Die Biden-Regierung hat eine massive Rettungsaktion für alle Einleger der zahlungsunfähigen Silicon Valley Bank (SVB) bewilligt und kündigte am Sonntagabend an, dass sie ab Börsenbeginn am Montag ihr gesamtes dort angelegtes Geld abheben können.
Die Entscheidung fiel nach einem Wochenende voller hektischer Diskussionen, an denen das Finanzministerium, die staatliche Einlagenversicherungsgesellschaft (Federal Deposit Insurance Corporation, FDIC) und die Federal Reserve beteiligt waren. Am Freitag war die Bank von der FDIC übernommen worden, nachdem am Tag zuvor Anleger bei einem Ansturm auf die Bank 42 Milliarden Dollar abgezogen hatten.
Das unmittelbare Problem, vor dem die Regulierungsbehörden standen, war die Frage, was mit dem Geld derjenigen passieren würde, die mehr als 250.000 Dollar an Einlagen besaßen, die nicht durch das staatliche Versicherungssystem gedeckt sind. Letzten Endes beschlossen sie, „die Vermögen von Technologiefirmen, Risikokapitalgebern und anderen Reichen aus Kalifornien zu schützen“, wie es die Washington Post formulierte.
Vertreter der Fed nannten keine Zahlen für die Rettungsaktion, deuteten aber an, es würde ausreichen, um Anträge in Gesamthöhe von mehreren Billionen Dollar abzudecken.
Finanzministerin Janet Yellen deutete die Entscheidung bereits am Sonntagmorgen bei einem Auftritt in der Sendung Face the Nation an. Sie erklärte, es werde keine Rettungsaktion für große Banken geben, „aber wir machen uns Sorgen um die Einleger und konzentrieren uns darauf, ihre Bedürfnisse zu erfüllen“.
Die Entscheidung, die noch vor der Eröffnung der asiatischen Märkte verkündet wurde, soll einen „systemischen“ Zusammenbruch des Finanzsystems verhindern. Die Regulierungsbehörden kündigten darüber hinaus ähnliche Maßnahmen für Einlagen bei der New Yorker Signature Bank an, die sie am Sonntag geschlossen hatten. Außerdem erklärten sie im Rahmen einer weiteren Ausweitung der Rettungsmaßnahmen, dass sie eine neue Kreditfazilität für die Banken des Landes einrichten würden.
Die Behörden reagierten damit auf eine Kampagne von Politikern beider Parteien, die finanziellen Interessen zu schützen, die sie repräsentieren.
Eric Swalwell, ein demokratischer Kongressabgeordneter aus Kalifornien, forderte auf Twitter, alle Einlagen über der Grenze von 250.000 Dollar müssten eingelöst werden: „Wenn die Einleger das Vertrauen in die Sicherheit ihrer Einlagen über 250.000 Dollar verlieren, stecken wir in Schwierigkeiten.“
Der republikanische Senator Mitt Romney erklärte, Einleger sollten „sich erholen und Zugang zu ihren Einlagen haben, um ihren Lohnzahlungen nachzukommen, ihre Lieferanten zu bezahlen und einen Ansteckungseffekt zu verhindern.“
Wichtige Financiers schalteten sich ebenfalls in die Debatte ein.
Der milliardenschwere Hedgefonds-Investor Bill Ackman warnte vor einem Ansturm auf sämtliche Banken außer den größten, wenn keine Übernahme der SVB organisiert und die Regierung nicht die Garantie für alle Einleger übernehmen würde.
Er twitterte: „Die unbeabsichtigten Folgen des Versäumnisses [der Regierung], die Einlagen der SVB zu garantieren, sind gewaltig und tiefgreifend und müssen noch vor Montag bedacht und angegangen werden. Andernfalls drohen Schwierigkeiten.“
Das Wall Street Journal zitierte die Äußerungen eines Investmentmanagers, laut dem die „große Frage“ sei, wie die FDIC und die Fed die nicht versicherten Einleger bei der SVB vollständig oder nahezu vollständig entschädigt. Wenn dies nicht „gut gehandhabt wird, besteht das systemische Risiko, dass nicht versicherte Einleger sich aus den kleinen Banken zurückziehen“.
