Perspektive

USA und Nato kündigen an, gegen Russland in die Offensive zu gehen

Am Freitag gaben US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und Generalstabschef Mark Milley ein Briefing auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland. Dabei erklärten sie die militärische Niederlage Russlands zum verbindlichen Ziel der USA.

Der Vorsitzende der Generalstabschefs Gen. Mark Milley spricht während eines Briefings im Pentagon in Washington am 16. November 2022. [AP Photo/Susan Walsh, File] [AP Photo/Susan Walsh, File]

Milley erklärte, die Vereinigten Staaten und die NATO seien entschlossen, „in die Offensive zu gehen, um die von Russland besetzte Ukraine zu befreien“. Er unterstrich die Ankündigung, dass die Ukraine gepanzerte Fahrzeuge und Panzer der Nato einsetzen werde, um eine „taktische und operative Offensive zur Befreiung der besetzten Gebiete“ zu beginnen.

Mit dieser Erklärung macht die Nato all ihre Autorität von der Rückeroberung des gesamten ukrainischen Territoriums abhängig, was nach Ansicht der Vereinigten Staaten sowohl den gesamten Donbass als auch die Halbinsel Krim umfasst.

Sobald sich in den kommenden Monaten die immensen Herausforderungen abzeichnen, die die neue Strategie der USA mit sich bringt, und die Zahl der Todesopfer unter den ukrainischen Soldaten steigt, wird unweigerlich die Forderung nach einem direkten Einsatz von Nato-Truppen in diesem Krieg laut werden. Dies würde bedeuten, dass amerikanische und russische Soldaten im ersten umfassenden Gefecht zwischen atomar bewaffneten Staaten in der Geschichte aufeinander schießen würden.

Milley ist Offizier im aktiven Dienst und Austin ein pensionierter Vier-Sterne-General, dem der Kongress eine Sondergenehmigung für das zivile Amt des Verteidigungsministers erteilt hat. Diese beiden Vier-Sterne-Generäle haben praktisch die Außenpolitik der Vereinigten Staaten festgelegt und führen damit auf radikale Weise vor Augen, über welche Macht das Militär in der amerikanischen Gesellschaft verfügt.

Dass Milley und Austin nun ausdrücklich erklären, dass die von den USA und der Nato gelieferten Waffen offensiven und nicht defensiven Charakter haben, stellt eine Wendung um 180 Grad gegenüber den öffentlichen Verlautbarungen der Biden-Regierung dar, die die Ausweitung der amerikanischen Beteiligung am Krieg damit rechtfertigte, dass sie keine „offensive“ Ausrüstung bereitstellen würde.

„Die Ausrüstung, die wir zur Verfügung gestellt haben, ist, wie Sie wissen, defensiver, nicht offensiver Natur. Und das ist für uns ein Unterschied“, erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, auf einer Pressekonferenz im Mai.

„Die Vorstellung, dass wir Offensivwaffen liefern“, sagte Biden im selben Monat, „und dass Flugzeuge, Panzer und Züge mit amerikanischen Piloten und amerikanischen Besatzungen eingesetzt werden, verstehen Sie – machen Sie sich nichts vor, egal, was Sie alle sagen – das nennt man den ‚Dritten Weltkrieg‘.“

Ende letzten Monats erklärte Biden: „Die Vorstellung, wir würden der Ukraine Material zur Verfügung stellen, das sich grundlegend von dem unterscheidet, was bereits dorthin unterwegs ist, würde die Nato und die Europäische Union zerbrechen.“ Er fügte hinzu: „Sie sind nicht auf einen Krieg mit Russland aus, sie sind nicht auf einen dritten Weltkrieg aus.“

Erkennt man sowohl die öffentlichen Erklärungen von Milley als auch die wiederholten Behauptungen von Biden an, bedeutet das, dass sich die Vereinigten Staaten in Wirklichkeit im „Krieg mit Russland“ befinden. Dieser Krieg ohne Kriegserklärung wird geführt, ohne dass der Kongress ihn autorisiert und ohne dass sich jemand darum bemüht hätte, die Zustimmung der amerikanischen Bevölkerung dazu einzuholen.

Die Ankündigung der Nato, Offensivwaffen in die Ukraine zu schicken, hat das gesamte Narrativ der Biden-Regierung zum Vorgehen der USA in Bezug auf die Ukraine als Betrug entlarvt. Die Regierung hat wiederholt behauptet, dass die USA und die Nato nicht in den Krieg verwickelt wären. Doch ist die Nato nicht nur eine Konfliktpartei, sondern darüber hinaus die treibende Kraft in diesem Konflikt.

Wie bei allen Kriegen verblasst mit dem Fortgang der Kämpfe die Debatte darüber, wer „den ersten Schuss abgegeben“ hat, und die wirklichen, komplexen sozialen Kräfte, die den Krieg antreiben, treten in den Vordergrund.

Im gesamten letzten Jahr behauptete die Biden-Regierung, sie greife in den Konflikt ein, um das Leben von Ukrainern zu retten. In dem fast ein Jahr andauernden Konflikt ist deutlich geworden, dass die USA die ukrainische Bevölkerung nur als Kanonenfutter für einen Krieg um die Vorherrschaft über die eurasische Landmasse benötigt.

