Perspektive

Krieg, Pandemie, Inflation: US-Präsident Biden bewirbt sich um zweite Amtszeit

US-Präsident Joe Biden hat am Dienstag angekündigt, dass er sich 2024 zur Wiederwahl stellen wird. Seine Kandidatur war zwar vorhersehbar und wurde allgemein erwartet, ist aber dennoch ein wichtiges Ereignis, das die tiefe politische Krise des Zweiparteiensystems und des amerikanischen Kapitalismus insgesamt offenbart.

Präsident Joe Biden bei SK Siltron CSS, einer Computerchipfabrik in Bay City, Michigan, am 29. November 2022 [AP Photo/Patrick Semansky]

Die Demokratische Partei kann keine Alternative zu einem 80-jährigen Mann bieten, bei dem es eindeutige Zweifel über seine körperliche Gesundheit und geistige Verfassung gibt und der am Ende einer zweiten Amtszeit 86 Jahre alt wäre.

Bei den Republikanern ist der ehemalige Präsident und Faschist Donald Trump der klare Favorit für die Präsidentschaftskandidatur – mit 76 Jahren der zweitälteste Mann, der je im Weißen Haus saß. Sollte Trump nicht nominiert werden, steht ein anderer Faschist in den Startlöchern: Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida.

Das sind die Optionen, die das kapitalistische Zweiparteiensystem der arbeitenden Bevölkerung zu bieten hat. Dabei sind Biden und Trump laut jüngsten Umfragen die beiden unbeliebtesten Politiker unter den Präsidentschaftskandidaten. Nur 5 Prozent der Befragten sahen eine Neuauflage der Wahl von 2020 positiv, in der Biden seinen Vorgänger Trump mit 7 Millionen Stimmen und einem Vorsprung von 306 zu 232 Wahlmännern im Electoral College besiegt hatte.

Als die stalinistische Bürokratie in der Sowjetunion Anfang der 1980er Jahre am Ende ihrer Kräfte angekommen war, setzte sie eine Reihe alternder Führungskräfte ein, eine Gerontokratie, die ihre Verknöcherung sichtbar demonstrierte. Nach dem Tod von Leonid Breschnew (75 Jahre) wurde Juri Andropow (68) sein Nachfolger, gefolgt von Konstantin Tschernenko (72). Verglichen mit der heutigen Führungsriege in Washington wirken sie geradezu jugendlich: Präsident Biden (80) im Weißen Haus, die Troika aus Nancy Pelosi, Steny Hoyer und Jim Clyburn (alle über 80), die bis letzten November das Repräsentantenhaus kontrollierten, und Chuck Schumer (72) und Mitch McConnell (81) an der Spitze der Demokraten und Republikaner im Senat.

Wie in der UdSSR ist die alternde und halb senile Führung ein Zeichen für ungelöste Widersprüche, die es der herrschenden Elite erschweren, den Generationswechsel in ihrem Führungspersonal zu vollziehen. Das Wesen dieser Widersprüche wird in dem dreiminütigen Video deutlich, in dem Biden für seine Wiederwahl wirbt. Es ist nicht nur bemerkenswert, was das Video zeigt, sondern vor allem was es schweigend übergeht, insbesondere den Krieg in der Ukraine, der in den letzten zwei Jahren im Mittelpunkt der Biden-Administration stand.

Biden erklärt Freiheit und Demokratie zu den Kernthemen der Wahlen 2024 und nennt drei große Gefahren: den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021; das Urteil des Obersten Gerichtshofs, mit dem das Abtreibungsrecht aufgehoben wurde; und die Bemühungen der Republikanischen Partei, das Wahlrecht einzuschränken.

Dies sind natürlich äußerst wichtige Themen. Aber die Demokratische Partei hat nichts getan, um diese Rechte zu verteidigen. Die Anhörungen der Ausschüsse zum 6. Januar im Repräsentantenhaus und die anschließenden Ermittlungen des Justizministeriums haben nicht zur strafrechtlichen Verfolgung derjenigen geführt, die für die Organisation und Anstiftung des gewaltsamen Angriffs auf den Kongress verantwortlich waren. Sie wollten verhindern, dass Trumps Wahlniederlage bestätigt wird. Trump und seine engsten Kollaborateure im Weißen Haus, im Pentagon und in anderen Bundesbehörden sind nach wie vor auf freiem Fuß.

In ähnlicher Weise haben die Demokraten nichts unternommen, um das Abtreibungsrecht zu schützen. Als sie im Repräsentantenhaus und im Senat noch die Mehrheit hatten, hätten sie verhindern können, dass der Supreme Court von ultrarechten Richtern dominiert wird. Jetzt nutzen sie das Abtreibungsthema lediglich als Taktik, um auf Stimmenfang zu gehen und jüngere Wähler zu mobilisieren, die ansonsten von der rechten Politik der Biden-Regierung abgestoßen sind. Die Frage des Wahlrechts bringen sie auch nur auf, weil sie schwarze und lateinamerikanische Wähler dazu bewegen wollen, 2024 zur Wahl zu gehen und für die Demokraten zu stimmen. Aber als sie im Kongress noch die Mehrheit hatten, wurde kein Wahlrechtsgesetz verabschiedet.