Und es geht nicht nur um kleine Banken. Die SVB bildete 40 Jahre lang das Zentrum der Finanzgeschäfte im Silicon Valley.
In einer gemeinsamen Erklärung des Finanzministeriums und der FDIC hieß es, ihre Maßnahmen seien ergriffen worden, um „das Vertrauen der Öffentlichkeit in unser Bankensystem stärken“.
In Wirklichkeit wird diese Maßnahme das Vertrauen nicht stärken, sondern die bereits in großen Teilen der Bevölkerung vorherrschende Überzeugung bekräftigen, dass das Bankensystem ein Kartenhaus ist, das von und für die Superreichen betrieben wird, deren Interessen die Regierung um jeden Preis schützen wird.
Die Entscheidung betrifft nicht nur die direkt beteiligten Banken, sondern impliziert auch, dass es eine Pauschalgarantie für alle Einlagen im US-Bankensystem gibt.
Genau wie alle Banken- und Finanzpleiten hatte auch die Pleite der SVB individuelle Merkmale. Und wie es scheint, wussten Insider, was bevorsteht.
So wurde etwa bekannt, dass der SVB-Vorstandsvorsitzende Greg Becker weniger als zwei Wochen vor Bekanntwerden der Verluste, die zum Zusammenbruch der Bank führten, Aktien der Bank im Wert von 3,6 Millionen verkauft hatte. Der Aktienverkauf am 27. Februar war das erste Mal seit über einem Jahr, dass Becker Aktien des Unternehmens verkauft hat.
Abgesehen von den individuellen Umständen lässt sich nicht leugnen, dass die Pleite der SVB das Ergebnis einer von der Fed initiierten Politik und der von ihr ausgelösten Spekulationen war. Das amerikanische Finanzsystem wurde dadurch in ein gigantisches Schneeballsystem verwandelt, das vom kontinuierlichen Zufluss neuen Geldes abhängig ist und implodieren kann, sobald dieser aufhört.
Nachdem die Regierung im März 2020, zu Beginn der Pandemie, vier Billionen Dollar in das Finanzsystem gepumpt hatte, wurde der Hightech-Startup-Sektor des Silicon Valley mit Geld überflutet. Und die SVB war eine der wichtigsten Banken für diesen Sektor.
Die SVB verfügte über mehr Geld als sie tatsächlich gebrauchen konnte – im Jahr 2021 stiegen die Kundeneinlagen von 102 Milliarden auf 189 Milliarden Dollar. Sie versuchte, das Geld in US-Staatsanleihen und hypothekengestützten Wertpapieren zu parken, die als die sichersten der Welt gelten.
Doch während des letzten Jahres hat sich die Finanzlandschaft dramatisch verändert, da die Fed damit begann, die Zinssätze aggressiv anzuheben, um die Kämpfe der Arbeiterklasse für Lohnerhöhungen angesichts der höchsten Inflation seit vier Jahrzehnten zu unterdrücken.
Aufgrund der Zinserhöhungen sank der Buchwert der Wertpapiere im Besitz der SVB – Emissionskurse und Zinssätze stehen in einem umgekehrten Verhältnis zueinander.
Der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze schrieb auf seiner Chartbook-Website: „Nach einer groben Schätzung hat die SVB bei jeder Zinserhöhung um 25 Basispunkte (d.h. 0,25 Prozentpunkte) mindestens eine Milliarde Dollar verloren, und die Fed hat die Zinsen um 450 Basispunkte erhöht. Wenn sie also ihr Portfolio ,sicherer‘ Wertpapiere verkaufen müssten, würden sie tatsächlich einen schweren Verlust erleiden.“
Die SVB war zwar in hohem Maße von Staatsanleihen abhängig, aber ihre Aktivitäten waren Teil eines viel umfassenderen Prozesses.
