Der Kampf gegen die Autohersteller ist mehr als ein Streik, er ist ein Klassenkrieg

[Photo: Newsweek]

Diese Erklärung von Will Lehman wurde ursprünglich im amerikanischen Wochenmagazin Newsweek veröffentlichte.

Lehman arbeitet bei Mack Trucks in Macungie (Pennsylvania). Er kandidierte im Jahr 2022 für das Amt des UAW-Präsidenten und erhielt fast 5.000 Stimmen. Derzeit verklagt er das Arbeitsministerium auf Wiederholung der Wahl wegen Wählerunterdrückung.

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Am Freitag hat sich US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus zum Streik der Autoarbeiter geäußert; er forderte die Autokonzerne und die Gewerkschaft United Auto Workers auf, einen Tarifvertrag zu erzielen, bei dem alle Beteiligten profitieren.

„Meiner Meinung nach werden die Rekordgewinne nicht gerecht mit den Arbeitern geteilt“, sagte Biden. „Die Arbeiter verdienen es, dass ihnen ein fairer Anteil an den Werten, die sie für ein Unternehmen schaffen, ausbezahlt wird.“

Bidens Äußerungen werfen grundlegende Fragen über die Verteilung des Reichtums in den Vereinigten Staaten auf. Es geht um viel mehr als nur um einen Tarifkonflikt.

Die Löhne der Arbeiter bei Ford, General Motors und Stellantis sind in den letzten 50 Jahren drastisch gesunken. Im Jahr 1973 erhielten die Autoarbeiter einen durchschnittlichen Stundenlohn von 5,54 Dollar pro Stunde – heute wäre das mehr als 38 Dollar pro Stunde. Hätte dieser Lohn lediglich mit der Inflation Schritt gehalten (abgesehen von den massiven Produktivitätssteigerungen in dieser Zeit), würden die Autoarbeiter heute also fast 40 Dollar pro Stunde verdienen.

Aber heute fangen Zeitarbeiter bei General Motors (GM) bei 16,67 Dollar an und erreichen maximal 20 Dollar, also halb so viel wie Arbeiter vor 50 Jahren. Sollten Zeitarbeiter das Glück haben, in eine Vollzeitbeschäftigung übernommen zu werden, liegt ihr Höchstgehalt bei knapp über 32 Dollar pro Stunde, und es dauert acht lange Jahre, bis sie es erreichen.

Ein weiterer Vergleich: GM-CEO Mary Barra erhielt im Jahr 2022 ein Vergütungspaket von 28,9 Millionen Dollar. Sie verdiente etwa 2,4 Millionen Dollar pro Monat, 550.000 Dollar pro Woche, 110.000 Dollar pro Tag oder einen „Stundenlohn“ von fast 13.800 Dollar. Ein Zeitarbeiter, der den Höchstsatz von 20 Dollar pro Stunde verdient, bräuchte fast drei Jahre, um so viel zu verdienen wie Barra an einem einzigen Tag verdient.

Der Unterschied zwischen den beiden besteht jedoch darin, dass jeder Penny von Barras Gehaltspaket letztlich aus dem Wert stammt, der durch die Arbeit der Arbeiterklasse geschaffen wird.

Wie könnte Bidens „fairer Anteil“ erreicht werden, wenn die Vorstandsvorsitzende 13.894 Dollar pro Stunde, der Leiharbeiter jedoch 20 Dollar pro Stunde verdient?

Das übliche Argument der Verfechter des Systems der „freien Marktwirtschaft“ lautet, dass Führungskräfte für ihre „Leistung“ bezahlt werden, womit ihre Fähigkeit gemeint ist, Gewinne für die Wall Street zu erzielen. Sie selbst verdienen Millionen, weil die Aktionäre Milliarden kassieren.

Und wie viel Gewinn haben die Unternehmen erzielt? Im Jahr 2022 erwirtschafteten GM, Ford und Stellantis zusammen 77 Milliarden Dollar Bruttogewinn.

Würden diese 77 Milliarden Dollar auf alle 150.000 Beschäftigten der drei großen Autokonzerne in den USA aufgeteilt, würde jeder Beschäftigte einen Bonus von rund 513.333 Dollar erhalten.

