Am Mittwoch letzter Woche kündigte der erste Bevollmächtigte der IG Metall, Lars Desgranges, auf der Delegiertenversammlung in Völklingen an, Ford werde in dieser Woche einen Zukunftsplan für das Werk bekanntgeben. Darauf bereite sich die IG Metall vor, denn: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Die Beschäftigten von Ford in Saarlouis wissen, was dieser Spruch wirklich bedeutet: Wer sich auf die IG Metall verlässt, hat schon verloren.
Wenn heute der Betriebsratsvorsitzende des Ford-Werks Saarlouis, Markus Thal, auf der Betriebsversammlung vor die Belegschaft tritt, wird auch er wieder von „Kampf“, „harten Verhandlungen“ und „intensiven Auseinandersetzungen“ schwadronieren. Anschließend werden Thal und seine IG Metall dort weitermachen, wo sie gestern aufgehört haben: Die Belegschaft stillhalten, um hinter verschlossenen Türen gemeinsam mit der Geschäftsführung des Ford-Konzerns das Werk abzuwickeln.
Jetzt kommt es darauf an, die Initiative zu ergreifen und einen ernsthaften Kampf zur Verteidigung aller noch vorhandenen Arbeitsplätze zu führen. Noch steht das Werk, noch läuft die Produktion. Jetzt müssen ein Streik und wirkliche Kampfmaßnahmen diskutiert und organisiert werden. Dort, wo begonnen wird, die Produktion abzubauen, müssen die Abteilungen besetzt werden, um den Abtransport der Maschinen und Produktionsanlagen zu verhindern.
Die Streiks, Demonstrationen und Straßenkämpfe in Frankreich gegen die Rentenkürzung der verhassten Macron-Regierung zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, einen ernsthaften Kampf zu führen. Viele Ford-Arbeiter verfolgen die Ereignisse in Frankreich mit großer Sympathie und Begeisterung. Einige wohnen in Frankreich und erleben die Kämpfe hautnah. Wenn es möglich ist, in Frankreich Macron, seiner Regierung und seiner Polizei die Stirn zu bieten, dann ist es auch möglich, hier gegen ein rabiates Ford-Management und seine auf Profit ausgerichteten Stilllegungsmaßnahmen zu kämpfen.
Doch dazu sind zwei Dinge notwendig. Erstens muss der Betriebsrats-Mafia um Thal, die aufs Engste mit dem Management verbunden ist, das Misstrauen ausgesprochen und das Handwerk gelegt werden. Zweitens ist es wichtig, das Ford-Aktionskomitee zu stärken und aufzubauen, um die Verteidigung der Arbeitsplätze selbst in die Hand zu nehmen.
Ein ernsthafter Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze in Saarlouis würde Millionen Arbeiter im öffentlichen Dienst, bei der Post und in vielen andern Bereichen begeistern, die sich gegenwärtig im Tarifkampf befinden und Warnstreiks organisieren. Dann würde der Funken des Widerstands von Frankreich auf Deutschland überspringen.
Aber genau das wollen Betriebsrat und IG Metall verhindern. Die Bilanz des Betriebsrats ist vernichtend.
Seit 2019 haben Thal & Co. jedem Personalabbau zugestimmt und allein bis letztes Jahr 2600 Arbeitsplätze abgebaut. Im letzten Jahr haben er und sein spanischer Kollege José Luís Parra von der UGT im ruinösen Bieterwettbewerb die Belegschaften der Ford-Werke in Saarlouis und im spanischen Almussafes gespalten und gegeneinander ausgespielt, indem sie sich gegenseitig unterboten. Die IG Metall hatte gar angeboten, die Löhne aller Ford-Beschäftigten in Deutschland – also auch in Köln – um 18 Prozent zu senken.
Es ist nun fast genau neun Monate her, seit Thal den rund 4600 Ford-Beschäftigten in Saarlouis mitgeteilt hat, dass sich der Konzern entschieden habe, das saarländische Werk 2025 zu schließen.
Seitdem haben er und sein Betriebsrat jeden Kampf verhindert und Opposition im Betrieb unterdrückt. Selbst am Tag, an dem das Aus für Saarlouis bekannt gegeben wurde, führten Betriebsrat und IG Metall die geschockten Kolleginnen und Kollegen zu einer vorbereiteten Alibi-Kundgebung gut zwei Kilometer vom Werk entfernt, um keine spontane Tor- und Werksbesetzung zu riskieren.
In sicherer Entfernung vom Werk kündigten Thal, Desgranges und andere dann einen nicht näher bezeichneten „Kampf“ an und warnten Ford vor der „teuersten Werksschließung aller Zeiten“. Es folgten das Aufstellen von Kreuzen, Jahrmarkt-Aktionen und das Spiel mit Pyrotechnik.
Das alles ist Symbolpolitik, die absolut nichts mit einem „Kampf“ zur Verteidigung des Werks und seiner Arbeitsplätze zu tun hat. Thal und seine Kumpane verstehen unter „Kampf“ nichts anderes als die unterwürfige Kriecherei vor den Konzernspitzen, denen sie die Wünsche von den Lippen ablesen.
Jedes Mal, wenn Ford vorher ein zugesagtes „Zukunftskonzept“, auf das Thal die Belegschaft vertröstet hatte, nicht vorlegte, trat der Betriebsratsvorsitzende ans Mikrofon und forderte devot, es müsse dann aber spätestens zum nächsten Termin vorgelegt werden. Man darf demnach gespannt sein, was der Belegschaft heute präsentiert oder eben nicht präsentiert wird.
