USA und Vereinigtes Königreich einigen sich auf „Atlantik-Deklaration“ für Wirtschaftskrieg gegen Russland und China

Am Donnerstag einigten sich US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Rishi Sunak nach Gesprächen im Weißen Haus auf eine „Atlantik-Deklaration“, um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern im Bereich der Rüstungsindustrie zu stärken.

Es war bereits das vierte Treffen zwischen Biden und Sunak innerhalb von vier Monaten. Auf vorherigen Treffen hatten Gespräche über das Militärbündnis AUKUS, den Jahrestag des Karfreitagsabkommens und während des G7-Gipfels in Hiroshima stattgefunden.

Der britische Premierminister Rishi Sunak (links) und US-Präsident Joe Biden bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus am 8. Juni 2023 [Photo by Simon Walker/No 10 Downing Street / CC BY-NC-ND 2.0]

Biden und Sunak erörterten die Lage in der Ukraine nach Beginn der ukrainischen Gegenoffensive gegen Russland. Ein weiteres Thema war der Aufbau engerer Wirtschaftsbeziehungen. Im Zentrum stand die Erklärung, dass sich beide zum Abbau von Handelsbarrieren, zu engeren Beziehungen zwischen den Rüstungsindustrien und auf ein Datenschutzabkommen verpflichten.

Die Erklärung „Ein Rahmen für die amerikanisch-britische Wirtschaftspartnerschaft im einundzwanzigsten Jahrhundert“ macht deutlich, dass die Zusammenarbeit zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich auf der Konfrontation mit Russland und China beruht. Darin heißt es: „Wir stehen vor neuen Herausforderungen für die internationale Stabilität, die von autoritären Staaten wie Russland und der Volksrepublik China (VRC) ausgeht... Im Verlauf des letzten Jahres haben wir Schritte unternommen, um unsere beispiellose Beziehung in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit und Geheimdienste auf allen Schauplätzen der Welt zu vertiefen, auf denen wir zusammenarbeiten. Wir erkennen an, dass die Sicherheit im euro-atlantischen Raum, dem Indopazifik und anderen Regionen unteilbar ist.“

Der Nato-Krieg gegen Russland war von zentraler Bedeutung für die weitere Zusammenarbeit: „Wir haben entschlossen Seite an Seite gestanden, um die Ukraine zu unterstützen, solange dies angesichts von Russlands illegalem, ungerechtfertigtem und unprovoziertem Angriffskrieg notwendig ist, um eine freie, unabhängige und souveräne Ukraine zu erhalten. Wir sind entschlossen, weiterhin die Fähigkeit der Nato zu stärken, weitere Versuche, die Sicherheit des Bündnisses zu schwächen, abzuwehren, und damit das neue strategische Konzept der Nato zu unterstützen.“

Über die Rolle des Vereinigten Königreichs bei der Konfrontation mit China im Bündnis mit den USA und Australien heißt es: „Wir haben wichtige Schritte zur Umsetzung von AUKUS unternommen, u.a. haben wir unsere Pläne angekündigt, Australien bei der Anschaffung von Atom-U-Booten mit konventioneller Bewaffnung zu unterstützen. Durch unser verstärktes Engagement im Indopazifik arbeiten wir enger als je zuvor mit unseren Partnern zusammen, um eine freie und offene Region zu unterstützen.“

Biden verwendete in der gemeinsamen Pressekonferenz zwar nicht den Begriff „besondere Beziehung“, erklärte aber dennoch: „Wir haben keinen engeren Verbündeten als Großbritannien... Premierminister Winston Churchill und Roosevelt trafen sich hier vor etwas weniger als 70 Jahren und bekräftigten, dass die Stärke der Partnerschaft zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA die Stärke der freien Welt sei. Ich glaube immer noch, dass Wahres in dieser Feststellung liegt.“

Großbritannien bleibt natürlich ein wichtiger militärischer Verbündeter Washingtons. Die New York Times stellte im Vorfeld des Treffens der Regierungschefs fest: „Großbritannien ist durch seine robuste militärische Unterstützung für die ukrainische Armee ein zentraler Akteur in der westlichen Reaktion auf Russlands Invasion geblieben.“ Londons Versprechen, die Verteidigungsausgaben über die Zielvorgabe von zwei Prozent des BIP hinaus zu erhöhen, wie es die USA von den Nato-Staaten verlangt, ist von entscheidender Bedeutung. Die USA bestehen darauf, dass die anderen europäischen Großmächte dem Beispiel Großbritanniens folgen und sich mit mehr Geld an den Ausgaben des Kriegs gegen Russland beteiligen.