Bei der Eröffnung des Treffens in Ramstein erklärte Austin: „Wie Präsident Biden sagte, ist dies ein entscheidendes Jahrzehnt für die Welt“. Dies war ein Zitat aus Bidens Einleitung zur Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten, in der es heißt, dass die Vereinigten Staaten „dieses entscheidende Jahrzehnt nutzen werden, um Amerikas vitale Interessen voranzubringen und die Vereinigten Staaten so zu positionieren, dass wir unsere geopolitischen Konkurrenten ausmanövrieren können.“

Während des gesamten Treffens fielen die Wörter „Waffenstillstand“ oder „Frieden“ nicht ein einziges Mal. Stattdessen erklärte Milley: „Dieser Krieg wird, wie viele Kriege in der Vergangenheit, in irgendeiner Form am Verhandlungstisch enden.“

Doch was Milley als „Verhandlungstisch“ bezeichnete, gleicht dem Exemplar an Bord der USS Missouri, an dem der japanische Außenminister Mamoru Shigemitsu im September 1945 die bedingungslose Kapitulation Japans unterzeichnete, wobei die Alternative – in den Worten der Potsdamer Erklärung – die „sofortige und völlige Vernichtung“ war.

Nach dem Abwurf von zwei Atombomben auf japanische Städte und einer Reihe von Angriffen mit Brandbomben, denen Hunderttausende japanische Zivilisten zum Opfer fielen, wurde auch dieser Krieg am Verhandlungstisch beendet.

Während sie zugaben, dass die Absichten der Vereinigten Staaten in diesem Krieg letzten Endes offensiver Natur sind, griffen die Generäle auf die obligatorischen Lügen und Heucheleien zurück, mit denen das Getriebe des Krieges geölt wird.

„Länderübergreifende Aggressionen, bei denen große Länder mit militärischer Gewalt kleine Länder angreifen und anerkannte Grenzen verschieben, dürfen nicht hingenommen werden“, erklärte Austin. Austin ist Vertreter eines Landes, das allein im letzten Vierteljahrhundert den Irak, Jugoslawien, Afghanistan, Libyen und Syrien illegal angegriffen oder besetzt hat.

Austin fuhr fort: „Es geht um die Welt, die wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen wollen.“ Wenn sie nicht aufgehalten wird, wird die Katastrophe, die der US-Imperialismus in seinem „entscheidenden Jahrzehnt“ ausgelöst hat, der nächsten Generation ein verkohltes Ödland hinterlassen – sofern es dann noch eine Generation gibt, die zum Zeuge dessen werden könnte.

Auf die Erklärung der Nato, ihr Ziel sei die Niederlage Russlands, reagierte Dmitri Medwedew, der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, mit einem kurzen Statement auf Telegram: „Niederlagen einer Atommacht in einem konventionellen Krieg kann den Ausbruch eines Atomkrieges provozieren. Atommächte verlieren keine bedeutenden Konflikte, von denen ihr Schicksal abhängt.“

Der amerikanische Imperialismus vertritt jedoch den Standpunkt, dass der Einsatz von Atomwaffen – sei es durch Russland oder die USA selbst – kein Szenario ist, von dem man sich hinsichtlich der Eskalation des Konflikts abschrecken lassen sollte. In einem am Mittwoch veröffentlichten Leitartikel verlangte das Wall Street Journal nach Angriffen auf Ziele innerhalb des russischen Territoriums und erklärte: „Warum sollte ein Diktator, der eine fremde Grenze überrollt hat, die Freiheit haben, sein Territorium als unantastbar zu betrachten?“ Der Artikel schlussfolgerte: „Es ist erwidert worden, dass Herr Putin eine Atomwaffe einsetzen könnte, doch die letzten Monate haben gezeigt, dass er diese Entscheidung in jedem Fall auf der Grundlage eigener Überlegungen treffen wird.'

Dieser Leitartikel spiegelt die völlig skrupellose Stimmung wider, von der die kapitalistische Oligarchie erfasst worden ist, die im Krieg einen Ausweg aus den zahllosen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Krisen sieht, die die kapitalistische Gesellschaftsordnung im Griff haben.

Die gesellschaftlichen Kräfte, die den Krieg vorantreiben, traten auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hervor. Hier trafen sich Milliardäre und die Vorstandsvorsitzenden großer Banken mit ukrainischen Oligarchen und Kriegstreibern, wie dem in Ungnade gefallenen britischen Ex-Premierminister Boris „Sollen sich die Leichen zu Tausenden auftürmen“ Johnson, der erklärte: „Gebt ihnen die Panzer! Es gibt absolut nichts zu verlieren.“

Doch dieselbe Krise, die dem imperialistischen Krieg zugrunde liegt, treibt das Anwachsen des Klassenkampfs auf der ganzen Welt voran. Es ist die internationale Arbeiterklasse, mobilisiert auf der Grundlage eines sozialistischen Programms, die den Verschwörungen der herrschenden Eliten und dem kapitalistischen Profitsystem ein Ende bereiten wird.

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