Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie: Arbeiter fordern Vollstreik

In der vergangenen Woche beteiligten sich in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie mehr als 200.000 Beschäftigte an kurzen Warnstreiks und Protestaktionen. Die Wut über das provokative Verhalten des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall ist groß.

Warnstreik bei Bosch Feuerbach am 3. November 2022 [Photo: IG Metall Stuttgart]

Erst hatte Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf sechs Wochen lang überhaupt kein Angebot vorgelegt, dann folgte ein Angebot, das einer Provokation gleichkommt.

Die rund 3,8 Millionen Beschäftigten sollen mit einer einmaligen Sonderzahlung von 3000 Euro „Inflationsprämie“ für 30 Monate abgespeist werden. Gleichzeitig kündigte Gesamtmetall an, andere Sonderzahlungen wie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu kürzen. Wolf fordert sogar, dass „Firmen, in denen es schlecht läuft, vom Tarifvertrag abweichen können“, also die Reallöhne noch weiter kürzen dürfen.

Dann folgt eine lange Liste von Gründen, warum Gesamtmetall keine Erhöhung, sondern eine Senkung der Löhne anstrebt: „Krieg in der Ukraine, drohende Energieknappheit, Lockdown in China, Rohstoffmangel, rasante Preisanstiege für Energie und Rohstoffe, fehlende Fachkräfte und Bewerber für Ausbildungsplätze“. Dazu kämen die „Investitionen in den Strukturwandel“, das heißt Geld für den Abbau von Arbeitsplätzen. Die Stellungnahme des Arbeitgeberverbandes endet mit der provokativen Feststellung: „Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau von 2018 ist derzeit ausgeschlossen.“

Das aggressive Auftreten von Gesamtmetall ist nicht nur Teil des üblichen Tarif-Pokers, sondern das Ergebnis einer Vereinbarung mit der IG Metall und der Bundesregierung. Gesamtmetall-Chef Wolf hat an allen Treffen der Konzertierten Aktion teilgenommen, die Bundeskanzler Olaf Scholz im Frühjahr einberufen hat.

Dieses Bündnis von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Regierung ist eine Reaktion auf den wachsenden Widerstand vieler Arbeiter angesichts rapider Preissteigerungen, unhaltbarer Zustände in Kliniken und Schulen und Massenentlassungen in vielen Industriebereichen. Die Tarifpartner und die Regierung rücken enger zusammen und beraten ihr Vorgehen. Sie bilden eine regelrechte Verschwörung gegen die Arbeiter. Ihr Ziel ist es, die gigantischen Summen für die militärische Aufrüstung und die Milliarden-Geschenke an die Superreichen durch Sozial- und Lohnkürzungen der Arbeiterklasse aufzubürden.

Die WSWS kommentierte die Einberufung der Konzertierten Aktion mit den Worten: „Ihr Textbuch trägt die Überschrift: ‚Die Arbeiter sollen zahlen!‘“

Als Teil des „dritten Entlastungspakets“ vom 3. September 2022 beschloss die Regierung, Einmalzahlungen bis zu 3.000 Euro von Steuer und Sozialversicherungsabgaben zu befreien. Das war mit den Gewerkschaften abgesprochen und wurde von den Arbeitgeberverbänden begrüßt. Stillschweigend wurde vereinbart, im Gegenzug die Löhne niedrig zu halten.

Gestützt auf diese Absprache vereinbarte die Gewerkschaft IG BCE anschließend eine massive Reallohnsenkung für die 580.000 Beschäftigten der Chemiebranche.

Das bedeutet, dass die Metallarbeiter im gegenwärtigen Tarifkampf nicht nur mit dem Arbeitgeberverband konfrontiert sind, sondern einer gemeinsamen Front der Unternehmer, der Regierung und der IG Metall-Bürokratie gegenüberstehen. Wobei die Gewerkschaft die Rolle spielt, den Unmut und den Widerstand in den Betrieben aufzufangen und unter Kontrolle zu halten. Deshalb wurden die Warnstreiks allesamt auf kürzeste Frist befristet und oft nur als Kulisse für einen Presse-Termin benutzt.

Typisch ist ein Streik in Stuttgart. Dort hatte die IG Metall am Donnerstag die Beschäftigten von Bosch-Feuerbach zu einem Warnstreik und einer Kundgebung aufgerufen. Die Beschäftigten der Frühschicht sollten ihre Arbeitsplätze verlassen und sich um 11 Uhr vor dem Haupttor versammeln, die Kundgebung sollte um 11:30 Uhr beginnen. Rund um das Bosch-Werk in Feuerbach wurden die Straßen für den Verkehr gesperrt, als würde eine Kundgebung mit vielen Teilnehmern erwartet.

Von den mehr als 1000 Beschäftigten des Werks kamen dann weniger als 150 zur Kundgebung, die meisten von ihnen Betriebsräte, Vertrauensleute und andere Angehörige der Gewerkschaftsbürokratie. Die Kundgebung dauerte weniger als 20 Minuten mit zwei Rednern, die die üblichen gewerkschaftlichen Sprechblasen von sich gaben.

