Finnlands Beitritt wird die Nato-Grenze zu Russland verdoppeln

Am letzten Donnerstag stimmte das türkische Parlament einstimmig dafür, Finnlands Antrag auf Aufnahme in die Nato zuzustimmen. Damit ist das letzte Hindernis für Finnlands Beitritt zum aggressiven US-geführten Militärbündnis beseitigt worden. Da nun die Zustimmung aller bestehenden Nato-Mitglieder gesichert ist, wird Finnland beim nächsten Nato-Gipfel, der im Juli in Vilnius stattfindet, formell als 31. Mitglied in die Nato aufgenommen.

Die Entscheidung stellt eine massive Eskalation des Kriegs der USA und der Nato gegen Russland dar, da sich Russlands Grenze zu den Nato-Staaten mehr als verdoppeln wird. Finnland verfügt über eine 1.340 Kilometer lange Landgrenze mit Russland und wird der siebte Staat mit einer Ostseeküste sein, der sich der Nato anschließt. Nur Schweden, dessen Aufnahme in das Bündnis noch von der Zustimmung der Türkei abhängt, bleibt formell noch außerhalb des Militärbündnisses. Doch sobald Schwedens Mitgliedschaft bewilligt ist, vermutlich nach den türkischen Präsidentschaftswahlen im Mai, wird Russland an der Ostsee völlig von Nato-Gegnern umgeben sein.

Die Bestätigung von Finnlands Nato-Aufnahme erfolgt vor dem Hintergrund einer deutlichen Verschärfung des Ukrainekriegs seit Beginn des Jahres. Die imperialistischen Mächte haben ihre Lieferungen von hochleistungsstarken Waffen wie Kampfpanzern und Boden-Luft-Raketen drastisch ausgeweitet, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit eines direkten Kriegs zwischen Streitkräften der Nato und Russlands erhöht hat. Debatten über die Entsendung von Kampfflugzeugen und sogar von Bodentruppen sind weit fortgeschritten, obwohl dies die Gefahr eines Zusammenstoßes zwischen Atommächten radikal erhöhen würde.

Vertreter der Nato und der westlichen imperialistischen Mächte reagierten begeistert auf die Nachricht. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg twitterte: „Ich freue mich darauf, in den kommenden Tagen Finnlands Flagge vor dem Nato-Hauptquartier zu hissen. Gemeinsam sind wir stärker und sicherer.“ Der amerikanische Botschafter in Finnland, Douglas Hickey, beschrieb die Entscheidung als „historischen Moment“ und erklärte, Finnland sei ein „starker, fähiger Partner, der die Werte der Nato teilt“.

Die Behauptung als orwellschen Neusprech zu beschreiben, dass Finnlands Nato-Mitgliedschaft für „Sicherheit“ und „Stabilität“ sorgen würde, wäre noch untertrieben. Der Beitritt deutet vielmehr darauf hin, dass die derzeitige Situation immer mehr der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ähnelt, als die Großmächte versuchten, die Welt in ihrem Interesse neu aufzuteilen. Nach dem Ersten und während des Zweiten Weltkriegs war die finnische Bourgeoisie ein williger Komplize der imperialistischen Mächte. Diese versuchten, der Sowjetunion eine militärische Niederlage beizubringen und das Gebiet des heutigen Russlands und der ehemaligen Sowjetrepubliken in direktes Eigentum des amerikanischen, deutschen und britischen Kapitals zu verwandeln, um es rücksichtslos auszuplündern. Den gleichen Kurs verfolgen jetzt die sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsidentin Sanna Marin und der rechte Präsident Sauli Niinistö.

Nachdem die finnische herrschende Klasse die finnische Revolution von 1918, die als direkte Reaktion auf die Machtübernahme der Bolschewiki in Russland ausgebrochen war, brutal niedergeschlagen hatte, nutzte sie ihre neu gewonnene „Unabhängigkeit“, um sich zuerst dem deutschen und später dem britischen Imperialismus unterzuordnen. Finnland diente den konterrevolutionären Weißen, die von den imperialistischen Mächten umfangreiche Militärhilfe erhielten, als Operationsbasis.

Während des Zweiten Weltkriegs benutzte die herrschende Elite Finnlands die konterrevolutionäre Politik der stalinistischen Bürokratie als Rechtfertigung für ein militärisches und strategisches Bündnis mit Hitler-Deutschland. Um die im Winterkrieg 1939–1940 verlorenen Territorien zurückzuerobern, beteiligten sich finnische Streitkräfte am Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten gegen die Sowjetunion. In diesem Konflikt, der als Fortsetzungskrieg bekannt wurde, beteiligten sich finnische Truppen an der brutalen Belagerung von Leningrad, dem heutigen St. Petersburg.

Das Kräftegleichgewicht zwischen den Imperialisten und der stalinistischen Sowjetbürokratie nach dem Zweiten Weltkrieg sowie das wirtschaftliche Gleichgewicht der Nachkriegszeit unter der Hegemonie des US-Imperialismus ermöglichten es den herrschenden Eliten Nordeuropas, darunter Finnland, Schweden, Norwegen und Dänemark, sich als Wächter einer Bastion des Friedens in einer von Großmachtkonflikten zerrissenen Welt zu inszenieren. An die arbeitende Bevölkerung wurden beträchtliche Zugeständnisse in Form von Sozialprogrammen und Sozialleistungen gemacht, während Finnland und Schweden im Kalten Krieg formell „blockfrei“ blieben.

