„Ich möchte in einer Welt ohne Kapitalismus leben“

Berlin: Große Unterstützung für Wahlkampf der SGP

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) tritt im Februar zu den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin an, um der weit verbreiteten Opposition gegen Krieg und die soziale Verwüstung eine Stimme und eine sozialistische Perspektive zu geben. In ihrem Wahlaufruf fordert die SGP 100 Milliarden Euro für Kitas, Schulen und Krankenhäuser, statt für Rüstung und Krieg sowie massive Lohnerhöhungen und die Enteignung aller Kriegs- und Krisenprofiteure.

Mitglieder der SGP sprachen in diesen Tagen in Arbeitervierteln mit vielen Anwohnern und Passanten, die die Aufrüstung, den Sozialkahlschlag und die Kriegspolitik der Bundes- und Landesregierung verurteilen und den Wahlkampf der SGP unterstützen. Viele Arbeiter stellten einen Zusammenhang zwischen dem brutalen Nato-Stellvertreterkrieg in der Ukraine, der sozialen Katastrophe und dem Kapitalismus her.

„Die steigenden Energiepreise und die Wohnungsnot machen mir Angst“, sagt Lena, die seit 35 Jahren in Berlin lebt. „Man fragt sich, was einem bleibt und wo das hinführen soll. Nichts ist sicher. Ich wurde aus meiner Wohnung geworfen, obwohl ich fast an Krebs gestorben wäre. Das Jobcenter hat die Kaution und die Miete nicht bezahlt, obwohl ich immer dahinter her war und sie angefleht habe.“

Lena hat als Kellnerin und Erzieherin gearbeitet und ist außerdem Künstlerin und Mutter. „Es ist erschreckend, dass an den Kinderkliniken so wenige Kapazitäten da sind“, fährt sie fort. „Als ich Corona hatte, habe ich eine Lungenentzündung gehabt.“ Die Forderung der SGP, 100 Milliarden Euro nicht in das Militär, sondern in Kitas, Schulen und Krankenhäuser zu investieren, ist „richtig“, findet Lena:

„Ich bin Pazifistin und finde Krieg in der heutigen Zeit unglaublich. Für das Bildungssystem müsste man mehr Geld in die Hand nehmen. Zum Beispiel sollte jeder Schüler ein Tablet erhalten, denn das wird für Hausaufgaben vorausgesetzt, obwohl es sich viele nicht leisten können. “ Lena begrüßt die Wahlteilnahme der SGP und unterstützt ihre sozialistische Kampagne:

„Sozialismus hat eine Tradition in meiner Familie. Mein Opa war Sozialist und Kommunist und wurde im ‚Dritten Reich‘ verfolgt. Unser Herz schlägt bis heute links. Ich wünsche euch viel Erfolg. Es geht nicht, dass auf dem Rücken der Armen die Gesellschaft kaputtgemacht wird. Alle Menschen sollten gleiche Rechte haben, nicht die einen mehr und die anderen weniger.“

Victor: „Was stattfindet, ist eine landesweite Katastrophe und ein Absturz für sozial Schwächere“

„Ich lebe seit meiner Geburt in Berlin und habe das Gefühl, es stürzt alles immer mehr ab“, sagt Victor, den wir im Wedding am Leopoldplatz treffen. „Was stattfindet, ist eine landesweite Katastrophe und ein Absturz für sozial Schwächere. Die wichtigsten Themen werden von der Regierung nicht beachtet. Wenn wir einen Kanzler haben, der darüber schmunzelt, dass Leute ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können, dann weiß man, woran man ist – und das ist die SPD. Scholz erinnert mich an Schröder, der vor ihm Krieg geführt hat.“

„Das soziale Miteinander wurde in den letzten zwei Jahren immer weiter zerstört. Man sollte die Ursachen der Armut bekämpfen und Kinder fördern, nicht vernachlässigen. Wir haben auch hier in Deutschland viel Armut und Diskriminierung – nicht nur gegen Schwarze. Auch Sinti und Roma und andere, die hierher fliehen, werden kulturell benachteiligt. Junge Menschen mit geistiger Krankheit sterben allein in ihrer Wohnung. Ich bin selbst nicht reich, aber schon ein Gespräch mit Obdachlosen hilft ihnen.“

„Die Politik muss weniger abhängig von der Wirtschaft werden. Die Konzerne müssen zur Rechenschaft gezogen werden. 500 Menschen stehen an der Spitze und haben Milliarden auf irgendwelchen Konten gebunkert. Diese Menschen sind geistig tot. Die Wirtschaft sollte für die Bevölkerung laufen und nicht gegen sie. Weltweit wird aufgerüstet. Das ist in einem Wort krank, Größenwahn. Selbst die kleinen Staaten rüsten auf. In China droht ein neuer Pazifikkrieg, es sieht düster aus.“

