Macron setzt Haushaltsplan für 2023 angesichts des Raffineriestreiks ohne Parlamentsabstimmung durch

Angesichts des anhaltenden Streiks der französischen Raffineriearbeiter gegen die Inflation und der Eskalation des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine beschloss Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Mittwoch, seinen Haushaltsplan für 2023 ohne eine Abstimmung im Parlament durchzupeitschen. Nach der Wahl im Mai 2022 hat Macrons Partei Renaissance nur noch eine Minderheit in der Nationalversammlung, sodass sein Haushaltsplan bei einer Abstimmung abgelehnt worden wäre.

Letzten Endes beschloss die Macron-Regierung am Mittwoch, den undemokratischen Artikel 49-3 der französischen Verfassung anzuwenden, um die Bewilligung des Einnahmen-Teils ihres Haushaltsplans durchzusetzen. Durch diesen Artikel ist es der Regierung möglich, die Nationalversammlung zu zwingen, den Haushaltsplan ohne Abstimmung zu bewilligen oder andernfalls einen Misstrauensantrag zu stellen, der die Regierung zu Fall bringen würde. Die Regierung will diesen Artikel bis Ende der Woche erneut anwenden, um die Finanzierung der Sozialversicherung durchzusetzen. Insgesamt könnte sie ihn bis zu siebenmal anwenden, bis der gesamte Haushaltsplan durchgesetzt ist.

Dass die Macron-Regierung ihren Haushaltsplan ohne Abstimmung durchpeitscht und versucht, die Raffineriearbeiter gesetzlich zur Rückkehr an die Arbeit zu zwingen, zeigt ihren fehlenden Rückhalt in der Bevölkerung und ihre offene Verachtung für demokratische Grundprinzipien. Dies muss als Warnung an Arbeiter aller Industriezweige in Frankreich und ganz Europa verstanden werden: sie sind mit Regierungen konfrontiert, die unverhohlen als Diktatoren der Banken agieren und den Forderungen und Protesten der Arbeiterklasse gegenüber unversöhnlich feindselig eingestellt sind.

Die Ereignisse vom Mittwoch haben auch gezeigt, welche Mechanismen Macron trotz seines fehlenden Rückhalts in der Bevölkerung an der Macht halten: Die Komplizenschaft der Gewerkschaftsbürokratien und der mit ihnen verbündeten Kräfte im politischen Establishment.

Obwohl Macron seine Schwäche und seinen fehlenden Rückhalt in der Nationalversammlung gezeigt hat, haben Teile des stalinistischen Gewerkschaftsverbands Confédération générale du travail (CGT) vor ihm kapituliert und daran gearbeitet, den Raffineriestreik schrittweise zu beenden. Tatsächlich kündigten Vertreter der CGT am Mittwoch das Ende des Streiks in der Raffinerie Donges an, während die Polizei versuchte, den Streik in der Raffinerie Feyzin nahe Lyon zu beenden und zwanzig der wichtigsten Arbeiter dazu verpflichtete, die Produktion wieder in Gang zu bringen.

CGT-Funktionäre in Donges erklärten gegenüber BFM-TV: „Heute war es für uns das wichtigste, aus diesem Streik sauber, zusammen und als vereinter Block herauszukommen.“ Sie rechtfertigten ihr Vorgehen mit der geringen Beteiligung am nationalen Aktionstag der CGT am 18. Oktober: „Die Ausbreitung der Bewegung, auf die wir gehofft hatten, ist nicht eingetreten.“

In Wirklichkeit isolieren und entwaffnen die nationalen CGT-Gewerkschaften die Streikenden. Die französischen Gewerkschaftsbünde haben Etats von mehreren Milliarden Euro, welche die 10.000 Euro Strafe weit in den Schatten stellen, die Arbeitern bei Verweigerung einer Zwangsverpflichtung droht. Doch keine Gewerkschaft hilft den Arbeitern dabei, sich der Verpflichtung zu widersetzen. Vor allem mobilisiert die CGT-Bürokratie trotz ihres symbolischen eintägigen Protests am 18. Oktober keine breitere Unterstützung für die Raffineriearbeiter durch weitere Solidaritätsstreiks.

Doch da Macron von der Demobilisierung der Arbeiterklasse durch die Gewerkschaftsbürokratien profitiert, verschärft er seine haushaltspolitische Agenda der Inflation, Austerität und des Militarismus.

Der Haushaltsplan in Höhe von 480 Milliarden Euro, der von Steuereinnahmen von 320 Milliarden Euro ausgeht, sieht ein massives Haushaltsdefizit von 160 Milliarden Euro vor. Die Verteidigungsausgaben sollen um über drei Milliarden Euro auf 44 Milliarden gesteigert und die Energiepreissubventionen gestrichen werden, sodass die Energiepreise um ganze fünfzehn Prozent ansteigen werden. Dies wird zu einem weiteren Anstieg der Preise führen und den Lebensstandard der Arbeiter weiter dezimieren, die bereits unter den Auswirkungen der Inflationsrate von sieben Prozent im Jahr 2022 leiden. Fast sechs Milliarden Euro Einnahmen stammen aus Rettungspaketen der EU, mit denen reiche Investoren dafür bezahlt werden sollen, dass sie Staatsanleihen und Aktienbestände aufkaufen.

