Ukraine: Hälfte des Staatshaushalts 2023 für den Nato-Krieg gegen Russland

Erste Details über den Haushaltsentwurf der Ukraine für 2023 in Höhe von 70 Milliarden US-Dollar zeigen, dass die Hälfte der geplanten Staatsausgaben für den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland vorgesehen ist. Demgegenüber werden die Sozialausgaben für medizinische Versorgung, Wohnungsbau und Renten massiv gekürzt, da das Land weiterhin ein monatliches Haushaltsdefizit von etwa drei bis fünf Milliarden Dollar aufweist. 

Laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Strana rechnet die Regierung mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 4,6 Prozent, nachdem es dieses Jahr wegen des Kriegs um ein Drittel geschrumpft ist. Gleichzeitig ist die ukrainische Arbeiterklasse mit einer enormen Inflationsrate von 30 Prozent und einer Arbeitslosenquote von 28,2 Prozent konfrontiert. 

Darüber hinaus werden die Subventionen für Wohnungen um etwa eine Milliarde Dollar und für das Bildungswesen um etwa 800 Millionen Dollar gekürzt. Die Mittel für die medizinische Versorgung werden, trotz der weiterhin wütenden Corona-Pandemie, um mehr als 500 Millionen Dollar gekürzt. Sowohl der staatliche Mindestlohn als auch die Renten bleiben unverändert. 

Von 41 Millionen Einwohnern, die vor dem Krieg im Land lebten, sind zwar 7,4 Millionen wegen des Kriegs geflohen, aber die Kürzungen und der rapide Anstieg der Inflation werden zu einem deutlichen Rückgang der Sozialausgaben für die verbliebene Bevölkerung führen.  

Insgesamt steht das Land vor einer wirtschaftlichen Katastrophe. Die Weltbank prognostizierte am Dienstag einen Rückgang der Wirtschaft um 35 Prozent, was im Widerspruch zu den Erwartungen Kiews hinsichtlich eines bescheidenen Wachstums steht.

Schätzungen zufolge wird der Wiederaufbau der bisherigen Zerstörungen durch den Krieg mindestens 349 Milliarden Dollar kosten, was dem 1,5-Fachen der ukrainischen Vorkriegswirtschaft entspricht. Acht Monate nach Beginn des Kriegs sind ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung Binnenvertriebene und 60 Prozent leben unter der nationalen Armutsgrenze. 

Es ist auch unklar, ob und wann die 7,4 Millionen ukrainischen Flüchtlinge, die in ganz Europa verteilt leben, wieder zurückkehren werden, um dort zu arbeiten, da große Teile des Landes im Winter ohne Heizung bleiben könnten. Da Europa selbst mit einer Energiekrise konfrontiert ist, wird es für die dortigen Flüchtlinge noch schwieriger, Unterkunft und Versorgung zu erhalten. Die lokalen Gastgeber können sich oftmals selbst die rapide steigenden Lebenshaltungskosten nicht mehr leisten.

Alisa, eine 16-jährige ukrainische Geflüchtete, die in Ungarn lebt, wurde vor kurzem von ihren Gastgebern darauf hingewiesen, dass sie es sich nicht mehr leisten können, ihr eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen, nachdem die ungarische Regierung die Energiepreise erhöht hat. Die minderjährige Alisa hat lange Schichten in einer Fabrik gearbeitet. Gegenüber dem Guardian erklärte sie: „Damals haben sie gesagt, wir könnten bleiben, bis der Krieg vorbei ist. Aber jetzt haben sie gemerkt, dass sie sich die Energierechnung nicht mehr leisten können. Sie sagten uns sehr höflich, wir müssten gehen.“ 

Anastasia Tschukowskaja, eine russische Freiwillige, die in Budapest lebt und eine Hilfsorganisation für ukrainische Flüchtlinge leitet, bestätigte, dass die Zahl der Zwangsräumungen zunimmt. Sie erklärte: „Es gibt jetzt eine Welle von Zwangsräumungen von Familien, die sagen, dass sie es sich nicht leisten können, Gastgeber zu sein.“

Weil der Dollar dieses Jahr deutlich gestiegen ist, wird auch die Ukraine selbst in eine „sehr ernste Schuldensituation“ geraten, da sie ihre massiven Schulden in Dollar zurückzahlen muss. Obwohl die Ukraine im September mit Kanada, Frankreich, Deutschland, Japan, Großbritannien und den USA eine Aussetzung der Schuldenzahlungen vereinbart hat, wird das Land weiterhin Milliarden Steuereinnahmen für die Tilgung und Begleichung ihrer Auslandsschulden zahlen müssen. 