„Es werden Feindschaften geschürt, um Staaten zu destabilisieren – z.B. in Lateinamerika oder Afghanistan. Die USA versuchen damit das Recht des Stärkeren durchzusetzen. Aber ich kritisiere auch die Europäische Union. Wenn man sich als Union nicht auf friedliche Prinzipien stützt, dann spuckt man den Leuten, die in den Flüchtlingslagern leben, ins Gesicht. Libyen ist zerstört worden, von außen und von innen. Im Grunde unterstützt Europa dort jetzt Sklaverei.“

Malvina, die aus der Ukraine nach Berlin geflohen ist, sagt: „Ich möchte in einer Welt leben, in der der Kapitalismus tot ist. In meinem Land herrscht Krieg. Wenn ich also von Krise spreche, dann ist es das, was ich meine. Der Krieg ist mit vielen Ländern in Europa und der ganzen Welt verbunden. Die Ukraine existiert wegen dem Kapitalismus und der Krieg existiert wegen dem Kapitalismus. Es ist alles miteinander verbunden.“

„Ich wurde in der Sowjetunion geboren, kurz bevor sie untergegangen ist. Das war eine Krise. Überall war Korruption, die Menschen waren hungrig. Es war Kapitalismus in seiner schlimmsten Form.“ Malvina plädiert für Solidarität mit allen Geflüchteten und Kriegsopfern und sagt: „Wir sind die ersten Flüchtlinge, die hier in Deutschland einige Rechte bekommen haben. Natürlich wünsche ich mir eine Massenbewegung gegen Krieg.“

„Ich finde, die Waffenlieferungen sollten sofort beendet werden“, sagt Elisabeth (51): „Waffen machen alles nur noch viel schlimmer und bringen noch mehr Leid. Ein Bekannter von mir hat mir vor kurzem ein Buch über die Ukraine gegeben, in dem einige historische Entwicklungen des Landes beschrieben wurden. Dadurch ist mir klar geworden, dass es gar nicht so überraschend ist, wie sich die heutige Situation entwickelt hat.“

„Im Grunde hat doch niemand der Menschen in Russland oder der Ukraine Interesse am Krieg. Ich verurteile die Invasion Russlands, aber dass Selenskyj jetzt in den USA ist und Präsident Biden ihm gesagt hat – wie die Zeitungen berichten –, dass der Krieg sich noch Jahre hinziehen kann, das ist schrecklich, das will ich nicht. Ich bin prinzipiell gegen Krieg. Man darf sich nicht von den Medien in eine Meinungsblase hineinziehen lassen und widersprüchliche Fakten ignorieren. Das wird auf beiden Seiten getan.“

„Ich bin auch dafür, dass dieser Krieg sofort gestoppt werden muss, auch die Waffenlieferungen, die den Krieg am Laufen halten“, sagt Ivonne (28), die als Erzieherin arbeitet. „Die soziale Situation rutscht immer mehr ab, auch bei uns im Erziehungsbereich. Man darf die Räumlichkeiten nicht mehr richtig heizen, man friert, muss sich doppelt anziehen, es ist nicht lustig. Normalerweise haben wir Personalknappheit. Im Moment geht es – aber nur, weil so viele Kinder erkrankt sind. Auch die Lebensmittelpreise steigen. Ich habe heute Gebäck für 1,50 Euro gekauft, das früher 1,20 Euro kostete. Das sind 25 Prozent mehr. Überall wird kaputtgespart, im Gesundheitswesen, Bildungswesen, einfach überall.“

Rosa: „Ich sehe wirtschaftliche Interessen hinter dem Krieg“

„Ich muss gestehen, dass ich über den Einmarsch Russlands überrascht war, ich hatte großes Vertrauen in die Diplomatie“, sagt Rosa (32). „Ich sehe auch wirtschaftliche Interessen hinter dem Krieg und frage mich, mit welchen Mitteln man den Konflikt beenden kann.“ Als SGP-Mitglieder die Perspektive erläutern, die Arbeiterklasse und die Jugend international gegen Krieg zu mobilisieren, reagiert Rosa interessiert: „Ich will eure Berichte und Analysen auf der Webseite studieren und genauer darüber nachdenken.“

„Die soziale Lage ist katastrophal“, sagt Melanie (63, Rentnerin). „Die Inflation macht mir zu schaffen und wenn ich die Nachrichten über die Ukraine höre, dann habe ich das Gefühl, dass wir auch in den Krieg gezogen werden. Ich bin Ende der 50er Jahre geboren und habe noch von meinen Eltern Berichte über das Elend des Krieges gehört. Seither war ich auf fast jeder Demonstration gegen Krieg. Ich habe schon lange nicht mehr die Grünen gewählt, die sich politisch so sehr gewendet haben, auch nicht die Linke. Ich bin unsicher, wen ich wählen kann. Ich werde mir euren Wahlaufruf durchlesen.“

„Ich denke, dass die Krise des Gesundheitssystems damit zu tun hat, dass die Kliniken privatisiert sind“, sagt Christian (21), der Wirtschaftsingenieurwesen studiert. „Um Kosten zu sparen und den Gewinn zu steigern sind Betten reduziert worden – die logische Konsequenz ist die Krise. Natürlich spüre ich auch die Preissteigerungen beim Einkauf. Ich habe außer dem Studium noch einen Nebenjob, um finanziell über die Runden zu kommen.“