Sunak erklärte bei seiner Pressekonferenz: Das Vereinigte Königreich ist stolz darauf, nach den USA der größte Beitragszahler bei den militärischen Anstrengungen in der Ukraine zu sein. Und ich halte es für richtig, dass auch andere Länder mehr tun und ihren Teil dazu beitragen. Wir können uns glücklich schätzen, dass Amerika in die europäische Sicherheit investiert, aber wir müssen diese Bürde gemeinsam mit Euch tragen. Deshalb liegen – und lagen – die Verteidigungsausgaben des Vereinigten Königreichs über dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Da es sich um eine zunehmende Tendenz handelt, möchten wir auch andere Länder dazu ermutigen, dem Beispiel der USA und Großbritanniens zu folgen, denn unsere Sicherheit ist kollektiv.“

Eine für Washington entscheidende Rolle des Vereinigten Königreichs ist seine Funktion als Gegengewicht zur deutschen und französischen Vorherrschaft in Europa. Diese wurde jedoch durch den Brexit, den Austritt Großbritanniens aus der EU, stark beeinträchtigt. Der Brexit geschah gegen den ausdrücklichen Wunsch Washingtons und führte zu einem weiteren deutlichen Rückgang des britischen Einflusses auf der Weltbühne. Im Vorfeld des Gipfels sorgte Bidens Besuch in Irland für Spannungen, da der Konflikt des Vereinigten Königreichs wegen des Handelsabkommens zwischen Nordirland und der Republik Irland nach dem Brexit als Bedrohung für das Karfreitagsabkommen und für Amerikas beträchtliche wirtschaftliche Investitionen in Irland angesehen wurde.

Der wahre Charakter der „besonderen Beziehung“ wurde mehr als deutlich gemacht, als Washington London anwies: „Tu, was man dir sagt, sonst!“

Sunak wurden nur 40 Minuten für Privatgespräche mit Biden zugebilligt, darauf folgte eine halbstündige Pressekonferenz. Biden hatte ursprünglich noch weniger Zeit für private Diskussionen eingeplant, doch laut dem Independent verzögerte sich die Pressekonferenz, weil „die Diskussionen zwischen den beiden Regierungschefs später begannen und länger dauerten als geplant“.

Diskutiert wurde u.a. über Großbritanniens Vorschlag, im Herbst einen globalen Gipfel zu den regulatorischen Fragen zu veranstalten, welche die künstliche Intelligenz aufwirft. Sunak plädierte dafür, dass das Vereinigte Königreich eine wichtige Rolle dabei spielen sollte. Wie die New York Times jedoch feststellte: „Weil Großbritannien die Europäische Union 2020 verlassen hat, nimmt es nicht am Dialog zwischen den USA und der Europäischen Union über den Umgang damit teil.“ Die Times zitierte Kim Darroch, einen ehemaligen britischen Botschafter in den USA, der warnte: „Wenn sich die USA und die EU einig werden, folgt der Rest der Welt, und das ausgetretene Vereinigte Königreich läuft Gefahr, verdrängt zu werden.“

Das ist nicht der einzige Bereich, in dem das Vereinigte Königreich aufgrund des EU-Austritts verdrängt wird. Im Vorfeld seiner Reise musste Sunak zugeben, dass das Hauptziel des Brexits, den er unterstützt hatte – ein Freihandelsabkommen mit den USA – nun bestenfalls in weite Ferne gerückt ist. Stattdessen ging es darum, den wirtschaftlichen Schaden zu minimieren, der Großbritannien durch Bidens Inflation Reduction Act entsteht.

Das Vereinigte Königreich konnte nur im militärischen Bereich und in Bezug auf die grundlegenden Konflikte mit China und Russland Fortschritte erzielen. Sunak wollte eine Einigung über den Zugang zum US-amerikanischen Elektrofahrzeugmarkt erreichen, indem er sich auf die Seite Washingtons gegen Chinas Vorherrschaft bei der globalen Förderung kritischer Mineralien stellte. In der Atlantik-Deklaration heißt es dazu: „In Absprache mit dem Kongress wollen wir sofort die Verhandlungen über ein gezieltes Abkommen über kritische Mineralien beginnen, das die fünf kritischen Mineralien betrifft, die für die Herstellung von Elektrofahrzeugen am wichtigsten sind: Kobalt, Graphit, Lithium, Mangan und Nickel, die in Großbritannien abgebaut und verarbeitet werden. Sie zählen zu den grundlegenden Voraussetzungen für den Bau sauberer Fahrzeuge, die für die Steuergutschrift für saubere Fahrzeuge gemäß Abschnitt 30D des Inflation Reduction Act in Frage kommen.“

Davon würden britische Firmen profitieren, denen nach Bidens Gesetz Steuergutschriften von 3.750 Dollar pro Fahrzeug zustehen würden.

In dem Abkommen verpflichtet sich das Vereinigte Königreich außerdem dazu, seine Bestrebungen zu verstärken, Russland aus dem globalen Atommarkt auszuschließen.

Doch das Vereinigte Königreich ist selbst mit seiner erklärten Feindschaft gegenüber China und Russland weit von einem solchen Abkommen mit den USA entfernt. Die Biden-Regierung räumt den Verhandlungen mit Japan, der EU und Australien Priorität ein. Die Atlantik-Deklaration enthält praktisch nichts Konkretes, was Sunak als Zugeständnis Washingtons darstellen könnte. Die Financial Times zitierte Duncan Edwards, den Vorstandschef der British American Business Group, laut dem die 4.000 Wörter umfassende Deklaration zwar „lobenswert“ sei, aber in vielen angesprochenen Fragen nur „Absichtserklärungen statt einer tatsächlichen Einigung“ signalisiere.

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