Unterstützer der „Letzten Generation“ in Bayern in Präventivhaft

Laut der „Letzten Generation“ befinden sich derzeit erneut 27 Unterstützer und Unterstützerinnen der Klimaschutzgruppe in Bayern in Präventivhaft. Die Gruppe geht juristisch dagegen vor. Die Festnahmen stehen im Zusammenhang mit der Internationalen Automobilausstellung IAA, die vom 5. bis 10. September in München stattfand.

Ein Polizist drängt einen Aktivisten der Letzten Generation während eines Protestmarsches in Berlin am 31. Mai 2023 von einer Straße weg [AP Photo/Markus Schreiber]

Die Letzte Generation hatte, wie auch andere Aktivisten, vorab Proteste und Aktionen gegen die Ausstellung angekündigt. Nun werden die Klimaprotestler durch die gleichen brutalen Maßnahmen unterdrückt, die schon im Herbst 2022 in Bayern gegen sie zum Einsatz kamen. Dass sich die Aussage des bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gegenüber dem ZDF, die Präventivhaft müsse „die absolute Ausnahme bleiben“, als Lüge erweist, war nur eine Frage der Zeit.

Die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) verurteilen den erneuten Polizeiterror gegen die Letzte Generation. Wir warnten damals, dass die Kampagne gegen die Klimaaktivisten dazu dient, „einen Polizeistaat aufzubauen, in dem die Sicherheitskräfte Oppositionelle in Präventivhaft stecken und die Justiz legitimen Protest mit jahrelangen Gefängnisstrafen ahndet.“ Damit solle friedlicher Protest, ziviler Ungehorsam und andere Formen des Widerstands kriminalisiert und eingeschüchtert werden.

Die betroffenen Aktivisten der Letzten Generation sind derzeit in der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim inhaftiert sowie in Memmingen, südwestlich von der bayerischen Landeshauptstadt gelegen. Laut der Klimaprotestler sollten 16 der Betroffenen bis zum 10. September in Gewahrsam bleiben. Für die weiteren elf Unterstützer hat das Amtsgericht München sogar eine Präventivhaft bis zum 30. September angeordnet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete das Vorgehen als „menschenunwürdig“.

Möglich wird der Präventivgewahrsam durch Artikel 20 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG). In keinem anderen Bundesland liegt die Maximaldauer mit bis zu zwei Monaten so hoch wie in Bayern, wobei derartige Maßnahmen bundesweit in den letzten Jahren verschärft wurden. Mit einer massiven Ausweitung des bayerischen PAG im Jahr 2017 war es zunächst sogar möglich, die Präventivhaft unbegrenzt oft zu verlängern. Nach heftigen Protesten ruderte die bayerische Staatsregierung 2021 etwas zurück auf die derzeit gültige Fassung.

Innenminister Herrmann drohte bereits im Vorfeld der IAA mit der Präventivhaft: „Wir werden keine Straftaten tolerieren! Wer Menschen im Straßenverkehr nötigt, fremdes Eigentum beschädigt oder gar gegenüber anderen Menschen gewalttätig wird oder Rettungskräfte behindert, der muss mit einem konsequenten Einschreiten der Polizei rechnen“. Alle „friedlichen Demonstranten“ seien in München hingegen willkommen, so Herrmann zynisch.

In derselben Manier versucht auch die Polizei München ihr Vorgehen gegen die Letzte Generation zu rechtfertigen. Auf der Plattform „X“, ehemals Twitter, heißt es: „Zielrichtung ist nicht, Menschen von Protestaktionen abzuhalten, sondern das Verhindern von angekündigten Straftaten.“

Es ist juristisch umstritten, ob die tatsächlich friedlichen Aktionen der Letzten Generation – darunter das Festkleben auf Straßen oder Sitzblockaden – überhaupt eine strafbare Handlung, eine Nötigung darstellen. Das Landgericht Berlin wertete eine Straßenblockade in der Hauptstadt erst kürzlich nicht als Nötigung.

Politisch sind die spektakulären Aktionen der Letzten Generation harmlos und zielen vor allem darauf ab, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen. Dabei appellieren die Aktivisten an die Bundesregierung, um diese unter Druck zu setzen und zum Handeln zu zwingen. Gleichzeitig vertritt die Letzte Generation politisch äußerst beschränkte Ziele wie Tempolimits auf der Autobahn. Dabei stellt sie die Ursache des Klimawandels – das kapitalistische Profitsystem – nicht in Frage.