Weder die Rücksichtslosigkeit der militärischen Aufrüstung angesichts des Nato-Krieges gegen Russland in der Ukraine, noch die verheerenden Auswirkungen des Abbaus der Energiepreissubventionen und der EU-Rettungsmaßnahmen zu Gunsten der Superreichen wurden im Parlament debattiert. Stattdessen attackierten die Abgeordneten die Macron-Regierung bei mehreren Maßnahmen, vor allem was die steuerlichen Zugeständnisse an die Reichen angeht.

Macron hatte die Regierung eine Woche zuvor bei einer Kabinettssitzung dazu ermächtigt, Artikel 49-3 anzuwenden. Premierministerin Elisabeth Borne soll darauf geantwortet haben, es solle eine Debatte stattfinden. Doch in der Nationalversammlung sind die Debatten über den Haushaltsplan für 2023 der Kontrolle der Regierung entglitten. Sie hat Abstimmungen über zahlreiche Teile des Gesetzesentwurfs verloren, u.a. Zusätze, die von Mitgliedern von Macrons Partei Renaissance eingebracht wurden.

Besonders peinlich war für die Macron-Regierung die Ablehnung eines Zusatzes, der von Jean-Paul Mattei eingebracht wurde, einem Mitglied der kleinen rechten Partei der Demokratischen Bewegung, die zu Macrons Regierungskoalition gehört. Mattei forderte eine befristete Erhöhung der Steuern für „Superdividenden“, die von den profitträchtigsten Konzernen ausgezahlt werden. Eine derartige Steuererhöhung hatten die Macron-Regierung und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire abgelehnt. Matteis Zusatz wurde von Jean-Luc Mélenchons NUPES, dem neofaschistischen Rassemblement National (RN) und Teilen von Macrons Partei Renaissance unterstützt.

Borne traf sich am Dienstagmorgen, nach Diskussionen mit Macron, mit Abgeordneten von Renaissance, um die Anwendung von Artikel 49-3 vorzubereiten. Am Mittwoch kündigte Borne unter Protest der Oppositionsparteien die Anwendung von Artikel 49-3 an: „Wir hätten es auch aufgeben können, nach einem Kompromiss zu suchen. Wir haben uns für den Dialog entschieden. Wir sind uns nicht in jedem Punkt einig, aber wir können zusammenkommen, wenn das nationale Interesse in Gefahr ist. Wir müssen dem Land einen Haushalt geben. Ich setze dafür die Verantwortung meiner Regierung aufs Spiel.“

Bisher scheint es unwahrscheinlich, dass die Entscheidung zum Sturz der Macron-Regierung führen könnte. Mélenchons Unbeugsames Frankreich (LFI) und der rechte RN haben gemäß Artikel 49-3 Misstrauensanträge gegen die Macron-Regierung gestellt, allerdings werden diese vermutlich kaum Mehrheiten erhalten, da sowohl LFI als auch RN nicht für die Misstrauensanträge anderer Parteien stimmen. Die rechten Republicains haben bereits erklärt, sie würden für keinen der beiden Anträge stimmen.

Vor allem wird im politischen Leben keine der entscheidenden Fragen diskutiert, die sich für Arbeiter aus diesem Haushaltsplan ergeben. Darin unterscheiden sich die Abgeordneten in der Nationalversammlung nicht von den Bürokraten der CGT. Die enorme Gefahr, dass der Nato-Krieg in der Ukraine zu einem offenen Atomkrieg ausartet, der Europa verwüsten würde, und die Rolle der Bankenrettung und der Energiepolitik bei der Inflation, die die Arbeiter weltweit in die Armut stürzt, werden totgeschwiegen.

Dieses bedrohliche Schweigen soll die enorme Gefahr von Krieg und Wirtschaftszusammenbruch verbergen, die den Arbeitern droht, und damit die Öffentlichkeit beruhigen und es der Gewerkschaftsbürokratie ermöglichen, die Arbeiterklasse zu demobilisieren.

Eine besonders große Verantwortung hat Mélenchon, der in der Präsidentschaftswahl 2022 unter Arbeitern und Jugendlichen in den Städten fast acht Millionen Stimmen geholt hat. Obwohl er es fast bis in den zweiten Wahlgang geschafft hat, versuchte er nicht, den Widerstand gegen die Stichwahlkandidaten Macron oder die Neofaschistin Marine Le Pen zu mobilisieren. Stattdessen versprach er beiden die Zusammenarbeit als Premierminister und gründete zusammen mit der allgemein verhassten und arbeiterfeindlichen Parti Socialiste des ehemaligen Präsidenten François Hollande das Wahlbündnis NUPES.

Mélenchon hat nichts unternommen, um seine Wähler zur Verteidigung der Raffineriearbeiter, gegen Inflation und Austerität oder gegen imperialistischen Militarismus und Krieg zu mobilisieren.

In Wirklichkeit gibt es mit Macron nichts zu verhandeln, und die CGT-Bürokraten, die es versuchen, haben den Arbeitern nichts zu bieten. Der Ausweg führt über einen politischen Aufstand der Arbeiterklasse gegen die nationalen Gewerkschaftsbürokratien und den Aufbau von Aktionskomitees, um alle Kämpfe gegen Unterdrückung, Austerität und Krieg zu organisieren. Die besten Verbündeten der Arbeiter in Frankreich in diesen Kämpfen sind ihre Klassenbrüder und -schwestern im Rest der Welt, die für den Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) kämpfen.

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