Die Ankündigung von Ford, an seinen Standorten in Köln und Aachen mindestens 3200 Arbeitsplätze abzubauen, hat die Beschäftigten Anfang letzter Woche überrascht und geschockt.
Betriebsrat und IG Metall haben den Belegschaften mit dem Versprechen, so würden die beiden Standorte gesichert, seit Jahren Arbeitsplatzabbau und Lohneinbußen verordnet. Als Köln den Zuschlag erhielt, ab 2023 Elektromodelle von Ford zu produzieren, hofften die Arbeiterinnen und Arbeiter, nun ein Stück weit zuversichtlich in die Zukunft blicken zu können.
Dies hat sich nun als Illusion erwiesen. Der anfängliche Schock weicht zunehmend Wut und Empörung. Der Kölner Betriebsrat hat darauf am letzten Samstag reagiert, indem er rund 500 Ford-Vertrauensleute in Köln-Niehl lautstark protestieren ließ, um Druck abzulassen.
Anschließend behaupteten IG Metall- und Betriebsratsmitglieder, sie wollten gegen den Arbeitsplatzabbau „kämpfen“. Doch alles Getöse verfolgt nur ein Ziel: Es bereitet die Gespräche des Kölner Betriebsrates unter Leitung von Benjamin Gruschka mit dem Ford-Management vor, in denen der Arbeitsplatzabbau geregelt wird.
Laut Gruschka werden im schlechtesten Fall allein in der Produktentwicklung über 4000 der 6250 Stellen gestrichen. Am Standort Köln blieben dann zunächst nur 1300 von 3800 Arbeitsplätzen in der Entwicklungsabteilung übrig.
Offensichtlich stehen aber Arbeitsplätze in allen Bereichen zur Disposition. Ford plant, die Produktion von Verbrenner-Fahrzeugen schrittweise einzustellen und ab 2030 in Europa nur noch Elektroautos zu verkaufen. Diese Transformation bringe „erhebliche Veränderungen mit sich“, die Auswirkungen auf die künftige Organisationsstruktur haben.
Die Produktion des Kleinwagens Fiesta läuft schon im Juli aus, eine von zwei Produktionslinien wurde bereits abgeschaltet. Auf den Betriebsversammlungen in der letzten Woche berichtete Gruschka, dass auch in der Produktion Sparzwang bestehe. Motorenwerk, Getriebewerk und die Gussdruck-Schmiede stünden „unter Druck“.
Ford wäre der erste Autokonzern, der die Umstellung auf Elektromobilität nicht für einen massiven Arbeitsplatzabbau nutzen würde. Das wissen natürlich auch die über 14.000 Ford-Beschäftigten in Köln und Aachen. „In der Belegschaft herrscht Wut, Verärgerung, Enttäuschung“, zitiert das Boulevardblatt Express Benjamin Gruschka.
Gruschka, der auch Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates ist, reagiert darauf mit der Drohung, Druck auf Ford auszuüben. Es gebe bereits einen „Eskalationsplan an vier Standorten“, um gegen Stellenstreichungen vorzugehen, kündigte er an. Man wolle „Nadelstiche setzen“ und „den Druck so weit aufbauen, bis Ford sich bewegt“. Es würde bis nach Amerika spürbar werden, welche Abhängigkeiten von Europa bestünden. Details verrät er nicht: „Wir müssen unberechenbar bleiben“.
Wen wollen Gruschka und die IG Metall für dumm verkaufen? Der Grund, warum Gruschka, seine Stellvertreterin und Vorsitzende des europäischen Betriebsrates, Katharina von Hebel, und die zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, keine Details verraten, ist denkbar einfach: Sie werden keine „Druckmittel“ anwenden – zumindest nicht gegen das Management.
Sie würden unter keinen Umständen an die Kampfbereitschaft aller Beschäftigten des Weltkonzerns appellieren. Stattdessen bereiten sie den nächsten Ausverkauf vor, indem sie die internationale Belegschaft spalten und die europäischen gegen die amerikanischen Standorte ausspielen.
Gruschka warnte davor, Forschung und Entwicklung aus Köln in die USA zu verlagern. Damit wäre das Pkw-Segment von Ford Europa bedroht. Der Grund: Die Kundenbedürfnisse hierzulande seien anders, die könnten aus den USA nicht bedient werden.
Christiane Benner erklärte, man müsse „eng dran sein an den Marktbedürfnissen, damit Ford Zukunftsperspektiven hat“. Das Management sollte umdenken. Andernfalls würden IG Metall und ihre Betriebsräte „Druckmittel“ anwenden. „Ford wird mit der kompletten Solidarität der IG Metall rechnen können“, behauptet Benner. Ford gehöre zu Köln.
Die gesamte Bilanz der Ford-Betriebsräte – auf europäischer, nationaler und Standort-Ebene – lässt nur eine mögliche Schlussfolgerung zu: Die Betriebsräte werden – wenn überhaupt – einige Alibi-Proteste organisieren, um Druck abzulassen. Sie werden große Töne spucken, von „Kampf“ fabulieren und hinter dem Rücken der Belegschaft den Ausverkauf organisieren.
Katharina von Hebel berichtete am Samstag, dass sie tags zuvor Gespräche mit dem Ford-Management vereinbart hätten. Das Management wolle nun einen Schritt auf den Betriebsrat zugehen und in Gesprächen „den konstruktiven Weg begehen“.
