Wahlen in der Türkei: HDP und Pseudolinke unterstützen den flüchtlings- und kurdenfeindlichen Präsidentschaftskandidaten Kılıçdaroğlu

Am Donnerstag stellte sich die kurdisch-nationalistische Demokratische Partei der Völker (HDP) bei den türkischen Präsidentschaftswahlen hinter den Kandidaten Kemal Kılıçdaroğlu, obwohl in der Bevölkerung der Widerstand gegen seinen reaktionären Wahlkampf zunimmt.

Die HDP und zahllose andere pseudolinke Gruppen unterstützten Kılıçdaroğlu als den Kandidaten, der den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am ehesten ablösen könnte. Allerdings wurde er dann Zweiter mit fast 2,5 Millionen Stimmen weniger als Erdoğan. Kılıçdaroğlu reagierte darauf, indem er am Mittwoch ein Protokoll mit Ümit Özdag, dem Vorsitzenden der rechtsextrem Partei des Siegs, unterzeichnete, um die Stimmen dieser Partei zu erhalten.

Dieses Protokoll sieht die Abschiebung von vier Millionen Flüchtlingen, die vor den Nato-Kriegen in Afghanistan, dem Irak und Syrien in die Türkei geflohen sind, innerhalb eines Jahres vor. Damit wird faktisch das Asylrecht abgeschafft, und es verstößt in ungeheuerlicher Weise gegen türkisches Recht und internationale Abkommen, denen die Türkei beigetreten ist. Das Protokoll verspricht auch, den „Kampf gegen den Terrorismus“ fortzusetzen. Unter diesem Vorwand hat Erdoğan Tausende von HDP-Mitgliedern verhaftet, gewählte Bürgermeister der HDP in kurdischen Provinzen abgesetzt und illegale grenzüberschreitende Militäroperationen in Syrien und dem Irak durchgeführt.

In Diyarbakır äußerten sich kurdische HDP-Wähler in Interviews mit BBC Turkish empört über Kılıçdaroğlu, und unter den fünf Millionen, die in den Parlamentswahlen für die HDP gestimmt hatten, wächst die Wut. Kılıçdaroğlu hatte in Diyarbakır durch die Unterstützung der HDP 72 Prozent der Stimmen erhalten. Nurten, eine dieser Wählerinnen, erklärte gegenüber der BBC, sie werde im zweiten Wahlgang nicht für Kılıçdaroğlu stimmen, da sein Protokoll mit Özdag „Kurden mit Terroristen gleichsetzt“.

Selbst andere rechte Parteien, die mit Kılıçdaroğlu verbündet sind, sahen sich gezwungen, sich von dessen faschistischer Politik zu distanzieren. Elf Vertreter der Zukunftspartei von Ahmet Davutoğlu, einem ehemaligen Ministerpräsidenten von Erdoğans Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP), kündigten aus Protest ihren Rücktritt an und erklärten in einer Stellungnahme:

Wir dulden keine Beleidigungen von Flüchtlingen, die in unserem Land Asyl suchen und kein anderes Ziel haben, als in Sicherheit und Frieden zu leben und zu überleben. Wir sind gegen diejenigen, die, statt die Einwanderungspolitik zu kritisieren und eine substanziellere und korrektere Politik vorzuschlagen, versprechen, Flüchtlinge in Lastwagen zu stecken und abzuschieben, wie es die Nazis getan haben.

Auch der stellvertretende Vorsitzende der Partei DEVA, Mustafa Yeneroğlu, ein ehemaliger AKP-Abgeordneter, der heute für Kılıçdaroğlus Republikanische Volkspartei (CHP) im Parlament sitzt, kritisierte seinen eigenen Kandidaten: „Ich schaue nicht auf die Identität der Ausgegrenzten, und ich höre nicht auf böse Erklärungen. Ich werde jede Politik entschieden ablehnen, die auf der Menschenwürde herumtrampelt.“

Doch am Donnerstag kündigte die Führung der HDP in einer Presseerklärung an, sie werde im zweiten Wahlgang unverändert Kılıçdaroğlu unterstützen.

Die Erklärung versuchte, die Wähler durch symbolische Kritik an Kılıçdaroğlu zu beschwichtigen: „Wir stimmen keinem politischen Ansatz zu, der den Widerstand für eine demokratische Veränderung der Gesellschaft bricht, ausnutzt, abschwächt oder ablenkt. Wir werden unseren demokratischen Kampf gegen derartige Ansätze bis zum Ende fortsetzen. Wir haben das gestern unterzeichnete Protokoll zwischen der Partei des Siegs und der CHP in diesem Zusammenhang bewertet und unsere Kritik der Öffentlichkeit mitgeteilt.“

Tatsächlich beschwerte sich die HDP in ihrer kurzen Stellungnahme am Mittwoch über die Entlassung ihrer gewählten Vertreter, schwieg aber über die Pläne, in diesem Jahr Millionen Flüchtlinge abzuschieben. Deshalb fügte die HDP in ihrer Stellungnahme am Donnerstag einige Zeilen zu dem Thema hinzu und erklärte zynisch:

„Es ist falsch und unmenschlich, Immigranten oder Flüchtlinge zu einem Instrument politischer Interessen zu machen... Die Verantwortung für diese Situation liegt nicht bei den verfolgten Migranten oder Flüchtlingen, sondern direkt bei der Regierung, die auf einer Kriegspolitik beharrt und Flüchtlinge für wirtschaftliche und politische Zwecke instrumentalisiert. Das Flüchtlings- und Immigrantenproblem kann nur durch einen starken Kampf für Frieden und gegen Kriegspolitik gelöst werden.“

Damit gibt die HDP zu, dass sie einen Kandidaten unterstützt, dessen Politik falsch und unmenschlich ist und der unschuldige Flüchtlinge für politische Zwecke zu Opfern macht. Die Erklärung verdeutlicht den völligen Bankrott der HDP selbst.

