Hinter dem Rücken der Belegschaft haben sich Betriebsrat und Management bei Ford darauf geeinigt, europaweit in den nächsten drei Jahren 3800 Stellen zu streichen. Das betrifft rund 11 Prozent der aktuell 34.000 europäischen Beschäftigten. In Deutschland sollen 2300 Arbeitsplätze gestrichen werden, in Großbritannien 1300, weitere 200 in anderen, nicht näher bezeichneten Ländern.
Für die Kölner Belegschaft kam diese Einigung überraschend, die der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates für Ford in Deutschland, Benjamin Gruschka, ihnen am Dienstag auf drei Betriebsversammlungen mitteilte. Noch vor drei Wochen hatte er davon geredet, mit einem „Eskalationsplan an vier Standorten“ gegen die Stellenstreichungen vorzugehen.
Jetzt bezeichnet Gruschka den Abbau von 2300 Stellen als „Erfolg“. Denn im Januar hatte er noch von 3200 Stellen gesprochen, die angeblich abgebaut werden sollten.
Als der Kölner Betriebsrat, dem Gruschka auch vorsteht, Ende Januar rund 500 Ford-Vertrauensleute lautstark protestieren ließ, hatte die WSWS geschrieben, dieses Getöse verfolge nur ein Ziel: „Es bereitet die Gespräche des Kölner Betriebsrates unter Leitung von Benjamin Gruschka mit dem Ford-Management vor, in denen der Arbeitsplatzabbau geregelt wird.“
Auf die Ankündigung der Vorsitzenden des europäischen Ford-Betriebsrates Katharina von Hebel, das Management wolle in Gesprächen mit dem Betriebsrat „den konstruktiven Weg begehen“, antworteten wir: „Die Kölner Belegschaft sollte gewarnt sein. Der ‚konstruktive Weg‘ des Betriebsrates und der IG Metall ist der lautlose Abbau der Arbeitsplätze.“
Genau das hat sich nun bestätigt. Das Prozedere ist altbekannt, nicht nur bei Ford: Der Konzern kündigt einen massiven Arbeitsplatzabbau an, die IG Metall und ihre Betriebsräte schwadronieren von „Kampf“ und lassen einige Vertrauensleute trillerpfeifend aufmarschieren, nur um etwas später einen etwas geringeren Arbeitsplatzabbau als „Erfolg“ darstellen zu können. Der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen wird als „Verhandlungserfolg“ verklärt. Im Endeffekt hat der Konzern exakt so viele Stellen gestrichen, wie er dies von Anfang an vorhatte.
Gruschka behauptete im letzten Monat, dass in der Produktentwicklung an den Standorten Köln-Merkenich und Aachen mindestens 2500 Stellen und in der Verwaltung weitere 700 Stellen gestrichen werden sollen. Wie real diese Zahlen waren, wissen nur Gruschka selbst und seine engsten Vertrauten. Ford äußerte sich nicht zu diesen Zahlen.
Nun deutet Gruschka die 1700 Arbeitsplätze in der Entwicklung und die 600 in der Verwaltung, die verloren gehen, in einen „Verhandlungserfolg“ um. „Immerhin konnten wir jetzt 900 gute, qualifizierte Arbeitsplätze und wichtige Kompetenzen für die Zukunft unserer Produktentwicklung sichern, die in der ursprünglichen Planung des Unternehmens weggefallen wären“, behauptet Gruschka.
Mit dem Abbau in Großbritannien, wo von 6.500 verbliebenen Beschäftigten 1.300 ihren Arbeitsplatz verlieren, davon 1.000 in der Produktentwicklung, umfasst der Abbau in der europäischen Entwicklung ziemlich genau 40 Prozent der bisherigen Kapazitäten. Das entspreche „in etwa den Voraussagen des Vorstandsvorsitzenden Jim Farley“, schreibt die Financial Times, „wonach der Konzern 40 Prozent weniger Personal für die Entwicklung von Batteriemodellen benötigt“. Ford plant, die Produktion von Verbrenner-Fahrzeugen schrittweise einzustellen und ab 2030 in Europa nur noch Elektroautos zu verkaufen.
Dieses abgekartete Spiel zwischen Konzern, IG Metall und Betriebsrat wird seit vielen Jahren betrieben, um Massenentlassungen durchzusetzen. Dass dies ohne betriebsbedingte Kündigungen, also ausschließlich über „freiwillige“ Abfindungsprogramme und Altersteilzeitregelungen, vonstattengeht, dafür sorgt der Betriebsrat.
Das ist die „Sozialpartnerschaft“, die er ständig einfordert. Er will an der Gestaltung des Arbeitsplatzabbaus beteiligt sein, damit er keinen Aufstand der Belegschaft provoziert. Wenn Gruschka nun erklärt: „Die Belegschaft weiß, dass mit den neuen Elektromodellen weniger Beschäftigte gebraucht werden“, spricht er von sich selbst und seinen IGM- und Betriebsratskollegen.