Die heutigen Bedingungen in der Region haben nichts mehr mit dieser frühen Periode gemeinsam, die von „Progressiven“ auf der ganzen Welt immer noch als Beispiel dafür gefeiert wird, wie der Kapitalismus „reformiert“ werden könne. Die nordeuropäischen Staaten sind heute Frontstaaten in einem imperialistischen Krieg mit dem Ziel, Russland auf den Status einer Halbkolonie zu versetzen und die Kontrolle über seine unermesslichen Bodenschätze zu bekommen. Die Sozialprogramme, die einst als Beispiele für das „nordeuropäische Modell“ dargestellt wurden, sind entweder extrem gekürzt oder ganz abgeschafft worden.

Finnland und Schweden beteiligen sich regelmäßig an großen Nato-Militärübungen, und US-Truppen haben ihre Operationen in Norwegen massiv ausgeweitet. Die norwegische Regierung hat vor kurzem ein Abkommen mit den USA ausgehandelt, das den USA uneingeschränkten Zugang zu „vereinbarten Gebieten“ gewährt. Ähnliche Abkommen will Washington auch mit Schweden und Finnland aushandeln.

Im März einigten sich Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden darauf, ihre etwa 250 F-35-Kampfflugzeuge aus amerikanischer Produktion als Teil einer einzigen nordeuropäischen Luftflotte einzusetzen. In der Absichtserklärung vom 24. März heißt es, die vier Staaten wollten eine „vereinte nordische Luftabwehr“ aufbauen. Der Befehlshaber der dänischen Luftwaffe, General Jan Dam, erklärte dazu: „Unsere gemeinsame Luftflotte lässt sich mit der eines großen europäischen Landes vergleichen.“ Die Unterzeichnung des Abkommens fand auf dem deutschen Luftwaffenstützpunkt Ramstein statt. Unter den Anwesenden war auch der Befehlshaber des Nato Air Command, General James Hecker. Militärs der vier nordeuropäischen Staaten arbeiten außerdem an der Umgestaltung des Nato-Großmanövers Cold Response, das traditionell in Norwegen stattfindet, in ein Manöver „Nordic Response“, an dem die gesamte Region Nordeuropa beteiligt sein wird.

Die New York Times, gefolgt von weiteren internationalen Medien, stellten die Entscheidung Finnlands zum Nato-Beitritt in ihrer Berichterstattung als Folge des Überfalls auf die Ukraine dar. Das ist jedoch eine dreiste Lüge. Genau wie der Ukraine-Krieg selbst wurde auch die Einbindung Finnlands und Schwedens in die Nato über Jahrzehnte hinweg durch immer aggressivere imperialistische Kriege der USA auf der ganzen Welt und die Nato-Osterweiterung bis an die Grenzen Russlands vorbereitet.

Nach der Auflösung der Sowjetunion in den 1990ern gehörten Finnland und Schweden im Rahmen der ursprünglichen Ausweitung der Nato zu den ersten Mitgliedern der Nato-Initiative „Partnerschaft für den Frieden“, die es ihnen ermöglichte, an gemeinsamen Übungen teilzunehmen und Erfahrungen mit den Verfahren und der Ausrüstung der Nato zu sammeln. Beide Länder wurden zusammen mit der Ukraine im Jahr 2014 „Partner“ der Nato mit „erweiterten Möglichkeiten“. 2017 traten sie der Joint Expeditionary Force bei, einem Bündnis baltischer und nordeuropäischer Nato-Staaten unter der Führung des britischen Imperialismus. Putins reaktionärer Einmarsch in die Ukraine war nur der Vorwand für die Umsetzung von Plänen, Finnland und Schweden formell in die Nato aufzunehmen, die schon lange vorbereitet waren.

Das reaktionäre nationalistische Putin-Regime, das die Interessen der aus der Auflösung der Sowjetunion hervorgegangenen kriminellen kapitalistischen Oligarchie repräsentiert, hat keine progressive Antwort auf die Eskalation der militärischen Aggression der Imperialisten in Nordeuropa. Ähnlich wie bei dem katastrophalen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 reagierte Russland auch auf die bevorstehende Bestätigung von Finnlands Nato-Mitgliedschaft mit wüsten Androhungen militärischer Vergeltung. In einer Erklärung der russischen Botschaft in Stockholm hieß es am Mittwoch: „Wenn irgendjemand weiterhin glaubt, das würde die Sicherheit Europas in irgendeiner Form verbessern, können Sie sicher sein, dass die neuen Mitglieder des feindlichen Blocks legitime Ziele für Russlands Vergeltungsmaßnahmen werden, einschließlich militärischer Maßnahmen.“ Der schwedische Außenminister Tobias Billström bestellte daraufhin den russischen Botschafter ins Außenministerium in Stockholm ein.

Die gefährliche militärische Aufrüstung in Nordeuropa und die drohende Ausweitung des US/Nato-Kriegs gegen Russland auf das Baltikum können nur durch den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse verhindert werden. Die Arbeiter in Nordeuropa, im übrigen Europa, in Russland, in der Ukraine und der ganzen Welt müssen auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms vereint werden, um dem imperialistischen Krieg und dem kapitalistischen Profitsystem, aus dem er hervorgeht, ein Ende zu setzen.

Die Grundlage für eine solche Bewegung erwächst aus der gleichen objektiven Krise, die die Imperialisten in den Weltkrieg treibt. In ganz Europa nehmen Arbeiter Massenkämpfe gegen die unerträglichen Lebenshaltungskosten auf, sowie gegen die Angriffe auf ihre sozialen und demokratischen Rechte aufgrund der Unterordnung sämtlicher Aspekte des gesellschaftlichen Lebens unter den Krieg. Die dringliche politische Aufgabe besteht darin, den Arbeitern die Tatsache bewusst zu machen, dass ihre Kämpfe darauf gerichtet sein müssen, der Bourgeoisie die politische Macht zu entreißen, um einen globalen Flächenbrand zu verhindern, der das Überleben der Menschheit in Frage stellen würde.

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