Die Kölner Belegschaft sollte gewarnt sein. Der „konstruktive Weg“ des Betriebsrates und der IG Metall ist der lautlose Abbau der Arbeitsplätze. Deshalb ist es auch Schaumschlägerei, wenn sich Gruschka nun über die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker echauffiert.
Reker hatte auf Twitter berichtet, sie stehe, in Kontakt mit dem Ford-Management und habe in der Sache „konstruktive Hilfe der Stadt“ angeboten. Sie verfolge das Ziel, möglichst viele Stellen in Köln zu erhalten. „Sollte es zu einem Stellenabbau kommen, erwarte ich von Ford, dass er sozialverträglich abläuft.“
Gruschka gab sich empört: „Da steigt mein Puls schon extrem! Das geht gar nicht!“ Für die Stadt sei die „Abwicklung der Belegschaft schon Tatsache“, ohne dass man verhandelt habe. Aber die „Abwicklung der Belegschaft“ ist auch das Ziel der Verhandlungen. Es geht nicht darum, den Abbau zurückzunehmen, sondern ihn möglichst geräuschlos durchzusetzen. Die Betriebsräte und die IG Metall werden einen weiteren Sozialtarifvertrag ausarbeiten. Allein in den letzten vier Jahren sind in Köln auf diesem Weg über 5000 Arbeitsplätze über Abfindungs- und Frühverrentungsprogramme vernichtet worden.
Während Gruschka einen Sozialtarifvertrag noch weit von sich weist, stimmt Jörg Köhlinger, IG-Metall Bezirksleiter des Bezirks Mitte, zu dem auch das Saarland gehört, im Interview mit der Saarbrücker Zeitung die Belegschaft am letzten Wochenende genau darauf ein: „Im schlimmsten Fall kommt kein Investor, und nach dem Auslaufen der Produktion des Ford Focus würde es dann Massenentlassungen geben.“
Dann könne es dazu kommen, so Köhlinger, „dass wir eine Sozialtarifauseinandersetzung führen“. Das sei zwar nicht das Ziel: „Aber ich sage ganz klar, wir bereiten uns auf alle Eventualitäten vor.“ Im schlimmsten Fall, wenn keine hohen Abfindungen ausgehandelt würden, müssten Transfergesellschaften eingerichtet werden.
Die Kölner Belegschaft muss die Lehren aus der Rolle ziehen, die die IG Metall und der Betriebsrat unter Markus Thal im Ford-Werk in Saarlouis gespielt haben. Dort hatte der Konzern im Juni letzten Jahres angekündigt, das Werk spätestens 2025 zu schließen. Und das obwohl Thal und Gruschka zuvor im Bieterwettbewerb mit dem Werk in Valencia angeboten hatten, die Löhne aller 22.000 Ford-Beschäftigten in Deutschland um 18 Prozent zu kürzen, damit das spanische Werk geschlossen wird.
Betriebsrat und Gewerkschaft in Saarlouis haben seitdem alles getan, um einen wirklichen Kampf zur Verteidigung des Werks zu verhindern. Mithilfe der Vertrauensleute organisieren sie gelegentlich öffentlichkeitswirksame, aber zahnlose Proteste, weit weg vom Werk. Hinter dem Rücken der Belegschaft verhandeln sie mit dem Management über die Bedingungen der Werksschließung. Opposition in Reihen der Belegschaft wird unterdrückt.
Nächste Woche reisen Vertreter des Betriebsrates, des Konzerns und der saarländischen Landesregierung gemeinsam nach China, um einen Verkauf des Werks an den Auto- und Elektro-Konzern BYD (Build Your Dreams) einzufädeln.
Die Erfahrung der letzten Jahre in Köln und Saarlouis, in Spanien, Belgien, Großbritannien, der Türkei und den USA zeigen, dass das Haupthindernis zur Verteidigung der Arbeitsplätze die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte sind. Diese werden auch die künftigen Kürzungspläne der Unternehmensleitung in die Tat umsetzen. Den notwendigen, gemeinsamen Kampf der europäischen und internationalen Ford-Belegschaft zur Verteidigung der Arbeitsplätze lehnen sie vehement ab.
Was die Verteidigung von Arbeiterinteressen betrifft, sind die Gewerkschaften tot. Sie haben nichts mehr mit Arbeiterorganisationen gemein. Sie sind die bezahlte Betriebspolizei der Konzerne. Die Arbeiter werden von den internationalen Konzernen und den Betriebsräten mit ihrer nationalistischen Gewerkschaftspolitik der Klassenzusammenarbeit gegeneinander ausgespielt. Sie brauchen ihre eigene internationale Strategie. Deshalb ist der Aufbau von Aktionskomitees wie bei Ford in Saarlouis und ihre internationale Vernetzung so entscheidend.
Die Aktionskomitees, die von den Arbeitern demokratisch kontrolliert werden und zu denen Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre keinen Zugang haben dürfen, müssen den gemeinsamen Kampf aller Ford-Standorte gegen Werksschließungen und Arbeitsplatzabbau organisieren. Sie müssen sich mit den Arbeitern zusammenschließen, die sich international gegen Ausbeutung, die Auswirkungen der Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die steigende Inflation wehren.
Es ist jetzt dringend, die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Meldet euch beim Ford-Aktionskomitee und diskutiert das gemeinsame Vorgehen, um Arbeitsplätze und Löhne zu verteidigen. Kontaktiert uns und schickt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340