Tooze erklärte, nach der Geldspritze der Fed als Reaktion auf die Pandemie hätten die Banken ihre Wertpapierbestände um 44 Prozent auf 5,5 Billionen Dollar erhöht. Die FDIC meldete, dass die nicht realisierten Verluste aus Wertpapieren im dritten Quartal des vergangenen Jahres 689,9 Milliarden Dollar erreicht haben – im Vergleich zu 469,7 Milliarden Dollar im zweiten Quartal.
Wenn man sich die Ereignisse der letzten zwölf Monate ansieht, erkennt man die Entwicklung einer sich anbahnenden Finanzkrise, die größer ist als alle vorherigen. Zinserhöhungen in der Größenordnung und in dem Tempo, wie die Fed sie vornimmt, machen sich erst nach einiger Zeit im Finanzsystem bemerkbar.
Ihre Auswirkungen zeigten sich zuerst an den Rändern des Finanzsystems, dem Markt für Kryptowährungen. Im vergangenen Jahr kam es dort zu erheblichen Problemen, die zum Zusammenbruch von Sam Bankman-Frieds Unternehmen FTX und einem Strafverfahren gegen ihn führten.
Das wichtigste Merkmal der Tätigkeit von FTX war, dass es zwar auf einer Fiktion basierte, das Modell Kryptowährung jedoch viele Ähnlichkeiten mit dem regulären Finanzsystem aufwies, vor allem die Abhängigkeit von kontinuierlichem Zufluss billigen Geldes in die Hightech-Branche.
Der Zusammenbruch von FTX führte letzte Woche zur Liquidation der Silvergate Bank, die stark in Bankman-Frieds Geschäfte involviert war. Der Untergang von Silvergate wiederum scheint zumindest einer der Gründe für die Bedenken gegenüber der SVB gewesen zu sein, was zum Sturm auf die Bank und ihrem Zusammenbruch führte.
Die große Frage ist jetzt: Wie weit und wie schnell wird sich dieser Prozess fortsetzen?
In ihrem Halbjahresbericht an den Kongress Anfang März berichtete die Fed: Großbanken „verfügen weiterhin über genug Liquidität, um einen starken Abfluss von Einlagen zu verkraften“.
Selbst wenn man großzügig annimmt, dass diese Behauptung zutrifft, ergibt sich daraus nur eine weitere Frage: Wo wird die Grenze gezogen? Denn nur wenige Tage nach der Veröffentlichung des Berichts wurde die sechzehntgrößte Bank der USA zahlungsunfähig. Es gibt in den USA hunderte Banken, die nicht in die Kategorie „groß“ fallen, aber wie die SVB in wichtigen Bereichen der Wirtschaft eine bedeutende Rolle spielen.
Fed-Präsident Jerome Powell erklärte vor dem US-Kongress: „Die amerikanischen Banken sind stark kapitalisiert.“ Doch jetzt hat die zweitgrößte Bankenpleite in der Geschichte der USA diese Behauptung als Fiktion entlarvt.
Bei ihrem Fernsehauftritt am Sonntag versuchte Yellen verzweifelt, die Illusion aufrechtzuerhalten, das Bankensystem sei „wirklich sicher, gut kapitalisiert und belastbar“.
Sie erklärte, die Amerikaner müssten darauf vertrauen, dass das Bankensystem die Bedürfnisse der Haushalte und Unternehmen erfüllen kann, und dass „Einleger nicht befürchten müssen, den Zugang zu ihrem Geld zu verlieren“.
Man hat den Eindruck, dass die kapitalistischen Finanzbehörden in der Welt ihrer eigenen Illusionen gefangen sind.
Durch ihre Reaktion auf frühere Krisen – die globale Finanzkrise von 2008 und das Einfrieren der Märkte im März 2020 – haben sie es nun mit Kräften zu tun, die sie nicht kontrollieren können. Unabhängig von den Auswirkungen ihrer kurzfristigen Aktionen werden die langfristigen Folgen, wie die Ereignisse gezeigt haben, die historische Krise ihres Systems nur noch weiter verschärfen.