Ohne umfangreiche Kredite des IWF und Aussetzung der Schuldenzahlung an die westlichen Gläubiger würde das Land in kürzester Zeit in den Staatsbankrott getrieben. 

Zu der Tatsache, dass der Finanzhaushalt der Ukraine von ausländischen Gläubigern kontrolliert wird, die auch den Krieg unterstützen, erklärte der Chef der Denkfabrik Ukrainian Economic Discussion Club, Oleg Pendsin: „Der Haushalt für nächstes Jahr besteht im Allgemeinen aus den Kosten für den Krieg (1,21 Milliarden Griwna, d.h. der größte Teil der Einnahmen des Landes). Alle Ausgaben gehen auf Darlehen aus dem Ausland zurück, d.h. wir ,ernähren‘ uns direkt von Krediten. Das bedeutet, dass alle Ausgaben strikt mit den Hauptgläubigern abgestimmt werden müssen.“

Unabhängig davon, wie der ukrainische Haushalt letztlich aussehen wird, könne er sich schnell wieder ändern, heißt es in Strana weiter. Denn der Hauptzweck für das Fortbestehen der ukrainischen Regierung besteht darin, den Krieg auf Geheiß ihrer imperialistischen Geldgeber fortzusetzen – koste es, was es wolle. 

Pendsin erklärte gegenüber Strana: „All diese Leute, die jetzt Lobbyismus für ihre Interessen betreiben, sollten im Hinterkopf behalten, dass das meiste Geld in den Krieg fließen wird. Es ist möglich, dass die Mittel für die Armee, die ohnehin schon auf Rekordniveau liegen, nochmals erhöht werden müssen. Und die restlichen Ausgaben werden gekürzt werden. Außerdem muss jede einzelne Ausgabe mit den Gläubigern abgesprochen werden. In einer derartigen Situation sehe ich nicht viel Handlungsspielraum. Natürlich wird es alle möglichen ,kleinen‘ Ausgabeposten geben, die sie versuchen werden, für jemanden zu strecken.“ 

Die massiven Ausgaben für den Krieg im Vergleich zu den gekürzten Sozialausgaben zeigen den reaktionären Charakter der ukrainischen Regierung, die den Krieg als Vorwand für einen Angriff auf die eigene Arbeiterklasse benutzt hat. 

Im August bewilligte Präsident Wolodymyr Selenskyj das Gesetz 5371, das so genannte Arbeitsgesetz. Durch das Gesetz verlieren die Arbeiter in kleinen und mittelständischen Unternehmen jeden Arbeitnehmerschutz. Anfang Juli hatte die Selenskyj-Regierung ein Gesetz verabschiedet, das es Arbeitgebern erlaubt, ins Militär eingezogenen Arbeitern keinen Lohn zu zahlen. Ein weiteres Gesetz legalisierte Null-Stunden-Verträge, die es den Arbeitgebern ermöglichen, den unter Vertrag stehenden Arbeitern zu verbieten, eine andere Arbeit anzunehmen, und gleichzeitig die Arbeitszeit so weit zu reduzieren, wie es dem Unternehmen nützt. Weitere Entwürfe sahen die Einführung des Zwölf-Stunden-Tags und die Möglichkeit für die Arbeitgeber vor, Arbeiter ohne Begründung zu entlassen. 

Abgesehen von dem Krieg selbst werden auch diese reaktionären Maßnahmen größtenteils von den USA und der EU finanziert. Am Donnerstag verabschiedete der US-Senat ein Notfallfinanzierungsgesetz, mit dem die Ukraine weitere 12,3 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt werden. Mit diesem und früheren Hilfspaketen haben die USA der Ukraine bereits 65 Milliarden Dollar zugesagt. Die New York Times schrieb dazu: „Dies ist die höchste Summe an Militärhilfe, welche die USA seit fast einem halben Jahrhundert, seit dem Vietnamkrieg, einem Land in einem einzigen Jahr zur Verfügung gestellt haben.“

Sollten die USA weiterhin auf diesem Niveau Geld zuschießen, könnten die amerikanischen Steuerzahler mehr als die Hälfte des geplanten ukrainischen Haushalts für 2023 in Höhe von 70 Milliarden Dollar finanzieren. Gleichzeitig haben die USA eine Ausweitung ihrer Industriebasis angekündigt, da sie mit einem „jahrelangen“ Krieg in der Ukraine rechnen. 

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