Natürlich beschäftigen GM, Stellantis und Ford viele zehntausend weitere Arbeiter auf der ganzen Welt, und auch deren Arbeitskraft wird ausgebeutet, um die Milliarden zu erwirtschaften, die den Aktionären zufließen. Hinzu kommen die riesigen Lieferketten und die Arbeiter in den Zulieferwerken, die einen wesentlichen Bestandteil des Produktionsprozesses ausmachen.

Der Präsident behauptet, dass ein „Win-Win“-Vertrag für die Arbeiter und die Unternehmenseigner erreicht werden könne. Aber Biden, der erfahrene kapitalistische Politiker, weiß genau, dass das unmöglich ist. Was der Präsident zu verschleiern versucht, ist die Tatsache, dass Arbeiter und die Unternehmensoligarchie grundsätzlich unvereinbare Klasseninteressen haben. Es gibt keinen „gerechten Anteil“ in einem System, in dem die Investoren Milliarden, die Führungskräfte Millionen und die Arbeiter nur einen Penny bekommen.

Der Tag der Abrechnung rückt näher. Viel zu lange wurden die sozialen Widersprüche verheimlicht und vertuscht. Immer mehr Arbeiter sind sich der großen Ungleichheit in der Gesellschaft, in der sie leben, bewusst und suchen nach einem Weg, dies zu überwinden. Als ich bei den UAW-Wahlen 2022 als Sozialist kandidierte, erhielt ich aus diesem Grund 5.000 Stimmen von Autoarbeitern, trotz der Bemühungen des Gewerkschaftsapparats, die Wahl zu unterdrücken, was zu einer Wahlbeteiligung von nur neun Prozent führte.

UAW-Präsident Shawn Fain prangert die „Gier der Unternehmen“ und die „Klasse der Milliardäre“ an. In Wirklichkeit erfüllen Fain und die Gewerkschaftsbürokratie, die er leitet, eine wesentliche Funktion im Auftrag der Konzerne. Sie blockieren oder begrenzen Streiks (wie gerade jetzt, wo sie den Arbeitskampf bei den Big Three auf nur drei Werke beschränken). Letztlich setzen sie die Forderungen der Unternehmensleitung durch, wie sie in den letzten 45 Jahren einen Ausverkaufsvertrag nach dem anderen durchgesetzt haben. Für diese Leistungen erhalten die Bürokraten ihre eigene Vergütung in Form unter anderem von sechsstelligen Gehältern, mit denen sie zu den obersten fünf Prozent der Einkommensbezieher, einer wohlhabenden oberen Mittelschicht, gehören.

Das Weiße Haus und die UAW-Führung stehen seit Monaten in ständigem Austausch. Sie stimmen ihre Strategie und ihre Argumente eng miteinander ab, wobei sowohl Biden als auch Fain bis zum Überdruss die gleichen Phrasen über einen „fairen Anteil“ wiederholen.

Trump, der faschistische Demagoge, versucht, die wachsende Unzufriedenheit unter Arbeitern aufzugreifen, insbesondere wegen der drohenden Vernichtung von Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit der Umstellung auf Elektrofahrzeuge. Um die Arbeiter davon abzuhalten, ihre Wut gegen die Unternehmen zu richten, macht er die Arbeiter in Mexiko und China für Entlassungen und Werksschließungen zum Sündenbock.

Sowohl Biden als auch Trump und Fain befürchten, dass die große Ungleichheit die Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten zu einer sozialistischen Politik treibt, d. h. zu einer politischen Perspektive, die auf den unabhängigen Klasseninteressen der Arbeiter beruht.

Der Kapitalismus zeigt den Massen der Arbeiter, dass er sich im Krieg mit ihren grundlegenden Bedürfnissen befindet. Auf der ganzen Welt sind Arbeiter mit der Inflation, der ungebremsten Ausbreitung von Corona, mit tödlichen Arbeitsbedingungen, der Klimakrise und der Gefahr eines nuklearen Weltkriegs konfrontiert. Immer mehr Arbeiter sehen die Notwendigkeit, dieses gesamte System zu stürzen und ein System einzuführen, in dem die gesellschaftlichen Ressourcen für ihre sozialen Bedürfnisse, aber nicht für den privaten Profit, verwendet werden.

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