Festzuhalten ist, dass bislang kein Investor zur Weiterführung des Werks oder einer industriellen Produktion gefunden wurde. Es bleibt beim schlechtestem Szenario, das Thal als „Szenario 4“ bezeichnete: Eine Rumpfmannschaft von 500 bis maximal 700 Beschäftigten führt Arbeiten für Ford weiter, der Rest – rund 4000 Kolleginnen und Kollegen – müssen sich bis 2025 einen anderen Arbeitsplatz suchen.
Bis dahin sollen sie den Focus produzieren. Die Stimmung in der Belegschaft ist angesichts dieser Politik der IG Metall und ihres Betriebsrates auf dem Tiefpunkt. Viele sind krank geworden und fühlen sich nicht in der Lage zu arbeiten. Einige verlassen über Altersteilzeit das Werk, andere nehmen Jobangebote bei Ford in Köln an, wiederum andere – insbesondere Jüngere – haben schnell das Weite gesucht und sind auch ohne Abfindung in andere Stellen gewechselt.
Das wiederum zehrt an den Kräften der verbleibenden Belegschaft. Im März-Betriebsratsinfo heißt es, dass der Betriebsrat auch dazu in „Gesprächen mit der Geschäftsführung um Lösungen bemüht“ sei. Ein „ganzheitliches Konzept bezüglich der Personal- und Fertigungssituation 2023“ liege aber bislang (im März!) nicht vor. Thal sorgt sich deshalb um „die Funktionsfähigkeit des Werkes“ – nicht um die der Arbeiterinnen und Arbeiter.
Die Ford-Vorstände und -Eigner können sich derweil bequem zurücklegen. Der Betriebsrat kümmert sich um die Aufrechterhaltung der Produktion bis 2025 und die reibungslose Vernichtung der Arbeitsplätze, anschließend übernimmt das Saarland Werksgelände und Immobilien von Ford.
Die Landesregierung von Anke Rehlinger (SPD) hat Anfang März eine Kaufoption vereinbart, wenn die Investorensuche bis zum Sommer 2025 nicht „zu einer vollständigen Vermarktung des Werkstandorts führen“ wird. Der festgelegte maximale Kaufpreis für diesen Fall, den das Saarland an Ford zu zahlen hätte (zuzüglich Erwerbsnebenkosten) beträgt bis zu 95 Mio. Euro.
Es wird einmal mehr deutlich, dass die Ford-Belegschaft mit einer regelrechten Verschwörung des Konzerns, der saarländischen SPD-Regierung und der IG Metall samt ihrem Betriebsrat konfrontiert ist.
Die WSWS hat seit September letzten Jahres, als der Konzern angekündigt hatte, er werde entweder das deutsche Werk in Saarlouis oder das spanische in Almussafes schließen, davor gewarnt, dass die Betriebsräte beider Werke sich gegenseitig mit Sparangeboten überbieten und „versuchen, dem Vorstand zu beweisen, dass ihr jeweiliger Standort profitabler produzieren könne als der andere“. Verlierer würden die Ford-Beschäftigten in beiden Werken sein.
Das hat sich inzwischen mehr als bestätigt. Ford Spanien hat vor knapp drei Wochen angekündigt, 1144 Arbeitsplätze in Almussafes zu vernichten, das sind 20 Prozent der Belegschaft. Die dortigen Gewerkschaften signalisierten sofort ihre Bereitschaft, mit der Unternehmensleitung zusammenzuarbeiten, um diese Entlassungen innerhalb von drei Monaten durchzusetzen.
Bereits im Februar hatte Ford Europa den Abbau von 3800 Arbeitsplätzen in ganz Europa in den nächsten drei Jahren angekündigt. In Deutschland sollen – neben den 4600 in Saarlouis – zusätzliche 2300 Stellen wegfallen, in Großbritannien 1300.
Wir wiederholen, was wir am Tag der Bekanntgabe des Aus für Saarlouis geschrieben hatten: „Wenn die Belegschaft in Saarlouis es zulässt, dass die Betriebsräte und die IG Metall ungehindert dort weitermachen, wo sie jetzt aufgehört haben, kann das nur in eine Katastrophe führen. Mit der schrittweisen Abwicklung des Werks verliert die gesamte Region wichtige Industrie-Arbeitsplätze, mit halbwegs angemessenen Löhnen.“
Es ist jetzt dringend, Thal und seinen Hintermännern in der IG Metall das Heft aus der Hand zu nehmen. Kein neues Vertrösten auf „Zukunftskonzepte“ und die „Verantwortung Fords“. Das ist der Mechanismus, mit dem die Lebensgrundlage der Ford-Beschäftigten zerstört wird. Thal & Co. werden dafür entlohnt. Sie müssen sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen.
Die heutige Betriebsversammlung sollte Ausgangspunkt sein, über das Ford-Aktionskomitee, dass sich vor gut einem Jahr konstituiert hat, um die Arbeitsplätze zu verteidigen, Kontakt mit den spanischen Kolleginnen und Kollegen in Almussafes aufzunehmen. Die Gelegenheit ist günstig.
Wir rufen die Ford-Kolleginnen und Kollegen auf, sich jetzt beim Ford-Aktionskomitee zu melden, per WhatsApp-Nachricht über diese Nummer: +491633378340