Dennoch ist die Hetze in Politik und Medien massiv. Ein Hauptvorwurf lautet, die Aktivisten würden Rettungswege blockieren und damit Menschenleben gefährden. Eine vollkommen haltlose Aussage angesichts des täglichen Verkehrschaos in deutschen Großstädten. Das Ziel der herrschenden Klasse besteht einzig darin, weitere Präzedenzfälle zu schaffen, um jede Art von Protest zukünftig zu kriminalisieren – seien es Demonstrationen gegen Rechtsextreme oder Werksbesetzungen durch Arbeiter.

Im Kern wird dieser Kurs von allen bürgerlichen Parteien unterstützt. Bezeichnenderweise ist von den „oppositionellen“ Spitzenkandidaten zur bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober zu den derzeitigen Maßnahmen gegen die Letzte Generation nur ein ohrenbetäubendes Schweigen zu hören. Und auch die Kritik der Oppositionsparteien am bayerischen PAG ist nichts als hohle Phrasendrescherei. In den Bundesländern in denen SPD, Linkspartei und Grünen regieren, verschärfen sie ebenfalls die Polizeigesetze und rüsten die Sicherheitsbehörden auf. Darüber können ihre zahnlosen juristischen Manöver in Bayern – SPD, Grüne und Linke haben Klage gegen das PAG eingereicht – nicht hinwegtäuschen.

Die bundesweite Verschärfung der Polizeiaufgabengesetze und die erneute Präventivhaft für die Klimaaktivisten der Letzten Generation in Bayern sind Bestandteil der scharfen Rechtswendung der herrschende Klasse.

Besonders deutlich wird dies derzeit durch den stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und dessen rechtsextreme Vergangenheit. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält an Aiwanger fest und strebt nach der Landtagswahl eine erneute Koalition zwischen den beiden Parteien an. Auch SPD und Grüne erwägen eine Zusammenarbeit mit der CSU.

Die von der CSU in Bayern aufgestellten Wahlplakate, die den Parteigründer und langjährigen Vorsitzenden Franz-Josef Strauß nebst dessen Aussage „Wir wollen mit rechtsradikalen Narren und Extremisten nichts zu tun haben“ zeigen, könnten aus einem Kabarett stammen. Die rechtsextremen Tendenzen, die nun durch den Fall Aiwanger ganz offen zu Tage treten, kommen nicht von ungefähr, sondern gehen bis auf Strauß selbst zurück. Zu dessen Redenschreibern gehörte u.a. Armin Mohler, ein führender Vertreter der Neuen Rechten.

Die Maßnahmen gegen die Letzte Generation erinnern an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte. Unweit von München eröffneten die Nationalsozialisten 1933 in Dachau das erste Konzentrationslager, um dort zunächst ihre politischen Gegner unter dem Vorwand der „Schutzhaft“ zu inhaftieren. Es ist bezeichnend, dass Bayern bereits damals, als der SS-Chef und frisch ernannte Münchner Polizeipräsident Heinrich Himmler die Neuerungen im bayerischen Strafvollzug verkündete, im Mittelpunkt der Geschehnisse stand.

Als bayrische Sicherheitskräfte im Mai mit vorgehaltener Waffe die Wohnungen führender Mitglieder der Letzten Generation stürmten, bemerkten wir, dass man derartige Szenen „sonst vor allem aus Militärdiktaturen und faschistischen Regimes kennt“. Und wir warnten:

Das massive Vorgehen gegen die Klimaaktivisten ist eine ernste Warnung. Es zeigt, wie schnell und aggressiv die herrschende Klasse ihre Agenda unter Bedingungen des Kriegs und der Verschärfung des internationalen Klassenkampfs umsetzt. Die SGP wird ihren Kampf für den Aufbau einer unabhängigen Massenbewegung gegen Kapitalismus, Krieg und Diktatur intensivieren und ruft Arbeiter und Jugendliche auf, die Klimaaktivisten gegen die staatliche Repression zu verteidigen.

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