Seit der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 gab es fast ununterbrochen imperialistische Kriege und Regimewechsel. In Nordafrika, dem Nahen Osten und Zentralasien mussten zig Millionen aus ihrer Heimat fliehen und in fremden Ländern in Elend und ohne Grundrechte leben. Sowohl die türkische als auch die kurdische Bourgeoisie sind mitverantwortlich an diesen Verbrechen, die vor allem von den führenden imperialistischen Nato-Mächten verübt wurden.

Auch die Behauptung der HDP, einen „starken Kampf für Frieden und gegen Kriegspolitik“ zu führen, ist Betrug. Sie hat Finnlands Nato-Beitritt nicht abgelehnt, als Erdoğan darüber im Parlament abstimmen ließ, und bezeichnete die „sicherheitspolitischen Bedenken des Landes als legitim.“ Damit hat die HDP mitgeholfen, Finnland in die Nato zu bringen, die Krieg gegen Russland führt.

Kılıçdaroğlu hat eine zutiefst unpopuläre Politik vorgestellt. Er verspricht, ein besserer Nato-Verbündeter als Erdoğan zu sein und unterstützt das Wirtschaftsprogramm des Unternehmerverbands TÜSIAD. Er plant zweifellos, durch eine massive Mobilisierung des Polizeistaats unter dem Deckmantel von Operationen gegen Flüchtlinge und Terroristen den Widerstand der Arbeiterklasse gegen diesen Kurs zu unterdrücken.

Dennoch genießt Kılıçdaroğlu weiterhin die Unterstützung der wichtigsten pseudolinken Parteien der Türkei, die damit, wie die HDP selbst, als bankrotte und reaktionäre Werkzeuge des Imperialismus, der Austerität und des Polizeistaats entlarvt werden.

Die pseudolinke Arbeiterpartei der Türkei (TİP), ein Verbündeter der HDP, schweigt über Kılıçdaroğlus schmutzige Kampagne, mit der er die Arbeiter nach nationalen Gesichtspunkten spalten will. Sie unterstützt Kılıçdaroğlu weiterhin begeistert.

Der Vorsitzende der TİP, Erkan Baş, erklärte gegenüber Sözcü TV: „Dieses Thema [Flüchtlinge] sollte nicht zu einem Instrument der Tagespolitik gemacht werden, mit dem an die Stimmungen der Gesellschaft appelliert wird.“ Doch Baş nannte Kılıçdaroğlu nicht beim Namen und weigerte sich, ihn zu verurteilen.

Baş forderte, die Außenpolitik der AKP durch eine „friedliche“ Nahostpolitik abzulösen. Dann lud er ohne jeden Zusammenhang den US-Imperialismus und seine Verbündeten – die größten Kriegstreiber in der Region – dazu ein, die Kriegskrise zu lösen: „Das Völkerrecht muss umgesetzt werden, damit Israel, die USA, die Golfstaaten und alle, die an dem Prozess beteiligt sind, Syrien in einen Bürgerkrieg zu ziehen, die Verantwortung für die Wiedergutmachung dieses Prozesses übernehmen.“

Die Linkspartei, Schwesterpartei der griechischen Syriza, erklärte: „Es ist klar, dass die wirtschaftlichen und sozialen Krisen des Landes nicht mit dem Kurs der Opposition [d.h. Kılıçdaroğlu] gelöst werden können, der die Forderungen der Bevölkerung nicht berücksichtigt und auf einer nationalistischen, rechten Achse steckenbleibt, indem er Stimmung gegen Flüchtlinge schürt. Die Linkspartei wird ihren Kampf gegen die reaktionäre faschistische Politik, die auf ethnischen und konfessionellen Spaltungen beruht, fortsetzen.“

Dennoch erklärte die Linkspartei, sie werde „Kemal Kılıçdaroğlu weiterhin unterstützen, um dem politischen islamistischen Faschismus ein Ende zu bereiten.“

Das bedeutet, die Linkspartei vertritt den Standpunkt, sie müsse einen Kandidaten unterstützen, dessen Politik sie als faschistisch beschreibt, um den Faschismus zu bekämpfen.

Auch die Vorsitzende der Arbeiterpartei EMEP, Selma Gürkan, stellte sich am Donnerstag in ähnlicher Weise hinter Kılıçdaroğlu und gegen Erdoğan, „um gegenüber einer rassistischen, chauvinistischen und nationalistischen Politik nicht nachzugeben, die Menschen gegeneinander aufhetzt... um zu verhindern, dass die Politik gegen Migranten, die mit den Imperialisten ausgehandelt wird, eine Antwort findet.“

Die bedingungslose Kapitulation der HDP und der Pseudolinken vor Kılıçdaroğlu ist ein unbestreitbares Loyalitätsbekenntnis zum Imperialismus und zur Feindschaft gegenüber der Arbeiterklasse. Sie geben selbst zu, dass sie mit faschistischen Kräften verbündet sind. Sie kämpfen nicht gegen Krieg, für Demokratie oder zur Verteidigung der Arbeiterklasse. Sie sind reaktionäre Parteien, die für begüterte Teile des Kleinbürgertums sprechen, das sich auf den Imperialismus orientiert.

Die Sosyalist Eşitlik Grubu, die türkische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), ruft Arbeiter und Jugendliche auf, sowohl Erdoğan als auch Kılıçdaroğlu zurückzuweisen. In der Arbeiterklasse muss eine politisch unabhängige Bewegung aufgebaut werden. Der Weg vorwärts führt über die internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse in einem Kampf um die Macht auf der Grundlage eines sozialistischen und revolutionären Programms.

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