Auf dem gleichen Weg wird gerade das Ford-Werk in Saarlouis mit 4.600 Beschäftigten abgewickelt. Der dortige IGM-Betriebsrat unter Markus Thal behauptet, die Entscheidung über die Werksschließung treffe Ford. Sein „Kampf“ beschränkt sich auf die Begleitung der saarländischen Regierung bei der Suche nach einem Investor, der das gesamte Werk oder zumindest Teile davon übernimmt.
Ein solcher scheint sich jedoch nicht finden zu lassen. Zuletzt waren entsprechende Verhandlungen mit dem chinesischen Konzern BYD (Build Your Dreams) gescheitert. Man kann gewiss sein, dass Betriebsratschef Thal alles unternimmt, damit dass Werk „ohne betriebsbedingte Kündigungen“ – sozialpartnerschaftlich geregelt – bis 2025 geschlossen wird.
Bereits 2019 sind auf diese Weise bei Ford weltweit 25.000, in Europa 12.000 Arbeitsplätze vernichtet worden, fast die Hälfte davon in Deutschland. Damals waren Werke in Russland, Frankreich, Wales und Brasilien geschlossen worden. Inzwischen haben weitere Werke in Brasilien (2021) und Indien (2022) zugemacht. Im vergangenen Sommer hatte Ford zudem rund 3.000 Stellen in der Fahrzeugentwicklung in den USA, Kanada und Indien gestrichen.
Konzern, Gewerkschaften und Betriebsräte behaupten ständig, dass mit den nicht enden wollenden Kürzungen die Wettbewerbsfähigkeit erhöht werde und die verbleibenden Arbeitsplätze sicher seien. Auch jetzt hat Ford-Deutschland-Chef Martin Sander den Arbeitsplatzabbau auf diese Weise gerechtfertigt. Wenn Ford in Deutschland künftig konkurrenzfähig aufgestellt sei, dann trage das auch zur Sicherung der Arbeitsplätze bei, behauptete er.
Da alle Autokonzerne und die IG Metall diese Haltung haben, ist die nächste Runde des Abbaus nur eine Frage der Zeit. Auch die verbliebenen Ford-Standorte und -Werke sind alles andere als gesichert. Der Standort im britischen Dunton, in dem die meisten Kürzungen im Vereinigten Königreich vorgenommen werden, ist für die Entwicklung der Transit-Kleintransporter zuständig, die noch bis Mitte des nächsten Jahrzehnts mit Hybridantrieb angeboten werden sollen und in Rumänien und der Türkei gebaut werden.
Selbst die europäischen Werke, in denen Ford E-Modelle produzieren möchte, sind nicht vor ständigem Abbau sicher. Gruschka hatte bereits letzten Monat bekanntgegeben, dass auch in der Produktion der Druck hoch sei, Kosten einzusparen. Auch in Köln, wo Ford bis Juni das Modell Fiesta baut und anschließend zwei E-Modelle herstellen und deshalb zwei Milliarden Euro investieren will, werden Arbeitsplätze in der Produktion abgebaut.
Das gleiche gilt für das Werk in Halewood (Liverpool), in das der Konzern 380 Millionen Pfund (gut 430 Millionen Euro) steckt, um dort elektrische Komponenten für Batteriefahrzeuge herzustellen sowie das spanische Werk in Almussafes (Valencia), das den Bieterwettbewerb gegen das Werk in Saarlouis für sich entscheiden konnte und voraussichtlich ab 2024 E-Modelle produzieren wird.
Allein diese kurze Bestandsaufnahme zeigt, dass die Verteidigung der Arbeitsplätze nicht in einem Land oder gar in einem Werk zu leisten ist. Der Konzern agiert international, die Belegschaften müssen das auch. Das Haupthindernis für eine europaweite und internationale Verteidigung der Arbeitsplätze sind die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte. Diese setzen alle Kürzungspläne der Unternehmensleitung in die Tat um.
Die Arbeiter werden durch die nationalistische Gewerkschaftspolitik der Klassenzusammenarbeit von Standort zu Standort und Land zu Land gegeneinander ausgespielt. Notwendig ist eine internationale und von den Gewerkschaften unabhängige Strategie. Deshalb ist der Aufbau von Aktionskomitees wie bei Ford in Saarlouis und ihre internationale Vernetzung so entscheidend.
Die Aktionskomitees, die von den Arbeitern demokratisch kontrolliert werden und zu denen Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre keinen Zugang haben dürfen, müssen den gemeinsamen Kampf aller Ford-Standorte gegen Werksschließungen und Arbeitsplatzabbau organisieren. Sie müssen sich mit den Arbeitern zusammenschließen, die sich international gegen Ausbeutung, die Auswirkungen der Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die steigende Inflation wehren.
Die Zeit drängt. Die Konzernstrategen arbeiten bereits an der nächsten Runde des Arbeitsplatzabbaus. Darauf müssen sich alle Ford-Beschäftigten vorbereiten. Meldet euch daher beim Ford-Aktionskomitee und diskutiert das gemeinsame Vorgehen, um Arbeitsplätze und Löhne zu verteidigen. Kontaktiert uns und schickt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340