen und Schülern gesagt, es sei kein Geld für die Bildung vorhanden, während Milliarden in Kriege, Bankenrettungen und die Unterstützung der Reichen fließen.
In den USA kam es bereits 2018 -2019 zu einer Streikwelle der Lehrer. Aber alle Probleme, die damals Hunderttausende amerikanischer Lehrkräfte auf die Straße trieben, sind nach wie vor ungelöst. Sie haben sich in den letzten dreieinhalb Jahren nur noch verstärkt.
Der Lebensstandard von Lehrern ist gesunken. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht hat ergeben, dass die „Gehaltseinbuße für Lehrer“ - die Diskrepanz zwischen dem Gehalt von Lehrern und demjenigen von ähnlich ausgebildeten Fachkräften - im Jahr 2022 einen Rekordwert von 26,4 Prozent erreicht hat. Das inflationsbereinigte Durchschnittsgehalt von Lehrern ist zwischen 2021 und 2022 um 128 Dollar pro Woche gesunken.
Gleichzeitig verschärft sich der parteiübergreifende Angriff auf das öffentliche Bildungswesen - von der enormen Ausweitung der Privatisierungspläne über die anhaltenden Haushaltskürzungen bis hin zu der rechtsextremen Zensur der Bücher. All diese Angriffe schaffen die Voraussetzungen für einen explosionsartigen Anstieg der Kämpfe von Lehrkräften, Eltern und Schülern, die die staatliche Bildung verteidigen.
In den Jahren 2018 und 2019 begann die Streikwelle außerhalb des Gewerkschaftsapparats. Doch es gelang ihm, diese militante Rebellion vorübergehend zu unterdrücken. Die Lehrkräfte wurden an die Demokratische Partei gewiesen, und die Gewerkschaften setzten Ausverkaufsverträge durch, die eine weitere Verschlechterung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen bewirkten.
Aber die Fähigkeit der Gewerkschaftsbürokratie, diese Kämpfe zu unterdrücken, hat ihr Ende erreicht. Das zeigen die spontanen Arbeitsniederlegungen von Lehrkräften in Las Vegas. Seit 2019 haben die Pädagogen enorme Erfahrungen gemacht, was schon damit begann, dass die Gewerkschaftsbürokraten sie zwangen, in Corona-verseuchte Klassenzimmer zurückzukehren. Schließlich wurde ein Streik nach dem anderen isoliert und verraten.
Die Pädagogen haben mächtige Verbündete in der gesamten Arbeiterklasse. Diese ist überall mit den gleichen unhaltbaren Bedingungen konfrontiert. Dazu gehören die Beschäftigten im Gesundheitswesen, in der Logistik und in der Automobilindustrie, die nicht nur gegen die Unternehmen und die Politiker, sondern auch gegen die Gewerkschaftsbürokratien kämpfen.
Trotz einer 98-prozentigen Streikabstimmung von 150.000 Autoarbeitern ordnet die UAW-Bürokratie unter Präsident Shawn Fain weiterhin an, dass 83 Prozent der Arbeiter im Rahmen des betrügerischen „Stand-up-Streiks“ ohne Vertrag weiterarbeiten.
Die wesentliche Aufgabe, mit der sich die Pädagogen jetzt konfrontiert sehen, besteht darin, diese Lehren zu ziehen und die Notwendigkeit zu erkennen, eine neue, von der Gewerkschaftsbürokratie und der Demokratischen Partei unabhängige Führung aufzubauen, die die Kämpfe von Lehrkräften und Erziehern in den USA und weltweit vereinigen wird.
Dafür kämpft das Aktionskomitee Educators Rank-and-File Safety Committee. Es geht darum, eine neue Führung aufzubauen und die Lehrerstreiks mit denjenigen der Autoarbeiter, der Pflegekräfte und aller anderen zu verbinden. Der gemeinsame Kampf wird nicht nur bessere Arbeitsbedingungen erreichen, sondern auch Krieg, Ausbeutung und Ungleichheit endgültig beenden.