Die WSWS sprach mit einigen Arbeitern, die anwesend waren. Einer sagte, seine Kollegen glaubten nicht, dass solche Versammlungen etwas bringen würden. „Das ist ein Ritual, bei dem jedes Mal am Ende die Ergebnisse nicht dem entsprechen, was gefordert wird.“

Aynur, eine türkische Arbeiterin, die seit 35 Jahren in der Fabrik arbeitet, ließ ihrer Wut freien Lauf. Sie habe schon Dutzende solcher Verhandlungen miterlebt. Sie seien immer gleich und im Wesentlichen eine „Verarschung“ der Beschäftigten. Aus dieser Erfahrung heraus könne sie schon jetzt sagen, „dass wir niemals 8 Prozent bekommen werden“, obwohl jeder wisse, wie stark die Lebenshaltungskosten gestiegen seien und dass die 8 Prozent nicht im Geringsten ausreichten.

Anfang dieses Jahres habe sie weniger als 40 Cent für ein Kilo Mehl bezahlt, jetzt müsse sie 80 Cent zahlen, und der Preisanstieg gehe immer noch weiter.

Viele Arbeiter durchschauen das Manöver der IG Metall und fordern eine Ausweitung der Streiks. In Gesprächen mit Reportern der WSWS betonten Arbeiter immer wieder, dass derart beschränkte, oft auf wenige Minuten reduzierte Arbeitsunterbrechungen „gar nichts bringen“.

Sie erinnerten daran, dass die Warnstreiks 2018 immerhin auf 24 Stunden ausgeweitet wurden. Eine solche Ausweitung der Warnstreiks müsse heute auch stattfinden, als Auftakt und Vorbereitung auf einen Vollstreik. Andere betonten, dass die Forderung von 8 Prozent angesichts einer aktuellen Inflationsrate von mehr als 10 Prozent nicht mehr ausreiche.

Wenn man die Kundgebungsreden der IG Metall-Funktionäre auf den jüngsten Streikaktionen aufmerksam verfolgt, fällt auf, dass sie nicht mehr von „8 Prozent Tariferhöhung“ sprechen, sondern nur noch von „8 Prozent mehr Geld“. Und wenn „tabellenwirksame Tariferhöhungen“ erwähnt werden, dann immer ohne Zahl. Die bisher geforderte Laufzeit von 12 Monaten nennen sie gar nicht mehr.

Das kann nur heißen, dass die IG Metall dabei ist, die von Gesamtmetall gebotene Einmalzahlung von 3000 Euro in ein Tarifergebnis einzubauen, das eine weitere radikale Senkung der Realeinkommen zur Folge hätte.

Das Angebot von 3000 Euro würde bei einer Laufzeit von 30 Monaten nur 100 Euro im Monat ausmachen. Damit können nicht einmal die extremen Energiepreissteigerungen ausgeglichen werden, von den allgemeinen Preissteigerungen für die Lebenshaltungskosten, die für einen Arbeiterhaushalt weit höher liegen als die offiziellen 10 Prozent Inflation, gar nicht zu sprechen.

Dazu kommt, dass die 3000 Euro nur einmal (möglicherweise in mehreren Tranchen) ausbezahlt werden und danach wieder wegfallen. Wenn es keine prozentuale Lohnerhöhung gibt, die dauerhaft in den Tariftabellen festgeschrieben wird, haben die Metall-Beschäftigten im Mai 2025 dasselbe Tarifeinkommen wie 2018. Denn seitdem hat es zwar Sonderzahlungen, aber keine dauerhafte Tariferhöhung gegeben. Der Reallohnverlust wäre angesichts der rapide steigenden Preise enorm.

Diese massive Senkung der Reallöhne ist gewollt. Sie ist ein ausdrückliches Ziel der Zusammenarbeit von Gewerkschaften, Unternehmen und Regierung in der Konzertierten Aktion.

OECD und IWF sagen Deutschland für das kommende Jahr eine tiefe Rezession voraus. Trotzdem hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen erhöht und damit die Rezessionstendenz verschärft. Der wirtschaftliche Abschwung soll genutzt werden, um massive Zugeständnisse in Form von Lohnsenkung und Sozialabbau durchzusetzen. In dieser Art und Weise werden die Kosten des Kriegs gegen Russland und der gigantischen Aufrüstung der Bundeswehr auf die Arbeiterklasse abgewälzt.

Sofort nach Beginn des Kriegs in der Ukraine stellte sich die IG Metall an die Seite der Regierung und unterstützte die massive Aufrüstung der Bundeswehr. Eine gemeinsame Erklärung der IG Metall Baden-Württemberg unter Zitzelsberger und von Südwestmetall unter Wolf kündigte an: „Diese Maßnahmen werden uns allen Opfer abverlangen.“

Die gegenwärtige Tarifrunde und die hohe Bereitschaft der Belegschaften, sich gegen ihr Abrutschen in Armut und Existenznot zu stemmen, muss zum Ausgangspunkt für eine Offensive gegen den Krieg und seine sozialen Folgen gemacht werden. Um die aktuelle Inflation und frühere Reallohnsenkungen auszugleichen, müssen hohe zweistellige Lohnzuwächse erkämpft werden, nicht nur acht Prozent.

Dazu ist es notwendig, mit der IG Metall und den anderen Gewerkschaften zu brechen und unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die den Kampf gegen Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen und Krieg in den Betrieben organisieren und sich international vernetzen.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale hat die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) ins Leben gerufen, um diesen Aktionskomitees eine Orientierung zu geben und sie international zu koordinieren.

Nur so kann sowohl die Kriegsgefahr gebannt als auch die Auswirkungen des Kriegs in Form von Arbeitsplatzabbau und gewaltigen Reallohnsenkungen abgewehrt werden. Wir rufen alle Arbeiterinnen und Arbeiter auf, sich per Whatsapp-Nachricht bei folgender Nummer zu melden: +491633378340 oder sich gleich hier unten für die Aktionskomitees zu registrieren.

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