Paul (25) ist Krankenpfleger in Ausbildung und berichtet, dass er schon seit Beginn der Corona-Pandemie von der Wirtschaftskrise betroffen ist: „Ich war Kellner, konnte den Beruf aber nicht mehr ausführen, weil die Restaurants geschlossen wurden. Ich bin dann ins Gesundheitswesen gegangen und mache jetzt eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Was mich aber am meisten stört ist, dass ich, obwohl ich eine Ausbildung mache, mit dem Geld nicht über die Runden komme. Ich rackere mich von morgens bis abends ab und muss trotzdem jeden Cent herumdrehen.“

„Deshalb finde ich es gut, dass ihr auf diese Krise aufmerksam macht. Nicht nur die Krankenhäuser, auch die Arztpraxen sind oft unterbesetzt. Mit der Miete, den ganzen Nebenkosten, den Strom- und Gasrechnungen – mit 850 Euro über die Runden zu kommen ist schwer. Ich bin zwar Auszubildender, arbeite aber durch wie ein Vollangestellter. Wenn wir wirklich in einem Land leben, das – wie immer gesagt wird – wirtschaftlich das vierterfolgreichste Land ist, wie kann es dann sein, dass man aus eigener Kraft solche Schwierigkeiten hat, sich etwas aufzubauen?“

Paul kritisiert die undemokratischen Maßnahmen gegen „kleine Parteien“ und möchte sich weiter mit der konterrevolutionären Rolle des Stalinismus und seinen sozialistischen Gegnern beschäftigen. „Ihr seid eine Partei, die mir noch nicht bekannt ist. Bisher hatte ich immer das Gefühl, dass Marxismus oder Sozialismus schnell in diktatorische Züge abgleiten könnten. Wenn das nicht so ist, wäre ich auch überzeugter Sozialist. Ich will mich mit diesen Fragen auf jeden Fall mal beschäftigen. Ich finde es gut, dass ihr auf diese Situation aufmerksam macht. So kann es einfach nicht weitergehen.“

„Die SGP wurde mir mal bei einer früheren Wahl im ‚Wahlomat‘ ziemlich weit oben angezeigt“, sagt Helmut (45), der an einer Berliner Uni lehrt und arbeitet. „Ich habe bisher die Linke gewählt, weil ich dachte, dass dies die einzige linke Partei ist, die es ins Parlament schaffen könnte. Aber durch deren vergangene Politik weiß ich jetzt überhaupt nicht mehr, wen ich wählen soll. Ich will mir euer Programm mal durch den Kopf gehen lassen, vielleicht muss man jetzt ein Zeichen setzen.“

Vor der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) treffen SGP-Mitglieder auf Sabine, die sagt: „Ich stimme vollkommen zu, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet und die Waffenlieferungen gestoppt werden müssen. Es herrscht eine massive Diskrepanz zwischen der abgebildeten Meinung und der Mehrheitsmeinung. Das Wort Pazifismus wird schon ins Lächerliche gezogen, so weit ist es schon gekommen. Es gab seit dem 24. Februar keinen demokratischen Meinungsaustausch, keine Diskussion über das Thema.“

„Wenn man den Begriff der Gleichschaltung anwenden will, dann fand genau das direkt nach diesem Tag statt, als 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitgestellt wurden. Der demokratische Meinungsbildungsprozess findet nicht statt. Wir wissen aus den Geschichtsbüchern, wo das hinführt. Dabei gab es in Deutschland nie eine wirkliche Entnazifizierung. Die rechten Strukturen wurden seit Jahrzehnten geduldet und gefördert. Wir brauchen dringend eine solidarische Bewegung in ganz Europa.“

Erik: „Der Ukrainekrieg ist ein Stellvertreterkrieg der Nato“

„Der Ukrainekrieg ist ein Stellvertreterkrieg der Nato, der bewusst provoziert wurde und vor allem von den USA geführt wird“, sagt auch Erik, der Bibliothekswissenschaften studiert und in dem Bereich arbeitet. „In meiner Familie wird das Thema ziemlich heiß diskutiert. Es sind so viele negative Nachrichten, dass man sich anstrengen muss, um damit zurechtzukommen. Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind nur einer von vielen atemberaubenden Schritten der deutschen Politik, finde ich.“

Erik sieht einen Zusammenhang zwischen der jetzigen Kriegsentwicklung und der westlichen Kriegspolitik der vergangenen Jahrzehnte: „Vietnam, Serbien, Jemen und viele andere Länder wurden davor schon bombardiert. Die Medien dienen dazu, dass man die Menschen dabei hinter sich hat. Es geht immer darum, andere Länder der Welt klein zu halten.“

Erik möchte sich an der Arbeit der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), der Jugendorganisation der SGP, beteiligen: „Ich bin selbst für Sozialismus. Meine Eltern kommen aus Polen, mein Opa war politisch sehr aktiv, hat die Solidarność mit aufgebaut und wurde deswegen eines Tages vor der Haustür verhaftet. Ich habe von meinen Großeltern viel darüber gehört.“

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