Noch wichtiger sind die Themen, die in Bidens Wahlvideo weggelassen werden.

Kein Wort über den von den USA angezettelten Stellvertreterkrieg in der Ukraine, obwohl die Regierung ständig behauptet, es handele sich um einen Krieg zur Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten gegen die russische Aggression. Selbst als Biden sagt, im Zentrum seines Wahlkampfs stehe die Verteidigung der Freiheit, wagt er es nicht, einen Zusammenhang zum Ukrainekrieg herzustellen. Er weiß, dass der Krieg äußerst unpopulär ist. Auch könnte er nicht auf die Gefahr eines Atomkriegs hinweisen, die sich aus diesem Konflikt ergibt. Die Politik seiner Regierung besteht gerade darin, den Krieg rücksichtslos zu eskalieren und Provokationen gegen Russland zu unterstützen, die eine nukleare Antwort auslösen könnten.

Biden schwieg auch zur Corona-Pandemie, die mehr als 1,1 Millionen Amerikaner das Leben gekostet hat. Die meisten starben während Bidens Amtszeit. Während des Wahlkampfs 2020 hatte Biden in einer Debatte noch gesagt, dass unter Trump 200.000 Amerikaner an Covid gestorben seien. Dann erklärte er: „Wer für so viele Todesfälle verantwortlich ist, sollte nicht Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika bleiben.“ Während Bidens Präsidentschaft sind mehr als dreimal so viele Menschen an der vermeidbaren Krankheit gestorben, und die Pandemie dauert an.

Biden verlor auch keine Silbe über die Inflation oder die internationale Wirtschaftskrise, obwohl dies sicherlich ein zentrales Thema in den Köpfen der Arbeiter ist. Seine Regierung und die US-Notenbank Federal Reserve verfolgen eine Politik der Zinserhöhungen und steigenden Arbeitslosigkeit, um die zunehmenden Kämpfe der Arbeiterklasse wegen der Inflation zu unterdrücken. Das zeigte sich am deutlichsten im vergangenen Dezember, als Biden ein Gesetz durch den Kongress brachte, das einen Streik von 115.000 Bahnarbeitern verbot und ihnen einen Tarifvertrag aufzwang, der einen Ausverkauf bedeutete.

Die nächsten zwei Jahre werden von scharfen Krisen und sozialen und politischen Explosionen geprägt sein, die die scheinbare politische Lähmung in den herrschenden Kreisen der USA aufbrechen und die bestehende politische Ordnung in ihren Grundfesten erschüttern werden. Das Zweiparteiensystem, das bereits zutiefst diskreditiert ist, kann Millionen Menschen keinen Ausweg mehr bieten.

Senator Bernie Sanders, Bidens Hauptgegner bei der demokratischen Präsidentschaftskandidatur 2020, kündigte innerhalb weniger Minuten nach der Veröffentlichung des Kampagnenvideos seine Unterstützung für Biden an: „Ich werde tun, was ich kann, um sicherzustellen, dass der Präsident wiedergewählt wird.“ Alle anderen führenden Demokraten folgten diesem Beispiel und bestätigten damit, dass Biden innerhalb seiner eigenen Partei keinen Herausforderer haben wird.

Was die rechte Opposition anbelangt, so geht die Republikanische Partei entschieden in Richtung Faschismus. Die Mehrheit ihrer Abgeordneten im Kongress hatte für den Verbleib von Trump als Möchtegern-Diktator im Weißen Haus gestimmt und damit den Willen der Wähler missachtet, die ihn abgewählt hatten.

Der Kampf gegen den Krieg, die Pandemie und die Wirtschaftskrise sowie die Verteidigung der demokratischen Rechte kann keinem politischen Lager der Kapitalistenklasse überlassen werden, die allesamt der Finanzoligarchie dienen und sie vertreten. Die Arbeiterklasse muss für ihre eigene unabhängige Alternative eintreten.

Das erfordert einen entschlossenen Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie und ihre diskreditierte politische Strategie, die Arbeiterklasse der Demokratischen Partei unterzuordnen. Die Arbeiter müssen ihre eigenen Organisationen zur Führung des Klassenkampfs gründen – Aktionskomitees in den Betrieben und an allen Arbeitsplätzen – und eine neue politische Strategie vorantreiben: die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms, das die amerikanischen Arbeiter mit ihren Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern vereint.

Um dieses Programm geht es bei der internationalen Maikundgebung am 30. April, die vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale, seinen nationalen Sektionen, einschließlich der Socialist Equality Party in den USA, und der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees organisiert wird. Wir fordern Arbeiter und Jugendliche auf, an der Online-Kundgebung teilzunehmen und sich hier anzumelden.